TE Bvwg Beschluss 2020/8/7 W134 2233640-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W134 2233640-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 4,544 der ÖBB VzG-Strecke 45701 Zeltweg - St. Paul im Bahnhof Weißkirchen mit der Landesstraße B77 im Gemeindegebiet der Gemeinde Weißkirchen, Verfahrens ID: 40815“ der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft, Praterstern 3, 1020 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX und XXXX , vertreten durch Heid & Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, vom 03.08.2020 „das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im gegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen“ folgenden Beschluss:

A)

Der Auftraggeberin wird gemäß § 351 BVergG 2018 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 03.08.2020 begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 23.07.2020, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Angefochtene Entscheidung sei die Zuschlagsentscheidung vom 23.07.2020 zugunsten der XXXX . Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung gab die Antragstellerin zusammengefasst folgendes an: Das für den Zuschlag in Aussicht genommene Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei nach den Bestimmungen des BVergG 2018 nicht zuschlagsfähig und aus folgenden Gründen auszuscheiden:

1.) Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe einen in seiner Zusammensetzung nicht plausiblen Preis angeboten. Aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre die Auftraggeberin zur vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen.

2.) Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Leistungen entsprächen nicht den von der Auftraggeberin geforderten Mindestanforderungen.

3.) Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge über keine ausreichende Befugnis zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 06.08.2020 gab diese bekannt, dass Auftraggeberin die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft sei. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich der in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in Österreich sei am 19.02.2020 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung sei am 23.07.2020 zugunsten der XXXX erfolgt. Im gegenständlichen Vergabeverfahren lägen weder Interessen der Auftraggeberin noch sonstige besondere öffentliche Interessen vor, die der Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegenstünden. In diesem Zusammenhang erhebe die Auftraggeberin keine Einwände gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft hat den Bauauftrag „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 4,544 der ÖBB VzG-Strecke 45701 Zeltweg - St. Paul im Bahnhof Weißkirchen mit der Landesstraße B77 im Gemeindegebiet der Gemeinde Weißkirchen, Verfahrens ID: 40815“ im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich ist am 19.02.2020 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung ist am 23.07.2020 zugunsten der XXXX erfolgt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 06.08.2020).

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quelle, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.

2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zu prüfen, ob der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Zuschlagserteilung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Zuschlagsentscheidung – behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet hat, sowie dass der Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 ist somit nicht gegeben.

Gemäß § 343 Abs. 1 BVergG 2018 sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung erfolgte am 23.07.2020. Der Nachprüfungsantrag ist am 03.08.2020 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Der Antrag wurde auch vergebührt und erfüllt – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Die Antragstellerin hat einen Antrag auf Untersagung der Zuschlagserteilung gestellt.

Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Zuschlagsentscheidung vom 23.07.2020 die Vergabe an die XXXX beabsichtigt ist, diese aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Zuschlag in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht.

Die Auftraggeberin brachte vor, dass weder Interessen der Auftraggeberin noch sonstige besondere öffentliche Interessen vorliegen würden, die der Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegenstünden und erhob keine Einwände gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Bauauftrag Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Plausibilität Preisvergleich Provisorialverfahren Schaden spekulativer Preis Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren vertiefte Angebotsprüfung (vertiefte) Preisprüfung vorherige Bekanntmachung Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2233640.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten