Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der Antragstellerin Ä*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Antragsgegner L*****, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, es wolle festgestellt werden
1. dass die vorzeitige Ernennung zum Oberarzt keine Auswirkung auf die nächste Zeitvorrückung hat, welche alle zwei Jahre auf Basis des zum Eintrittszeitpunkt ermittelten Vorrückungsstichtags erfolgt;
2. dass die Anerkennung zum Facharzt im Zeitraum vom 1. 1. 2015 bis 28. 2. 2018 keine Auswirkung auf die nächste Zeitvorrückung hat, welche alle zwei Jahre auf Basis des zum Eintrittszeitpunkt ermittelten Vorrückungsstichtags erfolgt,
wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Antragsteller und Antragsgegner sind kollektivvertragsfähige Körperschaften (RIS-Justiz RS0051116 [T2] 9 ObA 40/19a).
Die Antragstellerin begehrt die im Spruch wiedergegebene Feststellung. Es sei mit 1. 1. 2015 für die beim Antragsgegner beschäftigten Ärzte ein neues Entlohnungsschema in Kraft getreten („SI-Vereinbarung NEU“). Durch dieses Schema solle der durch die ebenfalls mit 1. 1. 2015 in Kraft getretene Novelle zum KA-AZG entstehende Einkommensnachteil wegen Reduktion der Wochenarbeitszeit bzw wegen Wegfalls von Nachtdiensten ausgeglichen werden. In § 3 Z 5 SI-Vereinbarung NEU sei festgelegt worden, dass Fachärzte grundsätzlich 8 Jahre nach ihrer Anerkennung zum Oberarzt (mit höherem Gehalt) ernannt werden, aber bei besonderer Kompetenz auch vorzeitig in diese Gruppe aufsteigen können. Eine solche Ernennung sei mit einer außerordentlichen Vorrückung innerhalb der für Fachärzte vorgesehenen Funktionsgruppe sI-4 in die Entlohnungsstufe 5 verbunden.
Das bis 31. 12. 2014 geltende alte Gehaltsschema habe ebenfalls qualifikationsabhängige Vorrückungen enthalten, dies unabhängig von den Zeitvorrückungen, die sich nach dem Vorrückungsstichtag richteten. Diese Vereinbarung sei durch folgende Novellen in das Gesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk. L-DBR) übernommen worden.
Der Antragsgegner vertrete den Standpunkt, dass mit der Bestellung eines Facharztes zum Oberarzt entsprechend den Bestimmungen des Stmk. L-DBR ein neuer Vorrückungsstichtag ausgelöst werde.
Zwischen den Verfahrensparteien sei aufgund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Feststellungsverfahren 9 ObA 40/19a geklärt und nunmehr unstrittig, dass die Vorrückungsstichtage der bei der Antragsgegnerin beschäftigten Ärzte im Fall der Anerkennung zum Facharzt nicht neu festgesetzt werden. Die Antragsgegnerin stelle sich aber auf den Standpunkt, dass ungeachtet dessen eine Zeitvorrückung in die nächste Gehaltsstufe nicht schon bei Erreichen des nächsten Vorrückungstermins in der bisherigen Gehaltsgruppe, sondern erst nach 2 Jahren ab der Umstufung in die Gruppe der Oberärzte stattfinde. Dies bedeute im Ergebnis eine Verschiebung des Vorrückungsstichtags zum Nachteil des Dienstnehmers und sei durch die SI-Vereinbarung NEU und das Stmk. L-DBR nicht gedeckt. Nach dem Verständnis der Antragstellerin seien zeitabhängige Vorrückungen unabhängig vom Gruppenwechsel regelmäßig alle zwei Jahre durchzuführen.
Der Antragsgegner begehrt in seiner Stellungnahme die Abweisung bzw Zurückweisung des Feststellungsantrags.
Die umfassenden Regelungen der SI-Vereinbarung NEU seien vom Landesgesetzgeber in das für die vom Antrag betroffenen Ärzte geltende Stmk. L-DBR eingearbeitet worden, wobei die hier relevanten Bestimmungen in den §§ 153, 191a–193 Stmk. L-DBR zu finden seien.
In § 191a Abs 2 Z 1 Stmk. L-DBR werde Fachärzten neben der zeitlichen Vorrückung, die nach Anerkennung als Facharzt eine achtjährige fachärztliche Verwendung voraussetze, die Möglichkeit eingeräumt, bereits nach drei Jahren Verwendung bei gleichzeitiger Erfüllung eines vorgegebenen Kompetenzlevelkatalogs und unter Einbindung von Vorgesetzten und Kollegen zum Oberarzt ernannt zu werden. Mit einer solchen vorzeitigen Ernennung sei eine außerordentliche Vorrückung in die für Oberärzte geltende Mindestgehaltsstufe verbunden.
Es werde bestritten, dass die bis 31. 12. 2014 in Geltung gestandenen Gesetzesbestimmungen ebenfalls derartige nicht dienstzeit-, sondern qualifikationsabhängige Vorrückungen enthalten hätten, die in das neue Gehaltsschema übernommen worden wären. Vielmehr habe es im alten System, nach dessen Diktion alle Fachärzte Oberärzte gewesen seien, für diese eine Mindesteinstufung gegeben. Im neuen System seien von der Qualifikation abhängige Entlohnungsgruppen definiert, die von Turnus-, Assistenz- und Stationsärzten (sI/1 bis 3) zu Fachärzten (sI/4) reichten. Innerhalb der Gruppe sI/4 sei für Oberärzte (nach der neuen Diktion) als Mindesteinstufung die Entlohnungsstufe 5 vorgesehen. Ein außerordentlich frühestens nach drei Jahren zum Oberarzt ernannter Facharzt, der sich mindestens in sI/4 Stufe 2 befunden habe, springe dadurch abweichend von der zeitlichen Vorrückung um bis zu drei Gehaltsstufen hinauf und könne damit bis zu knapp fünf Jahre früher als bei Durchlaufen der zeitlichen Vorrückung eine Entlohnung nach sI/4 Stufe 5, verbunden mit einem außerordentlich hohen Gehaltssprung von Stufe 4 auf 5, erreichen. Die Lebensverdienstsumme dieses vorzeitig ernannten Oberarztes werde dadurch im Vergleich zu einem Facharzt, der die regulären Zeitvorrückungen acht Jahre durchläuft, unabhängig vom Termin der nächsten Biennalvorrückung höher.
In § 193 Abs 2 Stmk. L-DBR idgF sei nun auch ausdrücklich vorgesehen, dass mit Vollendung der Ausbildung zum Facharzt und Fortsetzung des Dienstverhältnisses in fachärztlicher Verwendung bei gleichzeitiger Überstellung in die Entlohnungsgruppe sI/4-1 der Vorrückungsstichtag gemäß § 256a Stmk. L-DBR mit dem Tag der Überstellung neu festgesetzt wird und für die weitere Vorrückung zu den Terminen gemäß § 153 Abs 2 leg cit mit Ablauf von zwei Jahren nach Überstellung maßgebend ist. Die von der Antragstellerin begehrte Feststellung nehme auf diese Umstände keine Rücksicht.
In der Entscheidung 9 ObA 40/19a habe der Oberste Gerichtshof nur zum Vorrückungsstichtag nach der alten Rechtslage, aber ausdrücklich nicht zu den konkreten Vorrückungsterminen Stellung genommen. Die Änderung des § 193 Stmk. L-DBR sei überhaupt noch nicht Gegenstand dieses Feststellungsverfahrens gewesen.
Die Auffassung der Antragsgegnerin finde ihre Grundlage in den genannten gesetzlichen Bestimmungen und stehe auch mit dem zuvor in § 6 Abs 1 SI-Vereinbarung NEU festgehaltenen Zeitraum von zwei Jahren, der bis zur nächsten Vorrückung zu vergehen habe, in Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat zum Feststellungsantrag Folgendes erwogen:
1. Der Antrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG, der auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen gerichtet ist, muss einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist.
2. Gemäß § 54 Abs 4 ASGG hat der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden (RS0085712). Der Antragsgegner kann gegen den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt im Tatsachenbereich daher nichts vorbringen, sondern ist auf rechtliche Argumente beschränkt (RS0109384 [T2]; vgl RS0085670).
3. Ein Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG muss einen Sachverhalt enthalten, der ein Feststellungsinteresse begründet. Die Formulierung der Bestimmung deckt sich mit jener des § 228 ZPO. Danach kann das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten oder Rechtsverhältnissen mit Feststellungsklage dann geltend gemacht werden, wenn ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung besteht.
Feststellungsanträge zur Klärung abstrakter Rechtsfragen, welchen bloß eine theoretische Bedeutung zukommt, erfüllen die Voraussetzungen eines rechtlichen Interesses im Rahmen eines Feststellungsantrags nach § 54 Abs 2 ASGG nicht, weil abstrakte Rechtsfragen grundsätzlich nicht feststellungsfähig sind (RS0109383).
Das rechtliche Interesse an einer begehrten Feststellung setzt voraus, dass ein unmittelbarer aktueller Anlass zur Klageführung gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn infolge Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, die Unsicherheit für das Rechtsverhältnis zu beseitigen und künftige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern (RS0039202). Nichts anderes gilt im Fall des Antrags nach § 54 Abs 2 ASGG, der – ebenso wie eine Feststellungsklage – der Prävention und der Prozessökonomie dienen muss (8 Ob 57/97h; 9 ObA 9/99k; Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny3 III/1 § 228 ZPO Rz 75).
Das für die Behandlung des Antrags maßgebliche Tatsachenvorbringen der Antragstellerin ist, soweit darin auf das in einem anderen Verfahren (9 ObA 40/19a) erstattete Sachvorbringen verwiesen wird, unzulässig (RS0043616; RS0043579).
Der vorliegende Feststellungsantrag betrifft die Anwendung der Bestimmungen über die zeitliche Vorrückung der von der Antragsgegnerin in steiermärkischen Krankenhäusern beschäftigten Fachärzte und damit eine Rechtsfrage, die nach der Judikatur iSd § 228 ZPO feststellungsfähig ist (9 ObA 96/18k). Das Vorbringen, die Antragsgegnerin lege die Bestimmungen des Stmk. L-DBR über die Zeitvorrückung in die nächste Gehaltsstufe einer Gehaltsgruppe in einer Weise aus, dass den betroffenen Ärzten durch spätere Vorrückung ein finanzieller Nachteil entstehe, kann nach dem Zusammenhang nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte die Entlohnung der Betroffenen auch tatsächlich dieser Auffassung entsprechend vornimmt. Damit hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung gerade noch hinreichend deutlich dargetan.
4. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:
4.1. Das mit 1. 1. 2015 in Kraft getretene Entlohnungsschema „SI-Vereinbarung NEU“, abgeschlossen zwischen dem Antragsgegner als Dienstgeber sowie der Antragstellerin, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und dem Zentralbetriebsrat der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH als Vertreter der Spitalsärzte, enthält unter anderem ein neues Gehaltsschema und Bestimmungen über die Vorrückung (vgl 9 ObA 40/19a).
Dieser Vereinbarung entsprechend wurde in der Folge das Stmk. L-DBR wiederholt novelliert und enthält nun folgende für den Anlassfall wesentliche Regelungen:
„§ 153 Vorrückung
(1) Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag maßgebend. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, beträgt der für die Vorrückung in die zweite in jeder Gehaltsklasse in Betracht kommende Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre.
(2) Die Vorrückung findet an dem auf die Vollendung des zwei- oder fünfjährigen Zeitraumes folgenden 1. Jänner oder 1. Juli statt (Vorrückungstermin), sofern sie an diesem Tag nicht aufgeschoben oder gehemmt ist. Die zwei- oder fünfjährige Frist gilt auch dann als am Vorrückungstermin vollstreckt, wenn sie vor dem Ablauf des dem Vorrückungstermin folgenden 31. März beziehungsweise 30. September endet.“ (...)
Zur Einreihung der Vertragsbediensteten im Entlohnungsschema SI:
„§ 191a
(1) Die Vertragsbediensteten im Entlohnungsschema SI werden in folgende Entlohnungsgruppen eingereiht:
1. (...)
4. Entlohnungsgruppe sI/4, Fachärzte/ Fachärztinnen:
Fachärzte/Fachärztinnen sind Ärzte/Ärztinnen die eine fachärztliche Ausbildung absolviert haben, als Facharzt/Fachärztin durch Facharztdekret anerkannt und fachärztlich verwendet werden;
(2) In der Entlohnungsgruppe sI/4 sind folgende Funktionsgruppen vorgesehen:
1. Oberärzte/Oberärztinnen:
das sind Fachärzte/Fachärztinnen, die zumindest drei Jahre als Facharzt/Fachärztin tätig sind und bei der Erfüllung des Kompetenzlevelkatalogs auf Antrag des Abteilungsleiters/der Abteilungsleiterin unter Einbindung der an der Abteilung bereits tätigen Oberärzte/Oberärztinnen zum Oberarzt/zur Oberärztin ernannt werden. Jeder Facharzt/Jede Fachärztin wird spätestens acht Jahre nach seiner/ihrer Anerkennung zum Facharzt/zur Fachärztin zum Oberarzt/zur Oberärztin ernannt.“
Mit der Novelle LGBl 49/2019 wurde § 191a Abs 2 Z 1 Stmk. L-DBR mit Wirksamkeit ab 1. 7. 2019 (§ 306 Abs 30 Z 9) um folgenden Satz ergänzt:
„Jeder Facharzt/Jede Fachärztin wird spätestens nach achtjähriger Tätigkeit gemäß § 256a Abs. 1 Z 2 als Facharzt/Fachärztin zum nächstmöglichen Vorrückungstermin zum Oberarzt/zur Oberärztin ernannt.“
Zur Vorrückung der Ärzte bestimmt weiters § 193 Abs 2 Stmk. L-DBR in der ab 1. 7. 2019 geltenden Fassung:
„Der Arzt/Die Ärztin wird nach Vollendung der Ausbildung zum Facharzt/zur Fachärztin, sofern das Dienstverhältnis nach der Vollendung der Ausbildung zum Facharzt/Fachärztin fortgesetzt und er/sie auch als Facharzt/Fachärztin verwendet wird, ab dem der Anerkennung als Facharzt/als Fachärztin folgenden Monatsersten in die Entlohnungsgruppe sI/4, Entlohnungsstufe 1 überstellt. Die Vorrückung in die nächsthöhere Entlohnungsstufe erfolgt zu den Vorrückungsterminen gemäß § 153 Abs 2 mit Ablauf von zwei Jahren nach Überstellung. Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag gemäß § 256a maßgebend, der mit dem Tag der Überstellung neu festgesetzt wird.“
Der für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe sI/4 maßgebliche § 256a Stmk. L-DBR hatte bis zum 28. 2. 2018 folgenden hier wesentlichen Wortlaut:
„Abweichend von § 256 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages (...)
2. für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe SI/4 die Zeit, die in einer fachärztlichen Verwendung (...) zurückgelegt worden ist.“
Mit der Novelle LGBl Nr 17/2018 wurde § 256a Stmk. L-DBR mit Wirksamkeit ab 1. 3. 2018 teilweise abgeändert und um einen Abs 4 ergänzt:
„(1) Abweichend von § 256 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen: (...)
2. für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe sI/4 die Zeit, die in einer fachärztlichen Verwendung in einem Dienstverhältnis (...) jeweils bis zum Ausmaß von zehn Jahren zurückgelegt worden ist. (...)
(4) Abweichend von § 153 beträgt der für die Vorrückung in die zweite in Betracht kommende Entlohnungsstufe erforderliche Zeitraum zwei Jahre.“
5. In der Entscheidung 9 ObA 96/18k vom 27. 9. 2018 stellte der Oberste Gerichtshof aufgrund der Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG des Betriebsrats eines von der Antragsgegnerin betriebenen Landeskrankenhauses gegenüber dem Antragsgegner (dort Beklagten) fest, dass die Vorrückungsstichtage der vom Beklagten im bezeichneten Landeskrankenhaus beschäftigten Ärzte im Fall ihrer vorzeitigen Bestellung zum Oberarzt nicht neu festgesetzt werden, weil weder das Stmk. L-DBR noch die SI-Vereinbarung dafür eine Rechtsgrundlage bieten.
6. Mit Beschluss vom 25. 6. 2019, 9 ObA 40/19a, stellte der Oberste Gerichtshof in einem zwischen den auch hier beteiligten Parteien geführten Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG fest, dass die Vorrückungsstichtage der von der Antragsgegnerin in Krankenhäusern beschäftigten Ärzte im Zeitraum vom 1. 1. 2015 bis 28. 2. 2018 im Falle der Anerkennung zum Facharzt nicht neu festgesetzt werden.
Zu der nach dem 1. 3. 2018 geltenden, teilweise geänderten Gesetzeslage war wegen des begrenzten Antragszeitraums in der Entscheidung 9 ObA 40/19a nicht Stellung zu nehmen.
7. Im ersten Teil ihres Begehrens strebt die Antragstellerin die Feststellung an, dass die früher als nach acht Jahren ab Erwerb der Facharztqualifikation erfolgte Ernennung eines Facharztes zum Oberarzt keine Auswirkung auf dessen nächste Zeitvorrückung habe, sondern diese weiterhin nur auf Basis des zum Eintrittszeitpunkts ermittelten Vorrückungsstichtags zu erfolgen habe. Davon ausgehend müsse der neu ernannte, aufgrund seiner Funktion in sI/4 Stufe 5 höhergereihte Oberarzt nicht in jedem Fall zwei Jahre auf dieser Gehaltsstufe verbleiben, sondern schon früher – abhängig von der Lage seines individuellen Vorrückungsstichtags – in die Stufe 6 weiter vorrücken.
7.1. Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Vorrückung des vorzeitig ernannten Oberarztes zu einer „Wartegehaltsstufe“ führen würde, weil er nach seinen bisherigen zeitlichen Vorrückungen die Stufe 5 noch gar nicht erreichen könnte, ist im Gesetzeswortlaut nicht begründet.
Nach § 193 Abs 2 Stmk. L-DBR findet die Vorrückung des Facharztes innerhalb der Gehaltsgruppe sI/4 jeweils in die „nächsthöhere“ Entlohnungsstufe statt. Als Bezugspunkt kommt dabei nur jene Stufe in Frage, in der sich der Arzt vor der Vorrückung gerade befindet. Eine Anordnung, dass es im Fall einer vorzeitigen Vorrückung wegen Ernennung zum Oberarzt in der Folge zu einem Aussetzen weiterer Vorrückungen käme, besteht nicht. Ein solches Verständnis kann dem Gesetz nicht unterstellt werden. Würde – als Konsequenz aus dieser Auffassung – doch einem wegen besonderer Leistungen vorzeitig ernannten Oberarzt nach mehrjähriger Erfahrung in dieser Position immer noch nur das gleiche Gehalt zustehen wie dem Facharzt, der erst viel später zum Oberarzt avanciert ist. Dieses Ergebnis stünde mit dem klaren Zweck der zeitlichen Vorrückung in Widerspruch, die wachsende praktische Erfahrung der Fachärzte durch regelmäßige Gehaltserhöhungen zu honorieren.
7.2. Seit der Entscheidung 9 ObA 40/19a wurden die gesetzlichen Grundlagen insoweit wesentlich geändert, als § 193 Abs 2 Stmk. L-BDR idF LGBl 49/2019 für Ärzte, die nach Vollendung ihrer Ausbildung als Fachärzte weiter verwendet werden, jetzt eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags und den Zeitpunkt der nächsten zeitlichen Vorrückung mit ab Ablauf von zwei Jahren nach dem Datum der Überstellung in die Gehaltsgruppe sI/4 festlegt.
Eine vergleichbare Regelung fehlt in § 193 Abs 4 Stmk. L-DBR für den Fall der Ernennung eines Facharztes zum Oberarzt mit Erhöhung des Gehalts auf die Stufe 5 der – unverändert bleibenden – Gehaltsgruppe sI/4. Für diesen Fall hat sich daher am Ergebnis der Entscheidung 9 ObA 40/19a nichts geändert, wonach weder die gesetzlichen Vorschriften des Stmk. L-DBR noch die Regelungen der SI-Vereinbarung eine Rechtsgrundlage für eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags der in den von der Antragsgegnerin betriebenen Landeskrankenhäusern beschäftigten Oberärzte bieten.
Es besteht bei der innerhalb desselben Gesetzesparagrafen vorgenommenen unterschiedlichen Behandlung der Fachärzte, die mit Beendigung ihrer Ausbildung in eine neue Gehaltsgruppe überstellt werden, und der in derselben Gehaltsgruppe verbleibenden, lediglich höher eingestuften Oberärzte kein Grund für die Annahme eines gesetzgeberischen Versehens. Eine planwidrige Regelungslücke, die einer Schließung durch Analogie zugänglich wäre, liegt hier nicht vor.
7.3. Der Antragsgegner stützt sich daher in seiner Stellungnahme auf §§ 153 Abs 1 und 2 sowie 256a Abs 4 Stmk. L-DBR idgF, der festlegt, dass abweichend von § 153 leg cit der für die Vorrückung in die zweite in Betracht kommende Entlohnungsstufe erforderliche Zeitraum zwei Jahre beträgt.
Diese Regelung bezieht sich nur auf die erste Gehaltsstufe der Gehaltsgruppe sI/4 und betrifft die nach absolvierter Facharztausbildung in diese überstellten Ärzte. Bei ihrer Ernennung zum Oberarzt haben diese Fachärzte bereits mindestens drei Jahre in der Gehaltsgruppe sI/4 verbracht und damit die erste Gehaltsstufe in jedem Fall hinter sich, unabhängig davon, ob sie vorzeitig oder nach der regulären Dauer von acht Jahren in die Funktion des Oberarztes gelangen.
Der Antragsgegner verweist aber grundsätzlich richtig darauf, dass eine am Zweck und System der Bestimmungen des Stmk. L-DBR über die Vorrückung der Ärzte zwischen dem Vorrückungsstichtag und dem Vorrückungstermin zu unterscheiden ist. Aus der Regelung des § 153 Stmk. L-DBR ist das Prinzip abzuleiten, dass ab der zweiten Gehaltsstufe immer nach zwei Jahren Verbleib in einer Stufe eine weitere Vorrückung stattfinden soll. Dieser Rythmus gilt immer, „soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist“, insbesondere auch für den Übergang vom Facharzt zum Oberarzt nach acht Jahren bzw 4 Gehaltsstufen der Gruppe sI/4.
Die vorzeitige Ernennung eines Facharztes nach § 193 Abs 4 Stmk. L-DBR zum Oberarzt verkürzt – wenn sie nicht zufällig mit einem regulären Vorrückungstermin zusammenfällt – mit der dadurch verbundenen außerordentlichen Vorrückung einmalig das gerade laufende Zweijahresintervall. Es ist aus dem Wortlaut und Zweck der Vorrückungsregeln aber nicht abzuleiten, dass sich diese Verkürzung auch auf die neue Gehaltsstufe sI/5 zu erstrecken hätte und eine weitere Vorrückung wiederum nach weniger als zwei Jahren stattfinden könnte.
Die Auslegung der Antragstellerin würde zu einem dem Gesetzeszweck widersprechenden Ergebnis führen. Der offenkundige Zweck der Mindesteinstufung gemäß § 193 Abs 4 Stmk. L-DBR ist es, alle neu ernannten Oberärzte gleich zu entlohnen, egal ob sie diese Funktion nach längerer oder kürzerer Dauer der Facharztdienstzeit erreicht haben. Mit den weiteren Zeitvorrückungen wird dann wieder die wachsende Erfahrung in dieser Position honoriert. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn ein vorzeitig ernannter Oberarzt lediglich wegen der zufälligen Lage seines früheren, durch den außerordentlichen Gehaltssprung überholten Vorrückungstermins unterschiedlich behandelt würde. Es wäre sachlich nicht begründet, wenn ein noch knapp vor seinem nächsten fachärztlichen Vorrückungstermin ernannter Oberarzt nach kürzester Zeit in dieser Funktion die nächste Gehaltsstufe erreichen könnte, während ein anderer, der unmittelbar nach einem Vorrückungstermin ernannt wurde, oder der durch Zeitablauf automatisch zum Oberarzt avanciert ist, trotz gleich langer Erfahrung erst wieder nach zwei Jahren weiter vorrückt.
7.4. Die Antragsgegnerin führt richtig aus, dass die vorzeitig zu Oberärzten ernannten Fachärzte auch nach ihrer Rechtsansicht nicht nur keinen Nachteil erleiden, sondern durch die frühere Vorrückung in eine höhere Stufe in jedem Fall eine höhere Lebensverdienstsumme erreichen als ihre erst später ernannten Kollegen. Es wird ihnen auch die zweijährige Vorrückung im Sinn des § 153 Stmk. L-DBR bei vorzeitiger Ernennung nicht nur nicht vorenthalten, sondern die zweijährige Frist mit der funktionsbezogenen Höherreihung einmalig verkürzt.
Der Antrag ist daher nicht berechtigt.
8. Mit ihrem zweiten Begehren will die Antragstellerin festgestellt haben, dass die im Zeitraum vom 1. 1. 2015 bis 28. 2. 2018 erfolgte Anerkennung zum Facharzt keine Auswirkung auf den Termin der nächsten Zeitvorrückung habe.
Aufgrund der Entscheidung 9 ObA 96/18k steht zwischen den Parteien dieses Verfahrens fest, dass die Facharztanerkennung im genannten Zeitraum keine Grundlage für eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags gebildet hat. Die Weitergeltung des bisherigen Vorrückungsstichtags ist grundsätzlich auch für den Fortlauf der regelmäßigen Zeitvorrückungen maßgebend.
Nach § 153 Abs 1 Stmk. L-DBR beträgt der für die Vorrückung in die zweite in jeder Gehaltsklasse in Betracht kommende Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre. In § 6 Abs 1 SI-Vereinbarung NEU wurde dieser Fünfjahreszeitraum für die betroffenen Ärzte bereits vor dem erst mit 1. 3. 2018 in Kraft getretenen § 256a Abs 4 Stmk. L-DBR auf zwei Jahre verkürzt.
Mit der Anerkennung zum Facharzt wird der vorherige Assistenzarzt von der Funktions- bzw Gehaltsgruppe sI/2 in die neue Funktionsgruppe sI/4 überstellt.
Mit einer Überstellung in die neue Funktionsgruppe sI/4 wurde nach § 153 Abs 1 Stmk. L-DBR aber auch nach der vor dem 1. 3. 2018 geltenden Rechtslage ein neues Vorrückungsintervall begründet. Der Antragsgegner ist damit im Recht, dass auch hier zwischen dem (im maßgeblichen Antragszeitraum unverändert gebliebenen) Vorrückungsstichtag und dem Vorrückungstermin zu unterscheiden ist, dessen Lage sich einerseits aus dem Vorrückungsstichtag und andererseits aus dem Lauf der gesetzlichen Fristen ergibt.
Das zweite Antragsbegehren steht mit dieser Rechtslage nicht im Einklang, sodass der Feststellungsantrag in diesem Umfang abzuweisen war.
Textnummer
E129957European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00089.20A.1023.000Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020