Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W192 2234523-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA: Albanien, vertreten durch RA Dr. Mazakarini als Erwachsenenvertreter, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2020, Zahl 1195465802/180566840, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise am 18.06.2018 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005). Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die polizeiliche Erstbefragung statt. Dabei brachte sie vor, dass sie Albanien im April 2018 verlassen habe und über Italien nach Österreich gereist sei. In Italien würden zwei Schwestern und ein Bruder leben, ihre Mutter in Albanien. Die Beschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat Schulen besucht und ein Medizinstudium absolviert. Sie sei nach Österreich gekommen, weil sie 1993 Miss Austria gewesen sei und weil sie Viktoria Secret sei. Sie habe Albanien verlassen, weil sie dort ein großes Problem mit dem Leitungswasser habe und wolle in Wien bleiben, weil es hier besseres Leitungswasser gebe. Außerdem finde sie mit ihrer medizinischen Ausbildung keine Arbeit in Albanien. Es stehe ihr zu, in Wien zu sein und eine Wohnung und gutes Trinkwasser zu bekommen.
Die Beschwerdeführerin legte einen 2013 ausgestellten und bis 2023 gültigen albanischen Reisepass vor.
1.2. Am 02.07.2018 wurde die Beschwerdeführerin im Asylverfahren niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Dabei gab die Beschwerdeführerin an, dass von ihren Angehörigen ihre Mutter und eine Schwester in Albanien lebe, zwei Schwestern und ein Bruder würden in Italien, eine weitere Schwester in Kanada leben.
Die Beschwerdeführerin sei erstmals im Juli 1993 mit einem falschen Reisepass und einem Visum nach Österreich gekommen und im August 1994 wieder nach Albanien zurückgekehrt. Vor vier oder fünf Jahren sei sie neuerlich zur Teilnahme an einem Pneumologie-Kongress in Wien nach Österreich gekommen und nach zehn Tagen wieder nach Albanien zurückgekehrt. Zuletzt sei sie am 12.06.2018 eingereist. Im Herkunftsstaat sei sie erlernte Ärztin, jedoch seit zehn Jahren arbeitslos. Sie sei von ihrer Familie unterstützt worden.
Die bei der Erstbefragung getätigten Angaben über die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates würden der Wahrheit entsprechen. Die Beschwerdeführerin sei nicht nur Ärztin, sondern auch Prinzessin.
In Albanien habe es bei jeder Wohnung, welche die Beschwerdeführerin gemietet hätte, Probleme mit dem Leitungswasser gegeben. Dies habe die Beschwerdeführerin in einem Dokument dargestellt, welches sie bei der Bank abgegeben habe. Die Beschwerdeführerin sei auch als Model in der Werbung für eine Bank tätig gewesen, die ihr Geld schulde. In Österreich bestreite die Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt von der Grundversorgung. Sie habe kein Vermögen in Albanien. Die Beschwerdeführerin gehöre in Österreich keinen Vereinen oder Organisationen an und machte auf Befragen keine Angaben über ausgeprägte Kontakte zu anderen Personen.
Die Beschwerdeführerin habe in Albanien niemals Probleme mit Behörden, Polizei oder Gerichten gehabt. Auf die Frage nach den Gründen für die Stellung des Asylantrages brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie als Prinzessin in Wien leben wolle und auch das Problem mit dem Leitungswasser habe.
Die Beschwerdeführerin verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zu Länderinformationen.
1.3. Bei einer unter Teilnahme einer Rechtsberaterin am 04.07.2018 durchgeführten Einvernahme zur Wahrung des Parteien Gehörs wurde durch die Rechtsberaterin die Durchführung ein Psy III-Untersuchung beantragt.
Aus der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren einer Ärztin für Allgemeinmedizin mit Diplom für psychosomatische und psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, vom 17.07.2018 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der Untersuchung im Wesentlichen gleichlautende Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse und über die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gemacht hat. Es bestehe eine anhaltende wahnhafte Störung F 22.0, es sei die Bestellung eines Sachwalters zur Führung des Asylverfahrens erforderlich. Therapeutische Maßnahmen wären anzuraten, die Compliance werde jedoch angezweifelt. Im Falle einer Überstellung wäre eine Verschlechterung des psychischen und physischen Zustandes sicher nicht auszuschließen, eine aktuelle Suizidalität finde sich derzeit nicht.
1.4. Nach Zulassung des Verfahrens holte die Behörde ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie über die Fragestellung ein, ob eine wahnhafte Störung vorliege und in welchem Ausmaß.
Aus dem nach Befundung am 19.11.2018 erstellten psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 14.01.2019 ergibt sich, dass bei der Beschwerdeführerin vermutlich eine bipolare Störung F 31 mit verworrene Manie oder eine schizoaffektive Störung, schizomanisch, F 25 vorliege. Für die weiteren Verfahrensschritte im Asylverfahren sei die genaue diagnostische Zuordnung unerheblich. Bei beiden Störungen sei der Realitätsvollzug erheblich gestört und eine Behandlungsnotwendigkeit sei gegeben. Der Beschwerdeführerin sei aus psychiatrischer Sicht zur Wahrung ihrer Interessen im gegenständlichen Verfahren ein Sachwalter beizustellen.
Nach Übermittlung dieses Gutachtens durch das BFA an das zuständige Bezirksgericht bestellte das zuständige Bezirksgericht mit Beschluss vom 11.07.2019 den nunmehrigen Vertreter zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Vertretung im Asylverfahren vor dem BFA.
1.5. Am 14.08.2019 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin unter Teilnahme eines bevollmächtigten Vertreters des bestellten Erwachsenenvertreters. Dabei gab die Beschwerdeführerin auf Befragen an, dass sie gesund sei und tätigte zu ihren persönlichen Verhältnissen und über die Gründe für das Verlassen ihres Herkunftslandes gleichlautende Angaben wie im bisherigen Verfahren.
Der Erwachsenenvertreter erteilte am 14.08.2019 dem BFA die Zustimmung, Familienangehörige der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft oder einen Sachverständigen zu überprüfen bzw. aufzusuchen.
Aus der Übersetzung einer Anfragebeantwortung einer albanischen Sicherheitsdienststelle an den Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres bei der österreichischen Botschaft Tirana geht hervor, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat an der von ihr angegebenen Adresse wohnhaft gewesen war und zuletzt im April 2018 ausgereist ist. Sie sei vor vielen Jahren Ärztin gewesen. Die Mutter der Beschwerdeführerin wohne an der auch von der Beschwerdeführerin bezeichneten Adresse.
1.6. Mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom 04.02.2020 wurde für die Beschwerdeführerin der nunmehrige gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt.
Mit Schreiben des BFA vom 11.05.2020 wurde die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Erwachsenenvertreter, über Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu Albanien in Kenntnis gesetzt und ihr die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Weiters wurde mitgeteilt, dass ihre Mutter im Herkunftsstaat ausfindig gemacht werden konnte.
Nach erfolgter Fristverlängerung teilte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin mit Nachricht vom 23.07.2020 mit, dass keine Stellungnahme abgegeben werde.
Die Beschwerdeführerin selbst hat im November 2019 und im Juni 2020 handschriftlich in deutscher Sprache abgefasste Schreiben an das BFA gerichtet, worin sie - soweit verständlich - ihre im Verfahren getätigten Angaben wiederholte.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA, dem Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin zugestellt am 07.08.2020, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Albanien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VII.), sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 FPG, gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von 5 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
3. Mit Schriftsatz des Erwachsenenvertreters vom 25.08.2020 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht.
Darin wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Entsprechung der Anträge der Einschreiterin beantragt. In der Beschwerde wurde den Feststellungen und der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides weitestgehend nicht entgegengetreten.
Es wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer schwerwiegenden psychischen Erkrankung die Voraussetzungen erfüllt, dass ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu gewähren sei. Die Betroffene halte sich seit 1993 in Österreich auf, zumal sie auch in diesem Land zur Miss Austria gewählt worden sei. Sie spreche deutsch. Aufgrund der psychischen Erkrankung seien die Antworten auf an sie gestellte Fragen nicht zielführend gewesen. Die Beschwerdeführerin sei keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Es bestehe kein familiärer Anhang zu ihren Eltern bzw. sonstigen Verwandten in Albanien.
Aufgrund ihres bisherigen offensichtlich rechtmäßigen Aufenthaltes und ihrer schwerwiegenden Erkrankung bestehe ein erhebliches privates Interesse am Verbleib im Bundesgebiet. Durch ihre guten Deutschkenntnisse sei sie im Bundesgebiet sprachlich verankert. Zum Herkunftsstaat würden keinerlei Bindungen bestehen und es sei zu berücksichtigen, dass die Betroffene nur im österreichischen Bundesgebiet aufgrund ihrer schwerwiegenden psychischen Erkrankung eine entsprechende medizinische Versorgung erhalte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist eine albanische Staatsangehörige. Ihre Identität steht fest. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Albanisch, sie hat auch Kenntnisse der deutschen Sprache.
Die Beschwerdeführerin reiste im April 2018 aus ihrem Herkunftsstaat aus und am im Juni 2018 in Österreich ein, wo sie am 18.062018 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stellte.
Die Beschwerdeführerin besuchte im Herkunftsstaat Schulen, absolvierte ein Studium der Medizin und war vor vielen Jahren als Ärztin erwerbstätig.
Im Herkunftsstaat hält sich die Mutter der Beschwerdeführerin auf, ihre Geschwister leben in Italien und Kanada. Die Beschwerdeführerin verfügt bis über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.
Die unbescholtene Beschwerdeführerin leidet an einer bipolaren Störung F 31 mit verworrener Manie oder an einer schizoaktiven Störung schizomanisch F25; ihr Realitätsvollzug ist erheblich gestört.
Sie geht im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Die Beschwerdeführerin war im Herkunftsstaat keiner Verfolgung oder Gefährdung ausgesetzt und hat derartiges auch im Falle einer Rückkehr nicht zu befürchten.
Sie hat nach den Länderfeststellungen Zugang zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Politische Lage
Die Republik Albanien ist seit dem politischen Umbruch in den Jahren 1991/92 eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem. Politische Parteien können sich frei betätigen. Das demokratische System krankt jedoch an Defiziten, die auf historische, politische und kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das politische Leben ist stark polarisiert; Clanstrukturen dominieren die Parteien. Die großen Fortschritte, die Albanien in allen Bereichen erzielt hat, wurden durch die Verleihung des EU-Kandidatenstatus im Juni 2014 gewürdigt. Drei Parteien bestimmen die politische Landschaft: die Sozialistische Partei Albaniens, die aus der (kommunistischen) Partei der Arbeit Albaniens hervorgegangen ist und deren beherrschende Persönlichkeit Premierminister Edi Rama ist; die Demokratische Partei unter Lulzim Basha, bei der aber noch immer der langjährige Ministerpräsident Berisha wichtige Fäden zieht sowie die von der Ehefrau von Staatspräsident Meta, Monika Kryemadhi, geführte Sozialistische Bewegung für Integration. Aus den Parlamentswahlen vom 25.6.2017 ging die regierende Sozialistische Partei mit Edi Rama als Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit erneut als Sieger hervor. Die Parlamentswahlen im Juli 2017 waren weitgehend frei und fair, allerdings nach ODIHR-Bericht mit einigen Mängeln behaftet (insbesondere Stimmenkauf und Einschüchterungen). Eine Wahlrechtsreform ist angelaufen. Albanien ist seit 1991 Mitglied der OSZE, seit 1995 Mitglied des Europarates, seit 1.4.2009 NATO-Mitglied (AA 10.8.2018).
Dem Parlament der Republik (Kuvendi i Republikes) steht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik, dessen Wahl auf fünf Jahre durch das Parlament erfolgt. Höchstes Exekutiv-Organ ist der Ministerrat, der durch den Präsidenten ernannt und vom Parlament bestätigt wird. Regierungschef ist der Vorsitzende des Ministerrats (Ministerpräsident). Entscheidungen des Verfassungsgerichts binden die Staatsorgane (AA 9.2017a).
Die EU-Kommission veröffentlichte am 17.4.2018 die sog. Fortschrittsberichte für die EU-Beitrittskandidaten, einschließlich Albanien. Der Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Albanien wird von der Kommission empfohlen. Weitere Anstrengungen bei politischen und wirtschaftlichen Reformen seien nötig, insbesondere hinsichtlich der Lage und Integration der Roma, der Bekämpfung der Korruption sowie der Verbesserung der Medienfreiheit. Albanien bekommt eine positive Bewertung - gewürdigt wird der Beginn der umfassenden Justizreform, erste Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung und bei der Bekämpfung des illegalen Cannabis-Anbaus (BN 23.4.2018).
Die EU-Staaten haben der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien grundsätzlich zugestimmt. Die Europaminister hätten bei ihrem Treffen in Luxemburg "einen Weg in Richtung der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen" im Juni 2019 vereinbart (Zeit Online 26.6.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- AA - Auswärtiges Amt (9.2017b): Länderinformationen, Albanien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/albanien-node/-/216276, Zugriff 17.1.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (23.4.2018): BN - Briefing Notes vom 23. April 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442606/1226_1536221927_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-23-04-2018-deutsch.pdf, Zugriff 14.1.2019
- Zeit Online (26.6.2018): Westbalkan: EU nimmt Beitrittsgespräche mit Albanien und Mazedonien auf, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/westbalkan-albanien-mazedonien-eu-beitritt, Zugriff 25.1.2019
Sicherheitslage:
Nach jahrzehntelanger selbst gewählter Isolation, sieht Albanien seit dem Umschwung 1991 seine Zukunft in Europa. Es strebt die volle Integration in euro-atlantische Strukturen an. Albanien betreibt eine konstruktive Regionalpolitik. Albaniens Außenpolitik ist darauf gerichtet, gut-nachbarschaftliche Beziehungen auszubauen und die Zusammenarbeit in der Region weiter zu fördern. Die bilateralen und multilateralen Kontakte sind rege. Dabei spielt Albanien eine konstruktive Rolle im Aufbau gemeinsamer Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen in der Region und beteiligt sich aktiv am sogenannten „Berlin-Prozess“. Albanien beteiligt sich an einer Vielzahl regionaler Initiativen, wie dem Schwarzmeer-Wirtschaftsrat (BSEC - Black Sea Economic Council), dem Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen (CEFTA) und dem South East Europe Cooperation Process (SEECP), dessen Vorsitz es von Mitte 2014 bis Mitte 2015 führte. Albanien erwartet und baut darauf, dass mit fortschreitender Integration des Balkan in europäische Strukturen die Nationalitätenprobleme relativiert werden. Neben den weitgehend normalisierten Beziehungen zur Mazedonien haben diejenigen zu Italien und Griechenland besondere Bedeutung. Die Verbindungen nach Kosovo, das mehrheitlich von albanischstämmiger Bevölkerung bewohnt wird, werden von beiden Seiten mit besonderer Intensität gepflegt. Immer wieder unterstellte Bestrebungen nach einem „Groß-Albanien“ sind kein Element der albanischen Außenpolitik (AA 9.2017a).
Albanien hat die Antiterrormaßnahmen im Jahr 2017 stark unterstützt und die Teilnahme an der globalen Koalition zur Bekämpfung des ISIS fortgesetzt, indem es bedeutende Waffen- und Munitionsspenden geleistet hat, laut dem Terrorismus-Länderbericht 2017 des US-Außenministeriums. Laut diesem Bericht haben die albanischen Behörden ihre Bemühungen verstärkt, potenziellen terroristischen Bedrohungen entgegenzuwirken. Die kürzlich personell aufgestockte albanische Antiterroreinheit arbeitete eng mit dem Internationalen Strafverfolgungshilfeprogramm (ICITAP) des US-Justizministeriums zusammen. Trotz der Knappheit der Ressourcen hat die Antiterroreinheit auch an mehreren erfolgreichen Fahndungen bekannter oder mutmaßlicher Terroristen teilgenommen. Die albanische Grenzpolizei berichtet, dass aufgrund strengerer Maßnahmen an den albanischen Grenzübergängen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 3.000 albanischen Staatsbürgern wegen fehlender Dokumente die Weiterreise Richtung Schengenraum verweigert wurde. Sie standen im Verdacht, Asylsuchende zu sein. Laut Direktion wurden im selben Zeitraum 246 Minderjährige daran gehindert, das Land zu verlassen (VB 15.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2017a): Länderinformationen Albanien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/albanien-node/-/216274, Zugriff 17.6.2018
- VB des BM.I für Albanien (15.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
Allgemeine Menschenrechtslage
Seit den Umbrüchen der 90er Jahre hat sich die Menschenrechtslage in Albanien beständig verbessert. Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten sind in Verfassung und Gesetzen verankert. Beim Aufbau eines Rechtsstaats und beim Schutz der Menschenrechte gibt es Fortschritte. Systematische Menschenrechtsverletzungen finden nicht statt. Politische Verfolgung, Folter, Zensur oder staatliche Repression gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen wegen ihrer Nationalität, politischen Überzeugung, Rasse oder Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder sozialen Gruppe finden nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nicht statt. Die albanische Regierung hat eine Ombudsperson eingesetzt, die die Bürger bei Menschenrechtsverletzungen anrufen können. Diese kann zwar keine Entscheidungen treffen oder durchsetzen, aber sie untersucht Missstände und kann gerichtliche Verfahren einleiten. Die albanische Verfassung vom 21.10.1998 enthält in ihren Artikeln 15 bis 58 einen ausführlichen Katalog von Grundrechten. Grundlage sind die Garantien der Europäischen Konvention für Menschenrechte. Der Grundrechtekatalog enthält neben persönlichen und politischen Rechten und Freiheiten auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Freiheiten. Die Europäische Menschenrechtskonvention (allerdings mit Erklärungen) sowie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe wurden von Albanien ratifiziert, ebenso die Mehrzahl VN-Übereinkommen zu den Menschenrechten. In den letzten Jahren liegen keine Kenntnisse über Fälle von Verschwindenlassen vor. Es gibt Berichte über Festnahmen, die nicht im Einklang mit dem albanischen Recht erfolgen. Die im albanischen Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen orientieren sich auch hinsichtlich des Strafmaßes an europäischen Standards. Es gibt keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass es zu Verletzungen der Rechte von Angeklagten im Rahmen des Gerichtsprozesses kommt (AA 10.8.2018).
Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen agieren im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersuchen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte sind im Allgemeinen kooperativ. Das Büro des Bürgerbeauftragten ist die wichtigste unabhängige Institution zur Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte. Der Ombudsmann ist gesetzlich ermächtigt, Gefängnisse und Haftanstalten zu überwachen und zu berichten. Das Amt kann eine Untersuchung aufgrund von Beschwerden oder von Amts wegen einleiten. Obwohl dem Ombudsmann die Befugnis zur Vollstreckung von Entscheidungen fehlt, fungiert sie als Kontrollinstanz auf dem Gebiet der Menschenrechtsverletzungen. Das Ombudsbüro ist unterfinanziert und unterbesetzt. Die Nationalversammlung hat einen Ausschuss für Rechtsfragen, öffentliche Verwaltung und Menschenrechte, der den Jahresbericht des Ombudsbüros prüft. Der Ausschuss ist in Gesetzgebungsfragen engagiert und effektiv. Tausende von Ansprüchen auf privates und religiöses Eigentum, die während der kommunistischen Ära beschlagnahmt wurden, bleiben bei der staatlichen Immobilienagentur ungelöst. Der Ombudsmann berichtete, dass die Regierung 26.000 Gerichtsurteile bisher noch nicht ausgeführt und 11.000 Ansprüche im Zusammenhang mit Eigentumsrechten nicht überprüft hat. Die Kläger können ihre Fälle an den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) richten; im Laufe des Jahres (2017) waren Hunderte von Fällen - viele davon im Zusammenhang mit Eigentum - beim EGMR anhängig (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Albania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430213.html, Zugriff 14.1.2019
Frauen
Eine gesetzliche Diskriminierung eines Geschlechtes durch den Staat besteht nicht. Die gesellschaftliche Rolle der Frau ist, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, vielfach noch von traditionellen Vorstellungen geprägt. Dies hat zur Folge, dass Frauen in leitenden Positionen stark unterrepräsentiert sind. In der Regierung besetzen Frauen allerdings fünf der elf Ministerposten und stellen die Vizepremierministerin. Frauen werden darüber hinaus häufig Opfer von häuslicher Gewalt (auch Vergewaltigung in der Ehe/Familie). Seit 2006 besteht ein Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt, in dem verfahrens- und strafrechtliche Konsequenzen definiert werden. Die Regierung hat eine nationale Strategie gegen häusliche Gewalt und für Gleichberechtigung ausgearbeitet und speziell ausgebildete Polizei- und Justizeinheiten aufgestellt, teilweise finanziert durch ausländische Geber. Im Bereich der Ahndung häuslicher Gewalt gibt es immer noch Lücken im Strafgesetzbuch. Als Folge von abnehmender Armut und von Aufklärungskampagnen ist das Problem des Frauenhandels, insbesondere zur sexuellen Ausbeutung, aus und durch Albanien rückläufig, aber weiter existent. Die Regierung versucht, Menschenhandel weiter einzudämmen.Traditionelle Wertvorstellungen führen insbesondere im ländlichen Raum dazu, dass Frauen weniger Entfaltungsmöglichkeiten als Männer haben. Während Frauen im Erwerbsleben einen weit besseren Ruf als Männer genießen, sind sie in Führungspositionen nur schwach vertreten, wobei allerdings auch der zweiten Regierung Rama wieder mehrere Ministerinnen und eine Stellv. Premierministerin angehören. Häusliche Gewalt ist verbreitet. Die Diskriminierung von Frauen ist in der Regel in ländlichen Gebieten stärker ausgeprägt als in den Städten (AA 10.8.2018).
Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einschränken; als Ergebnis der Wahlen vom 25.6.2017 stieg die Beteiligung von Frauen in der Regierung auf einen Rekordwert von 29%. Vergewaltigung, einschließlich Ehevergewaltigung, ist ein Verbrechen. Die Strafen für Vergewaltigung und Körperverletzung hängen vom Alter des Opfers ab. Bei Vergewaltigung eines Erwachsenen beträgt die Haftstrafe drei bis zehn Jahre. Das Strafgesetzbuch enthält Bestimmungen über sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung und kriminalisiert Vergewaltigung in der Ehe ausdrücklich. Die Regierung setzt das Gesetz jedoch nicht wirksam durch. Eine Bestrafung wegen Vergewaltigung in der Ehe kommt selten vor, da die Behörden diese nicht als Verbrechen betrachten. Häusliche Gewalt gegen Frauen bleibt ein ernsthaftes Problem. Die Regierung betreibt drei Heime für Opfer häuslicher Gewalt, NGOs sechs weitere. Es gibt Berichte über die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen aufgrund traditioneller sozialer Normen. Es wird auch über Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt berichtet (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Albania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430213.html, Zugriff 14.1.2019
Bewegungsfreiheit
Es besteht die Freiheit sich niederzulassen, zu reisen, zu emigrieren und wieder einzureisen, und die Regierung respektiert diese Rechte grundsätzlich. Die Regierung kooperiert mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung von Schutz und Hilfe für Flüchtlinge, rückkehrende Migranten, Asylbewerber, Staatenlose und andere Personen in Not. Binnenmigranten müssen sich am neuen Wohnort wieder registrieren lassen, um in den Genuss von wichtigen staatlichen Leistungen zu kommen. Auch muss der rechtmäßige Erwerb einer neuen Immobilie oder ein Mietvertrag nachgewiesen werden können. Insbesondere Roma und Balkan-Ägypter haben dabei allerdings Schwierigkeiten (USDOS 20.4.2018).
Laut einer im Oktober veröffentlichen Studie möchte mehr als die Hälfte der albanischen Bevölkerung in wohlhabendere Länder ziehen. Die von der University of Sussex und dem albanischen Forscher Ilir GEDESHI durchgeführte Untersuchung ergab, dass die potenzielle Migration des Landes von 44% im Jahr 2007 auf 52% im Jahr 2018 gestiegen ist. Die derzeitige Situation der illegalen Migration in Albanien ist auf einem gleichbleibenden hohen Niveau. Die wöchentlichen Zahlen belaufen sich zwischen 106 und 181 aufgegriffene illegale Migranten. Die albanische Grenzpolizei berichtet, dass aufgrund strengerer Maßnahmen an den albanischen Grenzübergängen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 3.000 albanischen Staatsbürgern wegen fehlender Dokumente die Weiterreise Richtung Schengenraum verweigert wurde. Sie standen im Verdacht, Asylsuchende zu sein. Im selben Zeitraum wurden 246 Minderjährige daran gehindert, das Land zu verlassen (VB 15.1.2019).
Quellen:
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Albania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430213.html, Zugriff 14.1.2019
- VB des BM.I für Albanien (15.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
Grundversorgung und Wirtschaft
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.000 ALL (ca. 21 €) und - für Familienoberhäupter - 8.000 ALL (ca. 57 €) sowie gegebenenfalls einem Invalidengeld von 9.900 ALL (ca. 70 €) und einem gleichen Betrag für Betreuung bewegen, sowie Sozialdienstleistungen durch soziale Pflegedienste. Das Gesetz Nr. 9355 für Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen bestimmt als Empfänger von Geldleistungen Familien mit keinem oder geringem Einkommen, Waisen ohne Einkommen, Familien mit Mehrlingsgeburten, Opfer von Menschenhandel oder Gewalt in der eigenen Familie und - als Empfänger von Invalidengeld - Menschen mit Behinderung. Im Ausland lebende Albaner, Asylsuchende, Opfer von Naturkatastrophen oder Kriegen, Gefängnisinsassen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen sind von Sozialhilfe ausgeschlossen. Daneben können die einzelnen Sozialhilfebüros 3% ihrer Mittel nach eigenen Kriterien verteilen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt der Großfamilie nach wie vor die Rolle zu, Familienmitglieder in Notlagen aufzufangen (AA 10.8.2018).
Das albanische Institut für Statistik (INSTAT) berichtet, dass die Arbeitslosigkeit in Albanien in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 auf den niedrigsten Stand seit fast 30 Jahren gesunken ist. Laut INSTAT ist die Arbeitslosigkeit auf 12,5% zurückgegangen, etwa 1,7% niedriger als 2017. Die niedrigere Arbeitslosenquote hat jedoch nicht zu höheren Gehältern wie in den letzten Jahren geführt (VB 15.1.2019).
Albanien hat seit 1998 bedeutende Fortschritte auf dem Weg der Transformation von einer kommunistischen in eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt. Dabei zeigte sich die Konjunktur inmitten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre relativ stabil und wies - auch wegen des geringen Ausgangsniveaus - durchgehend Wachstum auf. Albanien gehört weiter zu den ärmsten Ländern Europas. Das Pro-Kopf BIP betrug im Jahr 2016 nach Angaben des Finanzministeriums rund 3.780 Euro. In absoluter Armut(Pro-Kopf-Einkommen unter 60 USD/Monat oder weniger als 2,5 USD/Tag) leben sieben Prozent der Bevölkerung (Angaben der Weltbank). Der Durchschnittslohn (im staatlichen Sektor) lag im Jahr 2016 bei 396 Euro. Rückgrat der Ökonomie bleibt die Landwirtschaft. Die albanische Wirtschaft wird dominiert vom Handels- und Dienstleistungssektor. Wirtschaftliche Aktivität verteilt sich regional sehr unterschiedlich. Der Großteil des BIP wird in der Küstenregion erwirtschaftet, insbesondere im Raum Tirana/Durrës. Dagegen ist in vielen unwegsamen Bergregionen, in denen sich Wirtschaft weitgehend auf Subsistenzlandwirtschaft beschränkt, soziale und ökonomische Entwicklung kaum spürbar. Es findet eine erhebliche Binnenwanderung aus strukturschwachen Gebieten in die Städte statt (AA 9.2018c).
Das Geschäftsklima in Albanien hat sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, sagen albanische Wirtschaftsexperten unter Bezugnahme auf Daten, die im aktuellen Bericht der Weltbank "Doing Business 2018" veröffentlicht wurden. In diesem Bericht belegte Albanien den 65. Platz und hat dabei sieben Positionen gegenüber dem 58. Platz unter den 190 Ländern im vergangenen Jahr verloren (VB 24.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkun ftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Länderinformationen, Albanien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/albanien-node/wirtschaft/216250, Zugriff 21.1.2019
- VB des BM.I für Albanien (24.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
- VB des BM.I für Albanien (15.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Die albanische Verfassung von 1998 garantiert den Bürgern ein Anrecht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung und Gesundheitsversicherung. Das Budget für das Gesundheitswesen beträgt in den letzten Jahren zwischen 5,3% und knapp 6% des Bruttosozialproduktes. Im Rahmen einer Gesetzesanpassung wurde aus dem Krankenversicherungsinstitut ein Obligatorischer Krankenversicherungsfonds FSS (Fondi i Sigurimeve Shëndetësore - Health Insurance Fonds HIF). FFS-Versicherte profitieren unter anderem, falls das Referenzsystem eingehalten wird, von einer Gratisversorgung in den staatlichen medizinischen Einrichtungen, Hausbesuchen, wenn die medizinischen Einrichtungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbständig aufgesucht werden können, Behandlungsmöglichkeiten bei privaten Vertragspartnern, vollständigen Kostenübernahmen bei Medikamenten, respektive von Kostenbeteiligungen bis zu 50% bei Medikamenten. Auch bietet der FSS «Behandlungspakete» (Health services package) bei Dialysen, kardiologischen Untersuchungen, kardio-chirurgischen Interventionen, Nierentransplantationen und Hörprothesen sowie solche für ältere Menschen und Personen mit psychischen Problemen. Seit 1992 ist es in Albanien möglich, sich auch privat krankenversichern zu lassen. Die medizinische Versorgung ist im Wesentlichen dreistufig aufgebaut und umfasst staatliche und private Einrichtungen: die primäre Versorgungsstufe besteht aus 420 Einrichtungen. In ländlichen Regionen sind das Gesundheitszentren und mit diesen verbunden jeweils vier bis fünf «Gesundheitsposten». In Städten und Quartieren größerer Städte finden sich Gesundheitszentren und «Polikliniken». Auf der sekundären Stufe existieren elf Regionalspitäler und 23 Distriktspitäler in unterschiedlicher Größe und mit variierenden Dienstleistungsangeboten. In der Hauptstadt Tirana befindet sich die Universitätsklinik der tertiären Stufe, das einzige Spital der Maximalversorgung. Stationäre und oder spitalbasierte psychiatrische Einrichtungen bestehen auf der Psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Tirana und in den Psychiatrischen Spitälern in Vlorë und Elbasan. Patienten mit Alkohol- und Drogenproblemen können behandelt werden (SEM 26.9.2018).
Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. Da Ärzte und Pflegepersonal jedoch nur geringe Gehälter erhalten, sind Zuzahlungen häufige Praxis, insbesondere von Patienten, die nicht über Privilegien oder Beziehungen verfügen, auch aus der Erwägung heraus, auf diese Weise eine bessere medizinische Behandlung zu erhalten. Ausstattung und Hygiene der staatlichen Krankenhäuser und Polikliniken liegen weit unter westeuropäischen Standards. Die Ärzte sind zwar im Regelfall gut ausgebildet, beim Pflegepersonal gibt es jedoch Defizite. Kompliziertere Behandlungen können nur in Tirana und in anderen größeren Städten durchgeführt werden. Die Versorgungslage in den psychiatrischen Kliniken ist schlecht. Einige gut ausgestattete Privatkliniken bieten in den größeren Städten ihre Dienste an; sie sind jedoch für einen Großteil der Bevölkerung zu teuer. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten. Teurere Medikamente oder solche für außergewöhnliche Krankheiten gehen zu Lasten des Patienten (AA 10.8.2018).
In Albanien existiert im staatlichen Sektor eine Liste der registrierten Medikamente. Weiter gibt es eine spezielle Liste von Medikamenten, deren Kosten den Patienten rückerstattet werden. Diese Liste enthält unentbehrliche Medikamente für die meisten Krankheitskategorien und stellt somit eine Art «Essential Drug List» dar. Die Listen werden laufend an möglicherweise veränderte medizinische Bedürfnisse und Krankheitsbilder angepasst. Generell verfügen die Spitäler der sekundären und der tertiären Stufe und auch die psychiatrischen Kliniken über die benötigten, respektive vom staatlichen Sektor angebotenen Medikamente. Budgetknappheit, ungenügende Budgetallokation, bürokratische Prozesse oder Managementfehler können dazu führen, dass Medikamente in staatlichen medizinischen Einrichtungen temporär nicht vorrätig sind. Generell ist heute unter Einbezug privater Apotheken ein Großteil der Medikamente zur Behandlung der gängigen Krankheitsbilder in Albanien zumindest in den größeren Städten verfügbar. Teurere Produkte der jüngeren Medikamentengenerationen befinden sich nicht auf der Liste der rückvergüteten Medikamente. Ein Teil der medizinischen Dienstleistungen, namentlich die Betreuung älterer Menschen, chronisch Kranker oder von Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Behinderungen, wird in Albanien traditionell durch die Familie abgedeckt (SEM 26.9.2018).
Die medizinische Versorgung ist teilweise nur beschränkt gewährleistet. Die privaten Spitäler verfügen über einen umfänglichen Pflegedienst und sind technisch besser ausgerüstet als die staatlichen Krankenhäuser. Sie verlangen jedoch einen Kostenvorschuss oder eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (EDA 14.1.2019).
Im Gesetz über das Gesundheitswesen aus dem Jahr 2008 und in der Verfassung Albaniens wird festgehalten, dass alle Bürger ein Recht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung haben. Zudem werden besondere Anstrengungen für Gruppen unternommen, deren Zugang aus verschiedenen Gründen erschwert ist. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für spezielle Fälle von Diskriminierungen von Angehörigen der Roma-Minderheit. Im Einzelfall können jedoch wie auch immer motivierte Diskriminierungen nicht ausgeschlossen werden. In den besuchten Gesundheitseinrichtungen in Albanien gibt es keine Hinweise auf eine offensichtliche Diskriminierung von Roma oder darauf, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung für diese Bevölkerungsgruppe nicht gewährleistet wäre. Roma suchen staatliche Gesundheitseinrichtungen an ihren jeweiligen Wohnorten und namentlich auch die Universitätsklinik in Tirana auf. Der Fortschrittsbericht der EU von April 2018 hält fest, dass sich der Zugang von Roma zum Gesundheitswesen insgesamt verbesserte, die Erlangung der Gesundheitskarte für oft im informellen Erwerbssektor tätige Roma jedoch mit administrativ-bürokratischen Hürden verbunden sein kann. Die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Roma können es im Einzelfall schwierig machen, für die geforderten Patientenbeteiligungen oder andere finanzielle Auflagen aufzukommen (SEM 26.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (14.1.2019 - publiziert am 18.07.2018): Albanien, Reisehinweise für Albanien, Medizinische Versorgung,
https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/albanien/reisehinweise-albanien.html, Zugriff 14.1.2019
- SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals Bundesamt für Migration) (26.9.2018): Focus Albanien. Medizinische Versorgung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/alb/ALB-med-grundversorgung-d.pdf, Zugriff 14.1.2019
Rückkehr
Verfassung und Gesetze erlauben die Inlandsreisen, Auslandsreisen, Auswanderung sowie Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018).
Rückgeführte Staatsangehörige unterliegen keiner Form der Diskriminierung und haben nicht mit staatlichen Maßnahmen zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Zu einer Festnahme kommt es nur dann, wenn gegen die Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Ein Rückübernahmeabkommen mit der EU trat am 1.5.2006 in Kraft. Albanien kommt seinen darin kodifizierten Verpflichtungen nach. Die Einreisekontrollen gestalten sich unproblematisch. Albanische Staatsangehörige, die wegen nicht ordnungsgemäßer Reisedokumente durch die Bundespolizei zurückgewiesen wurden, können nach routinemäßiger Vorankündigung durch die Fluggesellschaft und kurzer Befragung durch die albanische Grenzpolizei auch ohne Vorlage regulärer Reisedokumente wieder einreisen. Als Heimreisepapiere werden EU-Laissez-passer anerkannt (AA 10.8.2018).
Unbegleitete Minderjährige und Familien mit Kindern wurden zum Teil in Karreç in einem geschlossenen Zentrum für Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, die abgeschoben werden sollen, festgehalten (AI 22.2.2018).
Albanien hat die Rückkehr unbegleiteter Minderjähriger aus Österreich bzw. anderen EU-Ländern mit einer gemeinsamen Vereinbarung (Beschluss Nr. 332/3 vom 7.3.2014) zwischen der Generaldirektion der albanischen Polizei und dem staatlichen Sozialdienst geregelt. Dabei werden insbesondere das Empfangsprozedere und die soziale Behandlung der unbegleiteten minderjährigen Rückkehrer festgelegt. In jenen Fällen, in welchen ein unbegleiteter Minderjähriger nach Albanien zurückkehrt, informiert die entsprechende Direktion für Grenz- und Migrationsfragen die zuständigen Dienststellen für die Bekämpfung des Menschenhandels in der entsprechenden Polizeidirektion; es wird geprüft, ob es sich um einen Fall von Schlepperei handelt. Wenn der Minderjährige nicht von Familienangehörigen abgeholt wird, wird er vom staatlichen Sozialdienst in Schutz genommen (VB 24.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a Asyl G (Stand: Juli 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442724/4598_1536327656_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-im-hinblick-auf-die-einstufung-von-albanien-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylg-stand-juli-2018-10-08-2018.pdf, Zugriff 14.1.2019
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Albania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1443783.html, Zugriff 14.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Albania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430213.html, Zugriff 14.1.2019
- VB des BM.I für Albanien (24.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation
ALBANIEN
Medikamente, Psychotherapie
Sind die nachstehend angeführten Medikamente bzw. Generika mit deren Wirkstoffen in Albanien verfügbar und zugänglich?
Medikament: Wirkstoff:
Lamictal 100 mg Lamotrigin
Abilify 15 mg Aripiprazol
Sertralin Sertralin
Trittico retard 150 mg Trazodonhydrochlorid
Dominal forte 80 mg Prothipendyl-Hydrochloridmonohydrat
Nozinan Levomepromazin
Ferretab Eisen(II)-fumarat und Folsäure
Sind in Albanien Psychotherapien verfügbar? Wenn ja, wo und sind diese für jedermann zugänglich?
Quellenlage/Quellenbeschreibung:
In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch einige Informationen gefunden. Aufgrund der informationsspezifischen Art der Fragestellung wurden diese auch an eine externe Stelle zur Recherche übermittelt. Eine Quellenbeschreibung zu Verbindungsbeamten des BM.I (VB) findet sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at sowie in der dort ersichtlichen Methodologie der Staatendokumentation. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Weniger bekannte Quellen werden im Abschnitt „Einzelquellen“ näher beschrieben.
Weiterführend darf auf das aktuelle LIB Albanien (Kapitel 19. Medizinische Versorgung) betreffend staatliche Krankenversicherung, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Medikamente und unzureichende Qualität der medizinischen Versorgung in Albanien verwiesen werden, zu finden auf zu finden auf www.staatendokumentation.at und auf dem Koordinationsboard.
Zusammenfassung:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die angeführten Medikamente bzw. Generika mit deren Wirkstoffen in Albanien verfügbar sind. Weiters ist den konsultierten Quellen zu entnehmen, dass stationäre und ambulante (Folge-)behandlung durch einen Psychiater und Psychologen ebenfalls verfügbar sind. Manche Therapieformen sind – gemessen an westeuropäischen Ansprüchen – aus Kapazitäts- und Ausbildungsgründen jedoch eher eingeschränkt.
Die sogenannten Mental Health Centers, die sich beispielsweise in Tirana, Gramsh, Korçë, Elbasan oder Peshkopi befinden, haben die Funktion der Erstansprache für Menschen mit psychischen Problemen. Die sekundäre Stufe besteht aus der Psychiatrischen Abteilung des Regionalspitals Shkodër. Die übrigen Regionalspitäler verfügen über keine diesbezüglichen Angebote. Stationäre und/oder spitalbasierte psychiatrische Einrichtungen auf der tertiären Versorgungsstufe bestehen auf der psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Tirana und in den Psychiatrischen Spitälern in Vlorë und Elbasan. Überweisungen von Patienten erfolgen schriftlich von unten nach oben, d.h. von Gesundheitszentren (MHC) an Regionalspitäler und von diesen an die Universitätsklinik.
Grundsätzlich haben alle Personen mit Wohnsitz in Albanien ein Anrecht auf medizinische (Gratis-)Dienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen. Anders formuliert werden die gesamten Gesundheitskosten für Patienten mit Krankenversicherungskarte und einer Verschreibung durch den Arzt eines Gesundheitszentrums, vollständig vom staatlichen Gesundheitssystem übernommen. In der Praxis können jedoch sowohl bei medizinischen Behandlungen als auch bei Medikamenten Patientenbeteiligungen (Co-Payment) anfallen, auch für Personen, die krankenversichert sind. Allerdings ist es auch eine Tatsache, dass es sich teilweise auch versicherte Personen in schwierigen ökonomischen und sozialen Bedingungen manchmal nicht leisten können, für die Selbstbeteiligung an den Behandlungen und Medikamenten aufzukommen. Darüber hinaus sind in der medizinischen Versorgung unterschiedlich motivierte Zuzahlungen aus der eignen Tasche (Out-of-pocket-payment) auch nicht auszuschließen.
Bestimmte nicht erwerbstätige Personengruppen, unter anderem Personen mit psychischen Erkrankungen, können aufgrund einer Bestätigung ihres Status durch das örtliche Arbeitsamt, das Amt für Soziale Wohlfahrt, einer medizinischen Kommission etc. ebenfalls in das staatliche Krankenverischerungssystem integriert werden und die medizinischen Behandlungen kostenlos erhalten.
Die Kostenübernahme für Medikamente ist vom Prinzip her gestaffelt und richtet sich sowohl nach der Versichertengruppe als auch nach der Medikamentenklasse. Dem Bericht des schweizerischen Staatssekretariat für Migration (SEM) zufolge kommen bestimmte Patienten-Gruppen, unter anderem Personen mit psychischen Erkrankungen, in den Genuss einer „vollständigen Kostenübernahme“, unabhängig von der Medikamentenklasse. Davon abweichend besagt die Anfragebeantwortung der Internatioalen Organisation für Migration (IOM) hingegen, wenn der sogenannte Status der Invalidität zugesprochen wird, würde ein „hoher Prozentsatz der Kosten der Medikamente“ übernommen werden. Fällt der Patient in eine andere Kategorie, werden nicht mehr als 50% Kosten der Medikamente, die auf einer staatlichen Medikamentenliste stehen, übernommen.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer aus dem Ausland, unabhängig von der jeweiligen Verweildauer, nicht nach denselben Regeln behandelt werden wie in Albanien lebende Patienten. Im Einzelnen haben Rückkehrer, die medizinische Behandlungen benötigen, einen Hausarzt zu konsultieren, der anschließend den Status des Patienten überprüft, ihn nötigenfalls erneut registriert, eine (Gesundheits-)Kartenummer vergibt, eine Heimkehrer(-Gesundheits)karte ausstellt. Bei Bedarf wird der Patient an einen Spezialisten verwiesen.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus der grundsätzlichen Verfügbarkeit einer Behandlung/Medikation keinerlei Angaben zur tatsächlichen Zugänglichkeit im Einzelfall ableiten lassen.
Einzelquellen:
Dem Bericht des BM.I-Verbindungsbeamten für Albanien ist folgendes zu entnehmen:
Alle von ihnen angefragten Medikamente sind in Albanien in normalen Apotheken erhältlich.
Die Preise sind in der Tabelle in albanischen LEK aufgelistet.
Die Einholung der Information über Verfügung und Preise der Medikamente wurde eigenständig in einer lokalen Apotheke durchgeführt.
Kassenwert April: 1 € = ALL 125,00
VB des BM.I in Tirana (25.4.2019): Bericht des VB, per E-Mail
Zu einem ähnlichen medizinischen Fall berichtet MedCOI im April 2018, dass die folgenden Behandlungsformen in Albanien verfügbar sind: stationäre und ambulante (Folge-)behandlung durch einen Psychiater und Psychologen.
Das Original folgender Anfragebeantwortung von MedCOI wird als Anlage übermittelt.
• MedCOI (3.4.2018): BMA 10967, Zugriff 29.4.2019
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt in dem im September 2018 veröffentlichten Focus Albanien allgemein zum medizinischen Versorgungssystem in Albanien:
Die medizinische Versorgung ist im Wesentlichen dreistufig aufgebaut und umfasst staatliche und private Einrichtungen: Die primäre Versorgungsstufe besteht aus 420 Einrichtungen. […] Auf der sekundären Stufe existieren elf Regionalspitäler und 23 Distriktspitäler in unterschiedlicher Grösse und mit variierenden Dienstleistungsangeboten. […] In der Hauptstadt Tirana befindet sich die Universitätsklinik der tertiären Stufe, das einzige Spital der Maximalversorgung.
Überweisungen von Patienten erfolgen schriftlich von unten nach oben, das heisst von Gesundheitszentren an Regionalspitäler und von diesen an die Universitätsklinik. Das Ministerium für Gesundheit und Soziales verfügt über eine eigene Webseite mit den Informationen bezüglich des Referenzsystems, inklusive einer Preisliste. Notfälle sind auf allen Stufen von dieser Vorgabe ausgenommen. Gemäss Aussagen in verschiedenen medizinischen Einrichtungen halten sich die Patienten nur bedingt an die Behandlungshierarchie und das Referenz-System. Viele melden sich direkt in die Universitätsklinik in Tirana.
SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (26.9.2018): Focus Albanien. Medizinische Versorgung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/alb/ALB-med-grundversorgung-d.pdf, Zugriff 30.4.2019
Weiters ist der bereits zitierten Quelle des SEM folgendes zu psychiatrischen Einrichtungen der primären und sekundären Versorgungsstufe in Albanien zu entnehmen:
Psychiatrische Einrichtungen der sekundären und primären Stufe
Die sekundäre Stufe besteht aus der Psychiatrischen Abteilung des Regionalspitals Shkodër. Die übrigen Regionalspitäler verfügen über keine diesbezüglichen Angebote. Das erste Mental Health Center (MHC-Qendra Komunitare e Shëndetit Mendor–QKSHM), eine Einrichtung der primären psychiatrischen Versorgung, wurde im Dezember 2000 in Tirana eröffnet, im Januar 2002 eines in Gramsh, weitere in Korçëund Elbasan. In Tirana bestehen insgesamt vier MHC, die an Polikliniken angegliedert sind. Die MHC haben die Funktion einer Erstansprache für Menschen mit psychischen Problemen, damit sie nicht direkt die Psychiatrische Abteilung der Universitätsklinik in Tirana aufsuchen. In den MHC sind Ärzte, Pfleger und Sozialarbeiter tätig, die ambulante Behandlungen psychischer Krankheiten und psychosoziale Unterstützung anbieten. Das Personal wurde zu Beginn im In- und Ausland geschult. Die Zentren in Gramsh und Peshkopi verfügen über Fahrzeuge, um vulnerable Patienten und auch Familien in den teilweise entlegenen Dörfern auch zu Hause aufsuchen zu können. Zudem arbeitet das Zentrum von Peshkopi mit dem Regionalspital zusammen und kann dort notfalls einige wenige Betten mit Patienten belegen, die aufgrund ihrer Krankheit kurzfristig stationär untergebracht werden müssen.
Neben den MHC bestehen in Elbasan zusätzlich zur Psychiatrischen Klinik zwei Tageskliniken (day treatment facilites) und ein «unterstützte Wohneinheit». Diese Einheit für zehn Frauen aus der Psychiatrischen Klinik in Elbasan ist bewacht und von Pflegepersonal und Sozialarbeitern des MHC Elbasan mitbetreut. Diese «unterstützten Wohneinheiten», über das Land verteilt bestehen noch neun weitere, werden auch als residental care unitsoder als protected houses bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um Einrichtungen zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt. Das erste dieser «geschützten Häuser», Casa Mimosa, wurde im Jahr 2005 in Shkodër errichtet und beherbergte zehn Patienten, die zuvor auf einer stationären psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, der Psychiatrischen Klinik «Ali Mihali» und dem MHC in Vlorësowie Spezialisten aus Italien wurden ab dem Jahr 2008 in Vlorëdrei weitere «geschützte Häuser» für Männer und Frauen gebaut. In Tirana baute die Organisation Sant' Egidio im Jahr 2012 zwei der aufgrund ihrer roten Fassade so genannten «roten Häuser». Die NGO leistete mit dieser Form des betreuten Wohnens einen weiteren Beitrag zu der vom albanischen Gesundheitsministerium in allen Konzepten zur mentalen Gesundheit angestrebten «De-Institutionalisierung».
Zwei jüngst publizierte Studien betonen jedoch auch die damit verbundenen Herausforderungen, respektive die dafür notwendigen Anpassungen der Rahmenbedingungen in diesem Bereich des staatlichen Gesundheitssystems. So wird eingefordert, dass die Umsetzung dieses «innovativen» Modells aufgrund des geerbten ausgeprägt spitalbasierten Systems noch Zeit brauche und «verdaut» werden müsse. Die zweite Studie betont, dass dieser «fundamentale Wandel des Betreuungssystems» vor allem aufgrund fehlenden medizinischen Personals auf allen Stufen nicht unproblematisch und anspruchsvoll ist. Momentan scheinen die Reformbemühungen im Bereich der Psychiatrie etwas steckengeblieben zu sein. Die Strategie des Gesundheitsministeriums und der WHO hin zu einer landesweiten Versorgung mit den nach westeuropäischen Vorbildern strukturierten nd geführten MHC ist zwar weitgehend umgesetzt, jedoch nicht überall mit den ursprünglich beabsichtigen Kapazitäten.
SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (26.9.2018): Focus Albanien. Medizinische Versorgung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/alb/ALB-med-grundversorgung-d.pdf, Zugriff 30.4.2019
Darüber hinaus berichtet das SEM folgendes zu psychiatrischen Einrichtungen der tertiären Versorgungsstufe in Albanien:
Psychiatrische Einrichtungen der tertiären Stufe
Stationäre und oder spitalbasierte psychiatrische Einrichtungen bestehen auf der Psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Tirana und in den Psychiatrischen Spitälern in Vlorë und Elbasan. Die Psychiatrische Abteilung der Universitätsklinik Tirana führt täglich von Montag bis Freitag nach einer vorbereiteten Liste mit den auf der Abteilung anwesenden Ärzten psychiatrische Konsultationen durch. Diese erfolgen auf der Basis der Erkenntnisse der American Psychiatric Association und der European Patient Association. Gemäss eigenen Angaben werden auf der Psychiatrischen Abteilung jährlich rund 3‘000 eintrittspsychiatrische Notfälle, 1'100 Fälle aus der Erwachsenenpsychiatrie und 600 Fälle im psychiatrischen Dienst für Jugendliche und Kinder behandelt. Um diesen verschiedenen Patientenkategorien und ihren Problemen ganzheitlicher gerecht zu werden, wurde in letzter Zeit die Zahl der Psychologen und Sozialarbeiter erhöht. Die Behandlungsangebote von Psychiatern und Psychologen bestehen aus psychiatrisch-psychologischen Kriseninterventionen, Gruppentherapien mit Patienten, die ein ähnliches Krankheitsbild aufweisen und Psychotherapien in Form kognitiver Verhaltenstherapien. Die Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) erfolgt mittels Narrativer Expositionstherapie oder EMDR, frei übersetzt einer «Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen».
Daneben bestehen regional noch zwei eigentliche Psychiatrische Spitäler in Vlorëund und Elbasan. Das Psychiatrische Spital «Ali Mihali» in Vlorë verfügt gemäss eigenen Angaben über 200 Betten, sieben Psychiater, klinische Psychologen und 70 Pflegefachkräfte sowie Sozialarbeiter und Beschäftigungstherapeuten. Die Delegation des SEM besuchte das grössere der beiden Spitäler, das Spital «Dr. Sadik Dinçi» in Elbasan. Es hat Betten und ist zuständig für eine Region mit 1,2 Millionen Einwohnern. Das Spital verfügt über sieben Ärzte, Psychiater und Psychologen sowie die 70 Pflegefachkräfte. Angeboten werden psychiatrische, soziale, Gruppen-, Ergo- und Kunsttherapien. Regelmässige psychiatrische Gespräche zur Krankheitsverarbeitung und zum Erkennen von Frühwarnzeichen sind möglich. Die gesprächstherapeutischen Möglichkeiten sind gemessen an westeuropäischen Ansprüchen - aus Kapazitäts- und Ausbildungsgründen jedoch eher eingeschränkt. Das Behandlungsschwergewicht bilden Medikamente primär aus der Gruppe der Benzodiazepine. Die in der Klinik verordneten und abgegebenen Medikamente sind kostenfrei. Die Kenntnisse und das Anwendungswissen für moderne Medikamente, die in diesen Klinken nicht verwendet werden, bestehen grundsätzlich.
SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (26.9.2018): Focus Albanien. Medizinische Versorgung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/alb/ALB-med-grundversorgung-d.pdf, Zugriff 30.4.2019
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