TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/12 95/19/0466

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Veröffentlicht am 12.09.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H A in Wien, geboren 1959, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1995, Zl. 301.519/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte durch seine Ehefrau, eine österreichische Staatsbürgerin, am 3. Februar 1995 bei der Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, der am 10. Februar 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer (auch) Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau an. Der Landeshauptmann wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Februar 1995 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1995, zugestellt am 13. Juni 1995, gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Der Antrag sei von einer dritten Person bei der Vertretungsbehörde eingebracht worden. Aus dem Reisedokument des Beschwerdeführers sei keine Einreise nach der Antragstellung ersichtlich. Der Beschwerdeführer sei vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Allein diese drei Tatsachen stützten die Beurteilung der Behörde erster Instanz in vollem Umfang.

Aus all diesen Umständen ergebe sich, daß die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei. Angesichts dieses Ermittlungsergebnisses sei auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AufG setze die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein halbes Jahr bestehe. Aufgrund der Aktenlage habe der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz am 3. Februar 1995 bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Preßburg eingebracht. Jedoch gehe aus den dem Antrag des Beschwerdeführers beigelegten Urkunden hervor, daß der Beschwerdeführer die Ehe mit seiner Gattin am 19. Jänner 1995 geschlossen habe.

Da folglich die Ehe des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht mindestens ein halbes Jahr bestanden habe, sei ein Sichtvermerksversagungsgrund gegeben.

Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geldend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die wesentlichen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde, er habe seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch einen Vertreter eingebracht und er habe sich danach im Inland aufgehalten. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß eine Einvernahme zur Frage der Einbringung des gegenständlichen Antrages nicht stattgefunden habe. Rechtswidrigkeit des Inhaltes werde darin erblickt, daß es nicht erforderlich sei, einen Antrag persönlich bei der österreichischen Vertretungsbehörde einzureichen. Dadurch, daß die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung seine am 19. Jänner 1995 mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe nicht berücksichtigt habe, sei überdies die gebotene Interessensabwägung mangelhaft geblieben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (13. Juni 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, maßgeblich.

Die §§ 2 Abs. 3 Z. 4, 3 Abs. 1 und 2 sowie 6 Abs. 2 AufG lauten in dieser Fassung (auszugsweise):

"§ 2.

...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z. 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z. 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, sowie Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und deren Familienangehörige im Sinne des § 3, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, ...

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1. von österreichischen Staatsbürgern oder

...

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein halbes Jahr besteht.

§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 3 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Der Beschwerdeführer war weder nach seinen eigenen Angaben noch nach der Aktenlage jemals im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung. Die Stellung eines Verlängerungsantrages kommt für ihn demnach nicht in Betracht. Die belangte Behörde wertete seinen - nicht näher bezeichneten - Antrag daher zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für den grundsätzlich die Vorschriften des § 6 Abs. 2 AufG gelten.

Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine Ausnahmeverordnung im Sinne des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG dem Rechtsbestand angehörte (die Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995 wurde erst am 27. Juni 1995 kundgemacht), wäre eine Inlandsantragstellung nur dann zulässig gewesen, wenn der Beschwerdeführer zu dem Personenkreis gehört hätte, der bereits aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG begünstigt ist. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus der Aktenlage ergeben sich jedoch Hinweise auf das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht.

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialen erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703 mwN).

Da dem § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010) gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz (dieser Bestimmung) vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Die Behörde konnte sich dabei allerdings auf diejenigen Angaben stützen, die der Antragsteller selbst im Verwaltungsverfahren machte. Hinsichtlich solcher Angaben brauchte sie ihm auch kein Parteiengehör einzuräumen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

Insoferne der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihn zur Frage der Einbringung des gegenständlichen Antrages einzuvernehmen, ist ihm zu entgegnen, daß die Beschwerde, in der ebenfalls eingeräumt wird, daß der Antrag nicht persönlich gestellt wurde, keine konkreten Angaben enthält, die nahelegen würden, daß die belangte Behörde bei Einvernahme des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Da der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz selbst einräumte, den Antrag durch seine Ehegattin eingebracht zu haben (vgl. S. 29 des Verwaltungsaktes), und überdies in seiner Berufung als Wohnadresse eine Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk angab, hatte die belangte Behörde hinreichende Indizien für ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe sich während des Antragstellung und auch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung im Inland aufgehalten.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine familiären Beziehungen zu Österreich zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar besteht für Ehegatten österreichischer Staatsbürger - soweit kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG vorliegt - ein Rechtsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Aus dem Umstand, daß die (auch nach den Beschwerdeausführungen) am 19. Jänner 1995 geschlossene Ehe des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Antragstellung noch nicht - wie es § 3 Abs. 2 AufG voraussetzt - ein halbes Jahr bestand, folgt jedoch, daß ein Rechtsanspruch im vorliegenden Fall nicht gegeben war.

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid daher zu Recht auf

§ 6 Abs. 2 AufG gestützt. Daran vermag auch das familiäre Interesse des Beschwerdeführers am Zusammenleben mit seiner Ehefrau aus folgenden Gründen nichts zu ändern.

§ 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in der Fassung der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 ermächtigt durch seinen Verweis auf § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG die Bundesregierung, durch Verordnung für Angehörige österreichischer Staatsbürger die Zulässigkeit einer Antragstellung vom Inland aus festzulegen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war einen solche Verordnung der Bundesregierung noch nicht erlassen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung allenfalls bewirkter Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK geboten war, hatte die Behörde diejenigen Kriterien heranzuziehen, die nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes schon für die Rechtslage vor der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich waren (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, Slg. Nr. 14.091, und vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148). Im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer erst kurze Zeit im Inland aufhält, erst kurz mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, sondern nach der Aktenlage nur über einen Touristensichtvermerk im Jahr 1994 verfügte, hatte er im Lichte dieser Kriterien keine schützenswerte Position inne, sodaß die Abweisung der beantragten Aufenthaltsbewilligung in seinem Fall zu keinem verfassungswidrigen Ergebnis führt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190466.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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