TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 G306 2224538-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs3
FPG §70 Abs3

Spruch

G306 2224538-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Polen, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2019 Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 20.07.2018, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 20.07.2018, wurde der BF anlässlich seiner in Untersuchungshaftnahme über die in Aussicht genommene Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei Verurteilung in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde der BF zur Stellungnahme binnen 10 Tagen aufgefordert.

Eine Stellungnahme langte bis dato bei der belangten Behörde nicht ein.

2. Mit Urteil des LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.2018, wurde der BF gemäß §§ 127, 128 (1) Z 5, 129 (1) Z1, 130 (2) 1 und 2. Fall StGB, § 15 StGB, § 229 (1) StGB, § 241e (3) StGB zu einer 6-järigen Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 24.09.2019, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

4. Mit per E-Mail am 17.10.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die gänzliche Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Behebung des Aufenthaltsverbotes oder zumindest die Herabsetzung der Befristung desselben, in eventu die Ermöglichung eines zeitlich angemessenen Durchsetzungsaufschubes beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde sowie die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG am 21.10.2019 vorgelegt.

6. Mit Teilerkenntnis des BVwG, G314 2224538-1/3Z, vom 23.10.2019, wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 18.12.2019, wurde die gegenständliche Rechtsache der Gerichtsabteilung G314 abgenommen und der Gerichtsabteilung G306 neu zugewiesen.

8. Mit verfahrensleitendem Beschluss des BVwG, G306 2224538-1/11Z, vom 22.04.2020, dem RV des BF zugestellt am 23.04.2020, wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und unter Vorhalt einer neuerlichen Verurteilung und eines zusätzlich anhängigen Strafverfahrens zur Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert.

Der BF gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Polen, ledig und obsorgepflichtig für ein minderjähriges Kind.

Der BF reiste im Herbst 2017 ins Bundesgebiet ein, wo er auch bis zu seiner Verhaftung am XXXX.2018 unangemeldet Aufenthalt nahm.

Der BF hat in Polen den Beruf Maler und Anstreicher gelernt, ist gesund und arbeitsfähig, ging jedoch in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach.

Im Herkunftsstaat halten sich die Eltern sowie das minderjährige Kind des BF auf und befindet sich der Lebensmittelpunkt des BF in Polen.

Der BF verfügt in Österreich weder über berücksichtigungswürdige familiäre noch soziale Bezugspunkte.

Der BF ist vermögenslos und haften ihm Schulden in seinem Herkunftsstaat an.

Der BF wird seit XXXX.2018 in Justizanstalten in Österreich angehalten und weist darüber hinaus keine Wohnsitzmeldungen in Österreich auf.

Der BF weist folgende Verurteilungen in Österreich auf:

1.       LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.2018, RK XXXX.2019, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung teils als Beteiligter gemäß §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 2; 12 3. Fall, 15 StGB, sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung gemäß § 299 Abs. 1 StGB und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe

I.       In XXXX und an anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus dem BF und weiteren Mittätern, im bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken als Mittäter (§12 StGB) mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung über eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung den Betrag iHv EUR 400,- monatlich weit übersteigendes fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung, in einem EUR 300.000,- übersteigenden Wert,

a.       Im Zeitraum von XXXX.2017 bis XXXX.2018 in insgesamt 14 Angriffen Fremde bewegliche Sachen, konkret hochpreisige PKW, teils samt darin befindlicher Wertsachen, weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, indem sie in Transportmittel, nämlich in hochpreisige und mit einem sog „KeylessGo“ System, welches die Entriegelung eines Fahrzeuges ohne aktive Benutzung eines Autoschlüssels ermöglicht, ausgestattete PKW, mit einem wiederrechtlich erlangten Zugangscode durch Verlängerung des Funksignals mittels sogenannter „Funkstreckenverlängerer“ eindrangen, wobei sie den schweren Diebstahl nach § 128 Abs. 1 und den Diebstahl nach § 129 Abs. 1 Z 1 gewerbsmäßig begingen bzw. begehen versuchten.

b.       In der Nacht auf XXXX.2017 dazu beigetragen, dass derzeit unbekannte Mitglieder der kriminellen Vereinigung fremde bewegliche Sachen wegnahmen bzw. wegzunehmen versucht haben, indem diese in Transportmittel, nämlich hochpreisigen und mit einem sogenannten „KeylessGo“ System, welches die Entriegelung eines Fahrzeuges ohne aktive Benutzung eines Autoschlüssels ermöglicht, ausgestatteten PKW, mit einem widerrechtlich erlangten Zugangscode durch Verlängerung des Funksignals mittels sogenannter „Funkstreckenverlängerer“, konkret eindrangen, wobei diese den schweren Diebstahl nach § 128 Abs. 1 StGB und den Diebstahl nach § 129 Abs. 1 Z 1 StGB gewerbsmäßig begingen bzw. begehen versuchten, indem er mit dem Wissen, um den geplanten Diebstahl der Fahrzeuge mit derartigen Systemen ausgestattete Fahrzeuge ausspähte, ihre Ergebnisse in einem Notizbuch festhielt und selbiges an die unmittelbaren Täter weitergab;

II.      In XXXX und an anderen Orten in Bezug auf die zuvor genannten Handlungen in mehrfachen Angriffen zwischen Dezember 2017 und XXXX.2018 als Beteiligte (§ 12 StGB) durch Wegnehmen und Behalten oder Wegwerfen von Dokumenten, konkret Zulassungsscheine, einen Reisepass, einen Führerschein, eine E-Card und einen Personalausweis, sohin Urkunden, über die sie nicht verfügen dürfen, unterdrückt, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten bzw. Rechtsverhältnissen bzw. Tatsachen gebraucht werden;

III.    In XXXX am XXXX.2018 durch Wegnehmen und Behalten oder Wegwerfen durch die Wegnahme des PKW des H.M., die im Auto befindlichen unbaren Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, nämlich zwei Kreditkarten und eine Bankomatkarte mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern.

Mildernd wurden dabei die teilweise Schadensgutmachung, der teilweise Versuch sowie das teilweise zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, erschwerend jedoch 2 einschlägige Vorstrafen, der sehr rasche Rückfall nach bedingter Entlassung, die führende Beteiligung im Rahmen der kriminellen Vereinigung, die doppelte Überschreitung der Wertgrenzen von EUR 300.000,-, die Erfüllung mehrerer Qualifikationen, der lange Tatzeitraum und die mehrfache Tatbegehung sowie das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gewertet.

2.       LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.2019, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 2 StGB, als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB sowie des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe

I.       Mitte Jänner 2018 in XXXX zumindest durch Auskundschaften von Tatgelegenheiten zur strafbaren Handlung abgesondert verfolgter Täter beigetragen, die in der Nacht auf XXXX.2018 eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen PKW im Wert von EUR 46.000,- mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Diebstahl an Sachen in einem EUR 5.000,- übersteigenden Wert und indem sie in ein Transportmittel mit widerrechtlich erlangten Zugangscodes – insbesondere sogenannten „Funkstreckenverlängerern“ zur unbefugten Duplizierung der Funksignale von KFZ-Schlüssel – eindrangen, begingen und der BF den Beitrag zu einem schweren Diebstahl nach § 128 Abs. 1 und den Diebstahl nach § 129 Abs. 1 StGB auf die in § 130 Abs. 1 StGB bezeichnete Weise, nämlich gewerbsmäßig leistete;

II.      Am XXXX.2019 in XXXX mehrere Justizwachebeamte einer Justizanstalt mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verlegung in einen anderen Haftraum sowie seiner anschließenden Visitierung, gehindert, indem er mit seinen Füßen um sich schlug und versuchte sich gewaltsam unter Aufbieten erheblicher Körperkraft aus den Haltegriffen der Beamten zu lösen.

Mildernd wurden dabei das teilweise Geständnis und der teilweise untergeordnete Tatbeitrag, erschwerend jedoch zwei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen strafbarer Handlungen, die mehrfache Deliktsqualifikation, die Begehung während anhängigem Strafverfahren und in Untersuchungshaft sowie die Widerstandshandlung gegen mehrere Beamte gewertet.

3.       LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.2020, RK XXXX.2020, wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage gemäß § 288 Abs. 1 StGB, § 15 StGB und der Begünstigung gemäß § 299 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe am XXXX.2019 in XXXX

I.       Vor Gericht als Zeuge, nämlich im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem LG XXXX zu XXXX, bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache siebenmal falsch ausgesagt, indem er seine bisherigen belastenden Angaben zu den abgesondert verfolgten Angeklagten widerrief;

II.      B.R.P und M.L.J., die jeweils das Verbrechen des schweren Diebstahls nach § 128 Abs. 2 StGB begangen haben, und A.S. der das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach § 130 Abs. 2 StGB begangen hat, durch die zu Punkt I. dargestellte strafbare Handlung der Verfolgung absichtlich ganz oder zumindest zum Teil zu entziehen versucht.

Mildernd wurde dabei der teilweise Versucht, erschwerend jedoch das Zusammentreffen zweier Vergehen sowie die Begehung während aufrechter Strafhaft gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat.

Der BF wurde zudem in Polen mit Urteil vom XXXX.2009 wegen Diebstahl zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie mit Urteil vom XXXX.2013 wegen Einbruchdiebstahl zu eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Dem BF wurde seitens des BFA schriftliches Parteiengehör eingeräumt. Der BF hat jedoch auf die Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben verzichtet und am Verfahren vor dem BFA nicht mitgewirkt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1 Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich, die näheren Ausführungen zu den vom BF begangenen Straftaten und zu den Strafbemessungen, sowie die Feststellung, dass der BF diese begangen hat, beruhen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) sowie jeweiligen Ausfertigung der oben zitierten Strafurteile und Rechtmittelurteile des OLG XXXX, Zlen. XXXX, vom XXXX.2019 und XXXX, vom XXXX .2019 (siehe OZ 6 und OZ 1).

Die aktuelle Anhaltung des BF in Justizanstalten, sowie das Fehlen sonstiger Wohnsitzmeldungen in Österreich beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Das dem BF eingeräumte Parteiengehör beruht auf einer Ausfertigung des besagten Schreibens des BFA (siehe AS 157) sowie einer vom BF unterschriebenen Zustellbestätigung (siehe AS 175). Ferner liegt im Akt keine Stellungnahme des BF ein und hat dieser die Abgabe einer solchen trotz Thematisierung einer Unterlassung im angefochtenen Bescheid bis dato nicht behauptet, sodass obige Feststellung hinsichtlich der unterlassenen Stellungnahme des BF zu treffen war.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

2.2.2. Wie das dem BF eingeräumte schriftliche Parteiengehör zeigt, wurde diesem hinreichend die Möglichkeit geboten sich hinreichend zur Sache zu äußern und Beweismittel in Vorlage zu bringen bzw. anzubieten. Der BF hat diese Möglichkeit jedoch ausgeschlagen und sohin am Verfahren vor der belangten Behörde nicht mitgewirkt.

Insofern der BF in der gegenständlichen Beschwerde nunmehr erstmals das Vorhandensein von familiären Bezugspunkten in Österreich behauptet und zum Beweis die Einvernahme der besagten Personen verlangt, ist entgegenzuhalten, das die bloße Behauptung ohne nähere Angaben zu den besagten Personen zur Beweisführung nicht genügt. In Ermangelung der Nennung von Personalien und Kontaktdaten der vom BF vorgebrachten Angehörigen, lassen sich die Angaben des BF nicht verifizieren und die besagten Personen auch nicht einvernehmen.

Im Ergebnis gelingt dem BF sohin keine substantiierte Entgegnung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Polen ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1.         Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2.         Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3.         durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3.         der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.1.3. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war aus folgenden Gründen abzuweisen:

3.1.3.1. Da vom BF, der aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit mehr als 5 noch 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

3.1.3.2. Der BF wurde unbestritten bereits dreimal, überwiegend einschlägig, im Bundesgebiet zu Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 7 Jahren und 8 Monaten (konkret 6 Jahre und zweimal 10 Monate) verurteilt. Zudem weist der BF zwei einschlägige Vorverurteilungen in Polen auf.

Das vom BF gezeigte Verhalten, insbesondere das wiederholte gewerbsmäßige Vorgehen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung sowie die führende Beteiligung bei der besagten Vereinigung, lässt vor dem Hintergrund der Schadenshöhe und Tatwiederholungen sowie Rückfälle eine massive Herabsetzung der inneren Hemmschwelle und das Vorliegen einer hohen kriminelle Energie beim BF erkennen. Der BF hat seine anhaltende kriminelle Energie und Neigung zu Straftaten insbesondere durch seine neuerlich wiederholte Begehung von Straftaten während aufrechtem Strafvollzug bzw. aufrechter Untersuchungshaft untermauert.

Das vom BF gezeigte Verhalten lässt ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen. Der Unwillen des BF sich an gültige Rechtsnormen zu halten wird zudem dadurch weiter untermauert, dass er trotz Aufenthaltsnahme in Österreich seit dem Jahr 2017 keine Wohnsitzmeldung vorgenommen hat und es unterlassen hat im Verfahren vor dem BFA mitzuwirken.

Der seit der Straftat des BF vergangene vorfallfreie Zeitraumallein, vermag – insbesondere vor dem Hintergrund der Vorverurteilung des BF in Polen und überwiegend in Strafhaft zugebrachte Zeiten – ein zukünftiges Wohlverhalten des BF nicht zu begründen (vgl. VwGH 13.07.2011, 2007/18/0785: wonach es zur Beurteilung einer Wesensänderung eines Wohlverhaltens in Freiheit bedarf). Insofern der BF in der gegenständlichen Beschwerde, unter Betonung seiner einmaligen Verurteilung in Österreich, vorbringt, sich reuig zu zeigen und gewillt zu sein, sein Leben zu ändern kann diesem nicht gefolgt werden. Da der BF einzig auf seine erste Verurteilung in Österreich Bezug nimmt und damit nicht nur weitere begangene Straftaten verschweigt, sondern vielmehr sein Wohlverhalten trotz Wissens um seine zur Verurteilung geführten Vergehen der falschen Beweisaussage, der Begünstigung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt behauptet, lässt der BF die Bereitschaft Verantwortung für seine Tagen zu übernehmen vermissen, und fehlt es seinen Beteuerungen daher an Glaubwürdigkeit. Angesichts der Kriminalhistorie des BF gelingt es dem BF sohin nicht seine Reue und Einsicht zu substantiieren.

Mangels erkennbarer Reue und des Eingestehens des BF, auf finanzielle Notlagen mit strafbaren Handlungen zu reagieren, kann unter Berücksichtigung der wiederholten Strafffälligkeit, bisher ausgebliebener Wirkung strafgerichtlicher Sanktionen und der aufrechten Vermögenslosigkeit bei gleichzeitiger Verschuldung ein neuerlicher Rückfall des BF nicht nur nicht ausgeschlossen werden, sondern ist dieser vielmehr zu erwarten.

Der VwGH hat wiederholt ausgeführt, dass der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumsdelikten (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474; 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 04.06.2008, AW 2008/18/0299) eine große Bedeutung aufgrund deren schwerwiegenden Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, zukomme. Das vom BF gezeigte Verhalten lässt sohin eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erkennen und kann dem BF zudem keine positive Zukunftsprognose erstellt werden, sodass auch von einer Gegenwärtigkeit der Gefährdung auszugehen ist.

Ferner konnte auch im Hinblick auf § 9 BFA-VG, eingedenk des vom BF gezeigten Verhaltens, nicht von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden.

Der BF kann weder einen langen Aufenthalt in Österreich nachweisen noch verfügt er über maßgebliche familiäre und soziale Bezugspunkte in Österreich. Eine besondere Integration konnte zudem nicht festgestellt werden. Unbeschadet dessen müssten allfällige Bezugspunkte letztlich aufgrund des Verhaltens des BF sowie dessen – gegenwärtig vollzogenen – langjährigen Freiheitsstrafen eine maßgebliche Relativierung hinnehmen und hinter das Verhalten des BF zurücktreten.

Angesichts des besagten und letztlich gravierenden Fehlverhaltens des BF ist davon auszugehen, dass die Erlassung eines gegen den BF gerichteten Aufenthaltsverbotes gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Hinblick auf Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des BF. Das vom BF gesetzte Verhalten ist als geeignet die öffentlichen Interessen tatsächlich, gegenwärtig und erheblich, sohin maßgeblich zu gefährden, anzusehen, sodass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG gegenständlich jedenfalls vorliegen, und unter den gegebenen Umständen die Erlassung eines solchen auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten ist.

3.1.3.3. Auch was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich dieses, aufgrund der Strafhöhe der Verurteilungen des BF, insbesondere in Bezug auf das Urteil des LG XXXX vom XXXX.2018, gemäß § 67 Abs. 3 Z 1 FPG innerhalb des dem Bundesamt zur Verfügung stehenden Rahmens.

Wirft man einen Blick auf die Verfehlungen des BF und deren Unwerten, insbesondere im Hinblick auf dessen führende Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, die Schadenshöhe, die Gewerbsmäßigkeit seiner Handlugen, die gezeigte Unbelehrbarkeit in Bezug auf strafgerichtliche Sanktionen, die aufgezeigte Rückfallgefährlichkeit, aber auch auf den vom BF nachhaltig aufgezeigten Unwillen sich an gültige Normen zu halten, so ist eine Befristung des Aufenthaltsverbotes gegenständlich nicht angezeigt. Demzufolge erweist sich ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegenständlich als verhältnismäßig.

Die Beschwerde war sohin als unbegründet abzuweisen.
3.1.4. Der mit „Ausreisepflicht und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2.         die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Vor dem Hintergrund der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, insbesondere dessen negativen Zukunftsprognose, welche eingedenk dessen wiederholten Rückfällen in strafrechtswidriges Verhalten und nicht erkennbarer Reue, einen neuerlichen Rückfall des BF befürchten lässt, kann der belangten Behörde zudem nicht entgegengetreten werden, wenn diese die sofortige Beendigung des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet als im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für gelegen erachtet.

Demzufolge war die Beschwerde auch diesbezüglich abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EWR-Bürger Gewerbsmäßigkeit Haft Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Unionsbürger Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2224538.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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