TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/30 W116 2223096-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2223096-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2019, Zl. 1188094209-180376790, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1.1.    Der minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Mutter illegal nach Österreich ein, wo seine Mutter für sich und gleichzeitig als gesetzliche Vertreterin für den Beschwerdeführer am 18.04.2018 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Zuge der am darauf folgenden Tag durchgeführten Erstbefragung gab die Mutter des Beschwerdeführers im Wesentlichen an, dass sie im Juli 2013 ihren Wohnort in Syrien verlassen habe und illegal zu Fuß in die Türkei ausgereist sei. Später, im Jänner 2018, sei sie schlepperunterstützt aus der Türkei nach Griechenland gereist und von dort mit dem Flugzeug zu ihrer Familie nach Österreich. Zu ihren Fluchtgründen gab die Mutter des Beschwerdeführers an, dass in Syrien im Jahr 2013 Krieg gewesen sei. Ihr Bruder habe den Wehrdienst ableisten müssen und sei deswegen geflohen. Da die gesamte Familie Angst um ihr Leben gehabt habe, sei sie ebenfalls aus Syrien in die Türkei geflohen. In der Türkei habe sie ihren türkischen Ehemann kennengelernt und diesen im September 2013 geheiratet. Am XXXX sei ihr gemeinsamer Sohn, der Beschwerdeführer, geboren worden. Allerdings habe ihr Ehemann sie fünf Monate später verlassen und sie wisse nicht, wo sich dieser seither aufhalte. Sie wolle mit ihrer Familie in Österreich leben. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst, da sie in Syrien niemanden mehr habe. Zusätzlich gab sie an, dass sie auch im Namen ihres minderjährigen Sohnes, des Beschwerdeführers, einen Antrag auf internationalen Schutz stelle.

1.2.    Am 18.07.2018 wurde die Mutter des Beschwerdeführers von einem Organ des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl zu ihrem Asylantrag niederschriftlich einvernommen. Zu Beginn ihrer Einvernahme legte sie einen syrischen Personenregisterauszug, eine syrische Geburtsbescheinigung, eine türkische Vollmacht ihres Ehemannes bezüglich der Obsorge ihres gemeinsamen Kindes, ein türkisches Familienbuch, eine Bestätigung des Krankenhauses über die Geburt des Beschwerdeführers und einen türkischen Personalausweis des Beschwerdeführers vor.

In weiterer Folge gab die Mutter des Beschwerdeführers an, dass sie in Afrin, in der Provinz Aleppo geboren sei und in der Stadt Aleppo aufgewachsen sei. Am 29.09.2013 habe sie ihr Elternhaus verlassen und sei in der Türkei zu ihrem Ehemann gezogen. Als ihr Ehemann sie Mitte 2015 verlassen habe, habe sie bei ihrer Mutter in der Türkei gewohnt. Nachdem ihre Mutter im Jänner 2017 im Zuge einer Familienzusammenführung nach Österreich gegangen sei, habe sie sich bei ihrem Onkel mütterlicherseits und bei Freundinnen aufgehalten. In Syrien habe sie neun Jahre die Schule besucht und habe bis dato keinen Beruf ausgeübt. Ihr Vater habe für den Lebensunterhalt gesorgt, als sie im Haushalt ihrer Eltern gelebt habe. Weiters gab sie an, in ihrem Heimatland keine Besitztümer zu haben und stufte ihre wirtschaftliche Situation vor der Flucht als mittel ein.

In der Folge teilte sie mit, dass sie sowohl traditionell als auch standesamtlich verheiratet sei, wobei sie zurzeit nicht wisse, wo sich ihr Ehemann aufhalte. Sie habe ihren Ehemann kennengelernt, nachdem sie mit ihrer Familie aus Syrien in die Türkei gezogen sei. Sie hätten einen gemeinsamen Sohn, den Beschwerdeführer, welcher nur die türkische Staatsbürgerschaft besitze. In der Türkei habe sie von ihrer Mutter, ihrem Bruder und später von ihrem Onkel Unterstützung erhalten. Zudem gab sie bekannt, dass sie sich von ihrem Ehemann so rasch wie möglich scheiden lassen wolle und hielt des Weiteren fest, dass ihre Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern in Niederösterreich leben würden. Drei ihrer Schwestern würden sich in Dänemark aufhalten. In Syrien habe sie insgesamt noch drei Onkel und zwei Tanten, mit denen ihr Vater telefonischen Kontakt habe.

Zu ihren Fluchtgründen führte die Mutter des Beschwerdeführers zusammengefasst an, dass sie im Jahr 2013 gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern aus Syrien geflüchtet sei, da dort Krieg herrsche. In der Stadt sei gekämpft worden, viele Leute seien getötet und Frauen entführt worden. Ihr Bruder sei vom Regime wegen des Militärdienstes gesucht worden und sei deshalb sieben bis acht Monate vor ihnen geflüchtet. Sie hätten sodann aus Angst um ihr Leben ihr Heimatland verlassen. Es habe keine Verfolgungshandlungen gegeben, die direkt gegen sie gerichtet gewesen seien. Sie seien aus Angst vor dem Krieg, den Bombenangriffen und dem syrischen Regime geflüchtet. Ihre Fluchtgründe mache sie auch für den Beschwerdeführer geltend.

Zu ihrem Leben in Österreich gab die Mutter des Beschwerdeführers an, dass sie von der Grundversorgung lebe und mit ihrem Sohn, dem Beschwerdeführer, in einer privaten Unterkunft bei ihrem Bruder wohne. Neben den bereits erwähnten Familienangehörigen würden auch zwei Cousins und eine Cousine in Österreich leben. Sie habe bisher keinen Deutschkurs besucht, versuche aber in ihrer Freizeit selbst Deutsch zu lernen. In Zukunft möchte sie einer Beschäftigung nachgehen und ihr Kind erziehen.

1.3.    Auf Ersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde diesem am 14.12.2018 hinsichtlich des Vaters des Beschwerdeführers die Verhandlungsschrift mit dem abweisenden verkündeten Erkenntnis vom 10.12.2018 übermittelt. Darin wurde insbesondere festgehalten, dass angesichts der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Asylverfahren des Vaters mit jenem der Mutter bzw. dem Verfahren des Beschwerdeführers unter den gegebenen Umständen weder zu verbinden noch die Entscheidung bis zur Entscheidung über die Anträge des Beschwerdeführers bzw. seiner Mutter auszusetzen sei.

1.4.    Am 28.06.2019 wurde der Mutter des Beschwerdeführers als seine gesetzliche Vertretung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei vom 18.10.2018 zwecks Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme sowie Bekanntgabe, ob einer Rückkehr in die Türkei irgendwelche Gründe entgegenstehen würden, übermittelt.

1.5.    Darauf erstattete die Mutter des Beschwerdeführers im Wege ihrer Rechtsvertretung am 16.07.2019 eine Stellungnahme, welcher neben einer Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens zu entnehmen ist, dass seit April 2015 kein gemeinsames Familienleben mit ihrem Ehemann besteht. Weiters wurde darin insbesondere betont, dass es nicht zutreffend sei, dass gegenständlich die Türkei als Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes anzusehen sei, da sie selbst dorthin geflüchtet sei und dort kein Aufenthaltsrecht besitze. Außerdem gebe es keine Bindungen zur Familie ihres Ehegatten in der Türkei und könne sie von diesem keine Unterstützung erwarten.

2.       Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1.    Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2019, zugestellt am 05.08.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.08.2020 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Verfahrensidentität des Beschwerdeführers fest und begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden seien und sich seine Fluchtgründe auf jene seiner Mutter beziehen. Bezüglich seiner Mutter sei ein Familienverfahren zu führen, wobei seiner Mutter ebenso der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Die Fluchtgründe seiner Mutter seien nicht asylrelevant gewesen und die diesbezüglichen behördlichen Beweggründe im Verfahren ausführlich erörtert worden. Infolge dieser Entscheidungsfindung seien auch gegenüber der Person des Beschwerdeführers keine Bedrohungen abzuleiten. Im Übrigen wurde im angefochtenen Bescheid ausführlich auf die Gründe eingegangen, aus welchen hinsichtlich des Vaters des Beschwerdeführers kein Familienverfahren zu führen ist.

2.2.    Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 01.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3.    Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 28.08.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Darin wird im Wesentlichen inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. In der Beschwerdebegründung wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes bzw. des Verfahrensganges insbesondere darauf hingewiesen, dass sich die belangte Behörde in keiner Weise mit der Tatsache befasst habe, dass die Mutter des Beschwerdeführers als alleinstehende Frau mit Kind in ein konfliktbehaftetes Land zurückkehren würde. Zwar verfüge diese in Syrien über Onkel und Tanten, jedoch würden sich die Eltern sowie alle Geschwister aufgrund der Kriegsgeschehnisse außerhalb ihres Herkunftsstaates befinden. Ferner habe die belangte Behörde es unterlassen zu ermitteln, dass die Mutter des Beschwerdeführers aus einer Familie von Wehrdienstverweigerern stamme und alleine deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihr eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Ein Onkel des Beschwerdeführers sei nach dem Erhalt des Einberufungsbefehls geflüchtet und sei daraufhin vom Regime gesucht worden. Außerdem habe die belangte Behörde bezüglich der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Kurden keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt, weshalb unbeachtet geblieben sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit möglicherweise Diskriminierungen ausgesetzt wäre.
In weiterer Folge wurden angesichts der mangelhaften Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid einschlägige Auszüge aus Länderberichten zur Situation von alleinstehenden Frauen in Syrien, zur Verfolgung aufgrund oppositioneller politischer Gesinnung und zur illegalen Ausreise wiedergegeben. Abschließend wurde in den Beschwerdeausführungen zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung zusammenfassend festgehalten, dass bei der Mutter des Beschwerdeführers mehrere, an sich schon alleine ausreichende Gründe für die Bejahung der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen würden. Daher stelle die Mutter des Beschwerdeführers für sich und den Beschwerdeführer unter anderem den Antrag, die angefochtenen Bescheide zu beheben und ihnen den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.       Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

3.1.    Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 04.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1.       Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf der Grundlage der vorliegenden Akten, insbesondere des von der Mutter des Beschwerdeführers gestellten Antrages auf internationalen Schutz vom 18.04.2018, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1.    Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Türkei geboren. Anfang 2018 reiste seine Mutter mit ihm schlepperunterstützt aus der Türkei nach Griechenland und sie gelangten von dort mit dem Flugzeug zu ihrer Familie nach Österreich, wo sie am 18.04.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Darin brachte die Mutter des Beschwerdeführers keine eigenen Fluchtgründe des Beschwerdeführers vor, sondern berief sich auf die Fluchtgründe in ihrem Verfahren. 

Der Beschwerdeführer ist der minderjährige Sohn der syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2223095-1/6E, insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit seiner asylberechtigten Mutter in einem anderen Staat möglich wäre.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Mutter und den von ihr vorgelegten Dokumenten. Die Feststellungen zur Fluchtroute beruhen ebenfalls auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Mutter.

Der Zeitpunkt der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt. Dass beim Beschwerdeführer keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich insbesondere aus dem Inhalt des am 18.04.2018 gestellten Antrages auf internationalen Schutz sowie aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers während ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um den Sohn der XXXX , geboren am XXXX , handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren und auf den von ihr vorgelegten Dokumenten. Dass der Mutter des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W116 2223095-1.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des fünfjährigen Beschwerdeführers resultiert aus der fehlenden Deliktsfähigkeit.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.1.  Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2.  Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.3.  Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt der Verwaltungsakten die Grundlage des bekämpften Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

3.2.    Zu Spruchpunkt A):

3.2.1.  Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.2.  Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, wurde für den Beschwerdeführer im Verfahren keine ihn betreffende, auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren des Beschwerdeführers und seiner Mutter vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2223095-1/6E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 18.04.2018 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienangehöriger Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W116.2223096.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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