TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W195 2230510-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §55 Abs4

Spruch

W195 2230510-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.08.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 10, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 Abs. 9, 53 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und 55 Abs. 4 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste zuletzt am 20.04.2017 in das österreichische Bundesgebiet ein.

I.2. Mit Schreiben vom 05.02.2019 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und teilte dem BF das Ergebnis der Beweisaufnahme mit wobei es ihm insbesondere strafrechtliche Verurteilungen vorhielt. Weiters trug es dem BF die Beantwortung folgender Fragen auf (Sprache im Original):

„…

?        Geben Sie an, wann und wie Sie ins Bundesgebiet eingereist sind. Was war der Zweck Ihrer Einreise nach Österreich?

?        Wie lange befinden Sie sich schon im Bundesgebiet und welche Visa und/oder Aufenthaltstitel berechtigten Sie dazu? (Vorlage von Meldebestätigungen und Aufenthaltstitel). Seit wann halten Sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf?

?        Welche Schul- und Berufsausbildung wurde absolviert? Wo wurde diese absolviert?

?        Geben Sie Namen, Anschrift, Geburtsdaten, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsberechtigung (bei Angehörigen, die nicht Österreicher sind) der in Österreich lebenden Familienangehörigen (Gatte, Eltern, Kinder, etc.) an.

?        Geben Sie Ihre letzte Wohnanschrift vor Ihrer Einreise in das Bundesgebiet an.

?        Führen Sie Ihre derzeitige Beschäftigung samt Name und Anschrift des Arbeitgebers an. Wie hoch ist das Einkommen und seit wann besteht das Arbeitsverhältnis? Welche vorangegangenen Arbeitsverhältnisse lagen vor? Bitte genaue Angaben zur Dauer dieser Arbeitsverhältnisse.

?        Wenn keine aufrechten oder durchgehenden Beschäftigungsverhältnisse vorliegen: wovon wurde der Unterhalt und der sonstige Lebenswandel bestritten? Liegt eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung vor?

?        Aufgrund welchen Rechtsverhältnisses (Miete, Untermiete, Eigentum, etc.) benutzten Sie Ihre vorherige Unterkunft? (Vorlage von Mietvertrag, Einzahlungsbestätigung des Mietzinses der letzten drei Monate, etc.)

?        Werden Sie in Ihrem Heimatland strafrechtlich oder politisch verfolgt? Wenn ja, begründen Sie dies ausführlich.

?        Warum streben Sie einen Aufenthalt im Bundesgebiet (Aufenthaltszweck) an?

?        Was hindert Sie an einer Rückkehr nach Bangladesch?

…“

I.3. Mit handschriftlichem Schreiben vom 15.02.2019, beim BFA eingelangt am 26.02.2019, erstattete der BF eine Stellungnahme, worin er im Wesentlichen vorbrachte, 2004 als Flüchtling nach Österreich gekommen zu sein; sein Heimatland habe er aus politischen Gründen verlassen. Er habe immer in Wien gewohnt und sei immer polizeilich gemeldet gewesen. Er verfüge über den Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Plus“. Der BF habe in Bangladesch acht Jahre die Schule besucht und einen Universitätsabschluss erworben. 2005 habe er eine Österreicherin kennengelernt und mit dieser sei er auch verheiratet. Momentan arbeite er in der Justizanstalt (JA) XXXX als Koch. Vor seiner Haft habe er durchgehend in verschiedenen namentlich angeführten Restaurants gearbeitet. Er habe begonnen, den Taxischein zu machen, diesen aber nicht abgeschlossen. Der BF stamme aus guten familiären Verhältnissen und sein Vater habe in Bangladesch seit 40 Jahren einen großen Lebensmittelhandel. Da seine Familie vom BF kein Geld brauche, habe er seinen ganzen Verdienst seiner Spielsucht zugeführt. Wenn er Geld gebraucht habe, habe ihm seine Familie aus Bangladesch Geld geschickt. Nach dem Verbüßen seiner Freiheitsstrafe werde er sofern möglich wieder arbeiten und durch seine Ehefrau würde er kein Leben auf der Straße führen. Er habe einen Fehler gemacht, was ihm leidtue. Seine Ehefrau sei strickt gegen seine ehemaligen kriminellen Aktivitäten. Der BF würde eine neuerliche Chance nutzen und von Neuem beginnen. Eine Rückkehr nach Bangladesch sei für ihn lebensgefährlich.

I.4. Am 11.12.2019 wurde der BF vor dem BFA in Anwesenheit seines rechtsfreundlichen Vertreters XXXX niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er soweit wesentlich an, sich seit Dezember 2003 in Österreich aufzuhalten, jedoch im Zeitraum vom 10.05.2016 bis 20.04.2017 in Bangladesch aufhältig gewesen zu sein, weil sein Vater gestorben sei. Er habe die Wohnung des Vaters verkaufen wollen, was ihm bis heute nicht gelungen sei. Der BF sei leider strafgerichtlich verurteilt worden. Zweimal wegen Körperverletzung und einmal, weil er Drogen verkauft habe. Er sei spielsüchtig gewesen und habe in den 16 Jahren sehr viel Geld verspielt. Er habe kein Geld an seine Eltern schicken müssen und habe viel „ ‚Mist‘ gebaut“. Jetzt spiele er nicht mehr. Er wolle mit seiner Freundin ein Kind haben. Mit den Leuten von Früher habe er nichts mehr zu tun.

Der BF sei geschieden, aber er sei seit drei Monaten wieder mit seiner Exfrau zusammen und wolle mit dieser ein Kind haben. Ob sie nochmals heiraten würden, müssten sie noch besprechen. Die Eltern des BF seien verstorben, eine Schwester von ihm lebe in Indien. In Österreich habe er seine Freundin mit ihren Kindern. Der BF arbeite geringfügig in einem Restaurant und bringe monatlich € 390,– ins Verdienen. Seine Freundin arbeite als Krankenschwester. Er wohne in einer Zweizimmerwohnung, nächtige derzeit aber bei seiner Freundin und wolle mit dieser wieder zusammenziehen. Der BF wolle ein ordentliches Leben führen und keine „scheiße“ (sic) mehr bauen. Er wolle eine Familie gründen.

In Österreich habe der BF einige Freunde, sowohl Bengalen als auch Österreicher. In Vereinen sei der BF nicht, in seiner Freizeit gehe der BF Badminton spielen und er fahre gerne Auto.

Der BF habe „Mist“ gebaut, es tue ihm leid. Er wolle wieder ein ordentliches Leben haben und ersuche um eine letzte Chance. Er schaffe es sicher, er habe eine Wohnung in Bangladesch im Wert von € 400.000,–.

I.5. Mit Schreiben vom 23.12.2019 erstattete der BF durch XXXX eine Stellungnahme an das BFA. Darin werden insbesondere die familiären Verhältnisse des BF dargestellt und mit näherer Begründung dargetan, wieso die Bindung des BF an sein Heimatland verloren gegangen sei. Weiters habe sich der BF seit Dezember 2002 immer rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Der BF sei beruflich integriert und er verfüge über eine Einstellungszusage. Zwar sei der BF nicht unbescholten, jedoch könnten strafrechtliche Verurteilungen alleine eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht begründen. Aufgrund seines Familienlebens liege eine „Positivprognose“ vor. Es bestehe keine Gefahr, dass der BF strafrechtlich rückfällig werde.

I.6. Mit Schreiben vom 21.01.2020 brachte der BF durch XXXX Urkunden in Vorlage.

I.7. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid erteilte das BFA dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt II.), gewährte gem. § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, erkannte eine Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA aus, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz nach § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor. Nach Durchführung einer Interessenabwägung iSd Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) führte das BFA aus, dass öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die persönlichen Interessen des BF überwiegen würden. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF und seine Abschiebung seien zulässig. Die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde begründete das BFA damit, dass die sofortige Ausreise des BF aufgrund des Gesamtfehlverhaltens des BF erforderlich sei. Die Erlassung eines Einreiseverbotes gegen den BF begründete das BFA damit, dass § 53 Abs. 3 Z 1 FPG im Falle des BF erfüllt sei, weil er straffällig geworden und wiederholt verurteilt worden sei.

I.8. Mit Schriftsatz vom 21.11.2018 erhob der BF durch RA XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das BFA habe pauschal auf die vier Verurteilungen Bezug genommen und keine Prognose, auch in Verletzung der Unschuldsvermutung, getroffen. Weiters sei der BF „nur“ wegen eines Vergehens verurteilt worden. Das BFA habe ausschließlich zum Nachteil des BF ermittelt. Die rund 15jährige rechtmäßige Aufenthaltsdauer des BF in Österreich sei unberücksichtigt geblieben. Der BF halte sich lediglich seit zwei Jahren illegal in Österreich auf. Zudem habe der BF zahlreiche legale Arbeitsverhältnisse in Österreich gehabt. Weiters habe das BFA nicht ausreichend zum am Landesgericht (LG) XXXX unter XXXX anhängigen Strafverfahren ermittelt und dadurch die Unschuldsvermutung verletzt. Es seien dem BFA zahlreiche Aktenwidrigkeiten unterlaufen. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führt die Beschwerde mit näherer Begründung aus, dass die sofortige Ausreise des BF „jedenfalls nicht erforderlich“ sei. Zudem bestünde für den BF im Falle einer Rückkehr – auch aufgrund der Coronavirus-Pandemie – eine reale Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF iSd § 18 Abs. 5 1. S BFA-VG.

Die Beschwerde stellt die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchführen, in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben sowie in eventu, den Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

I.9. Mit Beschluss des BVwG vom 30.04.2020, L512 2230510-1/4E, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides stattgegeben und dieser gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben. Unter einem wurde festgestellt, dass der Beschwerde gegen den Bescheid gem. § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zukomme.

I.10. Am 26.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die bengalische Sprache eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, zu der der BF aus dem Stande der Strafhaft vorgeführt wurde. Weiters war der rechtsfreundliche Vertreter des BF XXXX anwesend. Das BFA hatte mit Schreiben vom 26.08.2020 die Abstandnahme von der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung erklärt.

Dabei gab der BF an, keine Kontakte mehr nach Bangladesch zu haben (widersprüchlich zu späteren Ausführungen). 2016/2017 sei er nicht in Bangladesch, sondern in Kalkutta/Indien bei seiner Schwester gewesen (widersprüchlich zu späteren Ausführungen). In Bangladesch habe er noch ein Haus uzw. XXXX , wobei es sich um eine Villa handle. In Österreich habe er ebenfalls keine Verwandten, bloß seine Exfrau, mit welcher er Kontakt habe.

Erhoben wurde, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache möglich ist. Der Sprachwortschatz ist ausreichend. Die Antworten erfolgten meist in ganzen Sätzen.

Der BF gab an, keine Kinder zu haben. Er habe derzeit mit seiner Exfrau Kontakt und er hätte vor, mit ihr wieder zusammenzuleben. Der BF lebe seit Dezember 2003 in Österreich. Von April 2016 bis 2017 sei dieser Aufenthalt ca. für ein Jahr – durch einen teilweisen Aufenthalt in Bangladesch - unterbrochen gewesen. Seit 2017 habe sich der BF in Österreich um eine Arbeit bemüht, sei aber von drei bis vier Stellen gekündigt worden und zwar immer dann, als sich herausgestellt habe, dass der BF über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Wegen Schwarzarbeit sei der BF nicht bestraft worden, er habe ein paar (teilweise noch offene) Verkehrsstrafen aus einer Zeit, als er für das Unternehmen XXXX als Fahrer gearbeitet habe.

Im Gefängnis bringe der BF monatlich € 280,– ins Verdienen. Sein Leben ab 2017 habe sich der BF durch Zuwendungen, die er sich aus Bangladesch habe schicken lassen, finanziert. Der BF habe inklusive seines Drogenkonsums € 800,– bis € 1.000,– verbraucht. In den 15 bis 17 Jahren, in denen der BF in Österreich sei, habe er sich von seinem Vater insgesamt fünf Millionen Taka schicken lassen, er habe glaublich eine halbe Million Euro im Kasino verspielt. Sein Vater sei 2017 verstorben, danach habe ihm seine Schwester und ein ehemaliger Schulfreund, zu dem er in Bangladesch Kontakt habe, Geld geschickt. Es gebe auch eine Person, die das Haus des BF kaufen wolle. Das Haus habe einen Wert von € 400.000,– , da der BF aber schnell verkaufen wolle, biete ihm diese Person bloß € 320.000,–.

Hätte der BF einen Aufenthaltstitel, wäre es kein Problem für ihn, eine Arbeit zu finden. Mit Überstunden habe der BF früher immer ca. € 2.000,– verdient, nie weniger. Er wolle als Küchenhilfe oder als Koch arbeiten. Der BF sei zwar kein gelernter Koch, aber er verfüge über eine 15jährige Arbeitserfahrung in diesem Bereich.

Eine Rückkehr nach Bangladesch sei für den BF lebensgefährlich, weil der damalige Bürgermeister vom Vater des BF Erpressungsgeld iHv € 20.000,– fordere. Sein Vater habe aber nur € 2.000,– gezahlt. Aus diesem Grund wäre es lebensgefährlich für den BF. Da sie die verlangte Summe nicht hätten bezahlen können, sei es zu Ausschreitungen und Schlägereien zwischen den Familienangehörigen des BF und den Anhängern des Bürgermeisters gekommen. 2016 hätten diese Leute nicht gewusst, dass der BF in Indien oder Bangladesch gewesen sei.

Der Vater des BF sei am XXXX verstorben. Dieser sei im Dorf des BF, 220 km XXXX von XXXX , Bangladesch, begraben. Der BF sei beim Begräbnis gewesen. Auf Vorhalt, dass der BF in der Beschwerdeverhandlung angegeben habe, 2016/2017 in Kalkutta und nicht in Bangladesch gewesen zu sein, vor dem BFA angeben habe, in Bangladesch gewesen zu sein und nach Wahrheitserinnerung gab er an, für eine kurze Zeit in Bangladesch, die übrige Zeit in Kalkutta gewesen zu sein.

Um seine Wohnung zu verkaufen, müsse der BF nach Bangladesch fliegen. Dies würde er tun, um den Schaden wieder gut zu machen. Das Geld wolle er bei der Bank einzahlen, ein Auto erwerben und in weiterer Folge ein kleines Restaurant oder einen Imbissstand eröffnen. Er sei überall im Minus, er brauche dringend Geld.

Zu seiner Delinquenz gab der BF an, er habe einen Fehler begangen. Er sei aber nie so ein Mensch gewesen, dass er solche Taten begangen habe. Es sei zu 20 Monaten verurteilt worden und das nur aufgrund von € 400,–. Er habe gesagt, er würde so etwas nie wieder tun. Es sei sehr schade, dass er wegen € 400,– zu 20 Monaten verurteilt worden sei.

Zur Schadenswidergutmachung befragt, gab der BF an: „Ich habe im Gericht angegeben, dass ich den Schaden zahlen würde. Ich habe ebenso angegeben, dass ich nicht nur für den Schadenersatz aufkommen würde, sondern auch für die Gerichtskosten. Es ist schade. In Österreich ist es so, dass die Höhe des Schadens keine Rolle spielt, sondern nur die Tat. Für mich persönlich ist es sehr schade, dass man nur aufgrund von 400 EUR mich für gesamte 20 Monate verurteilt“.

Dem BF wurde vorgehalten, dass er damit nicht die Wahrheit gesagt habe und dass er wegen einer Menge von Diebstählen über einen längeren Zeitraum verurteilt worden sei und der Schaden bei weitem € 400,– übersteige. Sein rechtsfreundlicher Vertreter fragte den BF, ob 21 Monate Freiheitsstrafe genug seien, um den BF von weiteren Straftaten abzuhalten. Dazu gab der BF an es sei nie „notwendig“ gewesen, solche Taten zu begehen. Da er aber mental so schwach sei, sei es dazu gekommen. Er brauche unbedingt eine Therapie für Drogen- und Spielsüchtige. Der BF wolle einen Aufenthaltstitel für Österreich, damit er hier arbeiten könne. Für ein anderes Land brauche er kein Visum. Nach Bangladesch wolle er nur, um sein Haus zu verkaufen und um sich mit dem Geld hier etwas aufzubauen. Er bitte, ihm eine Arbeitserlaubnis zu erteilen.

Die Exfrau des BF habe aus einer vorherigen Ehe zwei Kinder. Sie habe ihn verlassen, weil der BF spielsüchtig gewesen sei, immer mit der Arbeit beschäftigt gewesen und nur im Casino gewesen sei. Das sei 2007 gewesen. Geheiratet habe er sie 2005.

Zu den gemeinsam mit der Ladung übermittelten und in der Beschwerdeverhandlung um Länderinformationen zur COVID-Pandemie ergänzten Länderinformationsblatt gab der BF an, für ihn seien das in Bangladesch keine Menschen. Das Land habe kein Gesundheitssystem. Bei den 166 Millionen Personen sei die Lage aufgrund des Virus sehr schlecht und man wisse nicht genau, wie viele infiziert seien. Man könne nicht genau sagen, ob überhaupt jemand diesbezüglich behandelt werde oder nicht.

Der BF bitte erneut um Verzeihung aufgrund der Straftaten, die er begangen habe. Er verspreche, dass er in Zukunft solche Taten nicht mehr begehen werde. Er wolle sein altes Leben hinter sich lassen und ein neues, reines Leben beginnen. Er sei davon überzeugt, dass er das schaffen werde, weil er erstens die deutsche Sprache spreche, zweitens Unterstützer habe, die ihn zum richtigen Weg führen würden und er habe den Willen, rein zu sein.

Sein Rechtsfreund gab dazu an, der BF sei bereits seit Jahren in Österreich, spreche sehr gut Deutsch, auch wenn er heute sehr nervös klinge. Die Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten werde ihn davon abhalten, weitere Straftaten zu begehen. Deshalb liege eine positive Prognose vor. Er werde keine Straftaten mehr begehen. Eine Rückkehr nach Bangladesch wäre für den BF lebensgefährlich. Dies nicht nur aufgrund Gruppierungen rund um den Bürgermeister, sondern es gebe auch kein mit Österreich vergleichbares Gesundheitssystem. Daher beantrage er, der Beschwerde stattzugeben. Sollte dies nicht geschehen, bitte er, das Einreiseverbot auf ein Minimum zu beschränken.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Seine Identität steht fest.

II.1.2.1. Der BF wurde mit Urteil des XXXX vom 04.04.2012, XXXX , rechtskräftig wegen §§ 15, 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Der BF hatte am XXXX einen anderen vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, in dem er ihn mit einem Schleifstein zu stechen versucht, diesen nach ihm geworfen, ihn mit den Füßen getreten, versucht, ihn mit einem Fleischklopfer zu schlagen und mit einem Wischmopstiel auf ihn eingestochen hatte. Mildernd wurden das Geständnis, die Unbescholtenheit und der Versuch, erschwerend die Massivität der versuchten und tatsächlichen Tateinwirkung gewertet (AS 209 ff.).

II.1.2.2. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom 23.10.2014, XXXX , rechtskräftig wegen § 28a Abs. 1 5. und 6. F SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei acht Monate unbedingt verhängt wurden. Mit unter einem erlassenen Beschluss wurde die mit Urteil vom 04.04.2012 verhängte Probezeit auf fünf Jahre verlängert (AS 277).

II.1.2.3. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom 27.04.2018, XXXX , rechtskräftig wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 130 Abs. 1 1. F StGB, 229 Abs. 1 und 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten verurteilt. Er hatte in 28 Fällen zwischen 2016 und 2018 fremde bewegliche Sachen in einem € 5.000,– übersteigenden Wert gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, in 15 Fällen Urkunden, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden und in 14 Fällen unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern. Mildernd wurde das teilweise Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, die Tatwiederholung m Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, der lange Deliktszeitraum, die Tatbegehung während der offenen Probezeit und das Ausnützen des Zustandes der Opfer gewertet (AS 309 ff.).

II.1.2.4. Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichts (BG) XXXX vom 14.12.2018, XXXX , rechtskräftig wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Er hatte am 18.08.2018 einen anderen vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ein Buttermesser nach ihm geworfen und ihn am Hinterkopf getroffen, wodurch dieser eine Schnittwunde am Hinterkopf erlitten hatte. Mildernd wurde das Tatsachengeständnis, erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen gewertet (AS 341 ff.).

II.1.2.5. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom 22.04.2020 XXXX , wegen §§ 127, 129 Abs. 1 Z 3, 130 Abs. 1, 229 Abs. 1, 241e Abs. 1 und 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten verurteilt. Der BF hatte im Zeitraum von November 2017 bis Jänner 2020 in sechs Fällen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, in drei Fällen Urkunden, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern und sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde. Mildernd wurde das größtenteils reumütige Geständnis, erschwerend die Tatsache, dass im gegebenen Fall zehn Vergehen (sieben Urkunden) zusammengetroffen seien, die einschlägigen Vorstrafen, die zweifache Deliktsqualifikation, der rasche Rückfall in die Straffälligkeit in Anbetracht der zuvor ergangenen Verurteilung und die Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit gewertet (zum Akt des Bundesverwaltungsgerichts genommenes Urteil des LG XXXX vom 22.04.2020, XXXX ). Einer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung an das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab dieses nicht Folge (zum Akt des Bundesverwaltungsgerichts genommenes Urteil des OLG Wien vom 12.08.2020, XXXX ). Die Verurteilung ist rechtskräftig.

II.1.2.6. Der BF befindet sich aktuell in Strafhaft, die derzeit in der JA XXXX vollzogen wird.

II.1.2.7. Der BF trat auch durch Verkehrsdelikte verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung (vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.08.2020 aufgenommene Verhandlungsschrift [VS] 7). Teile dieser Verwaltungsstrafen sind noch nicht beglichen.

II.1.3. In Österreich hält sich die Exfrau des BF auf, mit der er wieder zusammenkommen möchte. Diese hat er 2005 geheiratet und diese Ehe wurde aufgrund der Spielsucht des BF 2007 geschieden (VS 14) Weiters halten sich zwei – aus einer anderen Beziehung stammende – Kinder der Exfrau des BF in Österreich auf (VS 15). Der BF hat den überwiegenden Teil der Zeit seines Aufenthalts in Österreich in der Gastronomie gearbeitet (AS 489 ff.; VS 10). Mit dem BF ist eine Konversation in deutscher Sprache möglich, der Sprachwortschatz ist ausreichend, die Antwort auf Fragen erfolgt zumeist in ganzen Sätzen (VS 6). Eine darüberhinausgehende Integration in gesellschaftlicher Hinsicht kann nicht festgestellt werden. Er befindet sich seit Dezember 2003 mit einer Unterbrechung im Bundesgebiet (AS 424; VS 6), von 2016 bis 2017 hielt sich der BF in Bangladesch auf (AS 424; VS 6). Eine positive Zukunftsprognose kann in Folge des bisherigen Lebenswandels und der geringen Einsicht hinsichtlich der tatsächlichen Gründe seiner Strafhaft (angeblich lediglich „wegen € 400“) nicht getroffen werden.

II.1.4. Der BF stellte am 25.04.2017 beim Amt der Wiener Landesregierung (AdWrLReg) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“. Dieser wurde vom AdWrLReg mit Bescheid vom 02.11.2017, XXXX als unbegründet abgewiesen (AS 379 ff.). Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23.05.2018, XXXX , als unbegründet abgewiesen (AS 383 ff.). Der BF hält sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.

I.1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Bangladesch eine wie auch immer geartete Verfolgung(sgefährdung) droht. Der BF war nach seiner Niederlassung in Österreich zwischen 2016 und 2017 in seinem Heimatland um das Begräbnis seines Vaters zu organisieren. Daher kann auch nicht erkannt werden, dass dem BF bei einer nunmehrigen Rückkehr in sein Herkunftsland allfällige Behelligungen drohen könnten. Dem BF ist Eigentümer eines Hauses in Bangladesch, das angeblich € 400.000,– wert ist (AS 426; VS 10). Der BF möchte auch dieses Haus veräußern, um seine Schulden zu begleichen. Er würde deshalb „gleich nach der Strafhaft“ freiwillig nach Bangladesch reisen, um den Verkauf zu realisieren. Von einer „Verfolgungsgefährdung“ sprach der BF in diesem Zusammenhang nicht.

II.1.6. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz/Justizwesen:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte Menschen wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry [Innenministrium], wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB): Sie ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 21.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Korruption:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 921.6.2020; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).

Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).

Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 21.6.2020).

Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die „Anti Corruption Commission“ machtlos (AA 21.6.2020; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung, beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).

Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weitverbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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