Entscheidungsdatum
20.07.2020Norm
B-VG Art130 Abs1Spruch
W195 2233122-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsident Dr. Michael SACHS über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch XXXX , gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte der (vermutlich) XXXX in den Nachstunden vom 05.06.2020 auf den 06.06.2020 beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
Mit Schriftsatz vom 17.07.2020 erhob der Beschwerdeführer (BF) eine Maßnahmenbeschwerde gegen das polizeiliche Vorgehen im Rahmen einer Anhaltung/Festsetzung des BF durch Polizeibeamte.
Konkret seien in den Nachstunden vom 05.06.2020 auf den 06.06.2020 der BF (und ein Begleiter) wegen des Verdachtes eines Einbruches in ein Zoogeschäft in XXXX durch Polizeieinheiten verfolgt worden. Da der BF (und sein Begleiter) aus dem Eingriffsbereich „verschwinden“ wollte, sei der BF von den Sicherheitskräften verfolgt, niedergestoßen und – trotz regungslosen Liegenbleibens bzw. ohne Gegenwehr - in weiterer Folge mit einer Waffe von zumindest einem Polizeibeamten derart geschlagen worden, dass das Schlüsselbein des BF gebrochen wurde. Dies sei ein Gewaltexzess gewesen.
Der BF beantragte somit den angefochtenen Akt „der mittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt“ für rechtswidrig zu erklären, den Bund (BMI) bzw die „Stadt Wien“ zum Ersatz der entstandenen Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu verurteilen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
In den Nachtstunden vom 05.06.2020 auf den 06.06.2020 erfolgte eine Anhaltung/Festsetzung des BF durch Anwendung von Gewalt durch Polizeibeamte im Raum XXXX , Oberösterreich, wegen des Verdachtes eines Einbruches in ein Zoogeschäft.
Im Zuge dieses Einsatzes erfolgte – nach Angaben des BF – der Bruch des Schlüsselbeines des BF durch einen Schlag mit der Waffe durch einen Polizeibeamten.
Gegen diese Maßnahme brachte der BF eine Maßnahmenbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, beantragte diverse Feststellungs- und Kostenersatzbegehren (gegen das BMI bzw. die Stadt Wien) sowie eine mündliche Verhandlung.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen in der Maßnahmenbeschwerde. Offensichtliche Widersprüche, insbesondere zum Vorbringen in der Maßnahmenbeschwerde, traten nicht auf, sodass der Sachverhalt im ausreichenden Maße für eine (kompetenzrechtliche) Beurteilung ausreichend dargestellt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Maßgebliche Rechtslage
Allgemeines zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 129 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) besteht für jedes Land ein Verwaltungsgericht des Landes. Für den Bund bestehen ein als Bundesverwaltungsgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes und ein als Bundesfinanzgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte u.a. über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (Z 1); gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit (Z 2); wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde (Z 3) oder gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 2 B-VG (Z 4).
Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG kann jeder gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Erhebung einer solchen Maßnahmenbeschwerde ist dann zulässig, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (vgl. VwGH vom 26.04.2010, 2009/10/0240; VwGH vom 21.10.2010, 2008/01/0028; VwGH vom 31.05.2012, 2010/06/0203). Eine Maßnahmenbeschwerde kann sich demnach nur gegen die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden oder durch Organe in ihrem Dienste richten (vgl. VwGH vom 14.12.1990, 90/18/0234).
Nach der Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt im Wesentlichen ein Verwaltungshandeln, das von einem Verwaltungsorgan in der Hoheitsverwaltung durch Ausübung unmittelbaren Zwanges (Gewalt) oder Erteilung eines Befehls (mit unverzüglichem Befolgungsanspruch) gegen einen individuellen Adressaten gesetzt wird (VfSlg. 7346/1974, 11.935/1988; VwGH vom 28.05.1997, 96/13/0032). Voraussetzung für das Vorliegen eines derartigen Aktes ist, dass einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird (vgl. statt vieler VwGH vom 19.09.2006, 2005/06/0018). Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (VfSlg. 12.791/1991; VwGH vom 23.01.2007, 2005/06/0254). Werden objektiv keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, handelt es sich um keine Ausübung verwaltungsbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt (VwGH vom 24.06.1998, 97/01/0239; VwGH vom 16.11.2000, 98/01/0452 oder VwGH vom 06.07.2004, 2003/11/0175).
An dieser Stelle ist festzuhalten, dass das BVwG – soweit sich aus Art. 131 Abs. 3 B-VG nichts anderes ergibt –gemäß Abs. 2 B-VG nur über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennt, sofern es sich dabei um Rechtssachen handelt, in denen die Vollziehung des Bundes unmittelbar von Bundesbehörden besorgt wird.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens seine Zuständigkeit zu prüfen und eine etwaige Unzuständigkeit wahrzunehmen (VwGH vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0019).
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Im Falle der Zurückweisung hat die Entscheidung gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zu ergehen.
Gegenständlich wurde eine polizeiliche Anwendung von Gewalt im Rahmen eines Verdachtes auf Einbruch, somit eines strafrechtlich relevanten Tatverdachtes, behauptet.
Weiters hat der, von einem Rechtsanwalt vertretene BF einen Antrag an „das Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz“, verfasst, dass das Verwaltungsgericht den „angefochtenen Akt mittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“ für rechtswidrig erklären möge.
Hinsichtlich der Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde bedeutet dies:
Aufgrund des vorgebrachten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass als Rechtsgrundlage für das polizeiliche Einschreiten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes bzw. die Strafprozessordnung dienten.
Für die Vollziehung des Sicherheitspolizeigesetzes ist der Bundesminister für Inneres zuständig. Jedoch handelt es sich dabei, wie der BF selbst ausführt, um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung, welche im Beschwerdefall nicht vom Bundesverwaltungsgericht, sondern vom örtlich zuständigen Landesverwaltungsgericht zu judizieren ist.
Auch der strafrechtliche Aspekt des Einsatzes vermag daran nichts zu ändern, ist doch das Bundesverwaltungsgericht verfassungsrechtlich nicht für die Beobachtung der Strafverfahren im Rahmen der StPO zuständig, sondern kommt diese Aufgaben der Strafgerichtsbarkeit zu.
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich somit, dass im vorliegenden Fall im Ergebnis keine Angelegenheit vorliegt welche „unmittelbar von Bundesbehörden“ im Sinne von Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG besorgt wird, weshalb gegenständlich auch keine Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung vorliegt. Aus diesen Erwägungen ergibt sich weiters, dass der Rechtszug im vorliegenden Fall – soweit es das Verwaltungshandeln betrifft - somit nicht an das BVwG (einschließlich Außenstellen), sondern gemäß der Art. 131 Abs. 1 B-VG inhärenten Generalklausel an das (örtlich zuständige) LVwG, im konkreten an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, zu gehen hat. Dies ergibt sich zudem aus dem in der Beschwerde angeführten Wohnsitz des BF in Oberösterreich.
Das Begehren hinsichtlich Kostenersatzes „durch den Bund (Bundesministerium für Inneres)“ war, neben dem Aspekt der Unzulässigkeit der Beschwerde in der Hauptsache, ebenfalls zurückzuweisen, weil es dafür keinerlei gesetzliche Grundlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gibt. Darüber hinaus ist das Begehren, so ferne es sich „hilfweise“ um einen Ersatz der Kosten durch „die Stadt Wien“ richtet, schlichtweg unverständlich, ist doch die behauptete Anwendung der Zwangsgewalt durch Organe der Stadt Wien erfolgt. Die Amtshandlung fand auch nicht in der Stadt Wien statt, sondern in XXXX , Oberösterreich, und hat der BF offensichtlich seinen Wohnsitz in Oberösterreich.
Aus diesem Grund war die explizit an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Maßnahmenbeschwerde sowie der Antrag auf Kostenersatz mit Beschluss zurückzuweisen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da die vorliegende Beschwerde mittels Beschluss zurückzuweisen war und aus einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, konnte trotz Parteiantrages von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 24 VwGVG, Anm 7, mwN).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im vorliegenden Beschluss findet sich die relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz - Antrag Maßnahmenbeschwerde mittelbare Bundesverwaltung Unzuständigkeit BVwG Voraussetzungen ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2233122.1.00Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020