TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/23 G307 2234401-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2020
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Entscheidungsdatum

23.09.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2234401-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA.: Rumänien, vertreten durch RA Mag. Philipp TSCHERNITZ in 9020 Klagenfurt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 22.07.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 5 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II.     Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (im Folgenden: BFA) räumte der Beschwerdeführerin (im Folgenden. BF) mit Schreiben vom 18.09.2019 Parteiengehör zur in Aussicht genommenen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ein. Zugleich wurde die BF aufgefordert, hiezu wie zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen binnen zwei Wochen ab Erhalt dieser Verständigung Stellung zu nehmen.

Eine Stellungnahme langte beim BFA bis dato nicht ein.

2. Mit Schriftsatz vom 21.07.2020 gab die BF ihre Vertretung durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) bekannt.

3. Mit oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem RV der BF zugestellt am 24.07.2020, wurde gegen diese gemäß § 67 Abs. 1 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 FPG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

4. Mit Schriftsatz vom 20.08.2020, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob die BF durch ihre RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtskraft des Erstaufenthaltsverbotes (gemeint wohl: Aufenthaltsverbotes) mit September 2021 festzusetzen, in eventu einen Durchsetzungsaufschub von einem Jahr zu gewähren, allenfalls die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA am 21.08.2020 vorgelegt, wo sie am 26.08.2020 einlangten.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 01.09.2020 wurde der BF in Form einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) Parteiengehör eingeräumt, indem darin Fragen zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen, ihrem letzten Aufenthalt, dessen Dauer und ihren kurzen Beschäftigungszeiten gestellt wurden.

7. Am 17.09.2020 lange die dahingehende, mit 16.09.2020 datierte Stellungnahme beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist rumänische Staatsangehörige, geschieden und Mutter eine Tochter namens XXXX , geb. am XXXX , welche in Rumänien aufhältig ist.

Ferner leben in der Heimat der BF noch deren Mutter XXXX , geb. XXXX , die Brüder XXXX , geb. XXXX und XXXX sowie die Schwester XXXX .

1.2. Nach Besuch der Grundschule in Rumänien und einer dortigen Ausbildung als Kellnerin verließ die BF im Jahr 2001 – nach Scheidung von ihrem damaligen rumänischen Ehemann – ihre Heimat und ging – nicht näher bekannten – Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Die mit dem Österreicher XXXX hier eingegangene Ehe wurde 2005 geschieden.

1.3. Die BF hielt sich von 04.04.2002 bis 16.01.2014 durchgehend im Bundesgebiet auf. Im Jahr 2011 lernte sie XXXX kennen, bei dem sie wohnte, mit ihm sexuell verkehrte und eine sogenannte „on-off-Beziehung“ führte. Die BF hielt sich vom 17.01.2014 bis 10.9.2019 in Deutschland auf. Sie war in dieser Zeit in XXXX und zuletzt in XXXX gemeldet. Lediglich für tageweise Besuche des durch die strafbaren Handlungen Geschädigten begab sich die BF nach Österreich. Seit 24.06.2020 verfügt die BF (wieder) über einen Nebenwohnsitz in XXXX und ist seit XXXX .2019 mit Hauptwohnsitz in der Justizanstalt XXXX gemeldet.

In Österreich hat die BF zumindest einen Neffen namens XXXX , geb. am XXXX , welcher in der XXXX wohnhaft ist. Dass darüber hinaus auch XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX . in XXXX leben und wohnhaft sind, konnte ebenso wenig festgestellt werden, wie der Umstand, dass auch deren Mutter XXXX immer wieder in Österreich aufhältig ist. Einen intensiven Kontakt zu diesen Personen konnte die BF nicht geltend machen.

1.4. Die BF stand von 15.04.2003 bis 10.08.2011 in 10 Beschäftigungsverhältnissen bei ebenso vielen Arbeitgebern, wobei sie insgesamt nur 258 Tage erwerbstätig war. Dazwischen lagen Zeiten des Arbeitslosengeld-, Notstands-, Überbrückungshilfe und Krankengeldbezuges. Es konnte nicht festgestellt werden, das die BF derzeit über ein regelmäßiges Einkommen verfügt oder Vermögen besitzt.

Die Arbeitsverhältnisse beginnend mit 19.03.2008 bis 11.08.2011 in Österreich waren deshalb von kurzer Dauer, weil die BF immer wieder krank war und die Beschäftigungsverhältnisse aufgrund der Krankenstände relativ rasch wieder aufgelöst wurden. Dass die Krankheiten oder behaupteten Operationen die BF gehindert hätten, weitere Tätigkeiten anzunehmen bzw. sich darum zu bemühen, konnte nicht festgestellt werden.

1.5. Die BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX (LG XXXX ) zu XXXX am XXXX .2020 wegen schweren, gewerbsmäßigen Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 147 Abs. 3, 148 2. Fall, 15 StGB im ersten Rechtsgang zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 3 Jahren verurteilt, wovon 2 Jahre bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren ausgesprochen wurden.

Die BF wurde darin für schuldig befunden, sie habe in XXXX und anderen Orten teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit namentlich noch nicht feststehenden Mittätern in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten längere Zeit hindurch nicht bloß geringfügige, bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von € 400,00 übersteigende Einnahmen zu verschaffen, mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den XXXX R. Z. durch Täuschung über den Verwendungszweck und den Forderungsgrund, teils auch durch Täuschung über ihre Rückzahlungsfähigkeit und –willigkeit zu nachstehenden Geldhingaben in einem insgesamt € 300.000,00 übersteigenden Betrag verleitet, wodurch dieser um den Betrag von zumindest € 610.904,90 an seinem Vermögen geschädigt wurde und ihr Vorsatz auf die Erlangung eines weiteren am XXXX .2019 geforderten Betrages in der Höhe von € 32.500,00 gerichtet war, und zwar:

1.       in der Zeit vom XXXX .2018 bis zum XXXX .2019 durch das im Internetwege und mittels Sprachbotschaften als „ XXXX “ vorgeblich bekundete Interesse an der Annahme einer Beschäftigung in Österreich und Übersiedlung aus Rumänien dorthin, wozu sie eine Starthilfe benötige, zur darlehensweisen Überweisung und Versendung von Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt € 7.867,00,

2.       in der Zeit vom XXXX .2018 bis zum XXXX .2018 (hier muss ein Tippfehler vorliegen, weil das Enddatum vor dem Beginndatum liegt) durch das im Internetwege und mittels Sprachkontakt als „ XXXX “ vorgegebene Interesse, einen Kredit zum Aufbau einer beruflichen Existenz in Österreich zu benötigen, zur Überweisung und Verschickung von als Darlehen gewidmeten Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt € 12.480,00,

3.       in der Zeit vom XXXX .2018 bis zum XXXX .2018 durch das im Internetwege und mittels Sprachnachricht als „ XXXX “ vorgegebene Interesse an einer Beschäftigung in Österreich zur Finanzierung hoher Behandlungskosten zur Zuzählung eines Überbrückungskredites in der Höhe von insgesamt € 36.442,00 durch Überweisung auf bekanntgegebene Konten und Verschickung mittels Geldtransferleistern,

4.       am XXXX .2018 und am XXXX .2018 durch das im Internetweg und mittels Sprachnachrichten als „ XXXX “ vorgegebene Interesse, in Österreich arbeiten zu wollen, zur darlehensweisen Überweisung und Verschickung von Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt € 2.905,00,

5.       in der Zeit vom XXXX .2017 bis zum XXXX .2019 durch die Vorgaben, eine finanzielle Starthilfe für ein von ihr zu gründendes Altstoffverwertungsunternehmen zu benötigen und für ausständige Heilmittel- und Spitalskosten für sich und ihre Angehörigen, Reparaturkosten, etc. aufkommen zu müssen, zur Gewährung ihr in Teilbeträgen zugezählter Darlehen in der Höhe von insgesamt € 40.785,00 durch Überweisung auf von ihr bekanntgegebene Konten, persönliche Übergabe oder Verschickung mittels Geldtransferleistern,

6.       in der Zeit vom XXXX .2018 bis zum XXXX .2019 durch die Vorgabe, sie wäre in Kontakt mit hochgestellten Richtern und Beamten der Polizei und diese würden dafür sorgen, dass die ihm zu den Punkt 1 bis 4. Genannten, durch Nichtrückzahlung entstandenen Schäden samt Aufwandersatz zurückgestellt würden, wobei sie zur Täuschung auch falsche Urkunden und Beweismittel, nämlich total gefälschte Schreiben angeblich oberster rumänischer Justiz- und Polizeifunktionäre samt angeblichen Übersetzungen sowie identitätsverfälschende Beschreibungen und Fotos von unbekannten Personen benützte, in wiederholten Angriffen zur Bezahlung angeblicher Gebühren, Steuern, good-will-Geldern zur Verfahrensbeschleunigung, Schadensersatzbeträgen, etc. in der Höhe von insgesamt € 510.425,00 durch Überweisung und Versendung mittels Geldtransferunternehmen, wobei es hinsichtlich eines weiteren zur Übergabe am XXXX .2019 persönlich zu übergebenden Betrages in der Höhe von € 32.500,00 bei Versuch geblieben ist.

Als erschwerend wurde die mehrfache Qualifikation beim Verbrechenstatbestand des Betruges, als mildernd der im Zweifel bisherige ordentliche Lebenswandel der BF, das abgelegte vollinhaltliche und reumütige Geständnis sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, gewertet.

Es wird festgestellt, dass die BF die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt und die angeführten Straftaten begangen hat.

Dem Geschädigten wurden € 554.210,00 an Privatbeteiligtenansprüche zugestanden.

Die BF wurde am XXXX .2019 festgenommen. Der frühest mögliche Entlassungstermin ist der XXXX .2021.

Mit Urteil des OLG XXXX vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der seitens der Staatsanwaltschaft XXXX erhobenen Berufung insoweit stattgeben, als die bedingte Strafnachsicht ausgeschaltet wurde. Dieses Urteil wurde am XXXX .2020 rechtskräftig.

1.6. Der BF wurde mit Schreiben vom 18.09.2019, von dieser persönlich übernommen am 19.09.2019 Parteiengehör zur in Aussicht genommenen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeräumt, woraufhin sie keine Antwort erstattete.

1.7. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten leidet oder arbeitsunfähig wäre. Ferner konnte nicht festgestellt werden, dass die BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.8. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF in Deutschland ein regelmäßiges Einkommen als Selbstständige in der Baubranche bezogen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Familienstand, Existenz einer Tochter und deren Aufenthalt, Verbleib der oben aufgezählten weiteren Verwandten in Rumänien, Aufenthalt zumindest eines Neffens in Österreich, Einreise, vormals ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet, Verbleib der BF in Deutschland, schulische Bildung und Berufsausbildung in Rumänien, die eingegangenen Beziehungen und Ehen sowie fehlenden familiären und sozialen Bezugspunkten der BF in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dem Beschwerdeinhalt, dem Inhalt des auf den Namen der BF lautenden ZMR-Auszuges, dem Urteil des LG XXXX und der Antwort auf die VEB vom 01.09.2020.

Da die am 21.09.2020 getätigte Anfrage im ZMR nur XXXX , nicht jedoch die beiden anderen vermeintlichen Neffen zu Tage förderte und die Schwester der BF seit 10.03.2018 nicht mehr in Österreich gemeldet ist, konnte weder festgestellt werden, dass sich XXXX und XXXX in Österreich aufhalten, noch, dass sich deren Mutter und zugleich Schwester der BF, Maja Marinella, immer wieder in Österreich aufhält. Dass die BF in der Vergangenheit zu XXXX eine intensive Beziehung pflegte, konnte sie nicht dartun.

Der aktuelle Nebenwohnsitz der BF folgt dem Inhalt des ZMR. Ferner ergibt sich aus den AS 112 und 113 (Urteil des LG XXXX ), dass sich die BF während ihres Aufenthaltes außerhalb Österreichs nach Aufgabe ihrer letzten Meldeadresse im Jahr 2014 lediglich für kurze, nur einige Tage dauernde Besuche wieder ins Bundesgebiet begab.

Die persönliche Übernahme des unter I.1.6. erwähnten Parteiengehörs ergibt sich aus der im Akt einliegenden Zustellbestätigung (AS 43). Da sich im Akt keinerlei diesbezügliches Antwortschreiben befindet und eine dahingehende Stellungnahme auch im Rechtsmittel nicht gerügt wurde, ist davon auszugehen, dass die BF von einem Parteiengehör Abstand genommen hat.

Die BF hat in keinem Stadium des Verfahrens eingewandt, (völlig) arbeitsunfähig oder krank zu sein, weshalb dahingehend nichts festgestellt werden konnte. Auch sprechen die behauptete selbständige Tätigkeit in Deutschland und der Wunsch, bei überwachtem Hausarrest eine Beschäftigung auszuüben, gegen den Bestand einer Arbeitsunfähigkeit. Die BF hat zwar im Rahmen der jüngsten, an das BVwG gerichteten Stellungnahme behauptet, in Deutschland zuletzt durch Ausübung der besagten selbständigen Tätigkeit ein Einkommen erwirtschaftet zu haben, lieferte jedoch weder dafür, noch für die Höhe der daraus bezogenen Einnahmen (etwa durch Vorlage eines deutschen Unternehmensregistersauszuges und buchhalterischer Unterlagen) Beweise, weshalb diesbezüglich nichts festgestellt werden konnte.

Belege für Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus legte die BF nicht vor.

Dem Inhalt des auf den Namen der BF lautenden Sozialversicherungsauszuges wiederum sind deren Erwerbstätigkeiten sowie die wiederholten Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, der Notstands- Überbrückungshilfe und von Krankengeld zu entnehmen. In der Antwort auf das Parteiengehör führte die BF zu den nur kurzen und in ihrer Gesamtheit wenigen Beschäftigungen aus, sie habe sich in Österreich einigen Operationen unterziehen müssen, deshalb krankheitsbedingt nicht arbeiten können und seien die bestehenden Arbeitsverhältnisse daher aufgelöst worden. Die BF konnte jedoch nicht darlegen, welcher Natur die Operationen waren, wie kompliziert diese verlaufen sind und, dass diese sie gehindert hätten, anderen – ihrem Gesundheitszustand – angepassten Tätigkeiten nachzugehen. Ärztliche Atteste, Aufenthaltsbestätigungen, Befunde oder sonstige medizinische Unterlagen legte sie nicht vor.

Im Urteil des LG XXXX heißt es zwar, die BF ging seit 2001 Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Dem Sozialversicherungsdatenauszug ist jedoch erst mit 15.04.2003 (bis 15.10.2003) die erstmalige Ausübung einer Beschäftigung zu entnehmen. Dass die BF schon seit 2001 in Österreich beschäftigt (sei es selbständig oder unselbständig) war, konnte daher nicht festgestellt werden. Es war zudem nicht feststellbar, dass die BF bis zum Abschluss des elektronisch überwachten Hausarrests einer geregelten Tätigkeit nachgehen könnte, legte sie hiefür ebenso keine Bescheinigungsmittel vor.

Die Verurteilung des BF samt den näheren Ausführungen dazu sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen folgen dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie aus einer Ausfertigung der oben zitierten Strafurteil des LG XXXX und OLG XXXX .

Zeitpunkt der Festnahme und jener der frühest möglichen Entlassung aus der Haft ergeben sich aus der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX vom XXXX .2020.

Die von Seiten des LG XXXX dem Geschädigten zugesprochene Privatbeteiligtenforderung findet in dessen Urteil Niederschlag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A I.):

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Die BF als rumänische Staatsangehörige ist sohin EWR-Bürgerin iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.1.3. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen dem Grund nach abzuweisen:

Der mit „Schutz vor Ausweisung“ betitelte Art 28 der Freizügigkeitsrichtlinie lautet:

(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a)       ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b)       minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

In seiner Entscheidung vom 16.01.2014, Zahl Rs C-400/12 hat der EuGH zur Frage nach dem auf einen Fremden anzuwendenden Gefährdungsmaßstab im Hinblick auf Art. 28 Abs. 3 lit. a der RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) unter anderem erwogen:

Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der genannten RL bzw. dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss demnach grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079, mwN).

Das entscheidende Kriterium für die Gewährung des durch Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 verbürgten verstärkten Schutzes ist nichts desto weniger, ob sich der Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne von Art. 16 und Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie verfügt, wie von besagtem Art. 28 Abs. 3 gefordert, in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung in diesem Mitgliedstaat aufgehalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis,
C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 31, und vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 23).

Daraus folgt insbesondere, dass der für die Gewährung des verstärkten Schutzes gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 erforderliche Aufenthalt von zehn Jahren vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung der betreffenden Person an zurückzurechnen ist (Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 24). Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 27).

Der Gerichtshof hat so entschieden, dass hinsichtlich der Frage, inwieweit Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats in dem in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 genannten Zeitraum den Betroffenen daran hindern, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen ist, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 32).

Dafür haben die mit der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 betrauten nationalen Behörden alle in jedem Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer jeder einzelnen Abwesenheit des Betroffenen vom Aufnahmemitgliedstaat, die Gesamtdauer und die Häufigkeit der Abwesenheiten sowie die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, diesen Mitgliedstaat zu verlassen. Zu prüfen ist nämlich, ob die fraglichen Abwesenheiten bedeuten, dass sich der Mittelpunkt der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen des Betroffenen in einen anderen Staat verlagert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 33)

Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 33 bis 38).

Insbesondere bei einem Unionsbürger, der früher, noch vor der Begehung einer seine Inhaftierung begründenden Straftat, bereits die Voraussetzung eines ununterbrochenen Aufenthalts von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat erfüllte, kann nämlich der Umstand, dass er von den Behörden dieses Staates in Haft genommen wurde, nicht als geeignet angesehen werden, ohne Weiteres seine zuvor zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abreißen zu lassen sowie die Kontinuität seines Aufenthalts in dessen Hoheitsgebiet im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 zu unterbrechen und ihn damit um den verstärkten Ausweisungsschutz zu bringen, der durch diese Bestimmung verbürgt ist.

In letzterer Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, dass, wie vom Gerichtshof bereits festgestellt, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, nicht nur im Interesse dieses Staates, sondern auch im Interesse der Europäischen Union insgesamt liegt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50).

In den vorstehend in den Rn. 77 bis 81 angesprochenen Fallgestaltungen hängt also die Gewährung oder Nichtgewährung des in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen verstärkten Schutzes weiterhin von der Dauer des Aufenthalts und vom Grad der Integration des betroffenen Bürgers im Aufnahmemitgliedstaat ab.

Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass im Fall eines Unionsbürgers, der eine Freiheitsstrafe verbüßt und gegen den eine Ausweisungsverfügung ergeht, die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt sein kann, sofern eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte zu dem Schluss führt, dass die Integrationsbande, die ihn mit dem Aufnahmemitgliedstaat verbinden, trotz der Haft nicht abgerissen sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere die Stärke der vor der Inhaftierung des Betroffenen zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande, die Art der die verhängte Haft begründenden Straftat und die Umstände ihrer Begehung sowie das Verhalten des Betroffenen während des Vollzugs.

Nach dieser Bestimmung "darf eine Ausweisung nicht verfügt werden" gegen einen Unionsbürger, der seinen Aufenthalt "in den letzten zehn Jahren" im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, es sei denn, es liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vor.

Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass unter "den letzten zehn Jahren" die zehn Jahre vor der Ausweisungsverfügung zu verstehen sind, so dass die Voraussetzung des ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung zu prüfen ist.

Nach alledem ist auf die vierte Frage in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass die Frage, ob eine Person die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt, zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem die ursprüngliche Ausweisungsverfügung ergeht."

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0097 zu diesem Thema unter anderem festgehalten:

„Demnach ist bei dieser "umfassenden Beurteilung", ob die mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen durch den Freiheitsentzug "abgerissen" sind, auch zu berücksichtigen, wie lange sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Des Weiteren kommt es dabei auf die Gesamtdauer der "Unterbrechungen" des Aufenthalts und auf deren Häufigkeit an (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/21/0079).“

Die BF hielt sich von 09.04.2002 bis 16.01.2014, also rund 12 Jahre lang, im Bundesgebiet auf. Danach verließ sie Österreich und war bis zu ihrer Festnahme am XXXX .2019, also mehr als 5 ½ Jahre lang, nicht mehr hier aufhältig. Sie ging im Bundesgebiet seit 11.08.2011 keiner Arbeit mehr nach pflegte zu keiner im Bundesgebiet wohnhaften Person eine intensive Bindung. Vom Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BFA zurückgerechnet war die BF innerhalb der letzten 10 Jahre davor rund 4 Jahre und 4 Monate im Bundesgebiet aufhältig, wobei sie innerhalb dieser Zeitspanne nur 33 Tage beschäftigt war. Sie bezog somit während dieses Zeitraums auch kein Arbeitslosengeld, womit ihr auch die Rechtswohltat des § 53a Abs. 1 NAG nicht zugutekommen kann.

Zu beachten ist auch, dass die BF im Jahr 2014 durch das Verlassen des Bundesgebietes unmissverständlich den Willen, sich von Österreich zu lösen, in die Tat umgesetzt hat.

Da von BF, der aufgrund ihrer rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, somit die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet von 10 Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diese der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. bis 4. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

3.1.4. Gegen die BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 67 Abs. 1 1. bis 4. Satz FPG nur zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FrPolG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, beide idF FrÄG 2011, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

3.1.5. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

„Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101).“ (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082 und 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082 und VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120).

„Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.“ (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049).

„Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN).“ (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409)

„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel).“ (19.12.2019, Ra 2019/21/0238)

„Gemäß ihrem Einleitungssatz bezieht sich die Bestimmung des § 9 Abs 4 BFA-VG 2014 idF FrÄG 2015 lediglich auf Drittstaatsangehörige, also auf Fremde, die nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind (§ 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 2 BFA-VG 2014). Demzufolge wird dann auch als einzige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die in den Fällen der Z 1 und 2 nicht erlassen werden darf, eine Rückkehrentscheidung angesprochen. Dessen ungeachtet kann es aber zur Vermeidung von sonst nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen nicht zweifelhaft sein, dass § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 über seinen Wortlaut hinaus - entsprechend modifiziert verstanden - auch jenen Personenkreis umfasst, gegen den eine Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FrPolG 2005 in Betracht käme (also EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige; vgl. E 9. November 2011, 2011/22/0264). § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 normiert demnach allgemein, wann trotz einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinesfalls erlassen werden darf. In der Fassung des FrÄG 2015 stellt diese Bestimmung den - vorläufigen - Schlusspunkt einer Entwicklung dar, die durch den Wechsel zwischen absolut und relativ gefassten Aufenthaltsverfestigungstatbeständen (relativ in dem Sinn, dass es ergänzend noch darauf ankommt, dass dem Fremden keine spezifische Gefährdungen anzulasten sind) gekennzeichnet ist.“ (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050)

3.1.6. Die BF hielt zum Zeitpunkt ihrer Festnahme am XXXX .2019 – beginnend mit 17.01.2014 – somit seit 5 Jahren und 8 Monaten nicht mehr in Österreich auf. Das ins Bundesgebiet zuvor aufrechte Band war damit gerissen. Der letzte Lebensmittelpunkt vor Haftantritt lag in Deutschland. Doch auch in den Jahren zuvor ist auf Seiten der BF keine nennenswerte Integration erkennbar. So war sie nur für einen kaum beachtlichen Zeitraum beschäftigt, wurde bereits 2005 geschieden, ist ihre Tochter in Rumänien und war der während der Begehung der Straftaten bestehende Bezug zu Österreich allein durch den in XXXX gelegenen Tatort begründet. Da schon zuvor nicht von einem durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt von 10 Jahren und einer nicht hinreichenden Sicherung des Lebensunterhaltes auszugehen war, (siehe auch § 10 Abs 1 Z 7 StbG) wird auch § 10 StbG idF. BGBl. I 136/2013 nicht schlagend (in dem Sinne, dass der BF vor ihrer gegenständlichen Verurteilung die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können).

Die BF erfüllt sohin den Aufenthaltsverfestigungstatbestand iSd § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG idF. BGBl. I Nr. 70/2015 (BFA-VG 2014), welchem – im Sinne der oben zitierten Judikatur des VwGH – trotz mittlerweile erfolgter Aufhebung der besagten Bestimmung nach wie vor maßgebliche Relevanz bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen einer Abwägung iSd. § 9 BFA-VG zukommt, nicht (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).

3.1.7. Die BF wurde unbestritten wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Betr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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