TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/12 96/19/0004

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Veröffentlicht am 12.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1.) der 1990 geborenen LF,

2.) der 1988 geborenen KF, beide vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt in 1082 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1995, Zlen. 111.370/4-III/11/94 (für die Erstbeschwerdeführerin) und 111.370/3-III/11/94 (für die Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen, Staatsangehörige Kroatiens, stellten - vertreten durch ihre Mutter - am 5. Juli 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch Ankreuzen der Variante "Erstantrag" zum Zwecke der Familienzusammenführung/ Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter bzw. zu "privaten" Zwecken. Die Antragsfrage nach ihrem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung beantworteten die Beschwerdeführerinnen mit "Jugoslawien".

Der Landeshauptmann von Wien wies diese am 11. Juli 1994 eingelangten Anträge mit Bescheiden jeweils vom 1. September 1994 gemäß § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG "mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, daß die Anträge "offenbar von einer dritten Person von Bratislava aus der österreichischen Botschaft in Preßburg übermittelt worden seien, wobei das Kuvert in genau der gleichen Weise wie bei einer Mehrzahl von Anträgen ausgefüllt" worden sei. Auch im Akt scheine lediglich ein Wohnsitz in Wien auf. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung "vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätten.

In den dagegen eingebrachten Berufungen gaben die Beschwerdeführerinnen im Rubrum eine Adresse in Kroatien an und brachten - auf die Berufung ihrer Mutter vom selben Tag verweisend - vor, daß sich die bekämpften Bescheide "lediglich auf Vermutungen, die keinen Beweischarakter" hätten, stützten. Die erstinstanzliche Behörde habe weder nachgewiesen, daß die Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen seien, noch habe sie den Versuch unternommen, zu beweisen bzw. zu erforschen, ob sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätten oder ob sie den Antrag im Ausland gestellt hätten. Im übrigen wäre auch eine Antragstellung durch eine dritte Person - was jedoch tatsachenwidrig angenommen worden sei - "legitim" gewesen.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 8. November 1995 wurden die Berufungen der Beschwerdeführerinnen gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend heißt es in den angefochtenen Bescheiden übereinstimmend: "Sie sind sichtvermerksfrei eingereist und wollten Ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern. Sie sind seit 18. August 1994 in Wien aufrecht gemeldet". Die belangte Behörde führte weiters aus, § 5 Abs. 1 AufG schließe zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Ein Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen erübrige sich, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend gemacht werden, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auf Grund ihres persönlichen, rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die vorliegenden Fälle gleichen in den maßgeblichen Punkten (erstmalige Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG durch die belangte Behörde, Fehlen eines diesbezüglichen Vorhaltes, keine Gelegenheit der Beschwerdeführerinnen, Beweismittel darüber vorzulegen bzw. beizubringen, daß sie sich nicht im Inland aufhielten) demjenigen, der dem hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/0003, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung ihrer Verfahrensmängel zu anderen Bescheiden gekommen wäre, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190004.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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