TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/20 LVwG-318-66/2020-R9

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Veröffentlicht am 20.10.2020
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Entscheidungsdatum

20.10.2020

Norm

AVG §38
AVG §56
BauG Vlbg 2001 §4 Abs2

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Eva-Maria Längle über die Beschwerde der R B GmbH, Bregenz, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH, Feldkirch, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt H vom 13.07.2020 betreffend einen in einem Bauverfahren erlassenen Feststellungsbescheid nach § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin für ein geplantes Bauvorhaben (= Errichtung einer Wohnan-lage mit 22 Wohneinheiten auf GST-NR XXX, GB H) keine rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne des § 4 Abs 2 Baugesetz (BauG) besitzt.

2.   Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass Beschwerdegegenstand der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt H vom 13.07.2020 zur Aktenzahl XX bilde. Der angefochtene Bescheid sei der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 14.07.2020 zugestellt worden, die hier gegenständliche Beschwerde sei daher rechtzeitig. Der angefochtene Bescheid werde seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Beantragt werde die Abänderung im Sinne einer Feststellung, dass für das geplante Bauvorhaben eine rechtlich gesicherte Zufahrt gemäß § 4 Abs 2 BauG gegeben sei, eventualiter die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung. Als Beschwerdegründe würden wesentliche Verfahrensmängel und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht: Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweise sich in mehrerlei Hinsicht als unzureichend. Gemäß § 52 Abs 1 AVG seien, sofern die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig werde, die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Nur wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen würden oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten sei, könne die Behörde ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen (§ 52 Abs 2 AVG). In Missachtung dieser gesetzlichen Vorgaben habe es die belangte Behörde unterlassen, ihrer Entscheidung ein Gutachten eines geeigneten Amtssachverständigen zugrunde zu legen. Stattdessen habe die Behörde bei einem – auch nicht gerichtlich beeideten – Ziviltechniker für Bauwesen ein Gutachten eingeholt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Der von der belangten Behörde beigezogene Ziviltechniker für Bauwesen sei weder ein Amtssachverständiger noch verfüge er über die erforderliche verkehrstechnische Sachkenntnis. Hätte die belangte Behörde unter Einhaltung der Vorgaben des § 52 AVG ein Gutachten bei einem verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt, so hätte dieser die von der Beschwerdeführerin vorgelegten gutachterlichen verkehrstechnischen Stellungnahmen bestätigt, wonach die auf den Liegenschaften GST-NRN YYY (Hausnr Y), ZZZ (Hausnr Z), UUU (Hausnr U) und VVV (Hausnr V), je KG H, bestehende Erschließungsstraße von der Gemeindestraße Rstraße (GST-NR WWW, KG H) bis zur Bauliegenschaft ausreichend sei. Abgesehen davon habe die Behörde wesentliches Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrens einfach außer Acht gelassen und bei ihrer Entscheidung in unzulässiger Weise den Akteninhalt und das Ergebnis des durchgeführten Verfahrens nicht berücksichtigt sowie den Akteninhalt in ihrer Entscheidung zum Teil falsch wiedergegeben. Die Beschwerdeführerin habe mit Äußerung vom 13.09.2019 vorgebracht, dass – unabhängig von der einge-räumten und zum Teil auch ersessenen Dienstbarkeit – aufgrund der unmissverständlichen Formulierung des § 30 Vorarlberger Straßengesetz (StraßenG) in Verbindung mit der gesetz-lich definierten stillschweigenden Widmung sowie der durch mehrere Jahrzehnte hindurch er-folgten Nutzung des Straßenkörpers durch einen unbekannten Adressatenkreis (Eigentümer, Besucher, Kunden, Interessenten, Lieferanten, Arbeiter,…) jedenfalls von einer öffentlichen Privatstraße ausgegangen werden könne. Die belangte Behörde habe dies zwar in der angefochtenen Entscheidung als Vorbringen der Beschwerdeführerin angegeben, sei darauf jedoch in ihrer Entscheidung nicht weiter eingegangen. Auch sei die Erklärung von M W aus der Verhandlungsniederschrift der Bezirkshauptmannschaft F vom 31.03.1960 falsch wiedergegeben worden, da sich diese nicht auf den vorgelegten „Bauplan“ und damit auf das konkrete Bauvorhaben bezogen habe, für welches eine Dienstbarkeit eingeräumt worden sein soll, sondern vielmehr auf den vorgelegten „Lageplan“ und damit auf die zugunsten der Liegenschaft GST-NR XXX, KG H, von ihr eingeräumte und auf dem Plan von DI M aus dem Jahre 1959 dargestellte und beschriebene uneingeschränkte Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens bis zur Eröffnung der neuen Straße. Hätte die Behörde die Erklärung der seinerzeitigen Dienstbarkeitsgeberin richtig zitiert und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, hätte sie zum Ergebnis gelangen müssen, dass diese Dienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft GST-NR XXX zwar zeitlich befristet bis zur Eröffnung der neuen Straße, ansonsten jedoch ohne Einschränkung eingeräumt worden sei. Falsch wiedergegeben worden seien auch die Ausführungen der Verkehrsingenieure B und P in ihrer ergänzenden Stellungnahme. Darin würden diese nicht festhalten, dass eine „Begegnung von zwei kleineren PKW (4,74 m statt dem RVS-Regelfahrzug mit 5,1 m) nur möglich sei, wenn diese langsam fahren und die Straße in diesem Bereich auf die gesamte mögliche Breite ausgebaut werden würde.“ Von einem erforderlichen Ausbau sei nicht die Rede. Vielmehr würden die verkehrstechnischen Sachverständigen ausführen, dass eine Schleppkurvenprüfung ergeben habe, „dass unter Benutzung der heute vorhandenen Verkehrsflächen beim Knoten Rstraße/Privatstraße der Begegnungsfall von 2 PKW mit einer Länge von 4,74 m bei langsamer Fahrt möglich sei. Mit einer Länge von 4,74 m sei ein großer Teil der Fahrzeugflotte abgedeckt.“ Hinsichtlich der Begegnung von zwei RVS-Regelfahrzeugen mit einer Länge von jeweils 5,10 m sei ausgeführt worden, dass die Prüfung ergeben habe, „dass der Begegnungsfall zweier RVS Fahrzeuge mit einer Länge von 5,10 m im Knotenbereich unter Ausnutzung der Katastergrenze knapp möglich ist. Allerdings muss ein Fahrzeug dabei kurz reversieren.“ Hätte die belangte Behörde ihrer Entscheidung die tatsächlichen Ausführungen der verkehrstechnischen Sachverständigen zugrunde gelegt, hätte sie zum Ergebnis gelangen müssen, dass unter Zugrundelegung des den Vorgaben des Vorarlberger Straßengesetzes entsprechenden rechtmäßigen Zustandes im Kreuzungsbereich Rstraße/öffentliche Privatstraße selbst eine Begegnung von RVS-Regelfahrzeugen möglich sei und ausgehend davon eine rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche gegeben sei, die der beabsichtigten Verwendung des Bauwerkes entspreche. Dies allein belaste den angefochtenen Bescheid bereits mit Rechtswidrigkeit. Abgesehen davon, dass zu den entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen klare Feststellungen samt entsprechender Beweiswürdigung dazu fehlen würden, erweise sich die angefochtene Entscheidung insbesondere auch aus folgenden Gründen als inhaltlich rechtswidrig: Die Ausführungen der belangten Behörde zu Dienstbarkeiten im Allgemeinen als auch iZm der über die Liegenschaften GST-NRN YYY, ZZZ, UUU und VVV, je KG H, bereits im Jahr 1959 eingeräumten Dienstbarkeit würden zum Teil zwar zutreffen, wesentliche Aspekte würden von der belangten Behörde jedoch völlig außer Acht gelassen bzw falsch wiedergegeben. Wie bereits ausgeführt wurden sei, sei es nicht zutreffend, dass die im Jahre 1959 eingeräumte Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens beschränkt auf das seinerzeit geplante Vorhaben eingeräumt worden sei. Aus dem der eingeräumten Dienstbarkeit zugrundeliegenden Plan des DI M aus dem Jahre 1959 ergebe sich, dass es sich um eine „Wegdienstbarkeit zugunsten der GST-NRN XXX bis ZZZ bis zur Eröffnung der neuen Straße“ handle. Hier werde keinerlei Bezug genommen auf irgendwelche konkreten Bauvorhaben, da es diese zum damaligen Zeitpunkt in dieser Form auch noch gar nicht gegeben habe. Vielmehr sei auf diesem Weg eine rechtlich gesicherte uneingeschränkte Zufahrt zu den im Rahmen eines Umlegungsverfahrens erst neu entstandenen Grundstücken geschaffen worden. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft F am 31.03.1960 sei von M W als damalige Eigentümerin der Liegenschaften, über die die gegenständliche Dienstbarkeit führe, hinsichtlich der eingeräumten Wegdienstbarkeit nicht auf das konkrete Bauvorhaben Bezug genommen. Vielmehr sei von ihr auf dem zuvor bereits angeführten Lageplan des DI M aus dem Jahre 1959 und damit auf die uneingeschränkte Wegdienstbarkeit „bis zur Erschließung des Baugrundstückes durch die verlängerte Kstraße“ verwiesen worden. Die von der belangten Behörde angegebene „unzulässige Erweiterung eines Wegeservitutes“ sei damit nicht gegeben. Sofern ausgeführt werde, dass die Dienstbarkeitstrasse nahezu rechtwinklig in einer Breite von 3 m in die Rstraße einmünde (und damit eigentlich keinen Einfahrtstrichter vorsehe), sei festzuhalten, dass gemäß den Ausführungen der verkehrstechnischen Sachverständigen in ihrer ergänzenden Stellungnahme bei vielen Dienstbarkeiten aus diesen Jahren erforderliche Ausrundungen nicht dargestellt worden seien. Dass ein solcher Einfahrtstrichter dennoch von Beginn an vorgesehen und auch umgesetzt worden sei, ergebe sich jedoch bereits aus dem Deckblatt zum Bauansuchen des R W aus dem Jahre 1960, auf dem ein entsprechender Einfahrtstrichter dargestellt worden sei, als auch aus den bereits im Behördenakt erliegenden Luftbildern aus den 70er und 80er Jahren, auf denen klar ersichtlich sei, dass es seit jeher einen großzügigen Einfahrtstrichter gegeben habe, und sei dieser Einfahrtstrichter auch seit jeher von allen, die zu den über die gegenständliche öffentliche Privatstraße erschlossenen Grundstücke zugefahren seien, benutzt worden. Zum Thema Ersitzung sei auszuführen, dass es sehr wohl zivilrechtlich möglich sei, über die im Jahre 1959 eingeräumte Dienstbarkeit mit einer Breite von 3 m hinaus an daran angrenzenden Flächen ein (zusätzliches) Wegerecht zu ersitzen und sei dies auch der Fall. Die von der Rstraße bis hin zur Bauliegenschaft errichtete (nunmehr öffentliche) Privatstraße habe seit jeher eine Breite zwischen 3,35 m und 3,7 m gehabt (vgl dazu auch die Ausführungen im verkehrstechnischen Gutachten der Verkehrsingenieure B und P vom September 2016). Durch die von den Eigentümern der öffentlichen Privatstraße über beinahe 60 Jahre geduldete und hingenommene Nutzung der Straße auch über die ursprünglich im Jahre 1959 eingeräumte Breite von 3 m hinaus sei zugunsten der Bauliegenschaft auch an den über die ursprüngliche Dienstbarkeitstrasse hinausgehenden Straßenflächen durch Ersitzung ein Wegerecht erworben. Wäre von den damaligen Eigentümern des GST-NR TTT, KG H (Geschwister B), nicht ohnehin auch zugunsten der Bauliegenschaft eine entsprechende – auch den Einfahrtstrichter umfassende – Dienstbarkeit eingeräumt worden, würde diese Ersitzung auch auf den Einfahrtstrichter zutreffen. Ebenfalls ersessen, weil über beinahe 60 Jahre als selbstverständlich hingenommen und geduldet, sei das Recht, die entlang der gegenständlichen öffentlichen Privatstraße errichteten Vorplätze und Hauszufahrten als Ausweichen zu nutzen. Auch die vom Ziviltechniker DI M (nicht jedoch von den verkehrstechnischen Sachverständigen) geforderten Ausweichen wären damit gegeben. Zusammenfassend sei somit festzuhalten, dass weder eine unzulässige Erweiterung eines Wegeservituts gegeben sei, noch würden rechtlich gesicherte Ausweichen (die noch dazu anhand der Ausführungen der verkehrstechnischen Sachverständigen in ihrer ergänzenden Stellungnahme aufgrund der Begegnungsmöglichkeit im Einfahrtsbereich der öffentlichen Privatstraße auch gar nicht erforderlich seien, da im Fall einer Begegnung das Passieren des Gegenverkehrs schlichtweg abgewartet werden könne) fehlen. Die angefochtene Entscheidung erweise sich daher als rechtswidrig. Wie seitens der Beschwerdeführerin bereits in ihrer Äußerung vom 13.09.2019 ausführlich dargelegt worden sei, handle es sich – unabhängig vom Ausmaß der zugunsten der Liegenschaft GST-NR XXX bestehenden Wegdienstbarkeiten – bei der gegenständlichen Privatstraße um eine öffentliche Privatstraße im Sinne des § 30 StraßenG. Darauf werde von der belangten Behörde in ihrer Entscheidung in unzulässiger Missachtung des Parteienvorbringens nicht einmal eingegangen. Im Hinblick auf die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Bauliegenschaft in der Vergangenheit (Tischlereibetrieb mit Liefer-, Kunden- und Arbeiterverkehr sowie Wohnobjekt, unbehelligter Verkehr von Interessenten der Bauliegenschaft über die Privatstraße) als auch aus der Erschließung der übrigen Liegenschaften über diese Privatstraße und der damit einhergehenden seit beinahe 60 Jahren gegebenen stillschweigenden Duldung des Gemeingebrauchs auf dieser Straße durch einen unbekannten Adressatenkreis ergebe sich, dass es sich bei dieser Straße um eine dem Gemeingebrauch gewidmete öffentliche Privatstraße im Sinne des § 30 StraßenG handle. Dies gelte im Übrigen nicht nur für die Straße an sich, sondern ausdrücklich auch für die – eigentlich einen Teil dieser Straße darstellenden – Ausweichen im Bereich der Zufahrten und Vorplätze der Wohnhäuser entlang dieser öffentlichen Privatstraße, da sich die Benutzer dieser Straße – wie die Eigentümer des Straßengrundes im Übrigen in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2018 selbst ausführen würden – seit jeher und regelmäßig damit beholfen hätten, bei Gegenverkehr auf die vorhandenen Vorplätze auszuweichen. Da die Eigentümer dieser Ausweichen damit durch weit mehr als 20 Jahre hindurch den Gemeingebrauch daran geduldet hätten, ohne durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen unmissverständlich zu erkennen zu geben, dass sie diesen Gemeingebrauch nicht oder nur vorübergehend dulden würden, liege auch hinsichtlich dieser Ausweichen eine dem Gemeingebrauch gewidmete Straße vor bzw würden diese Ausweichen einen Teil der dem Gemeingebrauch gewidmeten öffentlichen Privatstraße darstellen. Dass das Nutzen dieser Ausweichen lediglich bis auf jederzeitigen Widerruf erlaubt sein soll, stelle eine reine Schutzbehauptung dar, die bisher nie durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen unmissverständlich zu erkennen gegeben worden seien. Auch aus diesem Grund seien daher auch die vom Ziviltechniker DI M (nicht jedoch von den verkehrstechnischen Sachverständigen) geforderten Ausweichen vorhanden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei der gegenständlichen öffentlichen Privatstraße um eine Sackgasse handle, da die Benützung dieses Abschnittes der Rstraße samt Einfahrtstrichter und Ausweichen seit weit mehr als 20 Jahren einem vielleicht potenziell nicht sehr großen, aber doch unbestimmten Personenkreis offen gestanden sei und stehe, nämlich jedermann, der in diesen Bereich etwa mit Fahrzeugen oder auch zu Fuß gelangen wolle (vgl dazu VwGH 27.01.2009, 2008/06/0193). Aufgrund des Umstandes, dass es sich somit bei der gegenständlichen Privatstraße samt Einfahrtstrichter und Ausweichen um eine öffentliche Privatstraße handle, komme es auf den Umfang der zugunsten der Bauliegenschaft bestehenden Wegdienstbarkeiten – unabhängig davon, dass diese in ausreichendem Ausmaß gegeben seien –nicht weiter an. Dass es sich bei der gegenständlichen Privatstraße um eine öffentliche Privatstraße handle, an der Gemeingebrauch bestehe, sei auch daran ersichtlich, dass die Rstraße von der Stadt H bereits vor dem Jahr 1995 asphaltiert und auch der Einfahrtstrichter von der Stadt H bereits vor dem Jahr 1995 mit Randsteinen fixiert worden sei. Dies ergebe sich aus der Niederschrift der belangten Behörde über die am 28.06.2018 durchgeführte mündliche Verhandlung. Hätte es sich nicht bereits damals um eine dem Gemeingebrauch gewidmete öffentliche Privatstraße gehandelt, hätte die Stadt H diese Arbeiten mit Sicherheit nicht auf ihre Kosten durchführen lassen. Dies alles sei von der belangten Behörde – trotz des Vorbringens der Beschwerdeführerin dazu – in ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Hätte die belangte Behörde dies bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass sehr wohl eine rechtlich gesicherte, der beabsichtigten Verwendung des Bauwerkes entsprechende Verbindung mit der öffentlichen Verkehrsfläche gegeben sei. Auch aus diesem Grund erweise sich der angefochtene Bescheid daher als rechtswidrig. Aus dem verkehrstechnischen Gutachten der Verkehrsingenieure B und P vom September 2016 als auch aus der ergänzenden Stellungnahme derselben vom 19.09.2019 ergebe sich, dass die gegenständliche öffentliche Privatstraße in der Lage sei, den Verkehr der geplanten Wohnanlage sowie der bestehenden Wohneinheiten zu bewältigen. Entsprechend der im Gutachten zitierten Literatur würden die berechneten induzierten Verkehrszahlen (welche höher seien, als die von DI M angenommenen) innerhalb der von der Literatur als zulässig erachteten Verkehrsstärken für diesen Straßentyp liegen. Eine Schleppkurvenprüfung habe zudem ergeben, dass unter Benutzung der vorhandenen Verkehrsflächen beim Knoten Rstraße / öffentliche Privatstraße der Begegnungsfall von zwei PKW grundsätzlich je nach Ausbaustandard bei langsamer Fahrt möglich sei. Ein Ausbau der Rstraße auf die voll nutzbare Breite werde zwar empfohlen, sei jedoch nicht zwingend erforderlich. Angesichts des Umstandes, dass eine Begegnung im Kreuzungsbereich Rstraße / öffentliche Privatstraße möglich sei, sei nicht nachvollziehbar und auch mit den allgemeinen Lebenserfahrungen nicht vereinbar, weshalb schon aufgrund der vorhandenen Bebauung mit den Wohngebäuden Rstraße A und B keine ausreichende Sicht in den Verkehr auf der Rstraße gegeben sein soll. Eine solcherart geforderte Sicht auf den Verkehr sei auf beinahe keiner Gemeindestraße gegeben und anhand der schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Verkehrsingenieure B und P auch nicht erforderlich. Dass das gegebene Sichtfeld im Kreuzungsbereich Rstraße/öffentliche Privatstraße derzeit nicht ausreichend sei, werde sowohl von den Verkehrsingenieuren von B und P als auch vom Ziviltechniker DI M angeführt. Dieses nicht ausreichende Sichtfeld sei jedoch ein Problem des Bestandes, das in keinerlei Zusammenhang mit dem Bauvorhaben der Beschwerdeführerin stehe. Vielmehr sei dieses Problem mit den Jahren durch Missachtung der Vorgaben des Straßengesetzes durch die jeweiligen Grundeigentümer erst entstanden und habe es die Stadt H als zuständige Stelle bislang unterlassen, für einen dem Straßengesetz entsprechenden Zustand in diesem Bereich zu sorgen. Es wäre – schon seit vielen Jahren – Aufgabe der Stadt H, die die Benützung der Rstraße im Bereich der Kreuzung mit der gegenständlichen öffentlichen Privatstraße beeinträchtigenden Bepflanzungen und Einfriedungen beseitigen oder zumindest zurückschneiden zu lassen und damit für eine gefahrlose Benützung der Straße in diesem Bereich Sorge zu tragen. Das diesbezügliche Versäumnis der Stadt H als zuständige Stelle, der dieser Zustand spätestens seit Befassung mit dem gegenständlichen Bauantrag bekannt sein müsse, könne und dürfe nicht zulasten der Beschwerdeführerin gehen. Es wäre solcherart den Nachbarn und Anrainern geradezu selbst in die Hand gegeben, jegliches Bauvorhaben auf der Bauliegenschaft zu verhindern, indem sie unter Missachtung der Bestimmungen des Straßengesetzes und unter Duldung der dies eigentlich hintanzuhaltenden zuständigen Stelle die Benützung der Straße dermaßen beeinträchtigen würden, dass auf den durch diese Straße erschlossenen Liegenschaften aufgrund der gegebenen Sichtbeeinträchtigungen im Kreuzungsbereich mit der Rstraße nichts mehr gebaut werden dürfte. Angesichts der bereits für den gegebenen Bestand aufgrund der unzulässigen Bepflanzung an und zum Teil sogar auf der öffentlichen Straße nicht ausreichenden Sichtweiten dürfte auf der Bauliegenschaft nicht einmal ein Einfamilienhaus errichtet werden, da ausgehend vom derzeit gegebenen unrechtmäßigen Bestand die Sichtweiten selbst für die Erschließung eines Einfamilienhauses nicht ausreichen würden. Es sei jedoch einzig und allein Aufgabe und gesetzliche Verpflichtung der Stadt H, für die unabhängig vom gegenständlichen Bauvorhaben erforderlichen Sichtweiten im Bereich der Kreuzung Rstraße/öffentliche Privatstraße umgehend und dauerhaft Sorge zu tragen. Einzig und allein dieser, den Vorgaben des StraßenG entsprechende rechtmäßige Zustand im gegenständlichen Kreuzungsbereich sei sodann der Beurteilung, ob die Verbindung und die öffentliche Verkehrsfläche der beabsichtigten Verwendung des geplanten Bauwerkes entspreche, zugrunde zu legen. Alles andere wäre willkürlich und den diesbezüglichen Vorgaben des BauG als auch des StraßenG widersprechend, wobei an dieser Stelle auch noch anzumerken sei, dass es sich bei der Frage der rechtlich gesicherten Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche um gar kein Nachbarrecht im Sinne von § 26 BauG handle und diesen im diesbezüglichen Feststellungsverfahren daher auch gar keine Parteistellung zukomme. Aus all diesen Gründen erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und wäre stattdessen festzustellen gewesen, dass für das gegenständliche Bauvorhaben sehr wohl eine rechtlich gesicherte Verbindung mit der öffentlichen Verkehrsfläche bestehe, die der beabsichtigten Verwendung des Bauwerkes entspreche.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

3.1. Mit Eingabe vom 01.02.2018 (eingelangt am 09.02.2018) hat die Beschwerdeführerin bei der Stadt H um die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit Tiefgarage auf GST-NR XXX, GB H, angesucht.

Im gegenständlichen Bauverfahren hat die Beschwerdeführerin beim Bürgermeister der Stadt H eine mit 24.03.2020 datierte Säumnisbeschwerde eingebracht. Diese Säumnisbeschwerde, welche beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg am 16.07.2020 eingelangt ist und die Aktenzl LVwG-318-52/2020-R9 erhalten hat, ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

Die belangte Behörde hat bereits mit der Vorlage der Säumnisbeschwerde den nunmehr angefochtenen Bescheid vorgelegt. Dieser Bescheid ist der nunmehrigen Beschwerdeführerin am 14.07.2020 zugestellt worden.

3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde „nach § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG 1991 festgestellt, dass die R B GmbH, Mstraße, B, für das geplante Bauvorhaben zur Errichtung einer Wohnanlage mit 22 Wohneinheiten auf der Liegenschaft XXX, KG H, keine rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne des § 4 Abs 2 Vorarlberger Baugesetz besitzt.“

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, die am 11.08.2020 der Post übergeben wurde, ist rechtzeitig erhoben worden. Die belangte Behörde hat diese Beschwerde am 17.09.2020 dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Baubehörde hat im Bauverfahren keinen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG iVm § 24 Abs 3 lit c BauG bezüglich der Vorlage eines Nachweises einer rechtlich gesicherten Verbindung des Baugrundstückes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß § 4 Abs 2 BauG erlassen.

3.3. Das Baugrundstück befindet sich im Eigentum der R B GmbH. Das geplante Bauvorhaben umfasst die Errichtung von zwei Gebäuden mit insgesamt 22 Wohneinheiten, welche über die Tiefgarage baulich miteinander verbunden sein sollen.

Die Zufahrt zum Grundstück XXX, GB H, soll von der Rstraße, bei welcher es sich um eine Gemeindestraße handelt, über die Liegenschaften mit den GST-NRN YYY, ZZZ, VVV und UUU, alle GB H, erfolgen. Die ca 56 m lange Zufahrtstraße, die auch die Zufahrt zu den angeführten Grundstücken bildet, hat keine eigene Parzelle.

3.4. Die Beschwerdeführerin hat ihrem Bauantrag mehrere Unterlagen zum Nachweis einer rechtlich gesicherten Zufahrt gemäß § 24 Abs 3 lit c Baugesetz beigelegt. Unter anderem wurde ein Teilungsplan von DI F M, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, F, vom 26.08.1959, GZ (hinsichtlich der definitiven Parzellenbezeichnung bestätigt am 15.09.1959) vorgelegt, demnach besteht „eine Wegdienstbarkeit zugunsten der Gp XXX bis ZZZ bis zur Eröffnung der neuen Straße“.

Weiters wurde ein Verhandlungsprotokoll der Bezirkshauptmannschaft F vom 31.03.1960 vorgelegt; laut Pkt IV. lit a dieser Verhandlungsschrift hat M W, die damals die Eigentümerin der GST-NRN UUU bis ZZZ, alle KG H, war, „mit dem Bauwerber bereits eine privatrechtliche Vereinbarung getroffen, wonach dieser eine Wegdienstbarkeit zu Gunsten der zur Verbauung gelangenden Gp XXX entsprechend dem vorgelegten Lageplan bis zur Erschließung des Baugrundstückes durch die verlängerte Kstraße erhält.“

Der zitierten Verhandlungsschrift (s Pkt IV. lit c) vom 31.03.1960 kann weiters entnommen werden, dass festgestellt wurde, „dass die Zufahrt auch über ein Teilstück der Gp TTT, welche im Eigentum der Geschwister B steht, führt und daher auch hiefür eine Zustimmungserklärung erforderlich ist.“

Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin eine Vereinbarung vom 28.04.1960 vorgelegt. Demnach räumten H B, R J und S R-B „als Eigentümer der Grundparzelle TTT, KG H, das Fahrrecht über die genannte Grundparzelle zugunsten der Grundparzellen XXX, UUU, SSS, VVV und ZZZ, KG H, ein. Dieses Fahrrecht gilt nur auf der im Teilungsplan vom 26.08.1959 eingezeichneten Straße“.

Die Liegenschaft TTT, KG H, existiert nicht mehr; diese Liegenschaft wurde mit der GST-NR YYY, GB H, verbunden.

3.5. Mit Eingabe vom 20.11.1959 (eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft F am 29.12.1959) hat R W, G, erstmalig bei der Bezirkshauptmannschaft F um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Bau- und Möbeltischlerei auf GST-NR XXX, KG H, angesucht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 19.09.1960 wurde R W die baupolizeiliche Bewilligung und die gewerbepolizeiliche Genehmigung zur Errichtung einer Bau- und Möbeltischlerei auf GST-NR XXX, KG H, unter Auflagen erteilt.

Im Lageplan (M 1:1000), der einen Genehmigungsstempel aufweist (= genehmigt mit Be-scheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 19.09.1960 ist die Zufahrt über die GST-NRN ZZZ, SSS, VVV und UUU, alle KG H, eingezeichnet.

4.1. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2020 und aufgrund der Aktenlage, als erwiesen angenommen.

Bei der Verhandlung waren sowohl mehrere Vertreter vonseiten der Beschwerdeführerin anwesend als auch ein Vertreter der belangten Behörde. Die Vertreter der beiden Parteien haben keinen Einwand gegen die Verbindung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens mit dem Parallelverfahren LVwG-318-52/2020-R9 (betreffend die Säumnisbeschwerde derselben Beschwerdeführerin) erhoben.

Der Umstand, dass die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Behördenakt.

Aus dem vorgelegten Behördenakt ergibt sich, dass die belangte Behörde keinen Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG hinsichtlich des Nachweises einer rechtlich gesicherten Zufahrt erlassen hat. Dies wurde auch vom Vertreter der belangten Behörde bei der Verhandlung mündlich bestätigt (s Pkt 3.2.).

Die Feststellungen zum Baugrundstück und zum Bauvorhaben ergeben sich anhand der Aktenlage sowie aufgrund der durchgeführten Verhandlung.

Unstrittig ist, dass - wie dies aus Pkt 3.3. hervorgeht - die Zufahrt zum Baugrundstück über eine über die GST-NRN UUU, VVV, ZZZ und YYY, alle GB H, verlaufende Zufahrtsstraße, die in die Rstraße (Gemeindestraße) einmündet, erfolgen soll.

Die im Sachverhaltsteil Pkt 3.4. getroffene Feststellung, welche Unterlagen die Beschwerdeführerin der Baubehörde als Nachweis gemäß § 24 Abs 3 lit c Baugesetz vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Behördenakt.

Die weiters zitierte Vereinbarung vom 28.04.1960 ist auf der Rückseite des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Lageplanes abgedruckt, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 19.09.1960 genehmigt wurde.

Die Feststellungen zum ehemaligen GST-NR TTT, KG H, bzw zum nunmehrigen GSt-NR YYY, GB H, ergeben sich anhand der Aktenlage.

Die in Pkt 3.5. getroffenen Feststellungen über das Bauvorhaben des R W ergeben sich aus dem vom Behördenvertreter vorgelegten Akt der Bezirkshauptmannschaft F.

4.2. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat in diesem Beschwerdeverfahren einen Amtssachverständigen für Verkehrstechnik, Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) M L, beigezogen, welcher am 06.10.2020 ein ausführliches schriftliches Gutachten verfasst hat. Dieses Gutachten hat der Amtssachverständige bei der Verhandlung mündlich erörtert und noch mündliche Angaben auf die dabei gestellten Fragen getätigt (Aufgrund der weiteren Ausführungen (s Pkt 7.) wurden in diesem Erkenntnis weder das Gutachten noch die mündliche Stellungnahme abgedruckt; angesichts der Ausführungen in Pkt 7. erübrigt es sich auch, in diesem Erkenntnis eine Beweiswürdigung in Bezug auf das eingeholte Amtssachverständigengutachten vorzunehmen).

5.1. Gemäß § 38 AVG, BGBl Nr 51/1991, idF BGBl I Nr 33/2013, ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Zufolge der Bestimmung des § 24 Abs 3 lit c BauG, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 47/2017, ist dem Bauantrag ua der Nachweis einer rechtlich gesicherten Verbindung des Baugrundstückes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß § 4 Abs 2 anzuschließen.

Jedes Baugrundstück muss eine rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben, wobei diese Verbindung und die öffentliche Verkehrsfläche der beabsichtigten Verwendung des Bauwerkes entsprechen müssen, das auf dem Baugrundstück errichtet werden soll (§ 4 Abs 2 erster Satz BauG, idF LGBl Nr 23/2015).

5.2. Gemäß § 13 Abs 3 AVG, idF BGBl I Nr 57/2018, ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

6.   Den Erläuternden Bemerkungen zu § 24 Abs 3 lit c Baugesetz (45. Beilage im Jahr 2001 des XXVII. Vorarlberger Landtages, Seite 74), kann Folgendes entnommen werden: „(…) Ob eine Verbindung zu einer öffentlichen Verkehrsfläche rechtlich gesichert ist, kann – abgesehen vom Fall der Notwendigkeit einer Zustimmung nach den straßenrechtlichen Vorschriften – insbesondere dann fraglich sein, wenn sie über ein fremdes Grundstück führt. Der Bauwerber hat diesfalls die rechtliche Sicherung (zu denken ist insbesondere an eine Grunddienstbarkeit – nicht aber an eine persönliche Dienstbarkeit – oder an ein Notwegerecht nach dem Gesetz betreffend die Einräumung von Notwegen) nachzuweisen. Der Nachweis wird insbesondere durch Vorlage eines Grundbuchsauszuges und/oder einer Urkunde über das zugrundeliegende Rechtsgeschäft erbracht werden können. Der Eigentümer des fremden Grundstücks, über das die Zufahrt führt, hat hinsichtlich der Zufahrt kein Mitspracherecht. Er ist insofern auf den Zivilrechtsweg angewiesen. Wird vom Bauwerber nichts vorgelegt, was als Nachweis einer rechtlich gesicherten Verbindung in Betracht kommt (zB bei Behauptung eines bloßen Gehrechtes anstelle eines erforderlichen Fahrrechtes oder wenn zB die allenfalls erforderliche Zustimmung nach dem BStG oder dem StrG fehlt), dann hat die Behörde ohne weitere Erhebungen nach § 13 Abs 3 AVG (Mängelbehebung) vorzugehen. Werden vom Bauwerber grundsätzlich zum Nachweis einer rechtlich gesicherten Verbindung geeignete Unterlagen vorgelegt, hat die Behörde jedoch Zweifel daran, ob der Nachweis einer rechtlich gesicherten Verbindung als erbracht anzusehen ist (also ob der Bauwerber – wie von ihm unter Vorlage entsprechender Unterlagen darzulegen versucht – zB Ersitzungseigentümer der Zufahrt ist oder ob eine entsprechende Grunddienstbarkeit vorliegt), hat die Baubehörde das Vorliegen einer rechtlich gesicherten Verbindung als Vorfrage nach § 38 AVG unter Anwendung der maßgeblichen (insbesondere zivilrechtlichen) Bestimmungen zu beurteilen. Gelangt sie zu dem Ergebnis, dass der Nachweis nicht als erbracht anzusehen ist, dann hat sie den Bauantrag unter Beachtung des § 13 Abs 3 AVG zurückzuweisen. (…)“. (Anmerkung: Unterstreichung ist durch das Verwaltungsgericht erfolgt)

7. Im vorliegenden Beschwerdefall ist die belangte Behörde grundsätzlich im Recht, wenn sie ausführt, dass in einem Bauverfahren die Frage, ob eine rechtlich gesicherte Zufahrt zum Bauvorhaben vorliegt, eine sogenannte Vorfrage gemäß § 38 AVG ist.

Im Hinblick auf die soeben zitierten Erläuterungen hätte allerdings die Baubehörde, da sie Zweifel an den von der Bauwerberin vorgelegten Unterlagen bezüglich des Nachweises einer rechtlich gesicherten Verbindung hatte, einen Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG erlassen müssen; dies ist hier jedoch nicht erfolgt. Die belangte Behörde hätte - wie dies aus den in Pkt 6. zitierten Erläuterungen klar hervorgeht - den Bauantrag „unter Beachtung des § 13 Abs 3 AVG zurückweisen“ müssen und nicht einen „Feststellungs“-Bescheid nach § 38 AVG.

Die Bestimmung des § 38 AVG sieht lediglich vor, dass eine Vorfrage von der Behörde entweder selbst zu beurteilen ist oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen ist, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Die Bestimmung des § 38 AVG bildet keine gesetzliche Grundlage für einen Feststellungsbescheid zur Frage, ob ein Bauwerber „eine rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne des § 4 Abs 2 Baugesetz besitzt“.

Wenn die Behörde die Frage, ob eine rechtlich gesicherte Zufahrt vorliegt bzw nachgewiesen wurde, selbst als Vorfrage beurteilen hätte wollen, dann hätte sie eine bescheidförmige Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Bauantrag (vom 01.02.2018) treffen müssen und „die im Ermittlungsverfahren auftauchenden Vorfragen (…) hätte sie nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde legen können“ (siehe dazu den Wortlaut des ersten Satzes des § 38 AVG).

Da die belangte Behörde nicht entsprechend der Vorgangsweise vorgegangen ist, die vom Gesetzgeber im Motivenbericht dargelegt wurde (siehe dazu die Ausführungen in Pkt 6. und die soeben getätigten Ausführungen), ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Angesichts dessen erübrigt es sich, im gegenständlichen Beschwerdeverfahren auf das eingeholte Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen näher einzugehen.

Es war daher der Beschwerde Folge zu leisten und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

8.              Bezüglich der weiteren Vorgangsweise der Behörde im verfahrensgegenständlichen Bauverfahren wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 20.11.2020, Zl LVwG-318-52/2020-R9 (= betreffend die von der Beschwerdeführerin erhobene Säumnisbeschwerde), verwiesen; dieses Erkenntnis, welches auf der Basis des § 28 Abs 7 VwGVG erlassen wurde, enthält überdies eine Entscheidung zur Rechtsfrage, ob im vorliegenden Bauverfahren ein Nachweis nach § 24 Abs 3 lit c BauG erbracht wurde und ob eine rechtlich gesicherte Zufahrt zum Bauvorhaben gemäß § 4 Abs 2 BauG vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

9.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Feststellungsbescheid über Vorfrage unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.318.66.2020.R9

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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