TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W257 2221030-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
PTSG §17 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W257 2221030-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. MBA Herbert MANTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , vertreten durch Dr. Johannes DÖRNER und Dr. Alexander SINGER, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Postbus AG eingerichteten Personalamtes vom 04.04.2019, Zl. PA 078/19-A1, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG idgF abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1.    Zum Verfahren vor dem Personalamt der österr. Postbus AG

Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 28.09.2000 wurde der am XXXX geborene Wiederaufnahmewerber auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe PT 2, Dienstzulagengruppe 1, ernannt.

Das Bundessozialamt setzte mit Bescheid vom 05.09.2013 den Grad der Behinderung des Wiederaufnahmewerbers gemäß 22.05.2013 mit „90 vom Hundert“ fest. Dabei stützte es sich auf ein Sachverständigengutachten vom 20.08.2013, nach dem beim Wiederaufnahmewerber seit dem Jahr 2008 eine Niereninsuffizienz bei Hypertonie vorliege und er infolge des Ausmaßes seiner funktionellen Einschränkungen zumindest zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb geeignet sei.

Mit Schreiben des Personalamtes der Österreichischen Postbus AG (in der Folge: die Behörde) vom 26.06.2015 wurde der Wiederaufnahmewerber zum Dienstantritt am 27.08.2015 in der Unternehmenszentrale/Personalabteilung in 1100 Wien aufgefordert.

Gegen diese Weisung remonstrierte der Wiederaufnahmewerber. Dabei führte er aus, dass er aufgrund einer Niereninsuffizienz Dialysepatient sei und seine Arbeitsleistung in Wien nicht erbringen könne, weil die Dialyse täglich in den Nachtstunden zu Hause durchgeführt werde. Seine Arbeitsleistung am Tag sei dadurch aber nicht eingeschränkt. Die Einschränkung sei nur insofern gegeben, als er seine über die Nacht dauernde Therapie zuhause durchführen müsse. Es würden daher schwerwiegende medizinische Bedenken gegen die Befolgung der Weisung sprechen, eine ordnungsgemäße Behandlung als Dialysepatient müsse gesichert sein.

Mit Schreiben vom 13.08.2015 brachte der Wiederaufnahmewerber im Wege seiner Rechtsvertreter u.a. einen Arztbrief der Internen Abteilung des Krankenhauses der Elisabethinen in Linz vom 09.07.2015 in Vorlage, wonach bei ihm u.a. eine chronische Niereninsuffizienz, Stadium V, bei hypertensiver Nephrosklerose und eine arterielle Hypertonie vorliege.

Am 19.08.2015 zog die Behörde aufgrund der vom Wiederaufnahmewerber vorgelegten Befunde die Weisung zum Dienstantritt zurück und gab gleichzeitig bekannt, dass infolge der gegebenen Umstände von einer aufrechten Dienstunfähigkeit ab dem 31.07.2015 ausgegangen werde.

Der Wiederaufnahmewerber teilte hierzu mit Schreiben vom 25.08.2015 im Wege seiner Rechtsvertreter mit, dass er zwar die Zurückziehung der Weisung zustimmend zur Kenntnis nehme, er jedoch der Auffassung der Behörde entgegentrete, dass von einer aufrechten Dienstunfähigkeit ab dem 31.07.2015 auszugehen sei.

In dem von Amts wegen eingeleiteten Ruhestandsversetzungsverfahren wurde die Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) mit Schreiben der Behörde vom 01.09.2015 um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Wiederaufnahmewerbers ersucht.

Nach der in der Folge erstellten und dem Wiederaufnahmewerber übermittelten Stellungnahme des Chefarztes der Landesstelle Wien der PVA vom 17.11.2015 sei eine leistungskalkülrelevante Besserung der angeführten Hauptursachen der Minderung der Dienstfähigkeit des Wiederaufnahmewerbers nicht möglich und eine vollwertige Ausübung einer Vollzeittätigkeit nicht zumutbar. Diese Stellungnahme erfolgte unter Berücksichtigung verschiedener medizinischer Befunde (v.a. des ärztlichen Gesamtgutachtens der PVA vom 27.10.2015 und der Arztbriefe der Internen Abteilung des Krankenhauses der Elisabethinen in Linz vom 19.08.2015 und 10.11.2015).

Nach der – aufgrund eines vom Wiederaufnahmewerber vorgelegten Arztbriefes der Internen Abteilung des Krankenhauses der Elisabethinen in Linz vom 29.01.2016 (demnach der Wiederaufnahmewerber dort vom 28.12.2015 bis 19.01.2016 in stationärer Behandlung war) eingeholten – ergänzenden Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der PVA vom 01.03.2016 sei im Hinblick auf das Alter des Wiederaufnahmewerbers und die Schwere der organischen Veränderungen von einem Wiedererlangen seiner Dienstfähigkeit nicht mehr auszugehen.

1.2.    Verfahren bzgl der Gehaltskürzung (behördliches und gerichtliches Verfahren):

Die Behörde kürzte in weiterer Folge die anteilsmäßig die Monatsbezüge. Der Wiederaufnahmewerber stellte daraufhin einen Antrag auf Auszahlung der vollen Bezüge. Mit Bescheid vom 01.06.20165 wurde der Antrag abgewiesen. Mit Beschluss vom 23.09.2016, Zl. W106 2134052-1/2E, gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen den Bescheid der Behörde vom 01.06.2016 erhobenen Beschwerde statt, hob diesen auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Mit dem im Spruch vom 07.02.2017 wies die Behörde den Antrag des Wiederaufnahmewerbers vom 10.03.2016 auf Auszahlung der ungekürzten Bezüge neuerlich ab. Dagegen wurde am Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis vom 29.06.2017, Zl. W106 2134052-2/2E, änderte das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der Behörde vom 07.02.2017 dahingehend ab, dass die Auszahlung der ungekürzten Bezüge bis zum 04.05.2016 zu erfolgen habe. Im Übrigen gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde nicht Folge. Der Verwaltungsgerichtshof gab der gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Wiederaufnahmewerbers mit Erkenntnis vom 03.10.2018, Zl. Ra 2017/12/0088-11, statt und hob dieses „soweit es sich auf nach dem 4. Mai 2016 gelegene Zeiträume bezieht“ wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Mit Erk vom 19.09.2019, Zl. W246 2134052-2/17E, wurde die Beschwerde abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte ua fest, dass der Wiederaufnahmewerber zumindest seit dem Jahr 2008 (und litt somit auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum) an einer Niereninsuffizienz, Stadium IV-V leide, weshalb er ab dem Jahr 2013 einer Peritonealdialyse unterzogen wurde und seit dem Jahr 2015 mittels Hämodialyse behandelt wird. Weiters lag beim Wiederaufnahmewerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum u.a. eine Hypertonie sowie eine renale Anämie vor. Aufgrund dieser Erkrankungen war es dem Wiederaufnahmewerber im Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.10.2017 nicht möglich, die für seinen Arbeitsplatz erforderlichen Aufgaben zu erfüllen. Das Verwaltungsgericht zog daraus den rechtlichen Schluss, dass der Wiederaufnahmewerber im Zeitraum von 05.05.2016 bis 31.10.2017 nicht dazu in der Lage war, die für seinen Arbeitsplatz erforderlichen Aufgaben zu erfüllen. Die belangte Behörde war daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass beim Wiederaufnahmewerber eine krankheitsbedingte Dienstverhinderung, womit der Monatsbezug in diesem Zeitraum zu kürzen war. Dagegen wurde fristgerecht eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit Erk des VwGH vom 04.12.2019, Zl. Ra 2019/12/0070-3 wurde die Revision zurückgewiesen.

1.3.    Der Ruhestandsversetzungsbescheid

Im Ruhestandsversetzungsverfahren sprach die Behörde, nachdem der Wiederaufnahmewerber gegen den Bescheid der Behörde vom 21.09.2016, mit dem er in Ruhestand versetzt worden war, Beschwerde erhoben hatte, mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.12.2016 aus, der Wiederaufnahmewerber werde gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit von Amts wegen mit Wirksamkeit des auf die Rechtskraft dieses Bescheides folgenden Monatsletzten in den Ruhestand versetzt. Der Wiederaufnahmewerber beantragte die Vorlage dieser Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und legte dabei u.a. einen Ambulanzbrief der Internen Abteilung des Krankenhauses der Elisabethinen in Linz vom 22.09.2016 vor, wonach der Annahme, dass durch eine Nierentransplantation sich keine leistungskalkülrelevanten Besserungsmöglichkeiten ergeben würden, klar widersprochen werde. Nach Vorlage der Beschwerde stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 06.11.2017 das zur Zl. W128 2149084-1, protokollierte Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der Behörde vom 21.09.2016, mit dem der Wiederaufnahmewerber in Ruhestand versetzt worden war, wegen Zurückziehung der Beschwerde ein; der Wiederaufnahmewerber führte zur Zurückziehung dieser Beschwerde aus, dass er aus verfahrensökonomischen und außerverfahrensrechtlichen Erwägungen im Ruhestandsversetzungsverfahren keinen Widerstand mehr gegen die Absicht der Behörde leisten wolle, ihn amtswegig in den Ruhestand zu verabschieden. Der Beschluss wurde dem Wiederaufnahmewerber am 08.11.2017 nachweislich zugestellt.

Damit wurde der Ruhestandsversetzungsbescheid vom 21.09.2016, Zl PA 156/15-A-05, „des auf die Rechtskraft des Bescheides folgenden Monatsletzten“ (sh Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom 12.12.2016), das war der 31.12.2017, rechtskräftig.

1.4.    Der Wiederaufnahmeantrag

Gegen diesen rechtkräftigen Bescheid richtet sich der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag vom 14.11.2018. In dem Antrag führt der Wiederaufnahmewerber aus, dass er entgegen seinem Dafürhalten seitens der Dienstbehörde für dienstunfähig angesehen worden wäre und gleichzeitig wäre ihm auch jegliche Nebenbeschäftigung untersagt worden. Der Wiederaufnahmewerber werde dazu verhalten gewesen in den Ruhestand zu flüchten. Das gegen den Wiederaufnahmewerber eingeleitete Disziplinarverfahren hätte seine Entlassung beabsichtigt, wobei dieses Verfahren mit einer Geldstrafe von drei Monatsgehältern abgeschlossen worden wäre.

Wörtlich wird ausgeführt: „Mag es auch möglicherweise verfrüht sein, sieht sich der Wiederaufnahmewerber nunmehr gehalten, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Ruhestandsversetzungsverfahrens einzubringen. Er hätte nur vor dem Eindruck des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens die Beschwerde gegen den Ruhestandsversetzungsbescheid zurückgezogen. ... Wenn jedoch das nunmehr geführte Verfahren über Gehaltskürzungen zum Ergebnis hat, dass nach aufgetragener Würdigung der Sachverständigengutechten der Wiederaufnahmewerber nicht dienstfähig ist, so kann er schon gar nicht wegen dauernder Dienstunfähigkeit in Ruhestand versetzt werden. Insofern liegt der Wiederaufnahmegrund der anderen Lösung eines präjudiziellen Verfahrens vor. ... Darüber hinaus gibt der Wiederaufnahmewerber bekannt, dass ihm mit 01.11.2018 eine Spenderniere transplantiert wurde. Der Wiederaufnahmewerber war seinem Dafürhalten zwar schon vorher dienstfähig. Durch die erfolgte Nierentransplantation wird aber jedenfalls davon auszugehen sein, dass die Dienstfähigkeit des Wiederaufnahmewerbers vom Sachverhalt her entscheidend dokumentiert ist. ... Der Wiederaufnahmewerber stellt daher die Anträge seinen Wiederaufnahmeantrag Folge zu geben, in weiterer Folge im wiederaufzunehmenden Verfahren von seiner Ruhestandsversetzung Abstand zu nehmen.“ Dem Antrag beigelegt war das Erk des VwGH vom 03.10.2018.

1.5.    Der gegenständliche Verfahrensbescheid

Mit Bescheid vom 04.04.2019, Zl. PA 078/19-A1, wurde der Antrag gem § 69 Abs. 1 Ziffer 2 AVG zurückgewiesen und § 69 Abs. 1 Ziffer 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend für die Behörde aus, dass es offensichtlich sei, dass der Wiederaufnahmewerber vor dem Hintergrund des rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens nicht mehr in den Ruhestand flüchten müsse und ihm somit das rechtskräftig abgeschlossene Ruhestandversetzungsverfahren nicht mehr genehm sei. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Grundlage des § 69 AVG führte sie aus, dass das Verfahren betreffend der Gehaltskürzung gemäß § 13c GehG keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG für das Ruhestandsversetzungverfahrens darstellt. Der Umstand, dass der Wiederaufnahmewerber seine Beschwerde lediglich vor dem Eindruck des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens zurückgezogen hätte, er somit nicht in den Ruhestand flüchten hätte müssen, würde keinen Grund für einen Wiederaufnahmegrund darstellen. Hinsichtlich der Bestimmung des § 69 Abs. 1 Ziffer 2 AVG führt die Behörde aus, dass der Wiederaufnahmewerber nicht dargelegt hätte wann er von dem Umstand Kenntnis erlangt hätte. Es sind keine Befunde o.ä. vorgelegt worden wonach sich ergibt, dass der Wiederaufnahmewerber am 01.11.2018 eine Spenderniere erhalten hätte. Zudem wäre in dem Gutachten des Verfahrens bereits eine Nierentransplantation berücksichtigt worden, wodurch sich auch keine neue Tatsache ergeben würde.

1.6.    Die Beschwerde

Dagegen wurde fristgerecht am 09.05.2019 Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer führte aus, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2017 bezüglich der Gehaltskürzungen aufgehoben wurde. Er selbst hätte sich immer als dienstfähig angesehen, während hingegen die Behörde immer ihn als dienstunfähig angesehen hätte. Gleichzeitig hätte die Behörde ihm eine Nebenbeschäftigung untersagt. Ebenso wurde auf das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren hingewiesen. Der Wiederaufnahmewerber wies auf Seite 3 der Beschwerde mehrmals hin, dass er dienstfähig sei. In dem Ruhestandversetzungsverfahren hätte er auch mehrmals darauf hingewiesen, dass es bei einer Transplantation zu einer Besserung kommen werde. Insofern würde der Hinweis der Behörde versagen, indem bereits auf diese Nierentransplantation im Verfahren hingewiesen wurde bzw. diese berücksichtigt wurde. Mit der Nierentransplantation sei eine vollkommen andere Situation eingetreten die im wiederaufzunehmenden Verfahren eine neue Begutachtung notwendig machen werde. Es sei eine Haarspalterei von ihm den Nachweis zu fordern wann er von dieser neuen Tatsache Kenntnis erlangt hätte. Der Kenntniserlangungszeitpunkt wäre selbstredend erst in der erfolgten Nierentransplantation gelegen, diese wäre am 01.10.1018 gewesen. Aus dem vorgelegten Befund vom 08.04.2019, aus der die erfolgte Transplantation bestätigt werde, würde sich seine vollkommene Gesundheit ergeben. Wörtlich wurde Folgendes ausgeführt: „Schon aus logischen Gesichtspunkten sind die Ausführungen der belangten Behörde verfehlt und nur geeignet, sich meiner als unbequemen Beschwerdeführer und meines Wiederaufnahmegrundes entledigen zu wollen.“ Der Beschwerde wurden folgende Beilagen hinzugefügt: Bescheid vom 04.04.2019, Fristsetzungsantrag vom 06.05.2019 im Verfahren wegen der Gehaltskürzungen, Erkenntnis Verwaltungsgerichtshofes vom 03.10.2018 im Verfahren wegen der Gehaltskürzungen, Disziplinaranzeige der ÖBB Postbus GmbH, Arztbriefe vom 20.11.2018 und vom 08.04.2019.

1.7.    Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Der Verwaltung langte gemeinsam mit einer Stellungnahme der Behörde am 09.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

In dieser Stellungnahme der Behörde wird nochmals ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich einer dienstrechtlichen Verfehlung schuldig gemacht habe und er schließlich zu drei Monatsbezügen disziplinarrechtlich verurteilt wurde. Für die Behörde sei es offensichtlich, dass er nunmehr wegen des abgeschlossenen Disziplinarverfahrens in dem er nicht entlassen wurde, sondern lediglich eine Geldstrafe zu zahlen hatte, keinen Grund für eine „Flucht in die Pension“ sehe und deswegen die Wiederaufnahme anstrenge. Weiters führt sie aus, dass dann wenn eine gleichartige, ähnliche Rechtsfrage in einem anderen Verfahren (Anm. des BvWG: hier die Frage der Dienstfähigkeit im Rahmen des Gehaltskürzungsverfahrens) zu klären ist, dies nicht eine Vorfrage iSd § 38 AVG ist (Verweis auf Ra 2015/09/2018). Auch sei auf die Rsp hinzuweisen, dass die Begründung anderer Verfahren ergangener verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen keine Bindungswirkung entfalte (zB Ra 2018/18/0128). Zudem führt die Behörde aus, dass mit dem Antrag auch Nachweise vorzulegen sind, dass die Wiederaufnahmefrist eingehalten wurde. Bei dem Antrag hätte eine Operationsbestätigung gefehlt aus der sich die Frist ergeben hätte. Schließlich handle es sich bei der erfolgten Nierentransplantation um eine neue Tatsache, die nach Eintritt der Rechtskraft eintrat und nicht bereits vor dem Entscheidungszeitpunkt vorlag und erst später hervorkam.

Diese Stellungnahme wurde dem Wiederaufnahmewerber zum Parteiengehör vorgelegt. Am 03.09.2019 langte eine Gegenäußerung des Wiederaufnahmewerbers zu der Stellungnahme der Behörde ein.

Darin wird bestritten, dass er wegen des Disziplinarverfahrens in die Pension flüchten hätte wollen. Hinsichtlich der von der Behörde vorgebrachten Bindungswirkung wird vorgebracht, dass die Ansicht der Behörde nicht ganz stimme, denn diese Ansicht gelte „nicht für Entscheidungsgründe, die in ihrer Bedeutung geeignet sind, den Spruch zu konkretisieren.“ Zudem wird vorgebracht, dass in dem Verfahren bezüglich der Gehaltskürzungen ein Zeuge ausgesagt hätte, der fachlich auf der gleichen Ebene wir der beeidete Sachverständige stünde, dieser zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Beschwerdeführer nach der Nierentranspalnation als völlig gesund anzusehen sei und er an keiner ernsthaften Erkrankung leide. Aus diesem Grund müsse der Pensionsbescheid aufgehoben werden. Vorgelegt wurde auch das Protokoll vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 27.08.2019.

Diese Stellungnahme wurde wiederrum der Behörde vorgelegt. Am 19.12.2019 langte eine Gegenäußerung der belangten Behörde zu der Stellungnahme des Wiederaufnahmewerbers vom 03.09.2019 ein. Darin wird ausgeführt, dass mittlerweile das Bundesverwaltungsgericht am 19.09.2019 entschieden hat und dem Antrag des Wideraufnahmewerbers hinsichtlich der Gehaltskürzungen nicht gefolgt ist, sodass der Bescheid der Behörde bestätigt wurde. Vorgelegt wurde das Protokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2019, indem der Gutachter dargelegt hat, dass der Wiederaufnahmewerber die an ihn gestellten Job-Anforderungen nicht in zumutbarer Weise erfüllen könne. Der vom Wiederaufnahmewerber eingebrachte Zeuge hatte keine Arbeitsplatzbeschreibung, womit seine Ansicht der Genesung jedenfalls zu kurz gegriffen sei. Die Äußerung, dass er „an keiner ernsthaften Erkrankung leide“ stünde im klaren Widerspruch zum Gutachten. Nochmals wird darauf hingewiesen, dass die Nierentransplantation erst nach Eintritt der Rechtskraft durchgeführt wurde und es sich somit um keine Tatsache handelt, welche neu hervorgekommen sei.

Am 26.05.2020 wurde ein Fristsetzungsantrag gestellt. Mit Beschluss des VwGH vom 10.06.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen binnen drei Monate zu entscheiden. Dieser Beschluss langte am 19.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest.

2.       Feststellungen:

Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 28.09.2000 wurde der am XXXX geborene Wiederaufnahmewerber auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe PT 2, Dienstzulagengruppe 1, ernannt.

Mit Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Postbus AG eingerichteten Personalamtes vom 21.09.2016, Zl. 156/15-A-05, wurde der Beamte rechtskräftig wegen der dauernden Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen mit Ablauf des 31.12.2017 in den Ruhestand versetzt. Die Rechtskraft des Bescheides trat mit Ablauf des 31.12.2017, somit am 01.01.2018 in Kraft.

Nach Rechtkraft des Bescheides wurde der Wiederaufnahmewerber am 01.11.2018 operiert und trat aus seiner Sicht (nach der Operationsgenesung) wieder die Arbeitsfähigkeit ein.

Das Ergebnis dieser Operation stellt eine neue Tatsache dar, die erst nach Abschluss des Ruhestandsverfahrens entstanden ist.

3.       Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage sowie aus den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde ermittelte den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im behördlichen Verfahren ausführlich und stellte in der beschwerdegegenständlichen Bescheidbegründung diesen nachvollziehbar fest.

4.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das hier anzuwendende Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2015 sieht im Fall der Wiederaufnahme eines Überstellungsverfahrens keine Senatszuständigkeit vor. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Letzteres ist hier der Fall, denn es ist unbestritten, dass die Operation, welche zu einer allfälligen Genesung geführt hat – wobei dies nicht festgestellt wurde und von beiden Seiten mit gegenläufigen Ansichten bestritten wird – nach Rechtskraft des Ruhestandversetzungsbescheides, eintrat. Keiner der Parteien bringt vor, dass die Genesung bereits vor der Pensionierung eintrat. Eine mündliche Erörterung würde bei dieser Kernaussage auch kein abweichendes Ergebnis erzielen. Ob nun eine Genesung eintrat, in welchem Umfang und ob er wieder Arbeitsfähig ist, wodurch somit inhaltlich in das Prüfungsverfahren eingestiegen ist, ist im gegenständlichen Verfahren unerheblich, denn es liegt unzweifelhaft eine nova producta vor.

Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat etwa in seiner Entscheidung vom 5. September 2002, Speil v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte ("where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1"; vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/07/0169). Eine solche Fallkonstellation lag auch im Beschwerdefall vor.

Zu A)

Die wesentliche gesetzliche Bestimmung lautet:

§ 69 AVG in der am 21.09.2016 geltenden Fassung lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."

Zwar ist nach § 17 VwGVG die Bestimmung des § 69 AVG für das Verfahren der Verwaltungsgerichte nicht anwendbar, wie sich hingegen aus dem DVG ergibt, für die Behörde jedoch schon.

Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG setzt unter anderem voraus, dass von Seiten des Wiederaufnahmewerbers neue Tatsachen oder Beweismittel dargetan werden, welche entweder allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 14.01.2010, 2005/09/0084).

Bei den Tatsachen oder Beweismitteln, welche gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG einen Wiederaufnahmegrund darstellen können, muss es sich um neu hervorgekommene handeln, das heißt um solche, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden (nova reperta). Nur solche können einen Wiederaufnahmegrund darstellen. Im Gegensatz dazu können jene Tatsachen, welche erst nach Abschluss des Verfahrens neu entstanden sind (nova producta), nicht zu einer Wiederaufnahme führen (vgl. VwGH vom 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; VwGH vom 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; VwGH vom 24.04.1986, Zl. 86/02/0048).

Im gegenständlichen Fall bringt der Beschwerdeführer vor, dass er durch eine Nierentransplantation, welches ca 11 Monate nach Abschluss des Verfahrens vorgenommen wurde, wieder genesen sei und so die Arbeit wiederaufnehmen könne. Dabei handelt es sich zweifellos um eine Tatsache die nach Abschluss des Verfahrens neu entstanden ist und vermag es dadurch nicht die Rechtskraft des Ruhestandsversetzungsbescheides aufzuheben.

Aus diesem Grund war die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitsfähigkeit Dienstfähigkeit Erwerbsfähigkeit Gesundheitszustand nova producta Ruhestandsversetzung Voraussetzungen Vorfrage Wiederantritt des Dienstes Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W257.2221030.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten