Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §9 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des 1967 geborenen DS in Wien, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät Dr. Witt & Partner KEG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1994, Zl. 101.806/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1994 wurde der am 21. Jänner 1994 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete dies damit, daß aus dem Grunde des § 9 Abs. 3 AufG aF keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürften, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens habe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können. Angesichts dieser Rechtslage sei, ohne auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (3. November 1994) war für seine Überprüfung die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, maßgeblich.
§ 3 Abs. 1 und § 9 Abs. 3 AufG aF lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
§ 9. ...
...
(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."
In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Feststellung keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer bringt vor, im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung sei die Quote noch nicht erschöpft gewesen. Es entspreche der Gesetzlosigkeit, wenn die Erteilung einer Bewilligung nur von dem Zeitpunkt abhänge, in dem die Behörde entscheide. Durch die rechtswidrige Abweisung des Antrages und durch die Steuerung des Zeitpunktes der Berufungsentscheidung könnte jedem Antragsteller, der sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erfülle, das "subjektiv-öffentliche Recht darauf" entzogen werden. Durch diese Vorgangsweise werde in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens eingegriffen. Der Beschwerdeführer sei Anfang 1990 aus Rumänien geflüchtet. Er lebe seither in Österreich. Dies treffe auch für seinen Bruder zu. Durch die Versagung der Bewilligung werde er von seinem Bruder getrennt. § 9 Abs. 3 AufG aF sei verfassungswidrig. Die Norm nehme keine Rücksicht darauf, wann der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gestellt worden sei bzw. ob er zu einem Zeitpunkt, zu dem die Höchstzahl gemäß § 2 Abs. 1 AufG noch nicht erreicht gewesen sei, zu Unrecht abgewiesen und über die Berufung dagegen erst entschieden worden sei, als die Quote bereits erschöpft gewesen sei.
Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß das AufG in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 die Behörden keinesfalls berechtigte, bei der Wahl des Zeitpunktes ihrer Entscheidung nach Willkür vorzugehen. Vielmehr war bei der Reihenfolge der Vergabe offener Quotenplätze nach pflichtgebundenem Ermessen der Behörde vorzugehen. Eine der dabei zu beachtenden Ermessensdeterminanten stellte der Zeitpunkt der Antragstellung dar.
Ob die belangte Behörde im vorliegenden Fall ihr diesbezügliches Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat oder nicht, kann im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle des angefochtenen Bescheides dahinstehen. § 9 Abs. 3 AufG aF stellt nämlich lediglich darauf ab, ob die Quote erschöpft ist, und schreibt für diesen Fall vor, daß dann die anhängigen Anträge abzuweisen sind. Für den Fall einer "rechtswidrigen" Übergehung des Beschwerdeführers bei Vergabe der quotenabhängigen Bewilligungen kennt das Gesetz keinen Folgenbeseitigungsanspruch im Sinne der Möglichkeit einer nachträglichen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund des infolge Quotenerschöpfung abgewiesenen Antrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/0878).
Der Verfassungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 1995, B 2318/94, Slg. Nr. 14.191, zur Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 AufG aF aus, ein verfassungskonformes Verständnis dieser Bestimmung führe zur Auffassung, daß sich die Rechtskraft des abweisenden, die Bewilligung versagenden Bescheides nur auf die Beurteilung des Bewilligungsantrages in Beziehung auf die konkrete, zum Entscheidungszeitpunkt geltende und daher maßgebende Verordnung erstrecke; es sei dem Bewilligungswerber anheim gestellt, sich neuerlich um eine Bewilligung im Rahmen einer anderen, durch eine spätere Verordnung festgelegte Quote zu bewerben, wobei die Behörde gehalten sei, insbesondere jene Umstände zu berücksichtigen, die schon in früheren Verfahren vorgelegen und grundsätzlich für die Bewilligungserteilung gesprochen hätten. Ein Antragsteller, dessen Anspruch zu Unrecht abgewiesen und darob der abweisende Bescheid aufgehoben wurde, sei gleichwohl nach der zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung geltenden Quotenverordnung zu behandeln, aber in deren Rahmen bevorzugt zu berücksichtigen.
Insoweit der Beschwerdeführer schließlich die Auffassung vertritt, seine familiären Interessen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, ist ihm zu entgegnen, daß die Bestimmung des § 3 AufG eine Sonderregelung bezüglich der Erteilung von Bewilligungen zum Zweck der Familienzusammenführung, und zwar einen Rechtsanspruch, vorsieht; weiters ist die Anzahl der Personen, denen im Rahmen der Familienzusammenführung der Aufenthalt zu gestatten ist, bei Festlegung der Zahl der Bewilligungen, die für jeweils ein Jahr höchstens erteilt werden dürfen (§ 2 Abs. 1 AufG), anzurechnen. Gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF ist die Entscheidung über derartige Anträge bei Quotenerschöpfung auf das folgende Jahr zu verschieben. Mit diesen Regelungen wird nach dem Willen des Gesetzgebers der in Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) verankerte Grundsatz des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens berücksichtigt. Damit hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der in Rede stehenden Bestimmung bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechte des Fremden Bedacht genommen.
Die Einschränkung des Rechtsanspruches auf Familiennachzug auf minderjährige Kinder und Ehegatten der in § 3 Abs. 1 AufG angeführten Personen begegnet im Fall des Beschwerdeführers keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 1 MRK. Ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu seinem in Österreich aufhältigen Bruder steht dem Beschwerdeführer daher nicht zu.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191665.X00Im RIS seit
02.05.2001