Entscheidungsdatum
11.08.2020Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W131 2233638-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren zur Anfechtung der Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft (= AG) mit der Bezeichnung "Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage in km 17,029 der ÖBB VzG-Strecke 46201 Spielfeld-Straß – Bad Radkersburg (Verfahrens-ID: 40809)" bzw „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 17,029 der ÖBB VzG-Strecke 46201 Spielfeld-Straß – Bad Radkersburg im Verlauf der freien Strecke mit der Gemeindestraße Ratschendorferstraße im Gemeindegebiet der Gemeinde Mureck“, Verfahrens ID: 40809“ aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (=ASt), der Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX , auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (eV), die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zu untersagen, folgenden Beschluss:
A)
Der ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft ist es hiermit für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, wie derzeit beim Bundesverwaltungsricht zur Verfahrenszahl W131 2233638-2 protokolliert, untersagt, den Zuschlag im Vergabeverfahren "Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 17,029 der ÖBB VzG-Strecke 46201 Spielfeld-Straß – Bad Radkersburg im Verlauf der freien Strecke mit der Gemeindestraße Ratschendorferstraße im Gemeindegebiet der Gemeinde Mureck“, Verfahrens ID: 40809" zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
In dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Vergabeverfahren wurde eine Zuschlagsentscheidung versandt, die von der ASt mit Nachprüfungsantrag bekämpft wird.
Zur Absicherung des Nachprüfungsantrags beantragte die ASt mit den entsprechenden Form- und Inhaltserfordernissen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), nachdem eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nach Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht kommt - § 334 Abs 2 BVergG 2018; und insoweit neben seitens der ASt geltend gemachten drohenden finanziellen Nachteilen die Referenzauftragschance der ASt vor der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zunichte gemacht wäre.
Die AG und die in Aussicht genommene Bieterin haben verfahrensökonomisch keine substantiierten Interessen gegen die beantragte eV vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (samt Besweiswürdigung)
Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2233638-1, -2 und -3.
Dz ist gerichtnotorisch nicht ersichtlich, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren wesentlich länger als bis zum Ablauf der sechswöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 348 BVergG 2018 dauern sollte.
2. Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:
2.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss des Vertrags befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Zuschlagsentscheidung – behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (=BVergG) unterliegenden Vertrags behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG ist somit nicht gegeben.
2.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 89/665/EWG zu gewährleisten ist.
3. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint daher (insb mangels gegenläufig konkretisierter Auftraggeberinteressen) ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben, da mit der Untersagung der Zuschlagserteilung ein Voranschreiten im Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung im Rahmen des gelindesten zum Ziel führendsten Sicherungsmittels verhindert wird, zumal durch die aktuell im Vergabeverfahren anstehende Zuschlagserteilung der Rechtsgestaltungsantrag auf Nichtigerklärung vor der Sachentscheidung über den diesen Rechtsgestaltungsantrag unzulässig würde.
Die AG und die dz für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieterin haben gegen diese begehrte Sicherungsmaßnahme nichts Substantiiertes vorgebracht. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.
Dementsprehend war die beantragte eV zu erlassen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuzulassen, weil die gegenständliche Entscheidung eine Einzelfallentscheidung vor dem Hintergrund einer tatasachenmäßigen Interessensabwägung in diesem spezielle Einzelfall darstellt, ohne dass insoweit grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen wurden.
Schlagworte
Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2233638.1.00Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020