Entscheidungsdatum
04.08.2020Norm
AVG §18 Abs4Spruch
W127 2233144-1/6E
W127 2233144-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über
die Anträge der XXXX , vertreten durch die Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG, der
1. zu W127 2233144-1 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) vom 10.06.2020, Zl. GHDD.AT.2020.0000329 und LI0135/20, sowie der
2. zu W127 2233144-2 protokollierten Beschwerde gegen die Maßnahme des BMSGPK vom 10.06.2020, mit welcher
2.1. gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 über eine Sendung, die durch ein Gemeinsames Gesundheitserklärungsdokument mit der GGED-Nummer GHDD.AT.2020.0000329 und der Lokalen Bezugsnummer GGED-D LI0135/20 begleitet wurde, insoweit entschieden wurde, als diese Sendung „abgelehnt“ und „zurückgewiesen“ und damit als nicht zulässig für die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr der Union befunden wurde, sowie
2.2. zu einer Erklärung der Antragstellerin gemäß der Verordnung (EG) Nr. 284/2011 zu einer Sendung mit dem Identifizierungscode D08DD-619339-AU sowie LI0135/20, angegeben wurde, dass die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr aufgrund einer Nichtkonformität nicht zulässig ist,
jeweils betreffend Überführung von Gegenständen, die dazu bestimmt sind, direkt oder indirekt mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen in den zollrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union,
die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen,
nach Verbindung der zuvor unter 1. und 2. genannten Rechtssachen gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 39 Abs. 2b AVG:
A)
Die Anträge werden zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Feststellungen:
1. Die Antragstellerin übermittelte am 05.05.2020 ein Gemeinsames Gesundheitserklärungsdokument (in Folge: „GGED“) zu einer Sendung mit der Nummer/Bezeichnung „GHEDD.AT.2020.0000268“, in der Folge berichtigt auf GHEDD.AT.2020.0000329, sowie eine Erklärung gemäß Verordnung (EU) Nr. 284/2011, letztere mit dem Identifizierungscode D08DD-619339-AU sowie „LI0135/20“, an die belangte Behörde. Die Sendung umfasst aus der Volksrepublik China stammende Brettersets mit Prints (zu Zolltarifnummer 3924100011).
2. Der bei der Grenzkontrollstelle Linz für die belangte Behörde tätige Grenztierarzt setzte zur erwähnten Sendung Kontrollaktivitäten und bediente sich dazu der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (in Folge: „AGES“).
3. Die belangte Behörde versah durch den Grenztierarzt das unter 1. erwähnte GGED u.a. mit den Vermerken (Stempeln) „abgelehnt“ und „zurückgewiesen“. Ebenso führte Sie in Feld II.16 an „Nicht Zulässig“ und führte als Ablehnungsgrund (Feld II.17.) „Sonstige“ an. S. dazu die Seite 2 des GGED nachstehend:
4. Auch das Erklärungsdokument zur Verordnung (EU) Nr. 284/2011 stempelte die belangte Behörde mit „zurückgewiesen“ und füllte das Dokument u.a. auch so aus, dass die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr „nicht konform“ wäre. Siehe die Erklärung im Folgenden:
5. Die belangte Behörde übermittelte am 10.06.2020 das auch von ihr ausgefüllte bzw. mit Stempeln versehene GGED sowie die erwähnte Erklärung an die Antragstellerin als Anhänge zu einer E-Mail im Format „pdf“. Eine sonstige Übermittlung der behördlichen Informationen zur Sendung an die Antragstellerin erfolgte nicht. In der E-Mail wies die Behörde u.a. noch darauf hin, dass die Ware „binnen 60 Tagen aus der EU verbracht“ oder „vernichtet“ werden „müsse“. Ein Transport zu einem anderen Zolllager sei nicht möglich.
6. Am 07.07.2020 erhob die Antragstellerin eine Bescheidbeschwerde, diese wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 vorgelegt, sowie am 21.07.2020, wobei diese am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde, eine Maßnahmenbeschwerde. Sie stellte jeweils in einem die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
II. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten sowie dem Vorbringen in den Beschwerden.
III. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Zurückweisung der Anträge:
Zur Verfahrensverbindung
1. Die gegenständliche Bescheidbeschwerde (anhängig zu W127 2233144-1) wurde der entscheidenden Richterin gemäß der Geschäftsverteilung 2020 des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen, die Maßnahmenbeschwerde (anhängig zu W127 2233144-2), weil denselben Gegenstand betreffend, als Annexsache.
2. Angesichts der unzweifelhaften Verfahrenseffizienz sind die Rechtssachen gemäß § 39 Abs. 2b AVG i.V.m. § 17 VwGVG verbunden zu führen (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058).
Zum Antrag, der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 10.06.2020 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen
3. Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der belangten Behörde vom 10.06.2020, mit welchen im Ergebnis befunden wurde, dass die streitgegenständliche Sendung aufgrund einer Nichtübereinstimmung mit den auf diese anzuwendenden produkt- bzw. lebensmittelrechtlichen Bestimmungen nicht in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden kann, das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wie auch das Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erhoben. Zusätzlich hat sie zu den Beschwerden jeweils den Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4. Nun hat gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.
5. Zu prüfen ist damit zunächst, ob die Beschwerde zulässig ist, was wiederum die Beantwortung der Frage erfordert, ob es sich bei der Entscheidung der belangten Behörde vom 10.06.2020 um einen Bescheid handelt.
6. Prozessgegenstand der Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG sind gemäß der dahingehend unzweifelhaften Anfechtungserklärung (Punkt I.1. des Beschwerdeschriftsatzes) die Handlungen seitens des Grenztierarzts, mit welchen dieser das GGED zur Sendungszahl GHEDD.AT.2020.0000329 mit dem Vermerk „abgelehnt“ / „zurückgewiesen“ sowie die Erklärung mit der Zahl LI0135/20 mit dem Vermerk „zurückgewiesen“ versah.
7. Die Antragstellerin geht im Zulässigkeitsvorbringen der Beschwerde von der Qualifikation der Handlung der belangten Behörde am 10.06.2020 aus und verweist auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2019, W270 2213399-1. Die belangte Behörde wiederum vertritt die Auffassung, dass es sich um eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt und weist zu diesem Zweck auf die Entscheidung VfGH 30.09.1997, B4681/96.
8. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass die belangte Behörde bei der prozessgegenständlichen Handlung unter folgendem, durch Vorschriften des Unionsrechts und des nationalen Rechts bestimmten Rechtsrahmen agierte:
8.1. Die Verordnung (EU) Nr. 284/2011 wurde von der Europäischen Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, insbesondere gestützt auf deren Art. 48 Abs. 1, erlassen. Sie gilt gemäß Anhang V der Verordnung (EU) 2017/625 als delegierter Rechtsakt gemäß Art. 126 Abs. 1 leg. cit.
8.2. Polyamid- und Melamin-Kunststoffküchenartikel, deren Ursprung oder Herkunft China bzw. Hongkong ist, dürfen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 284/2011 nur unter der Voraussetzung in die Mitgliedstaaten eingeführt werden, dass der Einführer der zuständigen Behörde für jede Sendung eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung vorlegt, in der bestätigt wird, dass die Anforderungen in Anhang V Teil A bzw. in Anhang II Abschnitt A der Richtlinie 2002/72/EG bezüglich der Migration primärer aromatischer Amine und von Formaldehyd erfüllt sind. Dabei hat die zuständige Behörde gemäß Art. 3 Abs. 3 der im Vorsatz erwähnten Verordnung in der Erklärung gemäß dem Anhang dieser Verordnung anzugeben, ob die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden dürfen, und dies in Abhängigkeit davon, ob sie die in Absatz 1 genannten Anforderungen und Bedingungen der Richtlinie 2002/72/EG erfüllen.
8.3. Die Verordnung (EU) 2017/625 gilt gemäß deren Art. 1 Abs. 2 lit. a für die amtlichen Kontrollen, mit denen die Einhaltung der Vorschriften überprüft werden soll, die entweder auf Unionsebene oder von den Mitgliedstaaten zur Anwendung von Unionsrecht in diesen Bereichen erlassen wurden, darunter Vorschriften über die Herstellung und Verwendung von Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen.
8.4. Für Waren, für deren Eingang in die Union mittels Rechtsakten im Einklang mit Art. 126 der Verordnung (EU) 2017/625 Bedingungen oder Maßnahmen aufgestellt bzw. ergriffen wurden, führen die zuständigen Behörden an der Grenzkontrollstelle der ersten Ankunft in der Union der Mitgliedstaaten gemäß Art. 47 Abs. 1 leg. cit. amtliche Kontrollen bei allen Sendungen von Waren durch, die in die Union verbracht werden.
8.5. Die amtlichen Kontrollen bei in die Union verbrachten Tieren und Waren erfolgen gemäß Art. 43 der Verordnung (EU) 2017/625 risikobasiert und werden bei Waren gemäß Art. 47 dieser Verordnung im Einklang mit deren Artikeln 47 bis 64 durchgeführt.
8.6. Die amtlichen Kontrollen gemäß Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 umfassen gemäß deren Art. 49 Abs. 1 Dokumentenprüfungen, Nämlichkeitskontrollen und Warenuntersuchungen.
8.7. Im Anschluss an die amtlichen Kontrollen entscheiden die zuständigen Behörden gemäß § 55 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 für jede Sendung der in Art. 47 Abs. 1 leg. cit. genannten Warenkategorien, ob die Sendung den Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 genügt und welches Zollverfahren gegebenenfalls anzuwenden ist.
8.8. Die zuständigen Behörden nehmen gemäß Art. 66 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 alle gegen die Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 verstoßenden Warensendungen, die in die Union verbracht werden, in amtliche Verwahrung und verwehren ihnen den Eingang in die Union. Die zuständigen Behörden behandeln gemäß Art. 66 Abs. 1 UAbs. 2 diese Sendungen gegebenenfalls abgesondert. Wenn möglich berücksichtigen die zuständigen Behörden auch, dass bestimmte Arten von Waren einer besonderen Behandlung bedürfen.
8.9. Gemäß Art. 66 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/625 ordnet die zuständige Behörde unverzüglich an, dass der für die Sendung verantwortliche Unternehmer die Sendung vernichtet, diese an einen Ort außerhalb der Union zurücksendet oder sie einer Sonderbehandlung oder einer anderen Maßnahme unterzieht, die erforderlich ist, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 leg. cit. zu gewährleisten, und die Sendung gegebenenfalls einer anderen als der ursprünglich geplanten Bestimmung zuführt. Bevor der Unternehmer angewiesen wird, die im Vorsatz erwähnten Maßnahmen zu ergreifen, gibt die zuständige Behörde gemäß Art. 66 Abs. 3 UAbs. 4 der Verordnung (EU) 2017/625 dem betreffenden Unternehmer Gelegenheit zur Stellungnahme, es sei denn, sofortige Maßnahmen sind erforderlich, um einem Risiko für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen, für den Tierschutz oder — sofern es sich um GVO und Pflanzenschutzmittel handelt — auch für die Umwelt zu begegnen.
8.10. Der für die Sendung verantwortliche Unternehmer ergreift gemäß Art. 69 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 alle von den zuständigen Behörden gemäß Art. 66 Abs. 3 leg. cit. angeordneten Maßnahmen unverzüglich, spätestens jedoch binnen 60 Tagen nach dem Datum, an dem die zuständigen Behörden ihm ihre Entscheidung mitgeteilt haben. Ist der betreffende Unternehmer nach Ablauf der im Vorsatz genannten Frist nicht tätig geworden, so ordnen die zuständigen Behörden Art. 69 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 an, dass die Sendung vernichtet oder einer anderen geeigneten Maßnahme unterzogen wird.
8.11. Gegen die Entscheidungen der zuständigen Behörden gemäß den Art. 55 und 66 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/625, die natürliche oder juristische Personen betreffen, können diese Personen gemäß Art. 7 UAbs. 1 leg. cit. nach nationalem Recht Rechtsbehelf einlegen. Dabei sollten nach Erwägungsgrund 10 die Unternehmer über dieses Recht informieren werden. Das Recht auf Rechtsbehelf wirkt sich dabei gemäß Art. 7 UAbs. 1 nicht auf die Verpflichtung der zuständigen Behörden aus, gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 und den Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 Sofortmaßnahmen zu treffen, um die Risiken für die Gesundheit von Menschen auszuschalten oder zu begrenzen.
8.12. Gemäß § 4 Abs. 4 LMSVG sind Antrags- oder Meldeverfahren auf Grund von in der Anlage Teil 1 leg. cit. genannten Rechtsvorschriften – dazu zählt die Verordnung (EU) Nr. 284/2011 – von dem Bundesminister für Gesundheit durchzuführen. Wenn Waren auf Grund von Rechtsakten der Europäischen Kommission einer verstärkten Kontrolle bei der Einfuhr aus Drittstaaten gemäß § 49 Abs. 4 zu unterziehen sind, haben die Unternehmer die Zollbehörden und das Bundesministerium für Gesundheit gemäß § 47 Abs. 1 LMSVG vorab rechtzeitig über Art und Ankunftszeit der Sendung zu verständigen. Die Kontrolle bei der Einfuhr aus Drittstaaten ist gemäß § 47 Abs. 3 LMSVG durch vom Bundesminister für Gesundheit bestellte Organe, die für die Grenzkontrolle besonders geschult sind, auszuüben.
8.13. Gemäß § 48 Abs. 1 LMSVG sind Waren bei Verdacht oder Wahrnehmung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften unter amtliche Aufsicht (d.h. amtliche Inverwahrnahme gemäß Art. 2 Z 13 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004) der Organe gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit. zu stellen. Die Organe gemäß § 47 Abs. 3 LMSVG leiten gemäß § 48 Abs. 2 leg. cit. die notwendigen Kontrollschritte gemäß Art. 15 und 16 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 – diese entsprechen nunmehr gemäß Anhang V der Verordnung (EU) 2017/625 deren Art. 44f – ein, gegebenenfalls unter Anordnung von Maßnahmen gemäß Art. 18 ff der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 – dies entspricht nun gemäß Anhang V der Verordnung (EU) 2017/625 deren Art. 66 ff –, und führen die erforderlichen Probenahmen im Sinne des § 36 LMSVG durch.
9. Vor diesem Hintergrund war zur Form des Verwaltungsakts zu erwägen:
9.1. Die anfechtungsgegenständlichen Handlungen können vorläufig als „Angabe“ gemäß der Verordnung (EU) Nr. 284/2011 sowie als „Entscheidung“ gemäß Art. 55 der Verordnung (EU) 2017/625 gesehen werden.
9.2. Der zuvor gestellte Rechtsrahmen, unter welchem die prozessgegenständlichen Handlungen seitens der belangten Behörde gesetzt wurden, können als vergleichbar mit jenem, der der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung vom 26.08.2019 zugrunde liegt, gesehen werden. Auch nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2011 i.V.m. der Verordnung (EU) 2017/625 muss i.S.d. § 4 Abs. 4 LMSVG vorab – unter Inanspruchnahme eines bestimmten Formulars (bzw. bestimmter Formulare) sowie unter Anschluss bestimmter weiterer Informationen – der jeweils bestimmten zuständigen nationalen Behörde eines Grenzkontrollpunkts eine Sendung „gemeldet“ werden.
9.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht nun vorläufig auch hinsichtlich des gegenständlichen Falls davon aus, dass die nationale Behörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 284/2011 sowie der Verordnung (EU) 2017/625, Angaben oder Entscheidungen, dass eine Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nicht erfolgen darf bzw. dass die Sendung den Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 nicht genügt, in der Form eines Bescheids zu treffen hat.
9.4. Auch weisen die prozessgegenständlichen Handlungen die Mindestmerkmale eines Bescheids auf (insbesondere die grundsätzlich der Rechtskraft zugänglichen Ausführungen „Abgelehnt“ bzw. „Zurückgewiesen“ in Zusammenschau mit den übrigen Angaben auf den eingereichten Meldedokumenten, die Unterschrift eines Behördenorgans samt dem amtlichen Stempel). Andererseits wiederum mangelt es auch unter Berücksichtigung (d.h. in Zusammenschau mit) des relevanten Rechtsrahmens am für die Qualifikation als Maßnahme i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG zumindest erforderlichen – objektiv zu beurteilenden – „Befehlscharakter“. ((vgl. dazu etwa VwGH Ra 2016/06/0124, 29.11.2018, wonach als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist; vgl. auch VfSlg. 18212/2007, wonach der Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch versehen sein muss). Die Ausführungen im die Übermittlung des von der belangten Behörde ausgefüllten GGED sowie der ausgefüllten Erklärung begleitenden Schreiben (E-Mail) vom 10.06.2020 (I.5.) sind – siehe unten III.14. – nicht prozessgegenständlich.
9.5. Ebenso stellen sich die Entscheidungen nach der Verordnung (EU) 2017/625 keineswegs als weitgehend frei von einem förmlichen Ermittlungsverfahren dar, wie dies für einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt typisch ist:
So ist einem Unternehmer etwa grundsätzlich das Recht auf ein zweites Sachverständigengutachten zu etwa Ergebnissen einer physischen Warenbeprobung durch ein amtliches Laboratorium zu ermöglichen (Art. 35 leg. cit.). Ausgenommen davon sind nur erforderliche Sofortmaßnahmen (Art. 35 Abs. 4 leg. cit.).
Auch Art. 66 Abs. 3 sieht vor, dass – wiederum mit Ausnahme von unaufschiebbaren Sofortmaßnahmen – der Unternehmer vor einer Anordnung anzuhören ist („Gelegenheit zur Stellungnahme).
10. Nun führt die Antragstellerin aber auch aus, dass ihr die behördliche Entscheidung(en) ob der prozessgegenständlichen Sendung nur als gescannte Kopien im Anhang eines E-Mails übermittelt wurden. Das Dokument wäre auch nicht amtssigniert gewesen. Dies war auch so festzustellen (I.5.). Dadurch wäre es jedoch zu keiner wirksamen Zustellung des Bescheids gekommen. Damit ist sie im Recht: Weder entsprach diese Vorgangsweise dem § 18 Abs. 4 AVG noch trat – mangels der Übermittlung des unterfertigen Originaldokuments – eine Heilung gemäß § 7 ZustG ein. Auch ist den anwendbaren unionsrechtlichen Vorschriften keine Bestimmung zu entnehmen, wonach dennoch von einer wirksamen Zustellung auszugehen wäre.
Daraus folgt, dass die vorläufig als Bescheid anzusehende Entscheidung über die prozessgegenständliche Sendung nicht wirksam erlassen wurde und sohin auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig ist, weswegen dieser gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen war.
Zum Antrag, der Beschwerde gegen eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vom 10.06.2020 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen
11. Wie eingangs dargestellt hat die Antragstellerin jedoch auch, wobei sie den Gegenstand dieser Beschwerde in derselben Weise umschrieb wie in der gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 erhobenen Beschwerde, eine Maßnahmenbeschwerde erhoben. Sie beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG zuzuerkennen.
12. Nun ist allerdings wie oben ausgeführt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts vorläufig davon auszugehen, dass die Entscheidung gemäß Art. 55 der Verordnung (EU) 2017/625 im Falle einer Ausweisung einer Nichtkonformität der Ware mit den entsprechenden unionsrechtlichen Anforderungen als Bescheid zu erlassen. Auch konnte vorläufig die gesetzte behördliche Handlung grundsätzlich als noch der Bescheidqualität entsprechend qualifiziert werden. Wie dargestellt wurde dieser Bescheid mangels rechtmäßiger Zustellung (oder auch erfolgter Heilung einer unrechtmäßigen Zustellung) gegenüber der Antragstellerin nie wirksam erlassen.
13. Da die unwirksame Erlassung jedoch nicht dazu führen kann, einen Verwaltungsakt dennoch als Maßnahme i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anzusehen, ist vorläufig davon auszugehen, dass das Rechtsmittel gemäß der zitierten Verfassungsbestimmung unzulässig ist. Damit wiederum ist auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig anzusehen und aus diesem Grund gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen.
Hinweis
14. Nur der Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Ausführungen der belangen Behörde bzw. des für diese als besonderes Aufsichtsorgan tätigen Grenztierarzts im Text des E-Mails vom 10.06.2020 (I.5.; mit dieser wurden auch das von der Behörde ausgefüllte GGED sowie die Erklärung im Anhang übermittelt, wie dargestellt), darin etwa betreffend eine etwaige Erforderlichkeit der Vernichtung der Ware, nicht von den Anfechtungserklärungen der erhobenen Rechtsmittel umfasst anzusehen ist. Es handelt sich dabei – unabhängig von der konkreten Qualifikation des Inhalts – auch um i.S.d. § 27 VwGVG durchaus – trennbare – „Sachen“ (s. eben den Verweis in Art. 7 der Verordnung [EU] 2017/625 sowohl auf Entscheidungen gemäß Art. 55 wie auch auf Entscheidungen gemäß Art. 66 Abs. 3 nach dieser Verordnung).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Befehls- und Zwangsgewalt Kontrolle Maßnahmenbeschwerde Nichtbescheid Sachverständigengutachten Sicherheit Trennbarkeit der Spruchteile Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W127.2233144.1.00Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020