TE OGH 2020/11/18 13Os82/20p

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Veröffentlicht am 18.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Dr. Koller in der Strafsache gegen Timor A***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 8. Juli 2020, GZ 13 Hv 60/20x-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Timor A***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I) und des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in T***** vorsätzlich seine Ehefrau Sana A*****

(I) am 31. Jänner 2020 am Körper verletzt, indem er ihr einen wuchtigen Faustschlag in das Gesicht versetzte, wodurch sie ein Hämatom am linken Auge erlitt, und

(II) am 4. Februar 2020 getötet, indem er ihr mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 24 cm zahlreiche Stich- und Schnittverletzungen zufügte, wodurch ihre Brust- und ihre Bauchhöhle eröffnet und mehrere Organe (Herz, Lunge, Zwerchfell, Leber, Darm, Gebärmutter) perforiert wurden, sodass Sana A***** verblutete.

Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung bejahten die Geschworenen die anklagekonform gestellte Hauptfrage 2 nach dem Verbrechen des Mordes (§ 75 StGB). Die für den Fall der Verneinung dieser Hauptfrage gestellte Eventualfrage 3 nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) blieb folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 44 S 22 f) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Beschwerdeführers auf Vernehmung der Nafisa M*****, des Mirwais R***** und der Susan R***** als Zeugen „zum Beweise dafür, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat in wilder Panik und Todesangst um seine Familienangehörigen in Afghanistan gewesen sei, weil diese vom Vater und vom Onkel seiner Frau unmittelbar und ernsthaft mit dem Tod bedroht worden seien und er sich daher durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zur Tat hinreißen habe lassen“ (ON 44 S 22 f), Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Einschätzungen einer Person zur psychischen Verfassung eines Dritten sind nämlich von vornherein kein Gegenstand des Zeugenbeweises (§ 154 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0097540, RS0097545 und RS0097573; Kirchbacher, WK-StPO § 247 Rz 5 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352); ebenso wenig die Beantwortung von Rechtsfragen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343), etwa jener nach der allgemeinen Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung (dazu RIS-Justiz RS0092277).

Die Antragsprämisse, unmittelbar vor der Tat sei es zu (Todes-)Drohungen von Verwandten des Opfers gegenüber Angehörigen des Beschwerdeführers gekommen, galt im Übrigen auch dem Schwurgerichtshof als erwiesen (ON 44 S 23; § 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0099135; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 

342).

Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0099618).

Ebenso wie in Hauptfragen (§ 312 StPO) ist auch in Eventualfragen (§ 314 StPO) die Tat zu individualisieren und zu konkretisieren (RIS-Justiz RS0100624, RS0100780, RS0119082; Lässig, WK-StPO § 312 Rz 17 ff und § 314 Rz 1).

Weshalb es dazu in der Eventualfrage 3 – über die konkrete, auf alle gesetzlichen Merkmale des § 76 StGB bezogene Fragestellung hinaus – der „Aufzählung der gesamten [...] Verantwortung des Angeklagten“ bedurft haben sollte, macht die Fragenrüge (Z 6) nicht deutlich.

Die Instruktionsrüge (Z 8) behauptet eine irreführende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (vgl RIS-Justiz RS0100859; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 58) infolge angeblicher „Darlegung der Rechtsbelehrung zum Totschlag nur bei der Eventualfrage“.

Dabei lässt sie außer Acht, dass die Belehrung (§ 321 StPO) zur Hauptfrage 2 den vermissten Bezug ausdrücklich herstellt („Auch eine im Affekt begangene vorsätzliche Tötung eines anderen kann Mord sein, wenn nicht die geforderten Voraussetzungen für die Privilegierung einer vorsätzlichen Tötung als Totschlag [§ 76 StGB; vgl. untenstehende Ausführungen zur Eventualfrage] vorliegen“ [Rechtsbelehrung S 8]). Indem sie es solcherart verabsäumt, die Rechtsbelehrung (§ 321 StPO, § 323 Abs 1 StPO und § 327 StPO; vgl RIS-Justiz RS0125434) als Ganzes in den Blick zu nehmen, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0100695 [T4, T7]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 StPO iVm § 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 344 StPO iVm § 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E129963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00082.20P.1118.000

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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