TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 W195 2137796-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2137796-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. 15.01.1980, StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung am 26.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorverfahren:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 17.06.2014 nach illegaler Einreise seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am gleichen Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, er werde, da er Mitglied der BNP sei, fälschlicherweise beschuldigt, an einem Anschlag auf einen Bus beteiligt gewesen zu sein. Seitdem sei er auf der Flucht, da er um sein Leben fürchte.

Der BF wurde am 16.09.2016 einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) unterzogen und konkretisierte in dieser Befragung sein Fluchtvorbringen. Zu seinen Identitätsdokumenten befragt, gab der BF an, dass er außer seiner Geburtsurkunde in Bangladesch über keine Dokumente verfüge. Er habe nie einen Reisepass oder eine ID-Card beantragt. Es gehe im gesundheitlich gut, er leide unter einem Hautausschlag und nehme fallweise Schlaftabletten. Zu seinen privaten Verhältnissen in Österreich befragt, gab der BF an, er lebe von der Grundversorgung und besuche aktuell keinen Deutschkurs, er habe aber schon einige Deutschkurse absolviert.

Mit Bescheid des BFA vom 24.09.2016, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2017, XXXX , wurde die Beschwerde unbegründet abgewiesen.

Der BF hat gegen das Erkenntnis eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2017, XXXX wurde die Revision zurückgewiesen.

I.1.2. Am 31.08.2018 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Zu diesem Antrag wurde der BF am 31.08.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Der BF führte zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen Probleme mit der Regierungspartei sowie Probleme aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Hindus an.

In seiner Befragung vor dem BFA am 13.09.2018 gab der BF an, wöchentlich vier Stunden ehrenamtlich in der Altenbetreuung gearbeitet zu haben und sich in Grundversorgung zu befinden. Er spreche ein bisschen Deutsch und habe sich für einen Deutschkurs angemeldet. Er möchte hier arbeiten und sein Leben hier aufbauen. Zudem konkretisierte der BF sein Fluchtvorbringen.

Das BFA wies mit Bescheid vom 27.01.2019, XXXX , den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Gegen diesen Bescheid erhob des BF eine Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019, XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, zulässige neue individuelle Gründe darzutun, welche eine neue individuelle Bedrohung begründen könnten bzw. hätten sich keine neue subsidiäre Schutzgründe ergeben. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal nach Österreich eingereist sei und zwei Anträge auf internationalen Schutz, die sich als unberechtigt erwiesen haben, gestellt habe. Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens werde dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen habe können, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien - bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen. Soweit der BF die Dauer seines Aufenthalts in Österreich ins Treffen führt, sei zu berücksichtigen, dass sich der BF zwischen rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens und seiner zweiten Asylantragstellung illegal in Österreich aufgehalten und er nach Abweisung seines ersten Asylantrages Österreich nicht verlassen habe. Der BF habe somit die behördliche und gerichtliche Entscheidung ignoriert. Auch wenn sich der BF um seine sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Integration bemüht gezeigt habe, komme seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gesamtbetrachtend kein allzu großes Gewicht zu. Zum verhängten Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde sich auf § 53 Abs. 2 Ziffer 6 FPG gestützt habe, da der BF Mittel zum Unterhalt nicht nachweisen habe können bzw. er bis zur Erlassung der Entscheidung in Grundversorgung gelebt habe und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Aufgrund der aufgezeigten Umstände sei die Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde, weil er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge. Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes von zwei Jahren stelle sich angesichts der zulässigen Höchstdauer von fünf Jahren sowie den vorliegenden Umständen als angemessen dar.

I.2. Gegenständlicher Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG:

I.2.1. Am 07.05.2019 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“), in dem er anführte, sich seit 2014 in Österreich aufzuhalten. In diesem Zusammenhang legte der BF eine Bestätigung der Meldung, eine Teilnahmebestätigung an der Bildungsveranstaltung Deutsch A1 Teil 1, eine Strafregisterbescheinigung, einen Hauptmietvertrag, eine Bestätigung über eine ambulante Behandlung des BF, eine Bestätigung über die freiwillige Mitarbeit des BF beim Österreichischen Roten Kreuz seit November 2017 sowie weitere Bestätigungen über ehrenamtliche Arbeiten des BF, einen Vorvertrag für eine Anstellung des BF und diverse Empfehlungsschreiben, u.a. eines Bürgermeisters, vor.

I.2.2. Am 07.05.2019 erfolgte ein Verbesserungsauftrag durch das BFA, in dem der BF aufgefordert wurde, seinen Antrag ausführlich zu begründen und ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde vorzulegen.

I.2.3. Am 13.08.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Darin dazu befragt, weshalb der BF nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht verlassen habe, gab der BF an, dass er sich in Österreich eingelebt und integriert fühle. Nachgefragt, ob sich der BF bewusst sei, dass er sich derzeit mangels eines gültigen Aufenthaltstitels nicht rechtmäßig im Bundesgebiet befinde, gab der BF an, dass es in Bangladesch keine Sicherheit für ihn gebe und sein Leben in Gefahr sei. Der BF gab weiter an, seit Juni 2014 im Bundesgebiet aufhältig zu sein und keinen Reisepass vorlegen zu können, weil er über kein Identitätsdokument verfüge; er habe nicht versucht, einen Reisepass bei der Botschaft zu beantragen. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich, seine Eltern, zwei ältere Brüder und eine Schwester würden in Bangladesch leben. Der BF habe keine Kinder. In Österreich habe er als Freiwilliger beim XXXX mitgearbeitet und in seiner Freizeit spiele er Badminton. Er habe einige österreichische Freunde, einen Deutschkurs A1 absolviert und besuche derzeit einen Deutschkurs A2. Da er keine Arbeitserlaubnis habe, könne er nicht arbeiten, aber er werde von Freunden unterstützt, welche ihm für Aushilfen ein kleines Taschengeld geben würden. Darüber könne er keine Nachweise vorlegen. Der BF sei nicht krankenversichert. Er lebe mit fünf weiteren Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Der BF wolle in Österreich leben und hier sein Geld verdienen. Er habe einen Arbeitsvorvertrag von einem Restaurant.

I.2.4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 16.12.2019 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Anträge gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen seien, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Gegen den BF bestehe ein rechtskräftiges und durchsetzbares Einreiseverbot bis 17.02.2022. Eine maßgebliche Sachverhaltsänderung sei nicht eingetreten. So liege zwischen dem Zeitpunkt der jetzigen Bescheiderlassung und der Rückkehrentscheidung nur ein sehr kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert habe. Der BF habe diesen Zeitraum nicht für eine Integration genützt, sowohl die Sprachkenntnisse als die Umstände seiner Lebensführung seien unverändert. Der BF habe lediglich einen Sprachkurs auf dem Niveau A1 absolviert; aber auch sich im Alltag auf Deutsch verständigen zu können, stelle keine erfolgreiche und dauernde Integration dar. Die Befragung des BF am 13.08.2019 sei nur mithilfe eines Dolmetschers möglich gewesen. Der BF gehe in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und lebe von der Unterstützungen durch Freunde.

I.2.5. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, da daraus eine intensive soziale, sprachliche und familiäre Integration des BF in Österreich zu entnehmen sei. Diese würden eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes bezüglich der Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich begründen. Der BF beherrsche die deutsche Sprache auf mehr als ausreichendem Niveau, um sich im Alltag verständigen und auch eine berufliche Tätigkeit ausüben zu können, er habe vielfältige soziale Kontakte in Österreich, habe konkrete Zukunftspläne und sich in jeglicher Weise an das Leben in Österreich angepasst. Der BF sei arbeitsfähig und arbeitswillig und würde im Fall der Erteilung des Aufenthaltstitels sofort eine adäquate Beschäftigung aufnehmen.

I.2.6. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF die neueste Länderinformation (Stand April 2020) übermittelt.

Am 26.08.2020 fand in Anwesenheit des BF, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

Gefragt, was sich seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 geändert habe, anwortete der BF: „Was sich geändert hat, ist, dass ich auf mich allein gestellt bin, dass ich die deutsche Sprache erlernen möchte und mich bemühe und dass ich in Wien neu bin und daher neue Freunde gewinnen möchte.“

Ansonsten widerholte sich im Laufe der Verhandlung das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens. Der BF habe angeblich nur zu seiner Mutter in Bangladesch regelmäßigen, telefonischen Kontakt, zweimal monatlich. Zu seinen drei Brüder habe er keinen Kontakt, weil er sich in Österreich eingelebt habe und er deshalb mit niemanden in Bangladesch Kontakt aufnehmen möchte. Den Kontakt habe er abgebrochen. Seiner Familie ginge es finanziell nicht so gut, sein Vater, der beim Staat gearbeitet habe, sei mittlerweile in Pension.

In Österreich hat der BF keine Verwandten, keine Kinder, keine Beziehung.

Im Zuge der Verhandlung musste der vorsitzende Richter feststellen, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache faktisch nicht möglich war, weil der Sprachwortschatz extrem begrenzt ist. Soferne überhaupt Antworten kamen erfolgten dies lediglich bruchstückhaft. Der BF gab an und belegte, dass er einen Deutschkurs Niveau A2 besuche, er „habe zuvor die A2-Prüfung abgelegt, aber leider nicht bestanden.“

Er habe Freunde in Österreich, die ihn finanziell unterstützen. Er habe auch „Freunde im Ausland“, die ihn finanziell unterstützen, führte aber auf Nachfrage nicht aus, wer diese Freunde seien. Er habe keine Unterstützung von der Caritas oder der Grundversorgung, er lebe durch Freundesunterstützung und kleine Gelegenheitsarbeiten. Er habe als Freiwilliger für das XXXX tätig gewesen und auch in XXXX in der städtischen Reinigung gearbeitet.

Der BF legte einen neuen Mietvertrag für drei Jahre, abgeschlossen am 19.02.2020, vor; die Mietwohnung in Wien kostet ihn ca. € 265; er würde mit anderen Bengalen in dieser Wohnung leben.
Der BF hat eine zehnjährige Schulausbildung in Bangladesch genossen und habe sodann bei seinem Bruder in einem kleinen Schmuckgeschäft über 12 bis 13 Jahre lang gearbeitet. Er habe keine Berufsausbildung, aber er würde gerne in einer Küche als Küchenhilfe arbeiten.

Mit dem Gesetz sei er nicht in Konflikt geraten, aber er habe vor zwei, drei Wochen eine Strafe über € 500 erhalten, weil er keinen Ausweis habe.

Angesprochen darauf, dass der BF Österreich bereits im Jahr 2016 verlassen hätte müssen, dass diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch das oberste Verwaltungsgericht der Republik Östzerreich, nämlich den Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 20.09.2017, XXXX , bestätigt wurde, dass eine weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2019 einen Nachfolgeantrag ebenfalls rechtskräftig abgelehnt hat und nunmehr die vom BFA getroffene Entscheidung hinsichtlich einer Rückkehrentscheidung ebenfalls negativ sei, meinte der BF, dass er mit seinem Aufenthalt nicht die Rechtsordnung und Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte missachte, sondern er dieses Land liebe und er deshalb hierbleiben möchte.

Eine Rückkehr nach Bangladesch sei für ihn lebensgefährlich, auch weil er der Minderheit der Hindu angehöre. Eine argumentative und konkretisierende Vertiefung seines Standpunktes erfolgte nicht. Er sei 2014 eingereist, seither bemühe er sich um Integration. Dass er bereits 2016 wieder das Land verlassen hätte müssen, wäre für ihn nicht möglich gewesen.

Nach Hinweis auf die Folgen der derzeitigen Corona-Pandemie erfolgte durch den vorsitzenden Richter nochmals der Hinweis auf die Möglichkeiten hinsichtlich einer Rückkehr und Unterstützung seitens der Republik Österreich. Der BF wurde aufgefordert, künftig die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes und des Verwaltungsgerichtshofes zu respektieren und entsprechend Rechnung zu tragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der hinduistischen Glaubensgemeinschaft zugehörig (Bestätigung vom 25.08.2020). Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder; er hat auch keine Beziehung oder Verwandte in Österreich.

Der BF hat in Bangladesch eine Schule besucht und gearbeitet. Die Eltern, zwei ältere Brüder und eine Schwester des BF leben in Bangladesch.

Der BF reiste im Juni 2014 illegal in Österreich ein und stellte am 17.06.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 24.09.2016, XXXX , abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2017, XXXX , als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2017, XXXX , wurde die Revision dagegen zurückgewiesen.

Am 31.08.2018 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 27.01.2019, XXXX , wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zudem wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019, XXXX , wurde als unbegründet abgewiesen.

Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und stellte am 07.05.2019 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.

Im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des BF hat sich zu Folge der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.08.2020 seit der Erlassung des zuletzt ergangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 keine maßgebliche Änderung ergeben.

Der BF bezog während seines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Zurzeit erhält der BF ein unregelmäßiges „Taschengeld“ von Freunden für Aushilfstätigkeiten.

Der BF lebt gemeinsam mit weiteren Bengali in einer ca. 40 m2 großen Zwei-Zimmer-Wohnung.

Der BF hat einen Deutschkurs A1 besucht und besuchte zuletzt einen Deutschkurs A2. Der BF hat keine positive Deutschprüfung abgelegt; seine Deutschkenntnisse sind faktisch nicht vorhanden, wie in der Verhandlung vor dem BVwG festgestellt wurde.

Der BF ist seit November 2017 freiwillig für das XXXX tätig, half im Oktober 2017 bei einem von einer Pfarre veranstalteten Flohmarkt mit, leistete im Oktober 2015 Hilfsarbeiten im Bauhof bzw. Landschaftspflege in seiner Heimatgemeinde. Der BF verfügt über einen Vorvertrag für eine Anstellung in einem Restaurant.

Der BF ist Mitglied des Vereins XXXX .

Er spielt regelmäßig Badminton in einem Verein und hat österreichische Freunde(Aussage vor BFA); der BF hat bengalische Freunde (Aussage vor BVwG)..

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen Akteninhalten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den XXXX , XXXX und XXXX .

Seit Erlass der Rückkehrentscheidung hat sich der Sachverhalt insoweit geändert, dass der BF nunmehr fünf Jahre im Bundesgebiet aufhältig ist und einen Deutschkurs A2 – erfolglos - besucht und einen Vorvertrag für eine Anstellung abgeschlossen hat, was aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist. Die weiteren vorgelegten Unterlagen zur Integration des BF wurden vom BF bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vorgelegt und bei Erlass der letzten Rückkehrentscheidung berücksichtigt. Dass es seit Erlass der letzten Rückkehrentscheidung zu einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts gekommen ist, ist in der Verhandlung vor dem BVwG am 26.08.2020 nicht hervorgekommen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der - ausdrücklich auch für § 58 Abs. 10 AsylG 2005 maßgeblich erklärten - zu § 44b Abs. 1 NAG ergangenen Judikatur liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten. In einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0102, mwN).

Der BF hat im gegenständlichen Verfahren eine intensive soziale, sprachliche und familiäre Integration in Österreich, welche laut Beschwerdevorbringen den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen sei, geltend gemacht. Der BF legte zwar einen Vorvertrag für eine Anstellung und eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A2 vor, eine Bestätigung über eine positiv abgeschlossene Deutschprüfung wurde aber nach wie vor nicht vorgelegt. Der BF bestätigte vielmehr vor dem BVwG, dass er diese Prüfung nicht geschafft hat.

Der BF legte weiter eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in einem bengalischen Verein sowie die Badminton-Aktivitäten des BF in einem Verein vor. Beide Mitgliedschaften bestanden aber bereits zum Zeitpunkt der Rückkehrentscheidungen und wurden vor dem BVwG auch nicht mehr geltend gemacht. Die weiteren vom BF vorgelegten Unterlagen beziehen sich auf den Zeitraum vor Erlass der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes.

Es ist nicht ersichtlich, woraus der BF die von ihm vorgebrachte umfassende Integration ableitet. Es ist dem BF zwar zuzugestehen, dass er sich nunmehr seit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält. Der Aufenthalt stellte sich aber zuletzt als rechtswidrig dar. Seither allenfalls erfolgte weitergehende Integrationsbemühungen des BF erfolgten aufgrund der Missachtung seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung und im Bewusstsein der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts. Anhaltspunkte für eine besondere Integration des BF im Bundesgebiet, welche nach der erlassenen Rückkehrentscheidung eingetreten sind, sind nicht hervorgekommen. Insbesondere ist auch das Vorliegen einer familiären Integration, wie in der Beschwerde geltend gemacht, nicht hervorgekommen, zumal der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.08.2019 und vor dem BVwG am 26.08.2020 anführte, über keine Verwandten in Österreich zu verfügen.

Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründen weder die vorgelegte Deutschkursbestätigung und der vorgelegte Vorvertrag für eine Anstellung noch die längere – teilweise rechtswidrige – Aufenthaltsdauer des BF eine maßgebliche Sachverhaltsänderung. Aus dem Umstand, dass eine Einstellungszusage vorgelegt wird, ist nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableitbar, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. Der Verwaltungsgerichtshof hat – in Bezug auf Arbeitsplatzzusagen von Asylwerbern, die lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügen, keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323).

Es liegen insgesamt keine Umstände vor, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten, weshalb die Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des BFA als unbegründet abzuweisen war.

II.3.2. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde hat keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten. (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0098). Dennoch hat das BVwG eine neuerliche Verhandlung am 26.08.2020 durchgeführt, um dem BF die Möglichkeit zu eröffnen, alle Aspekte seiner Beschwerde zu aktualisieren. Jedoch ist bei dieser Verhandlung kein Grund zu Tage getreten, der zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

II.3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel entschiedene Sache Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2137796.3.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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