Entscheidungsdatum
23.09.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W283 2227262-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2019, Zl. 1232898102 - 190568807, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Verständigung eines Landesgerichts vom 03.06.2019 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) von der Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, informiert.
2. Mit Schreiben vom 10.06.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt darüber in Kenntnis gesetzt, dass im Falle seiner rechtskräftigen Verurteilung unter anderem geplant sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Ferner wurde der Beschwerdeführer angehalten, binnen zehn Tagen ab Zustellung des Schreibens näher genannte Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten.
3. Mit Stellungnahme vom 21.06.2019 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er sei seit 15.04.2019 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig und nicht im Besitz eines Visums. Seit 2017 sei der Beschwerdeführer für je drei Monate in Österreich und anschließend für je drei Monate in Bosnien. Gleiches gelte für seine Ehefrau und deren gemeinsamen minderjährigen Sohn, der in Österreich den Kindergarten besuche. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lerne Deutsch. Weiters habe der Beschwerdeführer ein zweites Kind aus erster Ehe. Die Eltern des Beschwerdeführers würden in Serbien leben. Zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes gab der Beschwerdeführer in der Stellungnahme an, er habe in Österreich Renovierungsarbeiten durchgeführt und dafür keine Miete, sondern nur die Betriebskosten bezahlt. Er könne verschiedene Bauarbeiten, durchführen. Ferner habe der Beschwerdeführer auch Geld aus Serbien erhalten. In Serbien habe der Beschwerdeführer private Darlehen aufgenommen, weshalb er „von den Zinseintreibern und anderen Mafiabossen malträtiert“ werde.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkte I.-III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers befinde sich in Serbien und es bestünden keine familiären Bindungen in Österreich, zumal eine Abfrage des Melderegisters hinsichtlich des Aufenthaltes seiner Familienangehörigen negativ verlaufen sei. Der Beschwerdeführer sei von einem Landesgericht für Strafsachen am 03.09.2019 rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Er habe sich seit seiner Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil er ausschließlich zur Begehung strafbarer Handlungen ins Bundesgebiet gekommen sei. Ferner sei der Beschwerdeführer in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Im Hinblick auf die Erlassung eines Einreiseverbotes stellte das Bundesamt fest, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit und sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbotes scheine aufgrund des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers angemessen. Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei erforderlich, zumal sein Verbleib eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung erfolgte ein Hinweis, dass für die Beschwerde eine Gebühr von EUR 30,00 zu entrichten sei.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht gegen alle Spruchpunkte des Bescheides Beschwerde. Er brachte im Wesentlichen vor, dass und rügte die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, das Bundesamt habe eine Einvernahme des Beschwerdeführers unterlassen und das Verfahren damit mit Mängeln belastet. Eine schriftliche Stellungnahme könne den persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers nicht ersetzen. Die Familie des Beschwerdeführers wolle weiterhin eine Existenz in Österreich aufbauen; durch eine Abfrage des Melderegisters könne keine Auskunft über den tatsächlichen Aufenthalt und den Lebensmittelpunkt seiner Familie erlangt werden. Eine Würdigung des Privat- und Familienlebens sei nicht möglich, da zu wenige Informationen vorliegen würden. Ferner sei die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohung durch die Mafia bzw. durch Kredithaie vom Bundesamt nicht berücksichtigt worden, obwohl dies hinsichtlich § 57 Abs. 2 bzw. Abs. 3 AsylG angezeigt gewesen sei. Zum Einreiseverbot gab der Beschwerdeführer an, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bereits die lange Haftdauer im gelockerten Vollzug einen positiven Gesinnungswandel hervorrufe. Der Beschwerdeführer verfüge über Arbeitsangebote, die ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten würden. Es sei nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Annahme das Bundesamt zum Ergebnis komme, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der gesetzlichen Höchstdauer angebracht sei. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und führte betreffend die Eingabengebühr aus, der gegenständliche Bescheid spreche auch über einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 ab, sodass nach § 70 AsylG 2005 eine Befreiung von der Eingabengebühr vorliege.
6. Mit Beschwerdevorlage führte das Bundesamt zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer sei derzeit in einer Justizanstalt aufhältig. Weder seine Ehefrau noch sein Sohn seien jemals in Österreich gemeldet gewesen. Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer alle drei Monate nach Serbien, wo er zudem versichert sei und eine Mietwohnung beziehe, zurückgekehrt sei, sei ein Leben dort sehr wohl möglich. Eine positive Prognose für ein künftig deliktfreies Leben sei nicht möglich und müsse daher von einer aktuell gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.06.2020 eine mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin und einer Rechtsberaterin durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den allgemeinen Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX in XXXX , Serbien, geboren und aufgewachsen. Er ist serbischer Staatsangehöriger (AS 73-75, 91, 188; OZ 10 = Verhandlungsprotokoll vom 19.06.2020, S. 5, S. 17). Seine Muttersprache ist Serbisch (AS 83-86; OZ 10, S. 4).
In Serbien hat der Beschwerdeführer die eine höhere technische Schule absolviert. Er ist von Beruf Heiztechniker. Er war als Bauarbeiter tätig. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer zählt zu keiner Risikogruppe im Hinblick auf den Coronavirus (AS 91 f; OZ 10, S. 4, S. 6, S. 9, S. 12).
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder, wovon eines aus erster Ehe stammt (AS 91; OZ 10, S. 5 f). Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Ehefrau und sein minderjähriger Sohn sind in Österreich weder behördlich gemeldet, noch verfügen sie über einen zum längeren Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigenden Rechtstitel. Die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers waren im Zeitraum vom 16.10.2018 bis 02.04.2019 im Bundesgebiet gemeldet. Dabei waren die Frau des Beschwerdeführers und der minderjährige Sohn nicht gemeinsam mit dem Beschwerdeführer behördlich gemeldet. Zuletzt ist der Beschwerdeführer im März 2019 nach Österreich eingereist (Auszug aus dem Zentralen Melderegister; AS 91; OZ 10, S. 8, S. 9, S. 15).
Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet nur im Zeitraum vom 08.04.2019 bis 30.04.2019 behördlich gemeldet. Der Beschwerdeführer lebte seit dem Jahr 2013 immer wieder für die gesetzlich zulässige Dauer von 90 Tagen in 180 Tagen in Österreich. Er war während seiner Aufenthalte jedoch entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht behördlich gemeldet (Auszug aus dem Zentralen Melderegister; OZ 10, S. 7 f). Er ist nicht im Besitz eines zum längeren Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigenden Rechtstitels (AS 91; Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister; OZ 10, S. 9).
Der Beschwerdeführer führte in Österreich Arbeiten durch, ohne dafür eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung zu haben. Der Beschwerdeführer hat ohne behördliche Bewilligung gearbeitet und dadurch zuletzt € 2.500,00 pro Monat eingenommen. Er war nicht angemeldet, da der Beschwerdeführer in Österreich nicht arbeiten durfte. Der Beschwerdeführer wusste auch, dass er ohne entsprechende Bewilligung nicht arbeiten durfte. Er hat durch diese Arbeiten sein Leben finanziert und die Wohnung in Österreich, den Kindergarten und die Autoversicherung bezahlt. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet erhielt der Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zudem finanzielle Unterstützung aus Serbien. (AS 91; OZ 10, S. 9, S. 10, S. 14).
Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch, er hat keine Deutschprüfung abgelegt (OZ 10, S 9 f). Er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer verfügt weder über nahe Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich. Eine Tante des Beschwerdeführers lebt mit Ihrem Lebensgefährten in Österreich. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Tante. Ein Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht. Der Beschwerdeführer hat einen Freundeskreis in Österreich. Der Beschwerdeführer kennt die Nachnamen seiner drei engsten in Österreich lebenden Bezugspersonen nicht. Ein besonderes Naheverhältnis zu seinem Freundeskreis liegt nicht vor (OZ 10, S. 9, S. 11 f).
1.2. Zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines Landesgerichts für Strafsachen am 03.09.2019, rechtskräftig am selben Tag, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (Auszug aus dem Strafregister). Das Gericht wertete als mildernd das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers und die Sicherstellung des Suchtgiftes, als erschwerend die hohe Menge an tatverfangenem Suchtgift. Der Verurteilung lag die Tathandlung zugrunde, wonach der Beschwerdeführer am 31.05.2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 965,9 g Kokain (beinhaltend zumindest 78 % Cocain) einem verdeckten Ermittler zum Preis von EUR 40.000,-- überlassen hat (AS 37-41).
Der Beschwerdeführer wurde am 31.05.2019 festgenommen und befindet sich seit 03.06.2019 in Untersuchung- bzw. Strafhaft (AS 1, 21; Auszug aus dem Melderegister).
Der Beschwerdeführer zeigte sich bei der Beschwerdeverhandlung hinsichtlich dieser Straftat weder einsichtig noch reumütig. Der Beschwerdeführer brachte zum Ausdruck, dass er unschuldig sei (OZ 10, S. 5).
1.3. Zur Situation im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat
Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist ein sicherer Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer war zuletzt im Jahr 2016 in Serbien (OZ 10, S. 8).
Die Eltern des Beschwerdeführers leben in Serbien (AS 91 f; OZ 10, S. 9).
Bei einer Rückkehr nach Serbien kann der Beschwerdeführer bei seinen Eltern Unterkunft nehmen. Er kann seine Lebensbedürfnisse befriedigen, er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, einer Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten.
Der Beschwerdeführer hat in Serbien Schulden. Der Beschwerdeführer wurde hinsichtlich seines in Österreich gesetzten Strafrechtsdelikts nicht bedroht. Auch die Frau des Beschwerdeführers wurde in Serbien nicht bedroht. Die Frau und der Sohn des Beschwerdeführers leben seit Februar 2019 in Serbien bei ihrem Vater (OZ 10, S. 9).
Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Serbien zumindest vorübergehend unterstützt werden (OZ 10, S. 16).
1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Serbien basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Serbien in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 05.06.2020.
Zur politischen Lage
Die Volksvertretung in der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna skupština, 250 Abgeordnete). Vorgezogene Parlamentswahlen fanden zuletzt am 24.4.2016 statt. Stärkste Kraft ist erneut die Liste der proeuropäischen Serbischen Fortschrittspartei SNS (sie spaltete sich 2008 von der Serbischen Radikalen Partei SRS ab; zusammen mit kleineren Parteien wie der SNP 105 Mandate) gefolgt von der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS, 22 Mandate). Die oppositionelle proeuropäische Demokratische Partei (DS, 15 Mandate mit einem kleinen Partner) ist seit der Abspaltung einer Gruppe um den ehemaligen Staatspräsidenten Boris Tadi? 2014 deutlich geschwächt. Einige Oppositionsparteien haben sich in der „Allianz für Serbien“ zusammengeschlossen. Sie unterstützen die seit 8. Dezember anhaltenden Demonstrationen in zahlreichen Städten des Landes, die sich gegen Missstände und die Politik der Regierung richten. Aleksandar Vucic (SNS) ist der Präsident und Ministerpräsidentin der R. Serbien ist die parteilose Ana Brnabic.
Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben.
Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können.
Zur Sicherheitslage
Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen.
Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst.
Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen.
Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine „Provokation“ aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an.
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil.
Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina.
Zum Rechtsschutz/Justizwesen
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss.
Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien.
Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange.
Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden.
Zu den Sicherheitsbehörden
Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt.
Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“.
Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich.
Zur Folter und unmenschlichen Behandlung
Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter.
Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlichte im Mai 2018 einen Bericht, in dem der Ausschuss Bedenken hinsichtlich der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam äußerte und die Behörden aufforderte, die Misshandlung der Polizei zu bekämpfen.
Zur Korruption
Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden, negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System, staatlichen Institutionen und die serbische Wirtschaft. Systemische Korruption findet sich heute vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei. Auf staatlicher Seite ist eine eigenständige Institution, die Anti-Korruptionsagentur mit dem Kampf gegen Korruption befasst; in der serbischen Zivilgesellschaft beschäftigt sich Transparency International mit dem Phänomen Korruption. Druck auf serbische Behörden zu effektiverer Bekämpfung der systemischen Korruption kommt v.a auch von der EU. Unterstützung bei der Bekämpfung der Korruption in Serbien leistet außerdem das UN Development Program (UNDP). Die Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen Reformbedingungen der EU in Serbiens Beitrittsverhandlungen bzw. in den Justizkapiteln 23 und 24.
Serbien rangiert im Transparency Corruption Perceptions Index (2018) am 87. Platz von 180 Ländern.
Zu NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2019 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, „Verräter“ des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen.
Ausländische und inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) agieren in der Regel frei, aber diejenigen, die offen kritische Positionen gegenüber der Regierung vertreten oder sensible oder kontroverse Themen ansprechen, sind in den letzten Jahren mit Bedrohungen und Belästigungen konfrontiert worden. Während des gesamten Jahres 2018 war die Direktorin der NGO Center for Euro-Atlantic Studies, Gegenstand einer anhaltenden Schmutzkampagne in den Medien als Reaktion auf ihre Unterstützung von Kriegsverbrecherverfolgungen und die Mitgliedschaft Serbiens in der NATO.
Zum Ombudsmann
Der Bürgerbeauftragte spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des Rechts der Bürger auf eine gute Verwaltungspraxis und die Behörden sind verpflichtet, über die Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Im vierten Jahr in Folge diskutierte das Parlament jedoch nicht in der Plenarsitzung den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, sodass keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Überprüfung der Regierung gezogen wurden.
Im Jahr 2018 haben insgesamt 9.120 Bürgerinnen und Bürger die Dienste des Bürgerbeauftragten in Anspruch genommen, von denen 2.432 durch persönliche und 3.350 durch Telefongespräche. Es gab insgesamt 3.338 eingereichte Beschwerden, davon 56 auf eigene Initiative des Bürgerbeauftragten. 2.346 Fälle wurden abgeschlossen. Gleichzeitig wurden rund 2.720 Fälle aus den Vorjahren bearbeitet und davon 1.443 Fälle abgeschlossen, sodass 2018 insgesamt 3.789 Fälle abgeschlossen wurden. Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2018 mit 64 unter 3.338 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,92 % aller Beschwerden aus.
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien.
In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen.
Zur allgemeinen Menschenrechtslage
Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden.
Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit.
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien.
Zu den Haftbedingungen
Die Haftbedingungen sind aufgrund von Überbelegung, körperlichem Missbrauch, unhygienischen Bedingungen und unzureichender ärztlicher Versorgung schlecht. Nach Angaben des Justizministeriums lag die Gefängniskapazität 2019 10.300, während die Gefangenenzahl im Laufe des Jahres 2019 10.890 betrug. Obwohl die Gefängnisse nach wie vor überfüllt sind, konnte die Überbelegung durch den Bau neuer Gefängnisse und die breitere Anwendung alternativer Strafmaßnahmen (z.B. Zivildienst, Hausarrest und andere Maßnahmen) verringert werden. Die Behörden führen ordnungsgemäße Untersuchungen von glaubwürdigen Vorwürfen wegen Misshandlung durch. Die unabhängige Überwachung der Haftbedingungen ist gesetzlich erlaubt und die Regierung gewährt unabhängigen Beobachtern Zugang zu den Haftanstalten. Die 2018 begonnene Renovierung des Belgrader Bezirksgefängnisses wurde im Laufe des Jahres fortgesetzt. Neue Gefängniseinrichtungen wurden in Sremska Mitrovica, Leskovac und Pozarevac gebaut. Trotz Verbesserungen bei den Untersuchungsverfahren stellt die verlängerte Untersuchungshaft nach wie vor ein Problem dar.
Was das Gefängnissystem betrifft, so wurden die Renovierung und Modernisierung mehrerer Gefängnisse, darunter das Gefängniskrankenhaus in Belgrad, im Einklang mit der Strategie zur Verringerung der Überbelegung in Strafanstalten fortgesetzt. Ein neues Gefängnis wurde in Pan?evo gebaut und ist in Betrieb. Die Überarbeitung und Verbesserung der Behandlungsprogramme in Gefängnissen und medizinischen Einrichtungen in Haftanstalten wird im Einklang mit den TCP-Empfehlungen fortgesetzt. Die Einschränkung von Inhaftierungsmaßnahmen und die verstärkte Anwendung alternativer Sanktionen trugen zu einer stabilen Haftpopulation bei. Im November 2018 wurden Änderungen des Gesetzes beschlossen, um den Einsatz alternativer Sanktionen zu verbessern. Allerdings bestehen nach wie vor Mängel bei den Unterbringungsbedingungen sowie bei der Gewährung von Rechtsbeistand und Gesundheitsversorgung.
Zur Todesstrafe
Die Gesetzte sehen für keine Straftat die Todesstrafe vor. Die in der serbischen Verfassung integrierte Menschenrechtscharta verbietet die Todesstrafe. Das gilt auch für Militärstraftaten. Die Bundesrepublik Jugoslawien hat das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet. Das Protokoll trat am 6.12.2001 in Kraft und gilt – im Wege der Rechtsnachfolge – auch für Serbien.
Zur Religionsfreiheit
Im Allgemeinen herrscht in Serbien Religionsfreiheit. Die serbische Verfassung und Gesetze erkennen allerdings nur sieben „traditionelle“ Konfessionen an, woraus eine gewisse Diskriminierung anderer religiöser Gruppen und ihrer Angehöriger resultiert, etwa bei der Registrierung von Religionsgruppen - ein Bereich, in dem es jüngst Fortschritte gegeben hat. Zugleich genießt die Serbisch-Orthodoxe Kirche eine klare Bevorzugung gegenüber anderen Konfessionen. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner Serbiens sind Christen. Etwa 6,3 Millionen (ca. 84%) der Einwohner bekennen sich zur serbisch-orthodoxen Kirche, ferner gibt es noch religiöse Minderheiten, insbesondere Katholiken (5 %), Protestanten (1 %), Atheisten (1,1 %), nicht deklarierte oder unbekannte (4,5 %) und einige wenige neuapostolische Christen. Etwa 3 % der Einwohner sind Muslime. Sie leben im südserbischen Sandschak, wo sie eine knappe Mehrheit bilden.
Die Verfassung untersagt die Errichtung einer Staatsreligion, garantiert die Gleichheit aller religiösen Gruppen, verbietet die Aufstachelung zum Religionshass und religiöse Diskriminierung. Einige nicht-traditionelle religiöse Gruppen erklären, dass die Umsetzung von Gesetzen durch die staatlichen Behörden diskriminierend ist. Wegen Anstiftung zur Diskriminierung, zum Hass oder zur Gewalt gegen eine Person oder Gruppe aus religiösen Gründen sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren vor.
Zur Bewegungsfreiheit
Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Die Bewegungsfreiheit wird aber nicht immer angemessen geschützt.
Zur Grundversorgung/Wirtschaft
Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung.
Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen.
Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9 %. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13 % prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05 % geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2 % gegenüber dem Vorjahr.
Zu den Sozialbeihilfen
Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen.
Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich.
Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt.
Zur medizinischen Versorgung
Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet.
Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren – oft private – Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen.
Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können.
Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist.
Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können.
Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,- RSD an (ca. 0,50 Euro).
Zur Rückkehr
Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten.
Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 10) den Auszug aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie dem Zentrale Fremdenregister.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem (Privat)Leben in Österreich
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 21.06.2019 (AS 91 f), aus der Kopie seines serbischen Reisepasses und Führerscheins (AS 73-75) sowie den Angaben in der Beschwerde (AS 188) und der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 4).
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ergibt sich aus der in serbischer Sprache verfassten Stellungnahme vom 21.06.2019 (AS 83-86) und aufgrund seiner eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 4).
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Serbien, zu seiner Ausbildung, seinem Beruf, seinem Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit, zu seiner familiären Situation, stützen sich auf die Angaben in seiner Stellungnahme vom 21.06.2019 und den damit übereinstimmenden Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung (AS 91; OZ 10, S. 5 f, S. 17).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Dass der Beschwerdeführer zu keiner Risikogruppe im Hinblick auf das Coronavirus zählt, war festzustellen, da er selbst angegeben hat gesund zu sein, an keiner Erkrankung zu leiden und er zum Entscheidungszeitpunkt erst 43 Jahre alt ist. Dass die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführer in Österreich nicht behördlich gemeldet sind, noch über einen zum längeren Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigenden Rechtstitel verfügen, war aufgrund der Einsicht in das Melderegister und den dazu gemachten Angaben des Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht festzustellen. Dass der Beschwerdeführer nicht gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn behördlich in Österreich gemeldet war, ergibt sich zweifelsfrei aufgrund der Einsicht in die Eintragungen im Melderegister (AS 91; OZ 10, S. 9, S. 15).
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, seiner Einreise und seinen behördlichen Meldungen bzw. dem Unterlassen der entsprechenden Meldungen, waren aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit der Einsicht in das Melderegister zu treffen (OZ 10, S. 7 f). Dass er nicht im Besitz eines zum längeren Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigenden Rechtstitels ist, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in das Zentralen Fremdenregister und seine damit übereinstimmenden eigenen Angaben im Verfahren (AS 91; OZ 10, S. 9).
Die Feststellungen zur Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich, ohne dass er dafür eine entsprechende eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung hatte, war aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung zu treffen. Auch die letzten monatlichen Einkünfte fußen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers. Aus seiner Aussage beim Bundesverwaltungsgericht war abzuleiten, dass der Beschwerdeführer genau wusste, dass er ohne entsprechende Bewilligung nicht arbeiten durfte:
„R: Haben Sie zuletzt Arbeit in Österreich gehabt? Gehen Sie einer regelmäßigen, bezahlten Beschäftigung nach?
BF: Ja. Ich wurde immer bezahlt.
R: Waren Sie angemeldet?
BF: Nein. Wir aus Serbien dürfen hier nicht arbeiten und können daher nicht angemeldet werden. Wir sind nicht in der EU und nicht im Schengenraum.
R: Wie hoch war Ihr letztes monatliches Einkommen in Österreich?
BF: Ca. € 2.500
R: Wer hat Ihnen diese € 2.500 bezahlt?
BF: Ich habe auf Stunden gearbeitet und ich arbeite auch sehr lange in Österreich, somit möchte ich jetzt sagen, dass ich auf diese Frage jetzt nicht antworten möchte. Es sind viele Leute, die hier arbeiten. Diese Arbeit war eine Schwarzarbeit. Ich möchte niemanden belasten.“ (OZ 10, S. 10).
Die Feststellungen zur finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers während seines Aufenthalts waren aufgrund seiner Angaben in seiner Stellungnahme und in der Beschwerdeverhandlung zu treffen (AS 91; OZ 10, S. 9, S. 10, S. 14).
Da der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, nur ein bisschen Deutsch zu sprechen und er keine Deutschprüfung abgelegt hat, waren die diesbezüglichen Feststellungen zu treffen (OZ 10, S. 9 f). Nachdem der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, während seines Aufenthalts in Österreich „schwarz“ gearbeitet zu haben und er wegen Drogenhandels verurteilt wurde, ergeben sich die Feststellungen zum Nichtvorliegen der Integration des Beschwerdeführers am österreichischen Arbeitsmarkt. Dass keine substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers festgestellt werden konnten, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2020. Der Beschwerdeführer konnte bei der mündlichen Verhandlung seine drei engsten Bezugspersonen in Österreich nicht namhaft machen. Er hat pauschal angegeben, dass er viele, zahlreiche Freunde in Österreich habe. Aufgrund des im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers, wonach er die diesbezüglichen Fragen der Richterin nur zögerlich und oberflächlich beantworten konnte, war die Feststellung zur geringen Intensität des freundschaftlichen Kontaktes zu treffen (OZ 10, S. 9, S. 11 f).
2.2. Zu den Feststellungen zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung eines Landesgerichts für Strafsachen vom 03.09.2019 (AS 37-41) und den damit in Einklang stehenden Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde (AS 188; siehe die dahingehende Berichtigung der Rechtsberatung mit E-Mail vom 19.12.2019, AS 185).
Die Feststellungen zur Untersuchungs- und Strafhaft ergeben sich ebenfalls aus der gekürzten Urteilsausfertigung eines Landesgerichts für Strafsachen vom 03.09.2019 (AS 37-41) sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.
Die Feststellungen, wonach sich der Beschwerdeführer bei der Beschwerdeverhandlung hinsichtlich dieser Straftat weder einsichtig noch reumütig zeigte und er zum Ausdruck brachte, dass er unschuldig sei, waren aufgrund seiner eigenen Angaben zu treffen:
„R: Warum haben Sie gegen den Bescheid Beschwerde erhoben?
BF: Ich bin der Meinung, dass ich, bestimmt sagen das alle, nicht schuldig bin für diesen Fehler. Ich denke, dass 10 Jahre Einreiseverbot übertrieben ist. Es gibt ein Verfahren, bei einem anderen Gericht, welches über diesen Fehler urteilt. Ich lebe schon sehr lange in Österreich, zwar immer als Tourist für jeweils drei Monate, dazu muss ich aber sagen, dass ich diese drei Monate nie überschritten habe. Ich bin nicht vorbestraft. Ich habe keine Straftaten, keine Vergehen und keine Straftaten begangen. Meine Familie ist hier, meine Familie möchte hier leben. Ich denke, dass 10 Jahre Einreiseverbot, und 10 Jahre meine Familie nicht sehen können, ist zu viel.“ (OZ 10, S. 5).
2.3. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat
Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist aufgrund der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung – HStV, StF: BGBl. II Nr. 177/2009) ein sicherer Herkunftsstaat.
Dass der Beschwerdeführer zuletzt im Jahr 2016 in Serbien war, ergibt sich aufgrund seiner unwiderlegten Angaben in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 8).
Dass die Eltern des Beschwerdeführers in Serbien leben, war ebenfalls aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 19.06.2020 und in seiner Stellungnahme festzustellen (AS 91; OZ 10, S. 9).
Nachdem im Verfahren keine gegenteiligen Hinweise zu Tage getreten sind, und der Beschwerdeführer auch angab, Kontakt zu seinen Eltern zu haben, war festzustellen, dass er bei einer Rückkehr nach Serbien der Beschwerdeführer bei seinen Eltern Unterkunft nehmen kann (OZ 10, S. 9, S. 13).
Dass der Beschwerdeführer seine Lebensbedürfnisse befriedigen kann, selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen kann, einer Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten kann, ergibt sich aufgrund der jahrelangen (wenngleich) unerlaubten Tätigkeit als Arbeiter auf Baustellen und der Schulausbildung des Beschwerdeführers. Zudem ist der Beschwerdeführer wie unter Punkt 1.1.1 festgestellt auch gesund und arbeitsfähig. Es sind keinerlei Hinweis zu Tage getreten, wonach der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr seine Lebensbedürfnisse nicht befriedigen könnte.
Dass der Beschwerdeführer in Serbien Schulden hat, war aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers festzustellen. Dass sich daraus, wie im Beschwerdeschriftsatz behauptet Rückkehrhindernisse ergeben würden, hat sich in der Verhandlung allerdings nicht erhärtet bzw. hat der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung seine diesbezüglichen Angaben lediglich konkretisiert, indem er ausführte, dass ein Teil seiner Schulden aus seiner Handelstätigkeit noch offen sei:
„R: Hätten Sie sonst noch Probleme bei einer Rückkehr nach Serbien?
BF: Ich habe auch mit Eisen und mit Kupfer gehandelt. Ich habe auch Schulden gemacht. Ein Teil der Schuld ist bezahlt, ein Teil ist noch offen. Ich war nicht lange in Serbien. Einmal war ich in Serbien und da war ich nur bei einem Notar, um meiner Frau eine Vollmacht in Bezug auf das Kind zu erteilen. Es ging um den Reisepass meines Sohns, welcher verlängert hätte werden sollen.“ (OZ 10, S. 16)
Dass weder der Beschwerdeführer noch die Frau des Beschwerdeführers hinsichtlich seines in Österreich gesetzten Strafrechtsdelikts bedroht wurden, war festzustellen, da die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar oder glaubhaft waren. Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben im strafgerichtlichen Verfahren keinerlei Namen genannt zu haben, bereits aus diesem Grund war daher eine Bedrohung im Zusammenhang mit seiner Straftat auszuschließen. Dass der Wert der vom Beschwerdeführer verkauften Drogen viel höher gewesen sei, war völlig unplausibel, da der Beschwerdeführer selbst den Wert der Drogen beim Bundesverwaltungsgericht mit 38.000,-- bis 40.000,-- Euro bezifferte (OZ 10, S. 13). Warum die Frau des Beschwerdeführers in Serbien bedroht worden sei, obwohl aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers der ursprüngliche Besitzer des Drogenpakets aus Mazedonien war, erhärtet den Eindruck der erkennenden Richterin, dass diese Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubhaft waren. Selbst nach Belehrung durch die Richterin, wonach es nicht Sache in einem Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme ist, ein Verfahren durchzuführen, das inhaltlich einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt und dem Hinweis auf die Möglichkeit der Antragstellung ist eine solche bis dato unterblieben, was auch gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Rückkehrbefürchtung spricht (OZ 10, S. 15 f).
Dass die Frau und der Sohn des Beschwerdeführers seit Februar 2019 in Serbien bei ihrem Vater leben, war aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2020 festzustellen (OZ 10, S. 9).
Ebenfalls gründet die Feststellung hinsichtlich der Unterstützungsmöglichkeiten auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 16).
2.4. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind auch hinreichend aktuell.
Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren keine substantiierten Angaben hinsichtlich allfälliger Rückkehrbefürchtungen gemacht bzw. wird dazu auf Punkt 2.2.3. verwiesen, sondern den Wunsch nach dem Aufbau eines Familienlebens in Österreich geäußert.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
3.1.1. Der mit „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ betitelte § 57 AsylG 2005 lautet:
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesam