TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/12 96/19/0206

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Veröffentlicht am 12.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des YK, geboren 1969, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. September 1995, Zl. 116.857/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt

Dr. Werner Zach, richtete mit Schreiben vom 29. August 1995 einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Inneres.

Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

"Betrifft: YK, geb. 1969

Sehr geehrter Herr Bundesminister

Ich vertrete rechtsfreundlich Hr. YK.

Mein Mandant hat am 8. August 1994 über die österreichische Botschaft in Ankara den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit einer Wirksamkeit von 24 Monaten ab positiver Entscheidung eingebracht, diesem Antrag waren beigeschlossen sämtliche anspruchsbegründenden Urkunden.

Nach der mir bisher erteilten Information ist meinem Mandanten ein Bescheid über den Antrag vom 8. August 1994 bisher nicht zugestellt worden.

Da von der Verwaltungsbehörde bis zum 29. August 1995 kein Bescheid in der Frist des § 73 AVG erlassen wurde, das alleinige Verschulden an der Nichterledigung bei der Verwaltungsbehörde liegt, stelle ich im Auftrage meines Mandanten hiemit gemäß § 73 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf den Bundesministers für Inneres als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. September 1995 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 73 AVG zurück. Als Begründung wurde ausgeführt, daß sich aus dem Devolutionsantrag nicht die Anschrift ergebe, an welcher der Hauptwohnsitz begründet werden solle und daher auch nicht nachvollzogen werden könne, welche gemäß § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ermächtigte Behörde für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung bzw. die Bearbeitung des Antrages im Bundesgebiet zuständig sei. Da die österreichische Botschaft in Ankara nicht Behörde im Sinn des § 6 Abs. 4 AufG sei, könne der österreichischen Botschaft in Ankara keine Säumigkeit vorgeworfen werden. Aufgrund der mangelhaften Angaben im Devolutionsantrag im Hinblick auf die Behörde, der die Säumigkeit vorzuwerfen wäre, sei der Antrag gemäß § 73 AVG zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 27. November 1995, B 3178/95-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, erwogen:

Die §§ 37 und 73 Abs. 1 und 2 AVG lauten:

"§ 37. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

§ 73. (1) Die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge (§ 8) von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht

kommende Oberbehörde .... über. Ein solcher Antrag ist

unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."

Der Beschwerdeführer vertritt in seinen, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes darlegenden Beschwerdeausführungen die Ansicht, daß bereits bei Antragseinbringung die örtlich und sachlich zuständige inländische Verwaltungsbehörde erkennbar gewesen wäre. Es sei dem Antrag vom 8. August 1994 die Absicht des Beschwerdeführers, mit seiner Ehefrau in P seinen Aufenthalt zu nehmen, zu entnehmen gewesen. All diese Urkunden, insbesondere auch der Mietvertrag für die dortige Wohnung, seien dem Antrag beigelegt gewesen. Durch die Verweigerung der Sachentscheidung über den Devolutionsantrag sei der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat die Zurückweisung des Devolutionsantrages auf dessen inhaltliche Mängel und nicht - wie der Beschwerdeführer meint - auf Mängel des Antrages vom 8. August 1994 gestützt. So ist dem Devolutionsantrag nur das Geburtsdatum des Beschwerdeführers, aber keine inländische Adresse oder ein sonstiger Hinweis, aus dem sich die örtlich zuständige Behörde erster Instanz ergeben würde, zu entnehmen. Die Frage, ob der Antrag vom 8. August 1994 ordnungsgemäß mit entsprechenden Belegen versehen war, wurde von der belangten Behörde nicht aufgeworfen.

Der Bescheid der belangten Behörde erweist sich aber aus nachstehenden Gründen als rechtswidrig. Dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Devolutionsantrages konnte die belangte Behörde zwar nicht entnehmen, welche gemäß § 6 Abs. 4 AufG zuständige Behörde erster Instanz über den am 8. August 1994 eingebrachten Antrag (noch) nicht entschieden hatte. Allerdings berechtigte dieser Umstand die belangte Behörde nicht zur Zurückweisung des Devolutionsantrages. Im vorliegenden Fall war vielmehr die Bestimmung des § 37 AVG anzuwenden, wonach den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen zu geben ist. Bestehen auf Grund eines vorliegenden Antrages Zweifel (z.B. über den Umfang des Antrages, vgl. hg. Erkenntnis vom 10. September 1986, Zl. 85/09/0260), dann ist die Behörde verpflichtet, sich die notwendige Klarheit zu verschaffen, indem sie den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens auffordert. Ebenso wie die Behörde etwa den Sinn eines mehrdeutigen Parteienantrages durch Hereibeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen hat, ist sie auch verpflichtet, in einem Zweifelsfall wie dem vorliegenden zu klären, welche Behörde hinsichtlich des genannten Antrages zuständig und gegebenenfalls säumig ist. Es handelt sich hiebei um die Klärung des Inhaltes einer undeutlichen Prozeßhandlung (vgl. zur Zurechnung einer Prozeßhandlung hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11.625/A).

Die belangte Behörde hätte daher durch entsprechende Rückfragen einerseits an die österreichische Botschaft in Ankara hinsichtlich des dort am 8. August 1994 eingebrachten Antrages (und seiner Weiterleitung) sowie andererseits an den Antragsteller selbst klären müssen, welche Behörde als säumige Behörde anzusehen ist. Es ist anzunehmen, daß der Beschwerdeführer anläßlich dieser Rückfragen - wie er es in der vorliegenden Beschwerde tut - auf den geplanten Hauptwohnsitz in P hingewiesen hätte. Diesfalls hätte die Behörde aber den vorliegenden Devolutionsantrag nicht zurückweisen dürfen, sondern die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung um eine entsprechende Stellungnahme zum Devolutionsantrag ersuchen müssen. Je nach Inhalt der Äußerung dieser Behörde, welcher Säumnis zur Last gelegt wurde, hätte die belangte Behörde entweder - in Wahrnehmung des eingetretenen Kompetenzübergangs - eine Sachentscheidung treffen oder den Devolutionsantrag abweisen oder ihn gegebenenfalls (allerdings aus anderen Gründen als im angefochtenen Bescheid) zurückweisen müssen.

Da somit nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des vorliegenden Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die belangte Behörde dem Akt eine im September 1996 eingeholte Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung beigelegt hat, aus der hervorgeht, daß bei dieser Behörde hinsichtlich des Beschwerdeführers kein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung offen ist, weil der angefochtene Bescheid nicht auf diesen Umstand gestützt wurde und es überdies auf die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Erlassung ankam.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Wird eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG vom Verfassungsgerichtshof abgetreten, so gebührt dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte. Es war daher nur der Stempelgebührenersatz für die Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof in zweifacher Ausfertigung zuzusprechen. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ist ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190206.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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