TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/18 W154 2233926-1

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Veröffentlicht am 18.08.2020
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Entscheidungsdatum

18.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W 154 2233926-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2020, Zahl: 252267909/200509810, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 24.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet, wobei die Rechtsfolgen des Bescheides nach Entlassung des BR aus der Strafhaft eintreten sollten. Der Bescheid wurde dem BF am 24.07.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei insbesondere auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG und bezog des Weiteren ein, dass der BF siebenfach wegen Vermögens- und Nötigungsdelikten rechtskräftig verurteilt worden sei sowie mehrfach in der Vergangenheit während laufenden Asylbeschwerdeverfahrens sich durch Untertauchen dem Verfahren entzogen habe, weshalb das Verfahren wiederholt habe eingestellt werden müssen. Der Sicherungsbedarf sei aufgrund des Gesamtverhaltens des BF zu bejahen gewesen. Verhältnismäßigkeit und Haftfähigkeit des BF stünden der Anhaltung in Schubhaft ebenfalls nicht entgegen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei bereits aufgrund des bislang gezeigten kriminellen Verhaltens des BF, aufgrund dessen er sich als besonders vertrauensunwürdig gezeigt habe, und das für ein Untertauchen nach einer Freilassung aus der Schubhaft, um sich der Abschiebung zu entziehen, sprechen würde, zu versagen gewesen.

Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung am 11.08.2020 Beschwerde und begründete diese insbesondere mit dem Nichtvorliegen von Fluchtgefahr sowie damit, dass Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben sei und die Behörde den Gesundheitszustand des BF, der suchtgiftkrank sei, nicht berücksichtigt habe.

In der Beschwerde wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien. In eventu wurde die Anordnung eines gelinderen Mittels beantragt. Ebenso wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes beantragt.

Am 12.08.2020 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete in Folge eine Stellungnahme. Darin führte sie im Wesentlichen aus:

„Die VP reiste am 17.03.2003 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein.

Am 18.03.2003 stellten die VP einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 17.11.2003 zur Zahl 03 32.268-BAT gem. § 7 AsylG (Spruchpunkt I) abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gem. § 8 AsylG nicht zulässig ist. Der VP wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 iVm Abs. 3 AsylG erteilt. Mit Schriftsatz vom 07.04.2004 brachten die VP eine Berufung (gegen Spruchpunkt I) ein. Diese Berufung wurde im Zuge der Beschwerdeverhandlung am 30.10.2014 zurückgezogen.

Der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.11.2003 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde mit Bescheid vom 23.03.2012 zur Zahl 03 32.268-BAT gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. Gleichzeitig wurden die VP in die Russische Föderation ausgewiesen. Diesen Verfahren erwuchs mit 12.04.2012 in Rechtskraft. Die am 13.04.2012 eingelangte Beschwerde wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 30.05.2012 zur Zahl D10 249.102-2/2012/3E als verspätet zurückgewiesen.

Am 01.04.2004 wurde die VP vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 1 HV 35/2004W, wegen §§ 15 127 130 131 (1. FALL) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, verurteilt. Das Urteil erwuchs am 01.04.2004 in Rechtskraft.

Am 12.08.2005 wurde die VP vom BG Josefstadt, Zahl: 15 U 30/2005Y, wegen §§ 15 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 16.08.2005 in Rechtskraft.

Am 28.11.2006 wurden die VP vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 91 HV 140/2006H, wegen §§ 15 127 130 (1. SATZ 1. FALL) StGB, §§ 15 105/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 28.11.2006 in Rechtskraft.

Am 30.11.2011 wurde die VP vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 033 HV 131/2011s, wegen § § 15 StGB §§ 127, 130 1. Satz 1. Fall StGB, § 15 StGB § 105 (1) StGB, § 50 (1) Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 30.11.2011 in Rechtskraft.

Am 02.05.2017 wurde die VP vom BG Innere Stadt, Zahl: 011 U 83/2017a, wegen §§ 15 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt verurteilt. Das Urteil erwuchs am 05.05.2017 in Rechtskraft.

Am 04.12.2017 wurde die VP vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 125 HV 115/2017y, wegen §§ 15 127 StGB, §§ 15 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 08.12.2017 in Rechtskraft.

Am 17.04.2018 wurde die VP vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 114 HV 33/2018k, wegen §§15 127, 130 (1) StGB, § 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 21.04.2018 in Rechtskraft.

Die VP befinden sich seit dem 27.02.2018 in Haft.

Am 02 07 2020 wurde das BFA RD NÖ informiert, dass die VP aus der JA Hirtenberg am 24 07 2020 bedingt entlassen wird.

Am 16.07.2020 wurde die VP von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers in der JA Hirtenberg niederschriftlich einvernommen.

Aufgrund fehlender Dokumente wurde ein HRZ - Verfahren am 22 07 2020 seitens BFA für ein Heimreisezertifikat für die Russische Föderation gestartet und am selben Tag an die HRZ Abteilung/BFA weitergeleitet, welche am 28 07 2020 das „Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates“ mit dem Hinweis der dringende Notwendigkeit einer zeitnahen Identifizierung, da sich die VP nach den Bestimmungen des FPG sich in Schubhaft befand, an die Russische Föderation weiterleitete.

Mit Bescheid des BFA vom 23.07.2020 zur IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 252267909/181171991 wurde eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen.

Mit Bescheid des BFA vom 23.07.2020 zur IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 252267909/200509810 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung erlassen.

Am 24.07.2020 wurde die VP aus der JA Hirtenberg entlassen und durch die PI Hirtenberg im Stande der Schubhaft ins PAZ HG eingeliefert.

Seit dem 24.07.2020 befindet sich die VP in Schubhaft.

Die Ausstellung des Heimreisezertifikates war im Stadium der Festnahme zeitlich nicht möglich, weshalb seitens BFA/RD NÖ eine Schubhaft zwecks Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde.

Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des mutmaßlichen Herkunftsstaates Russische Föderation. Abschiebungen fanden bis zuletzt regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese Verfahren benötigen üblicherweise einige Monate, und wird pandemiebedingt etwas länger dauern, wobei bei erfolgreicher Identifizierung und bestätigter Staatsangehörigkeit die Ausstellung des Heimreisezertifikates innerhalb der gesetzlich normierten maximalen Schubhaftdauer erfolgen wird.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer jedoch durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Dass die Schubhaft notwendig ist – und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen ist – hat alleine ebenfalls der Beschwerdeführer zu verantworten.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) zudem als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden aktuell die Reisebewegungen weltweit sukzessive aufgehoben. Die Pandemie-Restriktionen bewirken im gegenständlichen Fall lediglich eine kurzfristige Verzögerung.

Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen für die Russische Föderation zurückgenommen werden, die Abschiebung der VP (HRZ – Zustimmung vorausgesetzt) ehestmöglich realisieren.

Aus Sicht des BFA muss zudem auf die o.a. vorliegenden Verurteilungen der VP in Österreich hingewiesen werden, welche zum Nachteil der VP gereichen und in weiterer Folge die Aufrechterhaltung in der Schubhaft erforderlich machen.

Wiederholte Verurteilungen und Haftstrafen haben die VP weder davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen noch einen Gesinnungswandel bewirkt.

Es ist festzuhalten, dass der Aufenthalt der VP im Bundesgebiet sich mit Unterbrechungen lediglich auf die Verübung von strafbaren Handlungen konzentrierte und die VP somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und deren Aufenthalt im Bundesgebiet massiv öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Verhalten der VP stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, weshalb aus h.o. Sicht die Aufrechterhaltung der Schubhaft unweigerlich geboten ist.

Die mehrmaligen Verurteilungen der VP sind nicht geeignet, ihm eine für jedwede Integration erforderliche soziale und in Zukunft straffreie Komponente zu attestieren, was wiederum darin resultiert, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Schubhaft – aus Sicht des BFA - überwiegt.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.“

Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, seine Identität steht nicht fest.

Am 18.03.2003 stellten der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 17.11.2003 zur Zahl 03 32.268-BAT gem. § 7 AsylG (Spruchpunkt I) abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 AsylG nicht zulässig ist. Dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 iVm Abs. 3 AsylG erteilt. Mit Schriftsatz vom 07.04.2004 brachten der BF eine Berufung (gegen Spruchpunkt I) ein. Diese Berufung wurde im Zuge der Beschwerdeverhandlung am 30.10.2014 zurückgezogen.

Der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.11.2003 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde mit Bescheid vom 23.03.2012 zur Zahl 03 32.268-BAT gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. Gleichzeitig wurden der BF in die Russische Föderation ausgewiesen. Dieses Verfahren erwuchs mit 12.04.2012 in Rechtskraft. Die am 13.04.2012 eingelangte Beschwerde wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 30.05.2012 zur Zahl D10 249.102-2/2012/3E als verspätet zurückgewiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 23.07.2020, Zl. 252267909/181171991, wurde eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde dagegen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Verfahren befindet sich gegenwärtig in der Rechtsmittelfrist.

Am 22.07.2020 wurde seitens des BFA das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei den zuständigen Behörden der Russische Föderation eingeleitet. Von der Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb absehbarer Zeit kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgegangen werden.

Der BF weist folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Am 01.04.2004 wurde der BF vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 1 HV 35/2004W, wegen §§ 15 127 130 131 (1. FALL) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, verurteilt. Das Urteil erwuchs am 01.04.2004 in Rechtskraft.

Am 12.08.2005 wurde der BF vom BG Josefstadt, Zahl: 15 U 30/2005Y, wegen §§ 15 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 16.08.2005 in Rechtskraft.

Am 28.11.2006 wurden der BF vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 91 HV 140/2006H, wegen §§ 15 127 130 (1. SATZ 1. FALL) StGB, §§ 15 105/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 28.11.2006 in Rechtskraft.

Am 30.11.2011 wurde der BF vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 033 HV 131/2011s, wegen § § 15 StGB §§ 127, 130 1. Satz 1. Fall StGB, § 15 StGB § 105 (1) StGB, § 50 (1) Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 30.11.2011 in Rechtskraft.

Am 02.05.2017 wurde der BF vom BG Innere Stadt, Zahl: 011 U 83/2017a, wegen §§ 15 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt verurteilt. Das Urteil erwuchs am 05.05.2017 in Rechtskraft.

Am 04.12.2017 wurde der BF vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 125 HV 115/2017y, wegen §§ 15 127 StGB, §§ 15 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 08.12.2017 in Rechtskraft.

Am 17.04.2018 wurde der BF vom LG für Strafsachen Wien, Zahl: 114 HV 33/2018k, wegen §§15 127, 130 (1) StGB, § 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 21.04.2018 in Rechtskraft.

Der BF befand sich bis 24.07.2020 in Strafhaft und wurde unmittelbar danach auf Grundlage des verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheides in Schubhaft überstellt.

Der BF ist nahezu mittellos, im Bundesgebiet nicht sozial verankert und ging bislang keiner legalen Beschäftigung nach. Der BF war während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich außer in behördlicher Anhaltung lediglich unregelmäßig amtlichen im Bundesgebiet gemeldet. Vor seiner letzten Unterbringung in Strafhaft war der BF über Monate hindurch untergetaucht und für die Behörden nicht greifbar. Er besitzt gegenwärtig keine aufrechte Meldeadresse, an der er sich für die Behörde bereithalten kann.

Die Vertrauenswürdigkeit des BF ist insgesamt beeinträchtigt.

Der BF ist haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer IZR Abfrage.

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot für den BF ergibt sich aus dem Verfahrensakt und wird auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

Die Feststellung zur Einleitung des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates ergibt sich aus der Stellungnahme des BFA vom 12.08.2020.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich ergeben sich aus einer Anfrage an das Strafregister sowie aus dem Verfahrensakt.

Die Feststellung zur Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellung hinsichtlich Mittellosigkeit und mangelnder sozialer Verankerung des BF in Österreich (der BF verfügt weder über Familienangehörige noch Freunde in Österreich) ergibt sich aus den expliziten Aussagen des BF in dessen Einvernahme vom 16.07.2020 vor dem BFA. Dass der BF in Österreich außer während der Strafhaft bislang keiner (legalen) Beschäftigung nachgegangen ist, ergibt sich ebenso aus der expliziten Aussage des BF in Einvernahme vom 16.07.2020 vor dem BFA.

Die Feststellung betreffend die lediglich sporadisch vorhandenen amtlichen Wohnsitzmeldungen des BF ergibt sich aus einer Anfrage an das Zentrale Melderegister.

Die beeinträchtigte Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich zum einen aus seinen zahlreichen strafgerichtlichen Verurteilungen, aus den abzuleiten ist, dass der BF nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, dem Untertauchen während laufenden Asylverfahrens (siehe dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2014, Zl. W190 1249102-0/34E) sowie dem rezenten ungebührlichen Verhalten des BF den Justizwachebeamten gegenüber durch rüde Unmutsäußerungen während der Anhaltung in Schubhaft (siehe dazu Meldung des LPD Wien, PAZ Roßauer Lände, vom 26.07.2020, AS 63). Der BF war auch amtlich nicht durchgehend in Österreich gemeldet und hat sich so im Verborgenen aufgehalten, was ebenso als Indiz für die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF gewertet werden kann.

Es haben sich keine Anzeichen ergeben, wonach beim BF Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dies hat der BF in seiner Einvernahme vom 16.07.2020 auch nicht behauptet. Dabei hat er erwähnt, suchtkrank zu sein und sich in einem Substitutionsprogramm zu befinden. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der BF jedenfalls sofort zu enthaften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.2. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 24.07.2020:

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben unter 3.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr zum einen mit § 76 Abs. 3 Z 9 FPG. Dabei ist die belangte Behörde vom Fehlen einer Verankerung des BF in ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Wie das Verfahren ergeben hat, kommt das Bundesamt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen stichhaltigen Hinweis gab. Zum anderen stützte sich die belangte Behörde auf die Vertrauensunwürdigkeit des BF, die sich nicht zuletzt aus dessen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung und dessen unkooperativen Verhalten den österreichischen Behörden gegenüber manifestiert. Daraus haben sich ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie ein erhöhter Sicherungsbedarf ergeben.

Die belangte Behörde kam zutreffend zu der Auffassung, dass der BF über keine substantiellen Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur Abschiebung den Behörden nicht entziehen werde.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, dies bereits aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF wie oben ausgeführt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bereits aufgrund der massiven Straffälligkeit des BF sowie des Untertauchens des BF in der Vergangenheit das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF als wahrscheinlich anzusehen ist.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 24.07.2020 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegen weiterhin vor.

Für die Durchsetzung einer – realistisch möglichen - Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren (legalen) beruflichen und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine zur Anordnung einer Schubhaft hinreichende Fluchtgefahr seitens des BF gegeben ist.

Im Falle des BF kann daher auch weiterhin aufgrund seines bereits geschilderten Vorverhaltens mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.

Es liegt somit auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Von der Möglichkeit einer Abschiebung im Rahmen der gesetzlichen Fristen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen. Hinweise für eine Haftunfähigkeit des BF sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Was die in der Beschwerde beantragte Zeugeneinvernahme der Tochter des BF anbelangt, konnte aufgrund der in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.5.2020 durchgeführten telefonischen Rücksprache mit der Tochter des BF das Auslangen gefunden werden und konnte von der neuerlichen Befragung der Tochter des BF abgesehen werden.

Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind.

Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz (ein solcher wurde im Übrigen in der Beschwerde auch nicht beantragt), die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu Spruchteil B) (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Gesundheitszustand Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchterkrankung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2233926.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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