Entscheidungsdatum
20.07.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
I405 2205354-1/46E
I405 2205358-1/37E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von
1.) XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. 1119613004-160871427,
2.) XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. 1139747200-170043297, zu Recht:
A) Den Beschwerden gegen Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX und XXXX der Status einer/s subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 idgF wird XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 20.07.2021 erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Verfahrensgang vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ergibt sich aus den Verwaltungsakten des BFA.
2. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist Mutter des Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden: BF2), beide sind Staatsangehörige von Kamerun. Die BF1 reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Die BF1 wurde hierzu am 22.06.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt und am 30.01.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Als Fluchtgrund gab sie im Wesentlichen an, dass sie Kamerun verlassen habe, weil sie von den Mitarbeitern ihrer Mutter bedroht worden sei, welche für deren Tod verantwortlich seien.
4. Der BF2 wurde am 16.12.2016 in Österreich nachgeboren. Für ihn wurde von seiner Mutter am 11.01.2017 im Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt, ohne für den BF2 eigene Fluchtgründe vorzubringen.
5. Betreffend die BF1 liegt im Akt liegt eine EURODAC-Treffermeldung der Kategorien „2“ vom 28.05.2016 auf, der zufolge die BF1 in Italien nach illegaler Einreise erkennungsdienstlich behandelt wurde.
6. Mit Bescheiden des BFA vom 31.01.2017 wurden I. Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18. Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 der „Verordnung (EG) Nr. 343/2003“ zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. die Außerlandesbringung der BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
7. Der dagegen gerichteten Beschwerden wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und es wurden die bekämpften Bescheide behoben.
8. In der Folge wurde das Verfahren der BF in Österreich zugelassen und wurde die BF1 am 10.04.2018 einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme unterzogen.
9. Mit angefochtenen Bescheiden des BFA vom 08.08.2018 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihnen der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
10. Die Bescheide des BFA wurde den BF, samt den Verfahrensanordnungen vom 08.08.2018, wonach den BF eine Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt und ihnen die verpflichtende Teilnahme an einem Rückehrberatungsgespräch aufgetragen wurde, am 09.08.2018 zugestellt.
11. Mit Schriftsatz vom 05.09.2018 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin inhaltliche Rechtswidrigkeit und mangelhafte Verfahrensführung geltend gemacht wurden.
12. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte wurden vom BFA vorgelegt und sind am 11.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
13. Am 16.11.2018 und am 13.02.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht mündliche Verhandlungen durch, an welcher die BF, ihre Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin für die Sprache Englisch teilnahmen.
14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.05.2019 wurden die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis IV. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt V. wurde stattgegeben und diese dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben: „Es wird gemäß § 50 FPG festgestellt, dass die Ihre Abschiebung nach Kamerun unzulässig ist.“ Die Beschwerden gegen Spruchpunkt IV. wurden als unbegründet abgewiesen. Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG wurde die Revision zugelassen.
15. Gegen dieses Erkennntis wurde Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Der Verfassungsgerichthof hob die angefochtene Entscheidung mit Erkenntnis vom 10.03.2020, Zl. E 2570-2571/2019-13, auf, soweit damit die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung von Rückkehrentscheidungen und gegen die Festsetzung 14-tägiger Fristen zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurden. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und insoweit die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründend führe der Verfassungsgerichtshof wie folgt aus:
„2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden – sofern ihm nicht der Status des Asylberechtigen gewährt wurde – der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass bei der Prüfung der Zuerkennung des subsidiären Schutzes lediglich die Bedrohung durch die Todesstrafe oder durch einen bewaffneten Konflikt und eine damit zusammenhängende Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK zu berücksichtigen sei, weil es darauf ankomme, ob die Verletzung von einem Akteur ausgehe (vgl. EuGH 18.12.2014, Rs. C-542/13, M'Bodj). Den beschwerdeführenden Parteien drohe aber aus anderen als den genannten Gründen eine Verletzung nach Art. 2 bzw. 3 EMRK, weshalb ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei.
2.2. Indem das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen von § 8 AsylG 2005 eine Verletzung der von Art. 3 EMRK geschützten Rechte nur eingeschränkt im Hinblick auf eine Verletzung, die durch Akteure oder durch einen bewaffneten Konflikt droht, prüft, verkennt es die Rechtslage in grundsätzlicher Weise:
Das Bundesverwaltungsgericht verneint zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 im Rahmen der Prüfung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz, bejaht aber an anderer Stelle eine Verletzung der von Art. 3 EMRK geschützten Rechte, um festzustellen, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig sei. Indem das Bundesverwaltungsgericht den beschwerdeführenden Parteien – obwohl es eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK feststellt – entgegen § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkennt, hat es Willkür geübt. Dem steht auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH 18.12.2014, Rs. C-542/13, M'Bodj) nicht entgegen; den Mitgliedstaaten ist ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, Aufenthaltsrechte aus anderen humanitären Gründen zu gewähren (vgl. VfGH 4.12.2019, E 1199/2019).“
16. Mit Erkenntnis vom 27.05.2020, Zl. Ro 2019/19/0013 bis 0014-8, wurden die Revisionen als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
Die BF sind Staatsangehörige von Kamerun. Die BF1 stammt aus Bamenda. Die BF führen die im Spruch genannte Identität. Der Reiseweg der BF1 nach Österreich konnte nicht festgestellt werden.
Die BF1 befindet sich seit Juni 2016 durchgehend im Bundesgebiet und der BF2 seit seiner Geburt. Die BF1 mittlerweile Mutter eines weiteren Kindes geworden, dessen Verfahren noch bei der belangten Behörde anhängig ist.
Die BF1 verfügt zwar über familiäre Anknüpfungspunkte in Kamerun, es besteht jedoch kein aufrechter Kontakt.
1.2. Zur Lage in Kamerun:
1.Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 30.10.2018: Paul Biya gewinnt Präsidentschaftswahlen (Relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage; Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition).
Von vereinzelten Unruhen begleitet wurde am Sonntag, den 7.10.2018, in Kamerun Präsident Biya zum siebten Mal wiedergewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. NZZ 7.10.2018, DW 22.10.2018). Der seit fast 36 Jahren amtierende Staatschef Paul Biya lag mit 71,28% der Stimmen vor dem neuen Führer der Opposition, Maurice Kamto vom Mouvement pour la renaissance du Cameroun (MRC) mit 14,23% (BAMF 29.10.2018; vgl. JA 22.10.2018a, TAZ 22.10.2018). Dritter wurde der Jugendkandidat Cabral Libii mit rund 6%. Die ehemals starke Oppositionskraft SDF (Sozialdemokratische Front), in den anglophonen Landesteilen an zweiter Stelle, landet landesweit bei 3% (TAZ 22.10.2018).
Die Opposition hält den Wahlsieg von Präsident Biya für Betrug (TAZ 28.10.2018). Kandidat Kamto erkennt die Wahlergebnisse nicht an. Er beklagt, dass es in sieben Regionen Kameruns zu Wahlbetrug gekommen sei (JA 22.10.2018a). Eine Klage der Opposition wegen Wahlbetrugs wurde vom Verfassungsgericht allerdings zurückgewiesen (BAMF 29.10.2018; vgl. DF 27.10.2018, TAZ 28.10.2018).
Die Wahlbeteiligung betrug landesweit knapp 54%; in den beiden anglophonen Regionen Nordwest und Südwest betrug die Wahlbeteiligung nur 5% bzw. 16% (BAMF 29.10.2018; vgl. TAZ 22.10.2018) – viele Kameruner standen gar nicht auf den Wahllisten; bei 25 Millionen Einwohnern gab es nur 3,6 Millionen abgegebene Stimmen (TAZ 22.10.2018). In den beiden anglophonen Regionen Nordwest und Südwest war zum Wahlboykott aufgerufen worden (BAMF 29.10.2018; vgl. NZZ 7.10.2018), im englischsprachigen Westen wächst der Widerstand (DF 27.10.2018). Seitdem protestiert die Opposition (TAZ 28.10.2018) und im englischsprachigen Landesteil kam es zu Unruhen (NZZ 7.10.2018). Die Reaktion des Staates ist genauso hart wie erwartet. Die Regierung duldete keine „Unordnung“ und nahm Protestierende fest (TAZ 28.10.2018). In Bamenda und Orten im Südwesten beschossen sich Sicherheitskräfte und Separatisten (NZZ 7.10.2018). Laut Augenzeugen ist es auch in der Stadt Buea zu Schusswechseln gekommen (NZZ 7.10.2018; vgl. TAZ 22.10.2018). In dieser Region waren nur einige wenige Wahllokale eingerichtet worden, damit diese ausreichend geschützt werden konnten (NZZ 7.10.2018).
Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 7.10.2018, stand schon viel früher fest, sagen Regierungskritiker (TAZ 22.10.2018) und es kam nicht überraschend, dass der Verfassungsrat am 22.10.2018 den Sieg von Paul Biya verkündete (JA 22.10.2018a; vgl. JA 22.10.2018b). Im Hauptsitz des Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais (RDPC) wurden die Eingänge von uniformierten Polizisten und die Anlage selbst von einem halben Dutzend bewaffneter Soldaten bewacht. Die Straßen und großen Kreuzungen von Yaoundé und Douala wurden von Sicherheitskräften und der Armee überwacht, da befürchtet wurde, dass sich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse eine Protestbewegung ausbreiten würde (JA 22.10.2018b).
Die englischsprachige Minderheit fühlt sich seit langem von der frankophonen Mehrheit benachteiligt (DF 27.10.2018; vgl NZZ 7.10.2018). Anfang 2016 gingen zunächst Anwälte auf die Straße, später Lehrer und die Zivilgesellschaft. Der Staat reagierte mit harter Hand – es gab mehrere Tote, Dutzende Verhaftete und eine dreimonatige Internetblockade für die gesamte Region. Daraufhin gründeten sich mehrere bewaffnete Widerstandsgruppen (DF 27.10.2018). Der Konflikt eskalierte 2017 mit den Bestrebungen nach staatlicher Unabhängigkeit, nachdem Separatisten die Republik „Ambazonia“ ausriefen (NZZ 7.10.2018). Biya geht einerseits mit harter Hand gegen die Autonomiebestrebungen in den beiden anglophonen Regionen vor, andererseits spielt er den Konflikt herunter (NZZ 3.10.2018).
Neben der Zukunft des unruhigen anglophonen Landesteils gilt die wirtschaftliche Entwicklung als entscheidend für Kamerun. Ausgerechnet der anglophone Südwesten ist reich an Ressourcen. Dort wird nicht nur Rohöl gefördert, auch Exportgüter wie Palmöl und Kakao werden angebaut. In den vergangenen Monaten sind zahlreiche Menschen aus den anglophonen Konfliktgebieten nach Douala und ins Nachbarland Nigeria geflohen. Die Landwirtschaftsbetriebe liegen seitdem brach (TAZ 22.10.2018).
Quellen:
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (29.10.2018): Briefing Notes, Kamerun, Zugriff 30.10.2018
-DF - Deutschlandfunk (27.10.2018): Die anglofone Minderheit begehrt auf, https://www.deutschlandfunk.de/separatisten-in-kamerun-die-anglofone-minderheit-begehrt-auf.799.de.html?dram:article_id=431644, Zugriff 30.10.2018
-DW - Deutsche Welle (22.10.2018): Cameroun : septième mandat pour Paul Biya, https://www.dw.com/fr/cameroun-septi%C3%A8me-mandat-pour-paul-biya/a-45992029 , Zugriff 30.10.2018
-JA - Jeune Afrique (22.10.2018a): Cameroun : Paul Biya officiellement réélu pour un septième mandat, avec 71,28% des voix, https://www.jeuneafrique.com/648841/politique/cameroun-paul-biya-officiellement-reelu-pour-un-septieme-mandat-avec-7128-des-voix/, Zugriff 30.10.2018
-JA - Jeune Afrique (22.10.2018b): Politique, Présidentielle au Cameroun : sécurité renforcée à l’annonce de la victoire de Paul Biya, https://www.jeuneafrique.com/651267/politique/presidentielle-au-cameroun-securite-renforcee-et-tensions-a-lannonce-de-la-victoire-de-paul-biya/, Zugriff 30.10.2018
-NZZ - Neue Zürcher Zeitung (3.10.2018): Kamerun im Würgegriff seines Patriarchen, https://www.nzz.ch/international/kamerun-im-wuergegriff-seines-patriarchen-ld.1425124, Zugriff 30.10.2018
-NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.10.2018): Unruhen bei Präsidentenwahl in Kamerun, https://www.nzz.ch/international/praesidentenwahl-in-kamerun-ld.1426499, Zugriff 30.10.2018 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 42
-TAZ - die Tageszeitung (22.102018): Der Alte bleibt im Amt, https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5545154&s=pr%C3%A4sidentschaftswahl%2Bkamerun/, Zugriff 30.10.2018
-TAZ - die Tageszeitung (28.10.2018): Gegen Kameruns „Wahlfälschung“, https://www.taz.de/!5543546/, Zugriff 30.10.2018
KI vom 5.6.2018: Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen und verhaftet anglophone Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen (Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs-und Pressefreiheit und Abschnitt 13, 13.1/Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition).
22 Menschen wurden am Freitag, den 25.5.2018, bei einem Zusammenstoß zwischen der Armee und einer Gruppe von "Kriminellen" im englischsprachigen Nordwesten Kameruns getötet, erfuhr die AFP am Samstag von einem Abgeordneten der Opposition (JA 26.5.2018). Im unruhigen englischsprachigen Teil von Kamerun hat die Armee mindestens 22 Menschen getötet. Die Zusammenstöße ereigneten sich im Dorf Menka im Westen des Landes, wie Nji Tumasang, ein Politiker der Oppositionspartei Sozialdemokratische Front (SDF), mitteilte. Die Armee bestätigte den Vorfall und bezeichnete die Getöteten als "Terroristen". Die Armee erklärte, sie habe in dem Ort "mehrere Terroristen neutralisiert" (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018; JA 26.5.2018). Der Armee sei gemeldet worden, dass sich in Menka "eine Gruppe von Terroristen" aufhalte, erklärte ein Armeesprecher im Online-Netzwerk Facebook. Soldaten hätten daraufhin ein Hotel umstellt und sich einen "langen Schusswechsel" mit den Bewohnern geliefert. Bewohner bestätigten, dass es eine Schießerei gegeben habe und in den Hotelzimmern mehrere Leichen gefunden worden seien (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018).
Die Sicherheitskräfte gehen in der Region seit Ende 2016 gegen Separatisten vor, die eine Abspaltung des englischsprachigen Westen Kameruns vom französischsprachigen Rest des Landes fordern. Die Separatisten setzen sich für die Unabhängigkeit zweier Regionen im Westen Kameruns ein, in denen der überwiegende Teil der englischsprachigen Bevölkerung lebt. Etwa ein Fünftel der Kameruner gehört der anglophonen Minderheit an, die übrigen Bewohner des zentralafrikanischen Landes bilden die französischsprachige Mehrheit. Die sprachliche Aufteilung des Landes ist eine Folge der Kolonialzeit. Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt eine Diskriminierung der Anglophonen durch die Frankophonen. Sie erklärte im Oktober 2017 symbolisch die Unabhängigkeit der "Republik Ambazonia", nachdem Kameruns Präsident Paul Biya ihre Forderung nach mehr Autonomie zurückgewiesen hatte (DW 27.5.2018). Seit Ende 2017 hat sich die Sicherheitslage in den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens erheblich verschlechtert, da bewaffneten Separatistengruppen vermehrt Gewaltaktionen gegen Staatssymbole (Gendarmerieangriffe, Entführungen von Beamte, Auseinandersetzungen mit der Armee) unternahmen (JA 7.4.2018). In den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens kam es seit 2016 fast täglich zu Kämpfen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, die die "Wiederherstellungskräfte" eines englischsprachigen Staates forderten (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Nach Angaben der International Crisis Group (ICG) wurden seit Ende 2016 "mindestens 120" Zivilisten und "mindestens 43" Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Yaoundé reagierte mit Gewalt und setzte einen starken Sicherheitsapparat ein. Die Armee wurde mehrfach des Missbrauchs durch Zeugenaussagen in der Presse und in sozialen Netzwerken beschuldigt (JA 7.4.2018).
Die tiefe Krise, die Yaoundé in seinen englischsprachigen Regionen durchlebt, könnte die Präsidentschaftswahlen Ende 2018 stören (7.4.2018).
Zudem verurteilte ein Militärgericht in Yaounde am 28.5.2018 sieben anglophone Aktivisten zu Haftstrafen zwischen zehn und 15 Jahren (BAMF 28.5.2018; vgl. BBC 26.5.2018 ) sowie zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von je rund 41.000 Euro. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Der bekannteste der Angeklagten ist Mancho Bibixy, ein Radiomoderator aus der englischsprachigen Region Nordwest, der wegen Terrorismus, Feindseligkeit gegen das Heimatland, Sezession, Revolution und Aufstand zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte am 21.11.2016 in Bamenda zu Demonstrationsteilnehmern gesprochen und dabei die Marginalisierung der englischsprachigen Minderheit in Kamerun kritisiert (BAMF 28.5.2018; vgl BBC 26.5.2018). Im Jänner 2017 waren er und die weiteren Angeklagten verhaftet worden (BAMF 28.5.2018).
Quellen:
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (28.5.2018): Briefing Notes, Kamerun, Zugriff 4.6.2018
-BBCNews Africa (26.5.2018): Cameroon military court jails Anglophone activists, http://www.bbc.com/news/world-africa-44263218 , Zugriff 4.6.2018
-JA - Jeune Afrique (26.5.2018): Cameroun: 22 morts vendredi lors d’un affrontement en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/562827/politique/cameroun-22-morts-vendredi-lors-dun-affrontement-en-zone-anglophone/ Zugriff 4.6.2018
-JA - Jeune Afrique (7.4.2018): Cameroun: un défenseur des droits humains accuse l’armée d’exactions en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/549425/politique/cameroun-un-defenseur-des-droits-humains-accuse-larmee-dexactions-en-zone-anglophone/, Zugriff 4.6.2018
-DS - der Standard (27.5.2018): Mindestens 22 Tote bei Gewalt im Westen Kameruns, https://derstandard.at/2000080493197/Mindestens-22-Tote-bei-Gewalt-im-Westen-Kameruns, Zugriff 28.5.2018, Zugriff 4.6.2018
-DW- Deutsche Welle (27.5.2018): Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen, http://www.dw.com/de/kameruns-armee-t%C3%B6tet-im-anglophonen-westen-22-menschen/a-43945919, Zugriff 4.6.2018
KI vom 2.5.2018: Anhalten der Proteste und Gewalt in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs- und Pressefreiheit und Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition)
Als Anfang Oktober 2017 der "Präsident" Sisiku Ayuk die Unabhängigkeit Ambasoniens ausrief, löste diese eine schwere Krise aus (DS 1.2.2018). Diese einseitige Proklamation der unabhängigen Republik "Ambazonie" markierte einen Wendepunkt und Zehntausende von Menschen flohen (JA 17.2.2018). Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt die Diskriminierung der Anglophonen durch die französischsprachige Mehrheit. Präsident Paul Biya reagiert mit aller Härte und ordnet immer wieder Durchsuchungen und Reisebeschränkungen an (TS 4.4.2018). Die Armee reagierte mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen, um den zunehmenden, bewaffneten Aufstand niederzuschlagen (JA 17.2.2018). Mindestens 40 Militärangehörige und mehr als 500 Zivilisten wurden seit Ausbruch der sogenannten anglophonen Krise Ende 2016 im englischsprachigen Raum Kameruns getötet, so das Central African Human Rights Defenders Network (REDHAC). Darüber hinaus sind nach Angaben des UNHCR mehr als 7.000 Menschen in den Bundesstaat Cross River in Nigeria geflohen. Die nigerianische Emergency Management Agency (SEMA) nennt eine Zahl von 28.000 Menschen (AN 14.4.2018). Nach anderen Angaben sind in den vergangenen Monaten bereits 43.000 Menschen ins benachbarte Nigeria geflohen. Sie verweilen zumeist in den Grenzregionen, etwa in Danare oder Boki. Unten ihnen befinden sich auch politisch Aktive, die Guerilla-Attacken organisieren. Die große Mehrheit sucht aber einfach nur Schutz vor der kamerunischen Regierungsgewalt – Verhaftungen stehen dort an der Tagesordnung. Den Schutz, den sie suchen, finden sie in Nigeria nur bedingt. Wenn Nigeria "Separatisten" aufspürt, liefert das Land sie an Kamerun aus. Außerdem will Nigeria verhindern, Separatisten im eigenen Land zu inspirieren (DS 1.2.2018). Die Menschen in den Flüchtlingslagern sind kampfbereit und die Zahl der potenziellen Kämpfer wird auf rund 5.000 geschätzt (JA 17.2.2018).
Mit Beginn des Jahres stand Präsident Biya noch immer vor einer der größten Krisen des Landes. Diese Krise war nicht neu, das Ausmaß der Eskalation schon. Truppen der Armee spüren weiterhin geflohene separatistische Rebellen in Niger auf (DS 1.2.2018) und Nigerias Nationaler Sicherheitsberater bekräftigte, dass Nigeria bereit sei, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um nicht als Transitzone benutzt zu werden (JA 8.2.2018). Mitte Jänner 2018 äußerte sich Amnesty International besorgt über das Schicksal der in Nigeria inhaftierten Separatisten, die "mit Folter bedroht werden könnten und in ihr Heimatland einem unfairen Prozess ausgesetzt wären" (JA 31.1.2018). Der Anführer der anglophonen Separatistenbewegung, Sisiku Ayuk Tabe, wurde bereits am 5. Jänner 2018 zusammen mit 9 seiner Anhänger in einem Hotel in Abuja verhaftet (JA 8.2.2018; vgl. JA 31.1.2018).
Als Reaktion auf den Einsatz der kamerunischen Armee entwickelte sich die gesellschaftspolitische Krise in den Regionen des Nordwestens und Südwestens Kameruns allmählich zu einem bewaffneten Konflikt geringer Intensität, der durch isolierte Angriffe auf die Symbole des Staates (Gendarmerie, Entführungen von Beamten, Zusammenstöße mit der Armee), gekennzeichnet sind (JA 12.4.2018; vgl. AN 14.4.2018, JA 23.4.2018). Der Westen des Landes wurde in der Vergangenheit wirtschaftlich kaum bedacht, während etwa Biyas Heimatprovinz im Süden die meisten Infrastrukturgelder erhielt. Die Regionen der anglophonen Bevölkerung werfen der Regierung außerdem zunehmend eine "Französisierung" vor. Weil die Regierung auf diesen wachsenden Unmut zumeist mit Ignoranz reagierte, organisierten Anglophone immer öfter Demonstrationen, die zum Teil in Gewalt eskalierten (DS 1.2.2018).
Die Separatisten, die für die Unabhängigkeit des englischsprachigen Teils Kameruns kämpfen, forderten die Vertreter und Sicherheitskräfte Kameruns auf, ihr Territorium zu verlassen (JA 12.4.2018).
Der Anführer der Ambazonian Defence Forces (ADF) ist Lucas Cho Ayaba. Der ADF bildet zusammen mit drei weiteren Milizen - den Southern Cameroons Defence Forces (SOCADEF), den Southern Cameroons Defence Forces (SCDF) und der Ambazonia Restoration Army (ARA) - die Hauptkräfte, deren Gesamtzahl an Kombattanten auf über 300 geschätzt wird, so die International Crisis Group (ICG). Daneben gibt es etwa zehn gewalttätige Gruppen oder Selbstverteidigungsgruppen mit durchschnittlich zehn bis 30 Mitgliedern (JA 17.2.2018).
Laut eigenen Angaben verfolgen die Separatisten zwei Ziele bei der „Verteidigung“ der Heimat: sie unregierbar zu machen und die Kosten der "Besatzung" (durch die kamerunische Armee) zu erhöhen (JA 17.2.2018).
In Kamerun wurde berichtet, dass Dörfer im englischsprachigen Nordwesten in Brand gesteckt wurden und Hunderte von Bewohnern wegen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Rebellen geflohen seien. Das Militär behauptet, dass bewaffnete Separatisten mindestens acht Dörfer im Nordwesten Kameruns niedergebrannt haben; jedoch erklärten die Bewohner, dass das Feuer vom Militär gelegt wurde (VOA 20.4.2018).
Zudem kam es in der anglophonen Zone zu einem bewaffneten Angriff auf den Konvoi des Gouverneurs. Quellen berichteten von Schüssen und mehreren Verwundeten im Konvoi (JA 23.4.2018).
Es scheint wenig Hoffnung auf einen Dialog zu geben. Präsident Paul Biya meint, er werde keine Gespräche führen, die die nationale Einheit bedrohen (VOA 20.4.2018). Somit ist eine Entspannung der Situation noch nicht in Sicht. Kameruns Bevölkerung soll darüber hinaus dieses Jahr zu den Urnen, um ihren Langzeitpräsidenten Biya wieder zu wählen (DS 1.2.2018).
Quellen:
-AN- AfricaNews.fr (14.4.2018): Cameroun: des attaques armées sanglantes dans la zone anglophone (médias), http://fr.africanews.com/2018/04/14/cameroun-des-attaques-armees-sanglantes-dans-la-zone-anglophone-medias/, Zugriff 30.4.2018
-DS - derStandard.at (1.2.2018): 43.000 Flüchtlinge: Kamerun-Konflikt droht zu eskalieren, https://derstandard.at/2000073449239/43-000-Fluechtlinge-Kamerun-Konflikt-in-droht-zu-eskalieren, Zugriff 30.4.20188
-JA - Jeune Afrique (31.1.2018): Cameroun : opération des forces de sécurité camerounaises au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/525808/politique/cameroun-operation-des-forces-de-securite-camerounaises-au-nigeria/ , Zugriff 30.1.2018
-JA - Jeune Afrique (8.2.2018): Cameroun : interrogations autour de l’extradition des séparatistes arrêtés au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/527777/politique/cameroun-interrogations-autour-de-lextradition-des-separatistes-arretes-au-nigeria/, Zugriff 30.4.2018
-JA - Jeune Afrique (17.2.2018): Au Cameroun anglophone, les séparatistes armés dans une logique de guérilla, http://www.jeuneafrique.com/532575/politique/au-cameroun-anglophone-les-separatistes-armes-dans-une-logique-de-guerilla/, Zugriff 30.4.2018
-JA - Jeune Afrique (11.4.2018): Cameroun : la situation humanitaire en zone anglophone inquiète l’ONU et des ONG, http://www.jeuneafrique.com/550331/politique/cameroun-la-situation-humanitaire-en-zone-anglophone-inquiete-lonu-et-des-ong/, Zugriff 30.4.2018
-JA - Jeune Afrique (12.4.2018): Cameroun : libération d’un ex-magistrat enlevé en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/551001/politique/cameroun-liberation-dun-ex-magistrat-enleve-en-zone-anglophone/, Zugriff 30.4.2018
-TS - tagesschau.de (4.4.2018): Touristen in Kamerun: Verwirrung um Geiselnahme, https://www.tagesschau.de/ausland/touristen-kamerun-101.html, Zugriff 30.4.2018
-VOA - Voice of America; in AllAfrica: Cameroon (20.4.2018): Villages Burn as Troops Clash With Separatists, http://allafrica.com/stories/201804200241.html, Zugriff 30.4.2018
-JA - Jeune Afrique (23.4.2018): Cameroun: attaque du convoi d’un gouverneur en zone anglophobe http://www.jeuneafrique.com/553914/politique/cameroun-attaque-du-convoi-dun-gouverneur-en-zone-anglophobe/, Zugriff 30.4.2018
KI vom 23.10.2017: Verhaftungen und Todesfälle bei Demonstrationen in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs- und Pressefreiheit und Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition)
Die Lage im Kamerun ist angespannt (DW 3.10.2017). Kameruns Anglophonen-Krise erreichte einen neuen Tiefstand (IRIN 4.10.2017), als laut Amnesty International, im Zuge der Proteste für die Unabhängigkeit der englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (BAMF 16.10.2017; vgl. DW 3.10.2017), Sicherheitskräfte zwischen 17 und 20 Menschen töteten (DS 2.10.2017; vgl. DW 3.10.2017, BAMF 16.10.2017). Ferner kam es vom 1.10. bis 8.10.2017 zu willkürlichen Verhaftungen in beiden Regionen. In Bamenda (Hauptstadt der Region Nordwest) wurden mindestens 200 Personen und in Buea (Hauptstadt der Region Südwest) mindestens 300 in überfüllte Haftanstalten gebracht (BAMF 16.10.2017; vgl. DM 16.10.2017). Die Regierung reagiert mit Repression, weil sich die englischsprachigen 20 Prozent der Kameruner zunehmend durch die französischsprachige Zentralregierung unterdrückt sehen und an eine Abspaltung vom Staat denken. Als sich mit Demonstrationen von 50.000 Menschen, eine neue Protestwelle abzeichnete, kam es zum Einsatz des Militärs (DS 2.10.2017).
Anführer der Proteste proklamierten symbolisch am Sonntag, 1.10.2017, die Unabhängigkeit des selbst ernannten Staates "Ambazonia" (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017, JA, 12.10.2017), bestehend aus den beiden anglophonen Provinzen des Landes an der Grenze zu Nigeria (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt: 10 Tote laut Regierung, 17 laut Amnesty International, 100 laut dem Zentralafrikanischen Netzwerk für Menschenrechtsverteidiger (JA 12.10.2017; vgl. DW 3.10.2017).
Bereits im Dezember 2016 kam es in Bamenda und in der Universitätsstadt Buea zu heftigen Ausschreitungen. Polizei und Armee griffen brutal ein. Staatlich gelenkten Medien informieren nicht objektiv, so dass Falsch- und Hassmeldungen große Wirkung entfalten können. Viele Kameruner bestätigen, dass sie verunsichert sind und gar nicht wissen, wer eigentlich hinter den einzelnen Protestaktionen steckt. Das führt auch dazu, dass viele Angestellte und Geschäftsleute in den anglophonen Regionen seit Wochen montags zu Hause bleiben. Per anonymen Anruf oder SMS wird montags "Ghosttown" ausgerufen – alle Geschäfte und Märkte bleiben zu. Man weiß nicht, ob die Anordnungen aus Überzeugung oder aus Angst befolgt werden (DF 6.5.2017).
Viele englischsprachige Kameruner protestieren seit fast einem Jahr gegen Benachteiligung, die sich nach ihrer Ansicht in sprachlicher Diskriminierung, mangelnder Repräsentation in staatlichen Instanzen sowie in einer zunehmenden Zentralisierung niederschlägt (DS 2.10.2017). Die Wurzel des Missstands liegt in der Wut über die Unterentwicklung der Region, ihrer fehlenden politischen Repräsentation und der wahrgenommenen Erosion eines anglophonen Kulturerbes (IRIN 4.10.2017). Gemäß einer Meldung der UN-Nachrichtenagentur IRIN vom Oktober 2017 hat sich die Aufruhr im Zuge der Forderung nach einer Rückkehr zu einem längst aufgelösten föderalistischen System insofern verstärkt, als nun auch zunehmenden Forderungen nach völliger Sezession geäußert werden (JA 2.10.2017; vgl. IRIN 4.10.2017). Diese Szenarien werden von Yaoundé kategorisch abgelehnt (JA 2.10.2017) und Demonstranten werden als "Terroristen" bezeichnet (DS 2.10.2017). Statt mit politischen Gesprächen auf die Beschwerden einzugehen, versucht Präsident Biya die Revolte mit Gewalt zu zerschlagen. Mit solchen Maßnahmen erzielt der Präsident das Gegenteil seiner Absicht: Nachdem die Westkameruner zunächst nur die Wiederherstellung der Föderation gefordert hätten, treten sie nun immer mehr für eine Abspaltung ein (DS 2.10.2017).
Quellen:
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.10.2017): Briefing Notes, Kamerun, AI: Mindestens 500 Personen nach Demonstrationen inhaftiert, Zugriff 16.10.2017
-DF - Deutschlandfunk.de (6.5.2017): Anglofone Minderheit streikt für das Recht auf Selbstbestimmung, http://www.deutschlandfunk.de/kamerun-anglofone-minderheit-streikt-fuer-das-recht-auf.799.de.html?dram:article_id=385538, Zugriff 19.10.2017
-DM - Daily Mail Online (16.10.2017): Cameroon premier in troubled anglophone region for 'dialogue', http://www.dailymail.co.uk/wires/afp/article-4986008/Cameroon-premier-troubled-anglophone-region-dialogue.html, uen Staat in Kamerun,
http://derstandard.at/2000065196591/Grossproteste-fuer-neuen-Staat-in-Kamerun, Zugriff 19.10.2017
-DW - Deutsche Welle (3.10.2017): Amnesty: Tote bei Protesten in Kamerun, http://www.dw.com/de/amnesty-tote-bei-protesten-in-kamerun/a-40785242, Zugriff 19.10.2017
-IRIN - Integrated Regional Information Network (4.10.2017): Cameroon's descent into crisis: the long history of anglophone discord, http://www.irinnews.org/news/2017/10/04/cameroon-s-descent-crisis-long-history-anglophone-discord, Zugriff 19.10.2017
-JA - Jeune Afrique (2.10.2017): Cameroun anglophone : sept morts en marge de la proclamation symbolique d’indépendance, http://www.jeuneafrique.com/479228/politique/cameroun-anglophone-sept-morts-en-marge-de-la-proclamation-symbolique-dindependance/, Zugriff 19.10.2017
-JA - Jeune Afrique (12.10.2017): Cameroun : comment éviter la fracture francophone-anglophone?, http://www.jeuneafrique.com/mag/481489/politique/cameroun-comment-eviter-la-fracture%e2%80%89-francophone-anglophone/, Zugriff 19.10.2017
2.Politische Lage
Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (= Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten – seit 1982 ist dies Paul Biya – eine überragende Stellung (GIZ 2.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017). Legislative und Justiz haben nur geringe Kontrolle über die Exekutive (BS 2016).
Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya (82 Jahre) regiert seit 1982. Die nächsten Präsidentenwahlen finden turnusgemäß 2018 statt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild und sieht die Schaffung eines Verfassungsgerichts vor, was allerdings bis heute nicht geschehen ist. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren (AA 9.12.2016).
Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 2.2017a).
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen Anfang Oktober 2011 wurde Paul Biya mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt und bleibt damit kamerunischer Präsident für die nächsten sieben Jahre. Paul Biya erhielt 78% der Stimmen. Gemäß offiziellen Angaben soll die Wahlbeteiligung bei 65% gelegen haben (GIZ 2.2017a; vgl. BS 2016). Mit ihren 22 Präsidentschaftskandidaten landete die Opposition weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war kaum überraschend, im Land herrscht Resignation hinsichtlich eines demokratischen Wandels vor, scharfe Kritik wird vor allem von den im Ausland lebenden Kamerunern geäußert (GIZ 2.2017a).
Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30. September 2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt; - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 2.2017a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24 (AA 9.12.2016).
Am 14.4.2013 wurden zum ersten Mal Senatoren für die 2.Kammer gewählt - 17 Jahre nach Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen. Großer Gewinner war die RDPC/CPDM (GIZ 2.2017a; vgl. AA 9.12.2016). Senatspräsident ist der 81-jährige Marcel Niat Njifendji, ex-Vizepremierminister. Er würde im Falle der Amtsunfähigkeit des Staatspräsidenten übergangsweise dessen Amtsgeschäfte führen (AA 9.12.2016).
Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nord-West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (74 Jahre) stammt (AA 9.12.2016).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
-BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 – Cameroon Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Cameroon.pdf, Zugriff 9.3.2017
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 9.3.2017
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017
3.Sicherheitslage
Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten. Abgeraten wird lediglich von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord. Reisen in die Provinzen Nord und Adamoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind (FD 17.3.2017b). In den englischsprachigen Regionen um die Städte Bamenda und Buea kommt es nach Streiks von Teilen der anglophonen Bevölkerung zu gewalttätigen Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, die bereits mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das österreichische Außenministerium warnt ausdrücklich vor Reisen in den Norden des Landes. Reisen in die Grenzgebiete zum Tschad und zur zentralafrikanischen Republik sollen nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind. Die Lage ist gespannt und unsicher und kann sich innerhalb kürzester Zeit verschlechtern. Das Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie Entführungen ist besonders hoch. In den letzten Jahren wurden mehr als 20 ausländische Staatsangehörige im Norden des Landes entführt (BMEIA 17.3.2017).
Derzeit steht Kamerun vor großen Herausforderungen, da sich das Umfeld in den Nachbarländern Zentralafrikanische Republik und Nigeria destabilisiert hat. An der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik ist es seit Ausbruch der Seleka-Rebellion im Dezember 2012 mehrfach zu bewaffneten Übergriffen auf kamerunische Orte gekommen. Seit Beginn der Rebellion sind über 259.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun eingetroffen (AA 9.12.2016). Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen dieser grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher (AA 17.3.2017; vgl. FH 2016). Es kam dort auch zu Gefechten zwischen zentralafrikanischen Rebellen und kamerunischen Kräften (FH 2016).
In der Provinz Extrême-Nord, die an die Hochburg der Boko Haram in Nigeria grenzt, kommt es zu wiederholten Einfällen der Extremisten (FH 2016). Im Norden Kameruns, besonders in der Region Extreme-Nord, bedrohen Übergriffe von Boko Haram die Stabilität. Die Regierung geht u. a. mit Militäreinsätzen gegen die Bedrohung vor. Vor allem in der Region Extrême -Nord sind fast 59.000 Menschen aus Nigeria geflüchtet (AA 9.12.2016).
In der Provinz Extrême-Nord besteht ein hohes Entführungsrisiko für Ausländer. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Extrême-Nord, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen (AA 17.3.2017; vgl. FD 17.3.2017a). Auch in den Grenzgebieten zu Nigeria in den Provinzen Nord und Adamaoua können terroristische Aktivitäten vorkommen (FD 17.3.2017b). Laut einem Bericht der International Crisis Group wurden im Zuge der Angriffe durch Boko Haram, seit März 2014, 1.500 Menschen getötet und 155.000 verdrängt (IRIN 11.1.2017). Boko Haram war vor allem in der Region Extrême-Nord für Menschenrechtsverstöße verantwortlich (AI 22.2.2017).
Gewarnt wird darüber hinaus vor Reisen zur Halbinsel Bakassi und Umgebung aufgrund fortdauernder Sicherheitsprobleme. Im gesamten Golf von Guinea gibt es Bandenunwesen. In der Vergangenheit gab es Überfälle und Geiselnahmen auf Küstenorte, Fischkutter, Öltanker oder Ölplattformen (AA 17.3.2017; vgl. BMEIA 17.3.2017).
Die allgemeine Sicherheitslage ist vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen von zunehmender Gewaltkriminalität gekennzeichnet (GIZ 2.2017a). In den Regionen Nord und Adamaoua sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen (AA 17.3.2017).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 17.3.2017
-AA - Auswärtiges Amt (17.3.2017): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 17.3.2017
-AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Cameroon, https://www.ecoi.net/local_link/336459/479100_de.html, Zugriff 17.3.2017
-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (17.3.2017): Reiseinformation Kamerun, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 17.3.2017
-FD – France Diplomatie (17.3.2017a): Cameroun – Conseils aux voyageurs – Dernière minute, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#derniere, Zugriff 17.3.2017
-FD – France Diplomatie (17.3.2017b): Cameroun – Conseils aux voyageurs – Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#securite, Zugriff 17.3.2017
-FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 19.8.2015
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 17.8.2015
-IRIN - Integrated Regional Information Network (10.8.2015): Boko Haram still a threat to refugees in Cameroon, http://www.irinnews.org/feature/2017/01/11/boko-haram-still-threat-refugees-cameroon, Zugriff 17.3.2017
4.Rechtsschutz/Justizwesen
Das kamerunische Rechtssystem ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d´appel). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern, die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 2.2017).
Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert oder infolge ihrer geringen Gehälter bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren
mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 9.12.2016).
Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen. Manche Staatsanwälte und Richter sind bestechlich und beeinflussbar. Am 1.1.2007 trat das erstmals landesweit einheitliche Strafprozessrecht in Kraft, das die Rechte der Beschuldigten präzisiert und stärkt. Darüber hinaus wurde ein Recht auf Entschädigung im Fall unangemessen langer Untersuchungshaft eingeführt. Viele Betroffene scheuen jedoch den - insbesondere für Laien komplizierten - administrativen Aufwand (AA 9.12.2016).
Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige „Könige“ („Lamido“) Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese „Könige“ sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 9.12.2016).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 15.3.2017
5.Sicherheitsbehörden
Die Gendarmerie Nationale ist die nationale Polizei. Sie hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich, also auf dem Lande. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 2.2017a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 9.12.2016). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement mobile d’intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'intervention rapide (BIR) (GIZ 2.2017a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 9.12.2016).
Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 2.2017a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 9.12.2016).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 9.3.2017
6. Relevant Bevölkerungsgruppen
6.1.Frauen
Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen (AA 9.12.2016) sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017), die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle.
Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend und menschenunwürdig. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es zum Beispiel keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nachlässig verfolgt (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017), obwohl sie unter Strafe stehen und mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahre belegt sind (USDOS 3.3.2017).Bei der im Parlament diskutierten Reform des Familienrechts sollen viele dieser diskriminierenden Bestimmungen aufgehoben werden. Voraussichtlich wird der Gesetzesentwurf über mehrere Jahre verhandelt werden. Ein Termin zur Vorlage im Parlament ist nicht bekannt (AA 9.12.2016).
Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten. Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 % (AA 9.12.2016). So sind 56 (von 180) Abgeordnete in der Nationalversammlung und 20 (von 100) im Senat weiblich (FH 2016). In der Regierung sind Frauen wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen in geringerem Maße zugänglich war und zum Teil immer noch ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert; den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt (AA 9.12.2016).
Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 9.12.2016).
Die Beschneidung weiblicher Genitalien ist bislang nicht verboten (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Diese ist kein Massenphänomen, wird aber in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 9.12.2016; vgl. FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 9.12.2016); im Osten (USDOS 3.3.2017) sowie im Südwesten (FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017) bei den Ethnien der Choa und Ejagham. Zudem wird berichtet, dass diese Praxis abnimmt (USDOS 3.3.2017). Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Duala und Jaunde durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes. UNICEF zufolge werden Beschneidungen bei 1% der kamerunischen Frauen durchgeführt (AA 9.12.2016). USDOS nennt eine Zahl von 1,4% und 20% bei den am meisten betroffenen Gemeinden (USDOS 3.3.2017). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Ein im Justizministerium bereits 2010 erarbeiteter, bisher jedoch nicht eingebrachter Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch sieht vor, Genitalbeschneidung bei Frauen zu einem Straftatbestand zu erklären (AA 9.12.2016).
Weit verbreitet (rund 12%) ist die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen („Brustbügeln“). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).
Gegen beide Praktiken gehen Regierung und NGOs mit Aufklärungskampagnen vor (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
-FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 15.3.2017
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017
18.2.Kinder
Kinder unter 14 Jahren sind schulpflichtig, was jedoch vielfach missachtet wird. Das Arbeitsrecht sieht Sanktionen für die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren vor. Im informellen Sektor ist Kinderarbeit jedoch gängige Praxis.
Seit Dezember 2005 ist ein so genanntes Anti-Kinderhandel-Gesetz in Kraft. Genaue Aussagen über Entwicklungen in diesem Bereich liegen nicht vor. Die kamerunischen Behörden beobachten seit der Einführung des Gesetzes Adoptionsaktivitäten wesentlich aufmerksamer. In Kamerun gibt es trotz des Gesetzes Kinderhandel zum Zwecke der Feld- oder Hausarbeit. Die kamerunische Regierung arbeitet mit NGOs zusammen, um Rechte von Frauen zu stärken sowie Kinderarbeit und Menschenhandel zu bekämpfen (AA 9.12.2016).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
7.Bewegungsfreiheit
Die Verfassung und weitere Gesetze gewährleisten die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Diese Rechte werden jedoch manchmal eingeschränkt