Entscheidungsdatum
15.06.2020Norm
ABGB §270Spruch
W101 2153089-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX AGRARBEZIRKSBEHÖRDE, Außenstelle XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes Korneuburg vom 10.03.2017, Zl. Jv 3971/16t-33a, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Im gegenständlichen Grundverfahren, einem vor dem Bezirksgericht XXXX (im Folgenden: BG) geführten Zusammenlegungsverfahren nach dem Flurverfassungs-Landesgesetz (FLG), ersuchte die Beschwerdeführerin das BG um die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 270 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, idF BGBl. I Nr. 92/2006 (ABGB), für eine im Grundverfahren beteiligte Partei (geboren im Jahr 1870), da dieser Partei behördliche Schreiben nicht hätten zugestellt werden können.
2. Mit Beschluss vom 27.06.2016, Zl. 6 P 29/16w, wies das BG diesen "Antrag" ab. Begründend führte es im Wesentlichen Folgendes aus: § 270 ABGB setze voraus, dass die Person, für die ein Abwesenheitskurator bestellt werden solle, am Leben sei. Da aus der gerichtlichen Recherche hervorgehe, dass die betroffene Person im gegenständlichen Fall unzweifelhaft bereits verstorben sei, habe für sie kein Abwesenheitskurator mehr bestellt werden können.
3. Dem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rekurs gab das Landesgericht Korneuburg (im Folgenden: LG) mit Beschluss vom 01.09.2016, Zl. 20 R 153/16i, keine Folge.
4. Mit Lastschriftanzeige vom 13.10.2016, Zl. 6 P 29/16w - VNR 1, war die Beschwerdeführerin zur Zahlung einer Pauschalgebühr nach Tarifpost (TP) 12 lit. j Gerichtsgebührengesetz (GGG) iHv ? 256,00 aufgefordert worden.
5. In den dagegen mit Schriftsatz vom 25.10.2016 erhobenen Einwendungen führte die Beschwerdeführerin Folgendes aus: Die Vorschreibung der Gebühren nach TP 12 lit. j GGG iHv ? 256,00 sei nicht zulässig, zumal die Beschwerdeführerin in keinem Verfahren "Anträge" iSd GGG gestellt, sondern aufgrund der amtswegigen Durchführung eines Zusammenlegungsverfahrens zur Erreichung der im FLG dargestellten Ziele nur das Ersuchen um Bestellung eines Kurators an das zuständige Gericht gerichtet habe. Die TP 12 lit. j leg. cit. enthalte überdies keinerlei Tatbestände, die mit der Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß dem vorliegenden Sachverhalt in irgendeiner Art und Weise in Einklang gebracht werden könnten.
6. Daraufhin schrieb die Kostenbeamtin des BG für die Präsidentin des LG der Beschwerdeführerin mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 29.11.2016, Zl.6 P 29/16w- VNR 1, die Zahlung der Pauschalgebühr nach TP 12 lit. j GGG iHv ? 256,00 sowie einer Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG iHv ? 8,00, insgesamt daher den Betrag von ? 264,00, zur Zahlung vor.
7. Gegen den o.a. Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Vorstellung, in welcher sie im Wesentlichen ihre Einwendungen vom 25.10.2016 wiederholte.
8. Mit Bescheid vom 10.03.2017, Zl. Jv 3971/16t-33a, (zugestellt am 14.03.2017) verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Zahlung einer Pauschalgebühr gemäß TP 12 lit. j GGG iHv ? 256,00 und einer Pauschalgebühr nach TP 12a lit. a GGG iHv ? 512,00 sowie einer Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) iHv ? 8,00, somit insgesamt zur Zahlung eines Betrages iHv ? 776,00.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Nach § 2 Z 1 lit. h GGG werde für das außerstreitige Verfahren nach TP 12 lit. j GGG der Anspruch des Bundes auf die Gebühr mit der Überreichung der ersten Eingabe begründet. Zahlungspflichtig seien gemäß § 28 Z 11 GGG die Antragsteller. Unter sonstige außerstreitige Verfahren falle die Bestellung eines Abwesenheitskurators. Das BG sei durch das Einschreiten der Beschwerdeführerin tätig geworden und es handle sich nicht um ein von Amts wegen einzuleitendes Verfahren. Die Überreichung des Antrages habe den Gebührenanspruch des Bundes ausgelöst. Gemäß § 7 Abs. 2 GEG könne die Behörde auch über eine weitergehende Zahlungspflicht absprechen. Die Beschwerdeführerin habe einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingebracht, weshalb die Pauschalgebühr nach TP 12a GGG für Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz anfalle. Nach § 7 Abs. 1 Z 1a GGG seien für Pauschalgebühren bei sonstigen Rechtsmittelverfahren nach TP 12a GGG die Rechtsmittelwerber zahlungspflichtig.
9. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde (bei der belangten Behörde eingelangt am 07.04.2017) und beantragte den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Begründend führte sie im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Ersuchen um Bestellung eines Kurators stelle per se zwar kein von Amts wegen einzuleitendes Verfahren dar, allerdings stehe es in unmittelbarem Zusammenhang mit dem von Amts wegen eingeleiteten Zusammenlegungsverfahren und diene dazu die Ziele der Zusammenlegung im konkreten Fall zu erreichen. In den Landesagrargesetzen sei in der Regel vorgesehen, dass das Gericht von Amts wegen tätig werde. Die entsprechende Mitteilung der Agrarbehörde sei daher - möge diese auch als Antrag bezeichnet sein - nicht als Antrag bzw. Gesuch zu werten, sondern nur ein Anlass für das Gericht von sich aus amtswegig tätig zu werden. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass einzelne Handlungen im Rahmen der Durchführung eines von Amts wegen eingeleiteten Zusammenlegungsverfahrens nicht als gesonderte Anträge zu sehen seien, die einer Vergebührung unterliegen würden. Wenn Mitteilungen von Behörden im Grundbuchsrecht keine Grundbuchsgesuche darstellen und daher auch nicht den erforderlichen Formerfordernissen unterliegen würden, so müsse dies auch im Außerstreitverfahren gelten. Liege aber kein Antrag vor, so könne auch kein Gebührenanspruch des Bundes ausgelöst werden. Folglich könnten mangels Zulässigkeit der Gebührenvorschreibung im erstinstanzlichen Verfahren auch keine Gebühren für ein Rechtsmittelverfahren vorgeschrieben werden.
10. Mit Schreiben vom 12.04.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Fest steht, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Grundverfahren beim BG die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 270 ABGB angeregt hat.
Maßgeblich ist, dass - mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin in diesem Außerstreitverfahren - das oben genannte Ersuchen keinen gebührenpflichtigen Antrag, sondern lediglich eine (gebührenfreie) Anregung dargestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2.2. Die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:
Tarifpost (TP) 12 lit. j Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 idgF (GGG), sieht Pauschalgebühren für sonstige Anträge in außerstreitigen Verfahren (ausgenommen die in der Anmerkung 11 genannten Verfahren) iHv ? 256,00 vor.
TP 12a lit. a GGG sieht für Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz (Rekursverfahren) das Doppelte der für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren vor.
Gemäß § 28 Z 11 GGG sind bei Pauschalgebühren für sonstige Geschäfte des außerstreitigen Verfahrens in allen übrigen Fällen die Antragsteller zahlungspflichtig.
Nach § 2 Abs. 1 Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 idgF (AußStrG), sind Parteien des Außerstreitverfahrens der Antragsteller (Z 1), der vom Antragsteller als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete (Z 2), jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (Z 3), sowie jede Person oder Stelle, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften in das Verfahren einzubeziehen ist (Z 4).
Gemäß § 2 Abs. 2 AußStrG ist nicht Partei, wer eine Tätigkeit des Gerichts offensichtlich nur anregt.
3.2.3. Im vorliegenden Fall war zu klären, ob der Beschwerdeführerin die Pauschalgebühren gemäß TP 12 lit. j GGG für einen im gegenständlichen Grundverfahren gestellten "Antrag" auf Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 270 ABGB iHv ? 256,00 und gemäß TP 12a lit. a GGG für die Einbringung eines Rekurses gegen die den oben genannten "Antrag" abweisende Entscheidung iHv ? 512,00 von der belangten Behörde zu Recht vorgeschrieben wurden.
In einem ähnlich gelagerten Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30.01.2020, Ra 2017/16/0082-8, über dieselbe Rechtsfrage folgende (sinngemäß zusammengefasste) Ausführungen getroffen:
Das (im dortigen Fall) als Beschwerdeführer fungierende Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), welches die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 11 AVG (vergleichbar mit § 270 erster Fall ABGB) zur Wahrung der Rechte des Abwesenden anregt, ist im Verfahren betreffend die Kuratorbestellung nicht "Antragsteller" iSd § 2 Abs. 1 AußStrG und auch nicht "Antragsteller" iSd § 28 Z 10 GGG, und damit nicht Partei des Außerstreitverfahrens.
Bei einer Kuratorbestellung nach § 270 erster Fall ABGB (idF vor BGBl. I Nr. 59/2017) kommt nämlich der Behörde ein bloßes Anregungsrecht zu, welches ihr keinen Erledigungsanspruch und keine Rechtsmittellegitimation vermittelt. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 2 AußStrG ausdrücklich, dass derjenige, der die Tätigkeit des Gerichts offensichtlich nur anregt, nicht Partei ist.
Vor dem Hintergrund dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin als Behörde keine Partei des Außerstreitverfahrens (der Kuratorbestellung nach § 270 ABGB) war, sondern ihr lediglich ein bloßes Anregungsrecht zugekommen ist, das ihr weder einen Erledigungsanspruch noch eine Rechtsmittellegitimation vermittelt hat.
Somit ist die Ansicht der Beschwerdeführerin zutreffend, dass ihr Ersuchen bzw. ihre Anregung nicht als gebührenpflichtiger "Antrag" zu werten und die Vorschreibung der in Rede stehenden Pauschalgebühren sowohl für das erst- als auch das zweitinstanzliche Außerstreitverfahren unzulässig war.
Folglich ist sowohl die Vorschreibung der Pauschalgebühr gemäß TP 12 lit. j GGG iHv ? 256,00 für den erstinstanzlichen "Antrag" als auch die Pauschalgebühr für das Rekursverfahren gemäß TP 12a lit. a GGG iHv ? 512,00 zu Unrecht erfolgt.
Da dem angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhaftet, war der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
3.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG entfallen (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist). Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe VwGH 30.01.2020, Ra 2017/16/0082-8), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abwesenheitskurator Außerstreitverfahren Behebung der Entscheidung Einhebungsgebühr ersatzlose Behebung Gebührenanspruch Gebührenpflicht - Erlöschen Mandatsbescheid Vorstellung ZahlungsauftragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W101.2153089.1.00Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020