Entscheidungsdatum
24.07.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W117 2233013-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des Familienname: XXXX Vorname: XXXX Geburtsdatum: XXXX , Staatsang.: XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich vom 02.07.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 470503801/200525530, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 03.07.2020 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 5 und Z 9 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 5 und Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Gemäß §35 Abs. 1 VwGVG idgF wird der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde am 20.05.2020 in der JA St. Pölten zur möglichen Schubhaftverhängung und Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, in Anwesenheit eines Dolmetschers der Sprache Arabisch, einvernommen; diese nahm entscheidungswesentlich folgenden Verlauf:
(…)
F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen die anwesenden Personen vor?
A: Nein.
F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?
A: Sehr gut.
F: Werden Sie im gegenständlichen Verfahren rechtsfreundlich vertreten?
A: Nein.
F: Nennen Sie mir Ihre Personendaten vollständig. Familiennamen, Vornamen und Geburtsdatum.
A: XXXX , geboren am XXXX in XXXX . Staatsangehörigkeit XXXX .
F: Welches Religionsbekenntnisse haben Sie?
A: Moslem, Sunnite.
F: Wie lautet Ihr Familienstand?
A: Ich bin ledig.
F: Waren Sie noch nie verheiratet auch nicht nach moslemischen Ritus?
A: Nein, ich habe nur eine Freundin.
F: Sie werden aufgefordert, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Unrichtige oder unwahre Angaben können Nachteile für Sie im Verfahren bedeuten und Ihre Glaubwürdigkeit massiv belasten. Sie können sich dadurch gerichtlich strafbar machen. Haben Sie das verstanden und werden Sie meiner Aufforderung Folge leisten?
A: Ja.
F: Wann haben Sie Algerien verlassen?
A: Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich nicht mehr in Algerien.
F: Haben Sie in Algerien die Schule besucht?
A: Ja. Fünf Jahre Grundschule.
F: Welche Sprachen sprechen Sie?
A: Arabisch, Französisch, Italienisch, Englisch und Deutsch.
F: Wohin sind Sie im Alter von 16 Jahren ausgereist?
A: Ich bin nach Italien gereist und lebte dort 3 Jahre lang.
F: Was haben Sie im Anschluss gemacht?
A: Ich bin in den 90er Jahren nach Österreich gereist.
F: Was war der Grund Ihrer Einreise nach Österreich?
A: Ich hatte sehr viele Probleme mit meiner Familie, ich war damals jung und bin von zuhause weggelaufen.
F: Haben Sie zu Österreich Bezugspunkte? Haben Sie hier Familienangehörige?
A: Nein.
F: Waren Sie seither nur in Österreich oder auch in anderen EU-Ländern?
A: Nein, ich war nur in Österreich.
F: Wie haben Sie sich seit den 90er Jahren Ihr Leben in Österreich finanziert und gestaltet?
A: Ich habe Hilfs und Sozialleistungen von Organisationen bezogen. Ich habe bis heute mit Ihnen Kontakt.
F: Haben Sie in Österreich auch eine Beschäftigung ausgeübt?
A: Ich habe als Maler gearbeitet.
F: Waren Sie da auch angemeldet?
A: Ja sicher.
F: Wenn Sie aus der Strafhaft entlassen werden, könnten Sie dann wieder Arbeiten als Maler verrichten?
A: Ja, ich könnte wieder als Maler arbeiten.
F: Das heißt Sie sind gesund und kräftig genug um eine Arbeit auszuüben?
A: Ja auf jeden Fall, ich arbeite auch hier in der Justizanstalt in der Wäscherei.
F: Nehmen Sie derzeit Medikamente hier in der Justizanstalt?
A: Ja, Methadon und Ruhetabletten.
F: Haben/Hatten Sie Familienangehörige in Österreich?
A: Nein.
F: Haben Sie Besuch bekommen während Ihrer Haft?
A: Nein, jetzt wegen Covid nicht, befragt vorher schon von Freunden.
F: Haben Sie Familienangehörige in EU-Ländern?
A: Ja, meinen Bruder der lebt in Italien.
F: Woher wissen Sie, dass Ihr Bruder in Italien lebt, wenn Sie keinen Kontakt zu Ihren Familienangehörigen haben?
A: Bevor ich nach Österreich einreiste und inhaftiert wurde hatte ich Kontakt zu ihm, befragt mein Bruder heißt XXXX , ca. XXXX .
F: Haben Sie Barmittel in der Justizanstalt?
A: Ja, ca. 600 EUR. Ich arbeite hier ja in der Wäscherei.
F: Haben Sie sonst noch Barmittel?
A: Nein, ich habe nur Freunde, die mich unterstützen.
F: Haben Sie eine Wohnmöglichkeit nach Ihrer Entlassung.
A: Ja, ich habe auch vorher 5 Jahre in einer Wohnung gelebt. Herbststraße 72, 16. Bezirk
F: Mit wem haben Sie in der Wohnung gelebt?
A: Mit meiner Freundin, befragt Sie heißt XXXX . (phon.)
F: Wie viele Geschwister haben Sie?
A: 2, befragt einen Bruder und eine Schwester. Mein Bruder lebt in Italien, meine Schwester in Algerien. Meine Schwester heißt Dalenda, ich weiß aber nicht ob Sie verheiratet ist.
F: War Ihre Schwester jemals in Österreich?
A: Nein.
Vorhalt: Warum gaben Sie bei einer Befragung bekannt, Sie hätten eine Schwester, die in Wien lebt, jedoch an Krebs verstarb?
A: Nein, das habe ich so nie gesagt.
F: Hatten Sie Dokumente bei sich als Sie ausreisten?
A: Ich hatte nichts.
F: Wie haben Sie in Italien 3 Jahre lang ohne Dokumente gelebt?
A: In Italien wird das so nicht kontrolliert, die sehen das lockerer.
F: Wurden Ihnen jemals Dokumente ausgestellt?
A: Ich hatte einen algerischen Personalausweis, befragt andere Dokumente nicht.
Vorhalt: Sie gaben unterschiedliche Angaben zum Verbleib Ihres Reisedokuments an. Zuerst meinten Sie, dass Sie in Österreich Ihr Reisedokument verloren haben - bei einer anderen Befragung, dass Ihr Pass in einer Diskothek gestohlen wurde. Nach einer erneuten Befragung zu Ihrem Reisepass meinten Sie, dass Sie diesen nach Italien zu Ihrem Bruder übermittelt haben, weil Sie die Vermutung hatten, dass er Ihnen gestohlen wird.
A: Das ist komisch, das habe ich nicht gesagt.
F. Sie hatten mehrmals Kontakt mit Sicherheitsbehörden und Gerichten?
A: Ich konsumiere selber Drogen, deshalb sitze ich hier.
F: Sie hatten mehrmals Therapien erhalten?
A: Ich habe keine Therapie gemacht.
F: Die Suchthilfe Wien gab an, dass Sie nicht mehr drogensüchtig sind?
A: Ich stehe mit Ihnen in Kontakt aber ich war nicht in Therapie.
F: Sie sind schon so lange in Österreich, wurden 11-mal verurteilt und haben es nicht geschafft sich ein normales Leben aufzubauen, mit Familie und Arbeit?
A: Ich habe sehr viel gearbeitet, bei Leihfirmen und nicht immer Geld bekommen.
F: Sie haben heute wie oben angeführt Ihre Personendaten angegeben. Tatsächlich sind Sie unter folgenden Alias Identitäten in Österreich vor den Behörden in Erscheinung getreten:
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Sie sind somit in keiner Weise vertrauenswürdig. Was geben Sie dazu an?
A: Ja, das stimmt ich habe verschiedene Identitäten angegeben. Aber das was ich heute angegeben habe, das ist mein richtiger Name, die anderen sind falsch.
F: Sie sind nach Beendigung Ihrer Haftstrafen mehrmals in Schubhaft gewesen und man versuchte Sie abzuschieben?
A: Ich war ca. 20-mal in Schubhaft und 2-mal wollten Sie mich abschieben, befragt Sie wollten mich nach Algerien abschieben, obwohl ich dort niemanden habe.
F: Sie haben aber in Österreich auch keine Familie?
A: Meine Freunde sind wie Familie.
F: Sie haben in einer Befragung angegeben geschieden zu sein und ein Kind zu haben? Was sagen Sie dazu?
A: Nein, ich habe kein Kind und ich bin ledig
F: Haben Sie noch weitere Staatsangehörigkeiten?
A: Nein.
F: Sie sind algerischer Staatsangehöriger?
A: Ja.
F: Sind Sie marokkanischer Staatsangehöriger?
A: Nein.
F: Sind Sie lybischer Staatsangehöriger?
A: Nein.
F: Sind Sie tunesischer Staatsangehöriger?
A: Nein.
Anmerkung: Der Fremde lacht bei der letzten Frage und verbirgt seinen Kopf in den Händen.
F: Sie weisen lt. ZMR auch Lücken über Ihren Aufenthalt auf. Sie waren im Zeitraum von 22.10.2012 – 19.09.2013 nicht melderechtlich registriert. Wo hielten Sie sich auf?
A: Ich war in Österreich, aber nicht gemeldet.
F: Haben Sie jemals von sich aus mit der algerischen Botschaft Kontakt aufgenommen?
A: Ja, aber ich habe mit Ihnen nur gestritten.
Anmerkung: VP wird über bisherigen Verfahrensgang und geltende Rechtslage aufgeklärt.
F: Sie reisten im Jahr 1992 illegal nach Österreich ein, sind lt. Ihren Angaben seit 1993 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und wurden bereits im selben Jahr wegen Verstoßes des Suchtmittelgesetzes festgenommen. Nach Verurteilung wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 27.07.1994 gegen Sie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Trotz Ihrer Mitwirkungspflicht bezüglich der Bekanntgabe Ihrer wahren Identität als auch Ihrer Verpflichtung zur selbständigen Ausreise, gingen Sie dieser beharrlich nicht nach. Sie waren im Zeitraum von 1994-2014 mehrmals in Schubhaft, wurden jedoch wegen ihrer Vereitelungsversuche wieder entlassen. Im Zeitraum, wo Sie sich auf freiem Fuß befanden, wurden Sie mehrmals straffällig und wurden diesbezüglich auch wieder strafrechtlich verurteilt. Gegen Sie wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 10.01.2002 aufgrund Mittellosigkeit ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von 5 Jahren erlassen. Sie stellten erstmalig mit der Identität XXXX beim Bundesasylamt – Außenstelle Wien einen Asylantrag, dieser am 04.04.2002 rechtskräftig abgewiesen wurde. Bereits 14 Tage nach Abschluss Ihres Asylverfahrens wurden Sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen versuchten Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen gem.§ 15; §127; § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Sie stellten mit der Identität XXXX bei der Erstaufnahmestelle Ost, Traiskirchen nochmalig einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde negativ beschieden, eine asylrechtliche Ausweisung gemäß § 10 AsylG wurde ebenfalls am 28.01.2005 erlassen. Im Jahr 2006 stellten Sie nochmalig zwei Anträge auf Internationalen Schutz, davon ein Antrag zurückgezogen und der andere rechtskräftig abgewiesen wurde. Am 05.11.2008 stellten Sie bei der Erstaufnahmestelle Ost, Traiskirchen den letzten Asylantrag, dieser gemäß § 68 – Zurückweisung II. Instanz rechtskräftig mit Ausweisung am 08.01.2009 entschieden wurde. 5 Tage nach Ihrer Asylantragsstellung wurden Sie mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen Verstoßes des Suchtmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Sie waren lt. ZMR im Zeitraum von 19.09.2013 – 04.05.2013 in der Suchthilfe Wien melderechtlich registriert und befanden sich in therapeutischer Behandlung. Sie wurden mit Urteil vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß §§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Nach Ihrer Haftstrafe im Juli 2015 waren Sie knappe 5 Monate nochmalig melderechtlich bei der Suchthilfe Wien registriert. Sie wurden mit Urteil vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom 19.12.2019 wegen des Verstoßes des Suchtmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Ihre letzte melderechtliche Registrierung mit Hauptwohnsitz war in einer Privatadresse in Wien vom 11.12.2015-14.02.2020. Sie wurden insgesamt 11 Mal straffällig, davon 5-mal wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt. Sie sind zum Aufenthalt in Österreich nicht berechtigt. Nehmen Sie dazu Stellung.
A: Dazu habe ich nichts anzugeben.
F: Sie können auch um eine allfällige Schubhaft hintanzuhalten die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet in Anspruch nehmen, dazu gibt es Organisationen die Ihnen behilflich sind?
A: Wo soll ich hin, ich habe keine Familie, ich werde mich umbringen, bevor sie mich abschieben.
F: Sie sind also nicht bereit freiwillig in Ihr Heimatland zurückzukehren?
A: Österreich ist meine Heimat, sonst habe ich keine Heimat.
F: Sie gaben mehrmals an, nicht rückkehrwillig zu sein. Sie verfügen über keine Reisedokumente und können aus eigenem das Bundesgebiet nicht verlassen. Sie sind ohne Meldung und illegal im Bundesgebiet aufhältig, Sie besitzen kein gültiges Reisedokument bzw haben sich bis dato kein solches ausstellen lassen, sodass ein Verfahren für die Erlangung eines Heimreisezertifikats beantragt werden musste. Sie sind absolut nicht vertrauenswürdig und besteht die große Gefahr, dass Sie untertauchen erneut straffällig und sich dem weiteren Verfahren entziehen werden.
Sie sind zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr berechtigt, es wird eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gegen Sie erlassen.
Über Sie wird die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung nach Beendigung der Strafhaft verhängt. Es steht Ihnen jedoch jederzeit frei aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und vorzulegen sowie an der Feststellung Ihrer Identität mitzuwirken und kann folglich die Abschiebung unverzüglich durchgeführt werden. Nehmen Sie dazu bitte Stellung.
A: Ich lebe seit 40 Jahren hier, ich habe niemanden, keine Familie, eher bringe ich mich um.
F: Wollen Sie noch irgendwas angeben?
A: Ich bin schon so lange hier und will in Österreich bleiben.
F: Wie war die Befragung?
A: Es war alles in Ordnung.
(…)
F: Haben Sie die an Sie gerichteten Fragen alle verstanden?
A: Ja, befragt es gab keine Verständigungsprobleme.
Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt. Die Niederschrift wird rückübersetzt.
Bestätigen Sie nunmehr mit Ihrer Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift.
Die Partei verweigert die Unterschrift.
Die Richtigkeit der Angaben wird durch die Unterzeichnenden bestätigt.
Mit im Spruch angeführten Bescheid der Verwaltungsbehörde
wurde in Bezug auf den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet. Die Verwaltungsbehörde führte u. a. Folgendes aus:
„1. Feststellungen:
Zu Ihrer Person:
Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger und sind somit Fremder und Drittstaatsangehöriger gem. § 2 Abs 4 Z 1 iVm Z 10 FPG.
Ihre Identität steht nicht fest, da Sie nicht gewillt sind, Identitäts-, bzw. Reisedokumente Ihres Heimatlandes zu beschaffen und den Behörden vorzulegen. Im gegenständlichen Verfahren werden Sie unter dem Namen XXXX , geb. am XXXX in Algier, als algerischer Staatsangehöriger, geführt.
Sie traten vor österreichischen Behörden unter verschiedensten Aliasidentitäten in Erscheinung:
Familienname: XXXX
Vorname: XXXX
,
Geburtsdatum: XXXX
Geburtsort: XXXX
Geburtsland:
Staatsang.: XXXX
Bei Verwendung einer Vielzahl von Aliasidentitäten, konnte bis dato unter keiner dieser Identitäten über Ihre behauptete Vertretungsbehörde eine positive Identitätsfeststellung erwirkt werden.
Sie sind haftfähig und arbeitsfähig, Sie laborieren nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten oder schweren körperlichen Gebrechen.
Sie weisen lt. Anordnung der Medikamentenverschreibung eine Abhängigkeit von Sedativa/Hypnotika vor.
Sie sind ledig und haben keine Sorgepflichten.
Sie haben keine Familienangehörigen im Bundesgebiet.
Sie leben nicht in einer Kernfamilie iSd. Art. 8 EMRK. Sie befinden sich derzeit in der Justizanstalt St. Pölten in Strafhaft, Ihre Entlassung ist für den 03.07.2020 vorgesehen.
Zu Ihrer rechtlichen Situation:
Sie sind Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.
Die im Verfahren erlassene Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf 10 Jahre festgesetzten Einreiseverbot ist seit 08.06.2020 durchsetzbar, allerdings nicht rechtskräftig. Sie befinden sich seit 27 Jahren, außer in Ihren geführten Asylverfahren illegal im Bundesgebiet.
Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
? Sie sind laut Aktenlage im Jahr 1992 illegal nach Österreich eingereist.
? Sie wurden bereits 1993 wegen Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen und in weiterer Folge gerichtlich verurteilt.
? Gegen Sie wurden Aufenthaltsverbote erlassen (1994, 2002), Sie kamen Ihrer Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht nach.
? Sie missachteten wiederholt die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits 11 Mal überwiegend wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurden.
? Sie sind nicht bereit Ihre Identität preiszugeben oder an Ihrer Identitätsfeststellung mitzuwirken oder aus eigenem Kontakt mit der Botschaft Ihres Heimatlandes aufzunehmen und machten bezüglich Ihrer Identität und Herkunft vielfach unterschiedliche Angaben.
? Sie betrieben missbräuchlich Asylverfahren um fremdenpolizeiliche Maßnahmen hintanzuhalten und benutzten dafür unterschiedliche Fluchtgründe und Identitäten.
? Sie behaupten immer in Österreich aufhältig gewesen zu sein, weisen jedoch keine durchgehende Meldung im Bundesgebiet auf und wurden 2002 beim Versuch illegal nach Deutschland zu gelangen von deutschen Behörden aufgegriffen und nach Österreich rücküberstellt.
? Neben Ihrem lückenhaften Meldeverlauf weisen Sie auch Obdachlosenmeldungen bei Suchthilfeeinrichtungen auf.
? Sie lukrierten Sozialleistungen aus der Grundversorgung (Krankenversicherung, Verpflegung und Miete) bis 31.10.2019.
? Trotz Bereitstellung von öffentlichen Mitteln und Therapiebetreuung durch Sozialarbeiter der Suchthilfe Wien und psychiatrischer und psychotherapeutischer Betreuung sowie einer positiven Zukunftsprognose wurden Sie erneut straffällig und verbüßen aktuell eine Haftstrafe in der Dauer von acht Monaten wegen Suchtmittelverkaufs.
? Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.
? Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach und sind auch nicht zur Aufnahme einer solchen berechtigt. Sie finanzieren Ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Suchtmitteln trotz engmaschiger Sozialarbeiterbetreuung und Geldmittel aus öffentlicher Hand.
? Sie sind weder beruflich, noch sozial integriert.
Sie kündigten mehrfach an, keinesfalls freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen.
Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 1085904504, sowie aus Ihrer Einvernahme am 06.07.2020.
? Zu Ihrer Person, Ihrem Privat- und Familienleben:
Die Feststellungen zu Ihrer Person, zu Ihrem Privat- und Familienleben ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und beruhen auf Ihren diesbezüglichen Angaben.
Herangezogen wurden auch die Daten aus dem Melde- und Strafregister der Republik Österreich, sämtliche erfolgte Befragungen und Einvernahmen sowie alle bisher erlassenen rechtskräftigen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen.
Eine Einsichtnahme im Melderegister ergab, dass Sie meldeamtlich seit 1992 jedoch nicht durchgehend in Erscheinung traten und auch obdachlos gemeldet waren.
Lt. Melderegister waren Sie von 11.12.2015-14.02.2020 an der Privatadresse Herbststraße 72/3, 1160 Wien, Ottakring gemeldet. An dieser Privatadresse sind derzeit mehrere Personen gemeldet, jedoch nicht die von Ihnen benannte Freundin.
? Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Sie sind Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.
Sie sind ein mehrfach gerichtlich verurteilter Straftäter.
Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der
Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:
01) JGH WIEN 1 A VR 1484/93 HV 66/93 vom 27.01.1994 RK 27.01.1994
PAR 12/1 U 2 SGG
PAR 15 StGB
PAR 14 A SGG
Freiheitsstrafe 1 Jahr
Vollzugsdatum 23.09.1997
zu JGH WIEN 1 A VR 1484/93 HV 66/93 RK 27.01.1994
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 07.08.1994, bedingt, Probezeit 2 Jahre
LG WELS 23 BE 76/94 vom 07.07.1994
zu JGH WIEN 1 A VR 1484/93 HV 66/93 RK 27.01.1994
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG F.STRAFS.WIEN 3 A E VR 4594/95/B vom 27.06.1995
zu JGH WIEN 1 A VR 1484/93 HV 66/93 RK 27.01.1994
Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG F.STRAFS.WIEN 4 A E VR 6128/96/B vom 23.09.1996
02) LG F.STRAFS.WIEN 3 A E VR 4594/95 HV 2983/95 vom 27.06.1995 RK 30.06.1995
PAR 127 129/1 15 269/1 StGB
Freiheitsstrafe 9 Monate
Vollzugsdatum 23.05.1997
zu LG F.STRAFS.WIEN 3 A E VR 4594/95 HV 2983/95 RK 30.06.1995
Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Beginn der
Probezeit 14.12.1995
gemäß Entschließung des Bundespräsidenten vom 14.12.1995 Erlass des BMVRDJ
Zahl 4723/100-IV 5/95
JUSTIZANSTALT WELS 264/95 vom 14.12.1995
zu LG F.STRAFS.WIEN 3 A E VR 4594/95 HV 2983/95 RK 30.06.1995
Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG F.STRAFS.WIEN 4 A E VR 6128/96/B/1 vom 23.09.1996
03) LG F.STRAFS.WIEN 4 A E VR 6128/96 HV 3930/96 vom 23.09.1996 RK 23.09.1996
PAR 14 A 16/1 SGG
Freiheitsstrafe 1 Jahr
Vollzugsdatum 26.04.1997
04) LG F.STRAFS.WIEN 2 C E VR 5930/99 HV 3657/99 vom 07.12.1999 RK 07.12.1999
PAR 83/1 127 StGB
Freiheitsstrafe 4 Monate
Vollzugsdatum 12.03.2000
05) LG F.STRAFS.WIEN 4 B E VR 10030/99 HV 6058/99 vom 13.12.1999 RK 16.12.1999
PAR 27/2 SMG
PAR 15 127 StGB
Freiheitsstrafe 5 Monate
Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG F.STRAFS.WIEN 2
C E VR 5930/99 HV 3657/99 RK 07.12.1999
IN DER FASSUNG LG WIEN 4 B E VR 10030/99 VOM 28.04.2000
Vollzugsdatum 28.05.2004
zu LG F.STRAFS.WIEN 4 B E VR 10030/99 HV 6058/99 RK 16.12.1999
Unbedingter Teil der Strafe vollzogen am 12.08.2000
LG F.STRAFS.WIEN 4 B E VR 10030/99 vom 05.12.2000
zu LG F.STRAFS.WIEN 4 B E VR 10030/99 HV 6058/99 RK 16.12.1999
Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG F.STRAFS.WIEN 111 HV 26/2002K vom 18.04.2002
06) LG F.STRAFS.WIEN 3 B E VR 1543/2000 HV 933/2000 vom 06.03.2000 RK
06.03.2000
PAR 127 129/1 StGB
Freiheitsstrafe 8 Monate
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG F.STRAFS.WIEN 2
C E VR 5930/99 HV 3657/99 RK 07.12.1999
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG F.STRAFS.WIEN 4
B E VR 10030/99 HV 6058/99 RK 16.12.1999
IN DER FASSUNG LG WIEN 3 B E VR 1543/2000 VOM 08.05.2000
Vollzugsdatum 29.03.2001
07) LG F.STRAFS.WIEN 111 HV 26/2002K vom 18.04.2002 RK 18.04.2002
PAR 15 127 129/1 StGB
Freiheitsstrafe 18 Monate
Vollzugsdatum 28.07.2003
08) LG F.STRAFS.WIEN 53 HV 44/2006M vom 03.05.2006 RK 09.05.2006
PAR 127 129/1 131 (1. SATZ) StGB
Freiheitsstrafe 3 Jahre
Vollzugsdatum 22.10.2012
zu LG F.STRAFS.WIEN 53 HV 44/2006M RK 09.05.2006
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 21.10.2008, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG RIED IM INNKREIS 13 BE 472/2008A vom 01.09.2008
zu LG F.STRAFS.WIEN 53 HV 44/2006M RK 09.05.2006
Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG F.STRAFS.WIEN 64 HV 75/2009F vom 10.11.2009
09) LG F.STRAFS.WIEN 64 HV 75/2009F vom 10.11.2009 RK 10.11.2009
PAR 27 ABS 1/1 (1.2. FALL) 27/2 28/1 SMG
PAR 15/1 StGB
PAR 27 ABS 1/1 (8. FALL) 27/3 SMG
Datum der (letzten) Tat 22.07.2009
Freiheitsstrafe 3 Jahre
Vollzugsdatum 22.07.2012
10) LG F.STRAFS.WIEN 071 HV 50/2014p vom 03.06.2014 RK 07.06.2014
§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 03.05.2014
Freiheitsstrafe 14 Monate
Vollzugsdatum 03.07.2015
11) LG F.STRAFS.WIEN 044 HV 142/2019a vom 19.12.2019 RK 19.12.2019
§ 27 (2a) SMG § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 03.11.2019
Freiheitsstrafe 8 Monate
Im Kriminalpolizeilichen Aktenindex gibt es zudem 11 Eintragungen zu 13 Delikten zu Ihrer Person.
Mit Bescheid des BFA, Ast St. Pölten, vom 04.06.2020, von Ihnen nachweislich übernommen am 08.06.2020, wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass Ihre Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Auf Grund Ihrer bereits damals bestehenden Straffälligkeit wurde ein, auf die Dauer von 10 Jahren befristetes, Einreiseverbot erlassen.
Gegen diesen Bescheid erhoben Sie am 29.06.2020 durch Ihren Vertreter Beschwerde.
Die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot ist durchsetzbar.
? Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
Sie besitzen keine Personaldokumente (zumindest keine, die Sie der Behörde freiwillig zur Verfügung stellen) und halten sich nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.
Sie wollten sich Ihren Aufenthalt in Österreich offensichtlich mit der Begehung strafbarer Handlungen (Suchtgifthandel) finanzieren. Sie kümmern sich nicht ansatzweise um einschlägige Rechtsvorschriften
Sie wurden erstmals am 07.12.1993 wegen Suchtgifthandels festgenommen und verurteilt.
Bereits im Jahr 1994 wurde gegen Sie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen. In weiterer Folge verharrten Sie unter ständig wechselnden Identitätsangaben im Bundesgebiet und setzten fortlaufend Straftaten. So wurden Sie wegen schwerwiegender Strafrechtsdelikte u.a. wegen Suchtmittelhandel, gewerbsmäßigen Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, räuberischer Diebstahl in einer Vielzahl von Fällen zur Anzeige gebracht.
Sie wurden insgesamt 11 Mal rechtskräftig von inländischen Gerichten wegen der Begehung von Strafrechtsdelikten zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Auch versuchten Sie sich durch die Stellung von Asylanträgen aus der Schubhaft Ihren Aufenthalt weiter zu gewährleisten, insgesamt betrieben Sie fünf Asylverfahren und auch diese unter wechselnden Identitätsangaben und somit missbräuchlich.
Aus Ihrem Verhalten im Verfahren ergibt sich somit zweifelsfrei, dass Sie keinesfalls bereit sind, an der Feststellung Ihrer Identität und an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken. Der Umstand, dass Ihre Identität bis dato nicht abschließend festgestellt werden konnte, ist letztlich auf Ihre mangelnde Mitwirkung (konkret: Angaben von richtigen Personendaten) an der Identitätsfeststellung zurückzuführen.
Trotz Ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet lassen Sie jede Integrationsbereitschaft missen. Sie sind nicht bereit österreichische Rechtsvorschriften zu beachten lukrieren aber staatliche Unterstützungsleistungen, Unterkunft, Therapieprogramme und ärztliche Versorgung.
Doch trotz der Ihnen zur Verfügung gestellten Hilfeleistungen sind Sie nicht ansatzweise vertrauenswürdig, die in den Urteilen dargestellten Tathandlungen lassen ein beträchtliches Maß an krimineller Energie erkennen. Ihre Hemmschwelle zur Begehung von Gewaltdelikten ist offenbar sehr niedrig.
Sie verweigern jedwede Kooperation mit Behörden und verhindern mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Rückkehr in Ihr Heimatland. Einer freiwilligen Rückkehr kommen Sie nicht nach.
Ihr persönliches Verhalten stellt eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Sie versuchten durch Suchtmittelverkäufe eine fortlaufende Einnahmequelle zu erlangen und nahmen in Kauf, dass Sie durch Ihr persönliches Verhalten dritte Personen gesundheitlich massiv schädigen. Sie haben dadurch das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz der Volksgesundheit massiv verletzt. Ihr Aufenthalt stellt somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.
Wie bereits in der Beweiswürdigung zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich angeführt, sind Sie ein mehrfach verurteilter Straftäter und die diesbezüglichen Einträge sind im zentralen Strafregister ersichtlich. Es scheinen hier auch 5 Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz auf.
Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch Ihre Mitwirkung am Suchtgifthandel haben Sie dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Ihr Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Aus den schon vorher aufgezeigten Umständen gefährden Vergehen bzw. Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz nachhaltig maßgebliche öffentliche Interessen. Das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität hat einen sehr großen Stellenwert (VwGH-Erk. vom 30.04.2009, Zahl 2008/21/0549).
Rechtliche Beurteilung
(…)
In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten.
(…)
Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
1, 3, 5 und 9.
Zu Ziffer 1:
Bereits im Jahr 1994 wurde gegen Sie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen.
Sie sind jahrelang unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Es scheint erwiesen, dass Sie sich missbräuchlich Asyl in Österreich zu erschleichen versuchten, da Ihre Angaben im Asylverfahren als keinesfalls glaubwürdig gewertet werden mussten. Auch versuchten Sie nie, Ihrer Ausreiseverpflichtung in Ihr Heimatland aus eigenem nachzukommen. Mangels eines gültigen Reise- oder Ersatzreisedokuments verharrten Sie illegal im Bundesgebiet. So mussten Sie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Vertretern Ihres Heimatlandes vorgeführt werden, um ein Heimreisezertifikat zu erlangen und Ihre Rückkehr nach Algerien zu gewährleisten. Auch durch Ihr kriminelles Verhalten und Ihre daraus resultierenden Verurteilungen und unbedingten Haftstrafen verhinderten Sie weiterhin die Ausreise in Ihr Heimatland.
Für die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes und der Außerlandesbringung entzogen Sie sich durch Hungerstreiks und Asylantragsstellungen mehrfach der Schubhaft und wurden wiederholt straffällig.
Sie weisen auch Lücken im Melderegister sowie Obdachlosenmeldungen auf wodurch Sie durch Ihren unbekannten Aufenthalt im Bundesgebiet nicht greifbar waren.
Zu Ziffer 3:
Sie wurden bereits kurz nach Ihrer Einreise in das Bundesgebiet und während Ihrer missbräuchlich gestellten Asylverfahren straffällig und waren zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die RD Wien bereits 10 Mal von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt.
Sie kamen Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, verblieben illegal im Bundesgebiet, waren in Abständen mehrmals monatelang im Bundesgebiet nicht gemeldet. Sie verwendeten Aliasidentitäten, wodurch die ho Behörde seit 27 Jahren keine Identitätsfeststellung erlangen konnte und wurden wiederholt straffällig.
Gegen Sie besteht sohin seit 08.06.2020 eine noch nicht rechtskräftige, jedoch durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm einem 10-jährigen befristeten Einreiseverbot. Die Zulässigkeit Ihrer Abschiebung nach Algerien steht fest.
Zu Ziffer 5:
Bereits im Jahr 1994 wurde gegen Sie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen. In weiterer Folge verharrten Sie unter ständig wechselnden Identitätsangaben im Bundesgebiet und setzten fortlaufend Straftaten.
Auch versuchten Sie sich durch die Stellung von Asylanträgen aus der Schubhaft Ihren Aufenthalt weiter zu gewährleisten, insgesamt betrieben Sie fünf Asylverfahren und auch diese unter wechselnden Identitätsangaben und somit missbräuchlich.
Zu Ziffer 9:
Sie verfügen über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung Ihres Lebensunterhaltes, sind zur legalen Arbeitsaufnahme nicht berechtigt. Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration Ihrerseits in sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden. Es besteht eine erhöhte Gefahr, dass Sie abermals in die Kriminalität abwandern, zumal Sie auch bisher durch massive Sozialarbeiterbetreuung der Suchthilfe Wien und der Bereitstellung öffentlicher Geldmittel, nicht von der Begehung von Straftaten abzuhalten waren.
Den Ausführungen im Sozialbericht der Suchthilfe und der mit Ihnen durchgeführten Einvernahme am 20.05.2020, einer langjährigen Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin kann mangels diesbezüglicher fehlender gemeinsamer meldeamtlicher Registrierung nicht beigetreten werden. Zudem erhielten Sie während Ihres Haftaufenthaltes nur Besuche von tunesischen Freunden.
Sie selbst gaben zudem in Ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 20.05.2020 an, keinesfalls freiwillig zurückzukehren.
Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Sie besitzen keine Barmittel, gehen keiner Beschäftigung nach, besitzen kein Reisedokument, haben keine Wohnung, sind bereits mehrmals straffällig geworden, waren zu keiner Zeit ausreisewillig und entzogen sich dem Zugriff der Behörde, da Sie einfach nicht greifbar waren.
Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).
Sie wurden wiederholt wegen Suchtgifthandel rechtskräftig verurteilt, insgesamt weisen Sie 11 Verurteilungen, davon 5 nach dem Suchtmittelgesetz auf und verbüßen derzeit eine Strafhaft in der JA St. Pölten. Sie zeigen somit keinen Respekt vor der geltenden österreichischen Rechtsordnung
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.
Sie sind der Ihnen auferlegten und bestehenden Ausreiseverpflichtungen seit Ihren 27-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet bis dato nicht nachgekommen, Sie entzogen sich dem Zugriff der Behörden, indem Sie sich im Bundesgebiet meldeamtlich nicht registrierten. Sie bestritten Ihren Lebensunterhalt mit dem Handel durch Suchtmittel. Da Sie nicht im Besitz der erforderlichen Barmittel zur Bestreitung Ihres Lebensunterhaltes und auch nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt sind, besteht somit eine große Gefahr, dass Sie Ihren Lebensunterhalt wieder durch den Verkauf von Suchtmittel bestreiten werden.
Sie wurden zum gegenständlichen Verfahren von der Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei Sie wiederum angaben, im Bundesgebiet bleiben zu wollen.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt.
Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.
Sie befinden sich derzeit in der JA St. Pölten in Strafhaft, wo Sie eine achtmonatige Freiheitsstrafe verbüßen. Sie sind somit haftfähig, weiters besteht in den Schubhafteinrichtungen ausreichende medizinische Versorgung.
Die Anordnung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung sind zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich massiv eingeschränkt. Jedoch handelt es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich ist, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 Abs.4 FPG zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist. Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen zurückgenommen werden, die Abschiebung ehestmöglich realisieren.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.
Die Verwaltungsbehörde legte den Akt vor und begehrte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Schubhaft sowie Kostenersatz für Schriftsatz- und Vorlageaufwand. Unter anderem führte sie noch aus:
„Zu den Punkten in der Beschwerde wird folgendes ausgeführt:
Entgegen den Ausführungen des BF war das Bundesamt während dessen Anhaltung in Strafhaft nicht untätig, die erforderlichen Schritte für die Erlangung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurden rechtzeitig und ordnungsgemäß umgesetzt.
Entgegen den Ausführungen des BF, wonach bisher kein Heimreisezertifikat für ihn erlangt werden konnte und es auch nicht absehbar sei, wie lange die Erlangung eines derartigen Dokumentes dauern würde, wird darauf verwiesen, dass der BF jahrelang die Erlangung von Heimreisedokumenten durch die Verwendung verschiedenster Aliasidentitäten, missbräuchlicher Asylantragstellungen und Nichtmitwirken am Verfahren, vereitelt.
Wenn in der Beschwerde weiters angeführt wird, dass der BF ein Kind aus einer früheren Lebensgemeinschaft sowie ein Besuchsrecht habe, so wird darauf verwiesen, dass der BF niederschriftlich einvernommen am 20.05.2020 konkret befragt zu seinen familiären Verhältnissen angegeben hat, er sei ledig und konkret befragt zu allfälligen Kindern und Sorgepflichten wie in früheren Einvernahmen behauptet, er habe kein Kind und keine Sorgepflichten.
Bezüglich seiner familiären und sozialen Verhältnisse im Inland ist anzumerken, dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat, seine Angehörigen leben im Herkunftsland. Was seine Freundin/Lebensgefährtin betrifft, bei der der BF angeblich unterkommen könnte (auch im Zusammenhang mit der möglichen Anordnung eines gelinderen Mittels), ist anzumerken, dass der BF mit der Genannten bisher keinen gemeinsamen Wohnsitz begründet und in der Haft auch keine Besuche von ihr erhalten hat. Demgegenüber wurde der BF jedoch während seiner Strafhaft lt. Besucherliste von tunesischen Staatsangehörigen besucht. Der BF ist somit nicht ansatzweise vertrauenswürdig.
Da sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhält und er damit nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt ist, bestehen jedoch hinreichend Gründe zur Annahme, dass der BF seinen Lebensunterhalt nach Entlassung aus der Schubhaft wieder durch Delikte nach dem SMG bestreiten wird, zumal er bereits elf Mal wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten und Begleitkriminalität gerichtlich rechtskräftig verurteilt wurde,
Diese Straftaten werden von der belangten Behörde deshalb als sehr schwerwiegend erachtet, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert. Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch seine Mitwirkung am Suchtgifthandel hat der Fremde dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Das Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" gab auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).
Wie aus der Gesamtschau der Verurteilungen des Fremden ersichtlich ist, zeigt er eine hohe kriminelle Energie. Trotz bereits verspürten Haftübels, verharrt er unbeirrt in seinem Verhaltensmuster und wurde gegenteilig, in nur kürzester Zeit, erneut einschlägig straffällig. Seitens der Behörde sind keinerlei Anzeichen ersichtlich, dass er dieses Verhaltensmuster abgelegt hätte, wodurch ihm keine positive Zukunftsprognose zugesprochen werden kann und somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden muss. Auf Grund dieser Erwägungen war davon auszugehen, dass im Falle des Fremden insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.
Auf Grund der dargelegten Umstände stellt der Fremde für die Behörde unweigerlich eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich dar und ist diesem somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abzusprechen.
Somit geht die belangte Behörde davon aus, dass der BF auch in Hinkunft nicht gewillt ist, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten.
Entsprechend des bisherigen Verhaltens des BF begründen folgende Kriterien eine Fluchtgefahr:
- Der BF ist laut Aktenlage im Jahr 1992 illegal in das Bundesgebiet eingereist;
- Der BF wurde bereits 1993 wegen Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen und in weiterer Folge gerichtlich verurteilt;
? Gegen den BF wurde bereits 1994 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ein weiteres Aufenthaltsverbot im Jahr 2002, der BF kam seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht nach;
- Der BF ist illegal im Bundesgebiet aufhältig; gegen den BF wurde seitens des BFA am 04.06.2020 eine (nicht rechtskräftige) Rückkehrentscheidung iVm einem zehnjährigen Einreiseverbot erlasse