TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/30 W122 2207740-1

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Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W122 2207744-1/16E

W122 2207738-1/12E

W122 2207740-1/10E

W122 2229315-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Iran, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (nachfolgend: BF1), seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin (nachfolgend: BF2) und sein unmündig minderjähriger Sohn, der Drittbeschwerdeführer (nachfolgend: BF3), allesamt iranische Staatsangehörige, stellten am 04.06.2018 nach illegalem Aufenthalt nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 04.06.2018 gab der BF1 an, dass er mit seiner Familie zu touristischen Zwecken nach Österreich gekommen sei, er aber eine Woche vor seiner Abreise erfahren habe, dass er von der iranischen Polizei gesucht werde. Er habe in den sozialen Medien ein paar kurze Filme und Kommentare zur Belustigung über den islamischen Propheten Mohammed verschickt. Er habe Angst vor einer Rückkehr in den Iran, weil sein Leben dort in Gefahr sei. Die BF2 berief sich ebenfalls ausschließlich auf die Fluchtgründe des BF1.

3. Am 13.08.2018 erfolgte die Einvernahme des BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser vermeinte der BF1, mit der BF2 verheiratet zu sein. Er sei legal am 28.03.2018 mit einem Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet eingereist, um seinen in Österreich als anerkannten Flüchtling lebenden Schwager besuchen zu können. Nach Ablauf seines Visums wäre er mit seiner Familie nicht zurückgegangen, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Die Familie habe aber noch abgewartet, ob sich die Situation ändern würde und sie wieder in den Iran zurückkönne. Er sei Moslem schiitischen Glaubens, wobei er aber diesen Glauben nicht ausüben würde. Im Iran habe er als Verkaufsleiter für Laptops gearbeitet. Er sei gesund und seine Heiratsurkunde sei im Iran verbleiben. Seine Eltern und sein Schwiegervater seien bereits verstorben. Seine Schwiegermutter sei noch am Leben. Seine beiden Schwestern würden im Iran aufhältig sein und wären bereits verheiratet. Zu seiner Schwiegermutter habe er noch regelmäßig Kontakt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF1 aus, dass es eine innerfamiliäre Telegram-Messenger-Gruppe gegeben habe. In diese habe er vor einigen Wochen zwei lustige Videos über Mohamad und Polygamie, die er von Youtube heruntergeladen habe, hochgeladen. Während die Familie in Österreich gewesen sei, habe er erfahren, dass Beamte in ihr Haus gekommen seien und nach den BF gesucht hätten. Auch in der Arbeit hätten zwei Beamte nach dem BF1 gefragt. Wenig später habe er die BF2 und seine Schwiegermutter weinend angetroffen, weil er erfahren hätte, dass der Bruder der BF2 in den sozialen Medien wegen Beleidigung des Propheten gesucht werden würde. Dies würde ebenso für den BF1 und die BF2 gelten, sodass sie die Telegram-Gruppe gelöscht und das Telefon wieder auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt hätten. Die Schwiegermutter sei wieder zurück in den Iran geflogen, wo sie keinen Kontakt mehr zu ihren Söhnen gehabt hätte. Nachdem die Schwiegermutter ihm mitgeteilt hätte, dass Beamte ihr Haus durchsucht und einen Laptop des Schwagers mitgenommen hätten, hätten die BF den Entschluss zur Asylantragstellung gefasst.

Auf Nachfrage gab der BF1 an, dass er, die BF2 sowie deren beiden Brüder sich bei der Behörde zu melden gehabt hätten. Abgesehen von diesen Videos habe es in dieser Gruppe nur belanglose Unterhaltungen gegeben. Wie die Polizei von diesen Videos erfahren habe, könne sich der BF1 nicht erklären. Auf die Frage, warum er wisse, dass die Polizei bei ihm zu Hause gewesen sei, gab der BF1 – auch auf Vorhalt – mit Vehemenz an, dass er dies nie gesagt habe, sondern immer über das Haus seines Schwagers gesprochen habe. Die Beamten seien am 17.04.2018 bei der Öffnung des Geschäftes, wo der BF1 gearbeitet hätte, vor Ort gewesen und hätten nach dem BF1 gefragt. Eine persönliche Bedrohung oder eine Vorladung habe es nicht gegeben. Die Polizei sei aber vier Tage vor der Asylantragstellung bei seiner Schwiegermutter gewesen. Er sei nicht nach Hause geflogen, weil man ihm gesagt habe, dass es im Iran ein Todesurteil gebe. Warum man nach ihm suche, habe man seiner Schwiegermutter nicht gesagt. Nach den vier genannten Personen würde man suchen, weil diese alle auf das Video reagiert hätten. Nach seiner Schwiegermutter suche man nicht, weil diese nicht in der Gruppe gewesen sei. Die beiden Schwager seien derzeit auch auf der Flucht. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben. Er habe Angst, dass er im Iran erhängt werde, weil dort auf die Beleidigung des Propheten die Todesstrafe stehe. Wer dieser Gruppe verraten habe, wisse er nicht. Dass er gesucht werde, wisse er von seiner Schwiegermutter. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stünde ihm nicht offen, weil er am Flughafen sofort verhaftet werden würde. Die Clips wären deswegen so schlimm gewesen, weil sie den Propheten und islamische Lehren auf eine lustige, aber sexuell derbe Weise verunglimpfen würden. Andere Probleme habe er nicht gehabt, auch habe er andere Videos auf sozialen Medien nicht geteilt. Ohne diese Probleme könnte er sich vorstellen, dass er wieder in seinem Heimatstaat leben könne. Zu den ihm vorgehaltenen Länderfeststellungen gab der BF keine Stellungnahme ab. Mit der Asylantragstellung habe er 31 Tage nach Ablauf des Visums gewartet, weil er abwarten habe wollen, ob sich die Situation noch ändern würde. Insbesondere habe er gehofft, dass die Sache durch eine Geldstrafe hätte bereinigt werden können. Auf den Vorhalt, dass er dadurch das Recht in Österreich gebrochen hätte, vermeinte der BF1, dass er daran nicht gedacht habe, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Wenn er gewusst hätte, was diese Videos in der Familiengruppe anrichten würde, dann hätte er diese nicht gepostet. Das Haus der Schwiegermutter sei gestürmt worden und sie sei der Meinung gewesen, dass die Beamte in Zivil gewesen seien, weil sie Funkgeräte mitgehabt hätten.

Die BF2 gab an, dass sie mit einem Visum nach Österreich gekommen sei, weil sie Verwandte besucht habe. Die Asylanträge habe die Familie gestellt, weil ihre Mutter ihr mitgeteilt habe, dass Beamte in der Wohnung der Familie gewesen wären und nach ihnen gesucht hätten. Sie sei schiitische Muslima, aber nicht sehr gläubig. Mittlerweile habe sie den Kontakt zur Familie aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Ihre Mutter habe gesagt, dass Beamte bei ihrer Mutter gewesen seien und Nachschau gehalten hätten, aber niemand geöffnet habe. Ein Arbeitskollege ihres Manns habe den BF1 angerufen und mitgeteilt, dass zwei Beamte im Geschäft nach ihm gesucht hätten. Ihr Bruder habe sich erkundigt und der Mutter mitgeteilt, dass man nach ihnen suche, weil man den Propheten und die Religion beleidigt habe. Von wem der Bruder diese Information bekommen habe, wisse sie nicht. Es würde um zwei Videos gehen, die in einer Telegramgruppe, die sonst nur zum Schicken von Bildern ihres Sohnes verwendet worden wäre, gepostet wurden. Diese Gruppe habe aus ihr, ihren beiden Brüdern und dem BF1 bestanden. Diese Videos wären lustig gewesen und um das Iranische Neujahrsfest gepostet worden. Von der Verfolgung im Iran hätten sie eine Woche vor ihrem regulären Abflug in ihre Heimat erfahren. Ihre Mutter sei nach Hause geflogen und hätte erfahren, dass man nach den BF suche. Danach sei das Haus der Mutter durchsucht worden und der Laptop des Bruders der BF2 mitgenommen worden. Ihr Bruder habe sich auch bei einem Anwalt erkundigt und dieser habe ihm mitgeteilt, dass man dafür erhängt werde. Wo sich ihre Brüder derzeit aufhalten, wisse sie nicht. Sie wisse auch nicht, ob es einen Haftbefehl gegen ihre Brüder gebe. In den sozialen Medien habe sie nichts gepostet, nur in dieser privaten Gruppe.

4. Mit Bescheiden des BFA vom 10.09.2018 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpukt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass der BF1 bezüglich seines Fluchtvorbringens nicht glaubwürdig gewesen sei und dieses konstruiert erscheine, zumal es nicht nachvollziehbar sei, dass die Regierung private Messengergruppen überprüfe. Insbesondere habe der BF1 selbst angegeben, dass in dieser Gruppe ansonsten nur Belangloses gepostet werde. Auch habe der BF1 auf Nachfrage nur gemeint, dass jemand die Gruppe verraten habe, er jedoch diesbezüglich keine näheren Angaben habe machen können. Ebenso spreche es gegen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, dass er zuerst anführte, dass die Beamten das Haus seiner Familie durchsucht hätten, er danach behauptet hätte, dass nur das Haus der Schwiegermutter durchsucht worden sei. In diesem Zusammenhang habe die BF2 widersprüchlich ausgeführt, dass sie von ihrer Mutter erfahren habe, dass die Beamten im Haus der BF gewesen wären.

Des Weiteren sei es auch nicht nachvollziehbar gewesen, warum die BF erst Wochen nach den angeblichen Durchsuchungen im Iran einen Asylantrag gestellt hätten. Insbesondere, weil der BF1 auch anführte, dass die Familie nicht mit der Schwiegermutter zum regulären Abreisetermin in den Iran zurückgereist sei, weil er erfahren habe, dass es dort ein Todesurteil geben würde. In diesem Zusammenhang sei auch die alleinige Rückreise der Schwiegermutter nicht nachvollziehbar gewesen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass der BF1 zuerst ausführte, dass sich die Schwiegermutter in der Telegramgruppe befunden hätte. Danach habe sich der BF1 diesbezüglich widersprochen und gemeint, dass die Schwiegermutter nicht in dieser Gruppe gewesen wäre und stritt auch ab, jemals gesagt zu haben, dass sie in der Gruppe gewesen wäre.

Ebenso würde dieses Vorbringen nur auf bloßen Vermutungen basieren, zumal der BF1 keine Beweismittel für eine Verfolgung seinerseits vorlegen habe können. Gründe zur Gewährung von subsidiärem Schutz oder zum Absehen einer Rückkehrentscheidung seien ebenfalls nicht vorgelegen. Über die BF2 wurde festgehalten, dass sie keine auf ihre Person bezogenen Fluchtgründe vorgebracht habe und ihre Angaben dem Fluchtvorbringen des BF1 folgen würden.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 13.09.2018 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 13.09.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

6. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhoben die BF mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 08.10.2018 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei wurde angeführt, dass die BF ihr Vorbringen glaubwürdig und im Kern gleichbleibend dargelegt hätten. Die belangte Behörde hätte es auch verabsäumt, sich mit der innerstaatlichen Fluchtalternative, der Situation der Frauen und dem Kindeswohl im Iran näher auseinanderzusetzen. Den BF würde im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche Bestrafung aufgrund ihrer politischen Überzeugung drohen, weil sie vom Islam abgefallen wären. Der BF2 würde noch eine Verfolgung drohen, weil sie zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen zählen würde.

7. Am 09.10.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und gab eine Stellungnahme ab. Der Nachfluchtgrund einer Konversion würde nicht zu einer Schutzgewährung führen, zumal eine intensive Verfolgungsgefahr im Iran nicht gegeben wäre. Dass die BF2 aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder der Eigenschaft als Frau im Iran verfolgt oder diskriminiert werden würde, müsse als unzulässige Steigerung abgewiesen werden, zumal die BF2 dies in ihrer Einvernahme vor dem BFA in keiner Weise angeführt habe.

8. Am 07.11.2019 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung ein Konvolut an Integrationsunterlagen sowie die Taufscheine der BF samt Anwesenheitslisten bei Veranstaltungen der Kirchengemeinde. Diese wurden am 27.02.2020 erneut in Vorlage gebracht und um Fotos von der Taufzermonie erweitert.

9. Für die am 28.12.2019 geborene BF4 wurde am 08.01.2020 ein Asylantrag im Zuge des Familienverfahrens erstellt. In der am 20.02.2020 vor dem BFA stattgefundenen Einvernahme gab die BF2 an, dass die BF4 gesund sei und sich auf dieselben Fluchtgründe wie der BF1 berufe. Die Familie sei gut integriert, sei getauft, besuche regelmäßig kirchliche Veranstaltungen und habe viele Freunde gefunden.

10. Mit Bescheid des BFA vom 21.02.2020 wurden der Antrag der BF4 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpukt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass für die BF4 keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden und sie daher dem rechtlichen Schicksal des BF1 folge. Gegen diesen Bescheid wurde am 28.02.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben und der Verfahrensakt seitens der belangten Behörde am 04.03.2020 dem BVwG vorgelegt.

11. Das BVwG führte in den gegenständlichen Rechtssachen am 24.08.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF und ihre rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie eine Zeugin, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Der BF1 gab an gesund zu sein. Er sei iranischer Staatsangehöriger, verheiratete und habe zwei Kinder. Er sei Perser und Christ. Seine Muttersprache sei Persisch und er spreche ein bisschen Deutsch. Die A1-Prüfung habe er aber noch nicht gemacht.

Zu den aktuellen Berichten über das Herkunftsland des BF1, führte dieser aus, dass es keine Menschenrechte im Iran gebe. Sowohl die Christen, als auch alle andere Religionen würden vom Staat verfolgt bzw. schikaniert werden. Eine Konversion im Iran würde eine Hinrichtung mit sich bringen. Es gebt keine Religionsfreiheit bzw. keine Freiheit für Frauen. Frauen seien dort Sklaven.

Im Iran würden noch zwei Schwestern aufhältig sein. Zu diese habe er seit sechs Jahren keinen Kontakt mehr. Es sei elf Jahre in die Schule gegangen und danach Schweißer und Tischler gewesen. Zuletzt habe er seinen Lebensunterhalt als Verkäufer von Laptops und Handys bestritten. Er sei von 2003 bis 2005 beim Militär gewesen und habe 2008 geheiratet.

Er habe zwischenzeitlich auch immer wieder Computerspiele und CDs am Bazar verkauft. Anfangs habe er nicht gewusst, dass es verboten sei, solche Spiele zu verkaufen. Es habe Kontrollen gegeben, wobei aber nur der Geschäftsbesitzer bestraft worden sei. Die wirtschaftliche Situation des BF1 sei im Iran gut gewesen.

In Österreich habe der BF1 einen Schwager. Diesen habe er wegen der Corona-Krise seit 19.03.2020 nicht mehr gesehen. Er kenne den gregorianischen Kalender und wisse, dass im Jahr Null Jesus geboren worden sei. In Österreich arbeite er nicht. Er lerne und besuche Kurse, die er durch Bestätigungen nachweisen könne. Er könne noch Empfehlungsschreiben, eine Kindergartenbestätigung und ein Schreiben der Pfarrerin vorlegen. Ebenso wurden iranische Unterlagen zur dortigen beruflichen Tätigkeit der BF vorgelegt. Neben seinem Schwager habe er in Österreich auch Freunde, mit denen er den Bibelkurs besuche. Es gebe immer gegenseitige Treffen einer Gruppe von sieben Personen. Zuletzt habe es so ein Treffer vor zwei Monaten gegeben. Ansonsten würde man sich noch zum Geburtstag gratulieren, im Bibelkurs oder in der Kirche sehen oder einfach auf der Straße hinausgehen. Der letzte Bibelkurs sei am 17. Juni gewesen.

Was Epiphanie bedeute, wisse der BF1 nicht. Was die Kirche im Jänner feiere, beantwortete der BF1 dahingehend, dass es ist ein katholischer Monat sei. Vermeinte danach, dass er glaube, dass Epiphanie der Name des Priesters dort sei- Auf die Frage, was Anfang Jänner, kurz nach Weihnachten, gefeiert werde, gab der BF1 an, dass Weihnachten gefeiert werde und danach Ostern kommen würde. Auf Nachfrage, ob Ostern im Jänner gefeiert werden, gab der BF an, dass er sich daran nicht erinnern könne. Er vermeinte noch, dass dies die Feier sei, als Jesus auf einem Esel nach Jerusalem eingeritten sei.

Gefragt nach der Missionierung, antwortete der BF1 auf Nachfrage, dass dies die Aufgabe der Protestanten sei. Ob die katholische Kirche auch missioniere, wisse der BF1 nicht. Er sei zur evangelischen Kirche gekommen, weil es im Islam die Scharia mit sehr vielen Geboten und Verboten geben würde und es diese Gebote und Verbote auch im Katholizismus geben würde, während sich die evangelischen Personen nur an die Bibel halten würden.

In der Bibel habe es nur im Alten Testament Gebote gegeben. Ob man nach dem Neuen Testament tun und lassen könne, was man möchte, habe der BF1 vergessen. Jesus Christus hätte ihnen die freie Hand gegeben, was aber trotzdem nicht bedeute, dass man alles machen dürfe, was man wolle. Die Religion von Jesus Christus sei nur die Liebe und Zuneigung.

Missionieren würde er so, in dem er vermeint, wenn man nach dem Weg frage, würde man einen lebendigen Menschen oder einen Toten dafür auswählen. Jeder würde den Lebendigen auswählen und er würde sagen, dass es sich hierbei um Jesus Christus handeln würde.

Am Sonntag sei in der Kirche über die Juden und deren Nachkommen gesprochen worden. Er lese regelmäßig in der Bibel, zuletzt gestern, wo es um die Vergebung einer Frau gegangen sei, die einen Ehebruch begangen habe. Dies zeige, die Vergebung im Christentum im Allgemeinen, aber auch von Jesus Christus und es würde auch zeigen, dass man im Christentum mit Liebe und Zuneigung miteinander umgehen solle. Diejenigen, die die Frau zu Jesus Christus gebracht hätten, hätten Jesus Christus auf die Probe stellen wollen. Dabei hätten sie festgestellt, dass Jesus Christus dieser Liebe und Vergebung gezeigt hätte.

Als religiöse Feiertage in Österreich kenne er Weihnachten, Ostern und Pfingsten sowie den Reformationstag und die Adventsonntage. Katholische Feiertage gebe es auch, er kenne den 15. August, bei dem es um Marias Tod gehen würde. Zu Pfingsten sei der Heilige Geist zu den Jüngern herabgekommen.

Auf die Frage, was mit dem BF1 bei der Taufe passiert sei, schilderte dieser die Taufzeremonie. Auf Nachfrage, was in religiöser Hinsicht mit ihm passiert sei, führte er aus, dass er Liebe und Ruhe gespürt habe. Sie hätten auch ein Wunder von Jesus Christus erlebt, denn einen Monat vor der Taufe hätten sie erfahren, dass die BF2 schwanger sei.

Danach wurde die Zeugin einvernommen. Sie gab an, den BF1 im Gottesdienst im September 2018 kennengelernt zu haben und diesen danach regelmäßig getroffen zu haben. Die Kommunikation laufe über einen Afghanen, der gut Deutsch könne. Sie würde sieben Flüchtlinge betreuen, doch danach seien zwei Familien hinzugekommen.

Die BF würden ihre Hinwendung zum Christentum dahingehend zum Ausdruck bringen, weil sie Fragen zu anderen Bibelstellen hätten. Außerdem seien sie sehr zuvorkommend und hilfsbereit. Sie hätten auch besprochen, welche Bedeutung Jesus habe und über die Vergebung. Sie seien auch sehr offen Frauen gegenüber und sehr tolerant im Vergleich zu anderen, die keine Christen seien. Ob die BF gegenüber den Muslimen als Missionar auftreten würden, vermute die Zeugin nur. Es gehöre Mut dazu, über den christlichen Glauben zu reden, denn man werde schnell angefeindet. Die BF hätten kaum Möglichkeiten zu missionieren, weil sie aus einem kleinen Ort kommen würden und die Leute kein Interesse an Kontakt mit Leuten aus dem Asylheim hätten. Bei einem Glaubenswechsel sei es wichtig, dass man die Inhalte der christlichen Religion kenne und man Jesus Christus persönlich in sein Leben aufnehme. Die BF2 habe ihr erzählt, dass ihr Jesus im Traum erschienen sei und ihr Brot gereicht hätte. Die beiden BF seien überzeugte Christen geworden, weil sie sich von der Bibel inspirieren lassen und beten würden, um gesund zu werden, wenn sie eine Krankheit hätten. Die BF seien regelmäßig im Taufunterricht gewesen. Auf die Frage, dass BF1 nicht gewusst habe, was Epiphania heißt, vermeinte die Zeugin, dass dies in keinem Bibelkreis besprochen worden sei. Dies habe nur die Pfarrerin erwähnt. Der Kurs würde dann auf deutlich niedrigerem Niveau gestaltet werden. Dass es sich bei den BF um eine Scheinkonversion handeln würde, sei für die Zeugin nicht vorstellbar, weil die BF so viel Einsatz gezeigt und Fragen gehabt hätten. Sie würden sich auch in der Kirchengemeinde engagieren.

Warum die Religion im Leben der beiden BF so interessant sei, begründete sie mit der Erlösung. Ein weiterer Grund für die Zuwendung zum Christentum sei es gewesen, dass der BF1 mit dem muslimischen Glauben und der Ungleichheit der Frau nichts anfangen habe können.

Danach wurde der BF1 weiter einvernommen. Er sei legal in das Bundesgebiet eingereist, um seinen Schwager zu besuchen. Dieser sei selbst bei der evangelischen Kirche. Durch ihn sei er auch zur evangelischen Kirche gekommen. Er habe in Österreich weder Probleme mit der Polizei noch mit einem Gericht gehabt. Er liebe dieses Land und würde gerne hierbleiben, weil die Personen lieb und hilfsbereit wären. Seinen Unterhalt bestreite er aus den Mitteln der Grundversorgung. Seine ursprünglichen Fluchtgründe halte er aufrecht. Beweismittel könne er diesbezüglich keine vorlegen, denn bei deiner Hausdurchsuchung würde keine Ladung vorgelegt werden. Abgesehen von den Postings in der Familiengruppe, habe er keine religiösen Stellungnahmen oder Postings im Internet veröffentlicht. Auch nicht zum christlichen Glauben. Es sei für ihn eine religiöse Verpflichtung, regelmäßig in die Kirche zu gehen, weil dies in der Bibel stehe. Im Iran wäre dies eine Strafe. Wenn man dabei erwischt würde, würde man hingerichtet. Eine Konversion sei streng verboten im Iran. Man werde auch entsprechend bestraft.

Nachdem der BF1 zweimal der Fragestellung des erkennenden Richters ausgewichen war, gab er an, dass er sich im Iran zu Hause und zusammen mit seiner Frau auch an die christlichen Regeln halten würde. Das Regime sei gegen jegliche Missionierung und eine Missionierung würde den Tod bedeuten. Auch wenn er den Sabbat im Familienkreis begehen würde, habe er bereits angegeben, dass er bereits gesagt habe, dass er missionieren würde. Außerdem werde er im Iran gesucht und dann würde er nach seiner Religion gefragt werden, die er dann nicht verleugnen würde. Missionieren würde er nicht bei irgendeinem Fremden, sondern erst, wenn ein Vertrauensverhältnis gegeben sei. Der Islam sei eine Religion der Lüge. Das Christentum sei der einzig richtige Weg. So stehe es auch in der Bibel und Gott habe seinen einzigen Sohn für die Menschen geopfert. All diejenigen, die an Jesus Christus glauben, würden ein ewiges Leben erlagen. Die Toleranz sei wichtig, aber in der Bibel stehe, dass das Christentum bzw. Jesus Christus der einzig richtige Weg zu Gott sei, weshalb der Islam eine Religion der Lüge sei. Dort gebe es nur die Scharia und man müsse selbst zu Gott gehen, während im Christentum es der Gott sei, der zu einem komme und der Glaube an Jesus Christus der Weg zur Errettung sei.

Es habe viele Gründe gegeben, warum sich der BF1 vom Islam abgewandt habe. In dieser Religion geschehe alles nur mit Zwang und man müsse sich von Geburt an, an die religiösen Verpflichtungen halten. Im Islam gebe es nur Kriege und ein verheirateter Mann dürfe weitere Frauen haben oder wieder heiraten, Frauen dürften dies hingegen nicht. Öffentliche Hinrichtungen wären ebenfalls erlaubt.

In Österreich sei es nicht erlaubt, Kinder oder Frauen zu schlagen. Aber hier würden auch Moslems leben und es komme auch vor, dass Frauen von ihren Männern geschlagen werden, weil sich diese nicht an den Islam halten würden. Er habe den Islam schon vor seiner Ausreise aus dem Iran nicht mehr wollen, weil diese Religion auch drakonische Strafen vorsehen würde.

Alle protestantischen Richtungen würden nur an die Bibel glauben. Die evangelischen Kirchen und die Freikirche seien gleich. Alle drei würden sich am Heiligen Buch orientieren.

Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würde der BF1 hingerichtet werden. Auf Frage des Rechtsvertreters antwortete der BF1, dass die BF das Christentum durch seinen Schwager kennengelernt hätten. Als die Familie dann nicht mehr in die Heimat zurückkehren konnte, habe er gemeint, dass sie von Jesus Christus Hilfe holen könnten. Da seiner Frau Jesus Christus im Traum erschienen sei, habe dies sie dazu bewegt, über das Christentum nachzudenken. Nach dem Trau sei das Interesse vertieft worden und sie seien in die Kirche gegangen. Sie hätten dort auch für ihren Schwager gebetet, von dem sie längere Zeit nichts mehr gehört hätten. Jesus habe ihre Gebete erhört und daher hätten sie gewusst, dass diese Religion, die richtige sei. 20 Tage vor der Taufe hätten sie erfahren, dass sie ein Kind bekommen würden, was für den BF1 wie ein Wunder gewesen sei. Bis dahin hätten sie es nicht geschafft, ein Kind zu bekommen, trotz siebenmaliger künstlicher Befruchtungen. Sein ganzes Leben sei durch das Christentum verändert worden. Er sei viel ruhiger geworden und habe von Jesus gelernt, dass er sogar zu seinen Feinden lieb sein solle.

Die Frage des BF1 wie man es erkennen könne, dass der BF1 es ehrlich meinen mit dem Christentum meine, beantwortete er dahingehend, dass die Jünger Jesus gefragt hätten, woher sollten die anderen wissen, dass sie Christen seien, woraufhin Jesus zu ihnen gesagt hätte: „Durch eure Liebe und Zuneigung.“

Nach Vorlage einer Stellungnahme und Integrationsunterlagen wurde die BF2 befragt. Sie gab an, vollkommen gesund zu sein. Sie sei iranische Staatsangehörige, verheiratet und habe zwei Kinder. Sie sei Nor und eine Christin und habe in ihrer Heimat keine Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen Ihrer religiösen Überzeugung gehabt. Sie spreche Persisch und Deutsch auf dem Niveau A1.

Im Iran würde noch ihre Mutter leben. Zwei Brüder seien in der Türkei, ein weiterer in Salzburg. Im Iran habe sie maturiert, die Ausbildung als Krankenschwester absolviert und danach in einem Krankenhaus gearbeitet. Sie habe auch als Frisörin Einkünfte gemacht. 2008 habe sie geheiratet. Zuvor sei sie in einer Petrol-Firma tätig gewesen. Danach habe sie als Krankenschwester und Frisörin gearbeitet.

Abgesehen von ihrem Bruder habe sie keine weiteren Verwandten in Österreich. Sie habe hier viele Freunde und sich bis zur Geburt ihres Kindes auch weitergebildet. Sie hätten einen Bibelkreis. Manchmal lade man sich gegenseitig zum Kaffeetrinken ein oder man gehe aus oder in die Kirche. In einer WhatsApp-Gruppe seien während der Corona-Zeit die Gebete verschickt worden. Am 15.08. hätte es einen katholischen Marienfeiertag gegeben. Zu Ostern gehe es um die Auferstehung von Jesus nach seiner Kreuzigung. Dieses Wunder werde in der Kirche gefeiert. Jesus sei drei Tage nach seiner Kreuzigung auferstanden und nach 50 Tagen in den Himmel aufgefahren. Nach seiner Auferstehung habe er den Menschen zeigen wollen, dass sie an ihn glauben sollen. Nach diesen 50 Tagen sei er dann in den Himmel aufgefahren. Von dort komme er dann zurück, um die Gläubigen zu richten.

Persönlich bedeute das für sie, dass, wenn sie in das Wasser hin- und wieder herauskomme, dass es eine Befreiung von Sünden, quasi eine Auferstehung, sei. Der Konnex zu Ostern sei, dass Jesus Christus gestorben und wieder auferstanden sei, um zu zeigen, dass er für die Gläubigen gestorben sei und, dass diese an ihn glauben sollten. Bei der Taufe ins Wasser hineinzugehen, bedeutet für sie, Wiederauferstehung und Erlösung von Sünden. Das zeige ihr, dass ihr Gott ein lebendiger sei.

Sie sei aus Überzeugung zur evangelischen Kirche gekommen und weil ihr Bruder auch in diese Kirche gegangen sei. Seither bezeichne sie sich auch als religiösen Menschen. Sie glaube an Jesus Christus. Dies bedeute für sie der einzige Weg zur Errettung und zu Gott, weshalb sie immer Hoffnung habe.

Die Fastenzeit sei bei den Katholiken eine Verpflichtung zu fasten, jedoch nicht bei den evangelischen Personen. Der Entschluss sich für die evangelische Kirche zu entscheiden, sei der gewesen, dass sich diese an der Bibel orientiert und man durch die Beichte von den Sünden freikomme.

Zu den Religionskriegen gefragt, führte sie aus, dass zur Zeit Martin Luthers das Jenseits verkauft worden sei. Das habe Martin Luther kritisiert und ein Programm mit 95 Thesen präsentiert und behauptet, dass der Papst nur Lügen verbreite. Es gebe bei den Protestanten das Augsburger und das Helvetische Bekenntnis. Zu den Freikirchen gebe es nur organisatorische Unterschiede, jedoch keine bei den Glaubensfragen.

Sie glaube an Gott, seit sie nach Österreich gekommen sei und sie von Jesus Christus geträumt habe. In ihrem Traum habe er ihr Brot gegeben und gesagt, dass dies sein Körper sei. Er habe ihr Wein gegeben und gesagt, dass dies sein Blut sei. Diesen Traum habe sie ihrem Bruder erzählt. Er meinte, dass sie nun an Jesus glaube. Seither glaube sie an diese Religion.

Sie sei legal nach Österreich eingereist, habe hier viele Freunde gefunden und schätze die Sicherheitslage. Sie könne drei Bibelstellen nennen und erläutern. In Österreich kümmere sich die Diakonie um sie.

Bei einer Rückkehr in den Iran würde sie als Abtrünnige hingerichtet werden. Das erste Problem sei, dass sie beschuldigt werde, den Propheten beschimpft zu haben, weil ihr Mann diesbezüglich lustige Videos in der familiären Gruppe hochgeladen habe, die von den anderen kommentiert worden wären. In Österreich habe man sie informiert, dass sie von der iranischen Behörde wegen Beschimpfung vom Propheten verfolgt werden würden.

Nach dem Traum von Jesus, zu Weihnachten 2017, habe sie Interesse für das Christentum entwickelt, getauft sei sie am 16. Juni 2019 worden.

Sie würde auch missionieren und habe dies bereits in der Flüchtlingseinrichtung gemacht. Man habe ihr aber eine sehr schlechte Reaktion gezeigt und sie aus dem Haus hinausgeschmissen. Sie habe es noch einmal bei einem Afrikaner ausprobiert. Doch der habe sie beschimpft und sie gefragt, warum sie ihre Religion gewechselt habe. Dies sei strafbar und eine Sünde. Im Iran würde sie das nicht machen und lediglich für diese Personen beten.

Sie würde auch mit ihrem Sohn über Religion sprechen und dieser zeige auch schon Interesse. Sie würde im Falle einer Rückkehr auch nicht mehr zum Islam zurückkehren. Gott habe seinen einzigen Sohn gesandt, damit sie an Gott bzw. an Vater und Sohn glauben, damit sie ein ewiges Leben erlangen. Das sei eine Einladung Gottes. Ihre Beziehung zum Vater sei eine Beziehung zwischen einem Vater und dessen Kind.

Im Iran könne sie auf keinen Fall missionieren. Eine Missionierung würde im Iran als Apostasie zu einer Verurteilung zum Tode führen. Es stehe auch im Koran, dass eine Konversion, Ketzerei bedeuten würde und die Strafe eines Ketzers die Todesstrafe sei.

Auf Frage der Rechtsvertretung antwortete die BF2, dass sie auf keinen Fall in den Iran zurückkönne, weil sie konvertiert sei. Sie könne weder ihren Glauben verleugnen noch könne sie dort missionieren, weil sie dann mit dem Tode bestraft werden würde.

Sie habe alle Schritte gesetzt, um zu zeigen, dass sie Christin wäre. Allerdings könne man nur durch sein Verhalten und dem Umgang mit anderen Menschen zeigen, dass man die christlichen Werte auch leben würde.

Es habe keine Kontakte mit der Behörde im Iran gegeben. Auch gebe es keine Dokumente seitens der iranischen Behörde, nach denen die BF2 gesucht werde oder vorgeladen wurde.

Danach folgte der Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Schluss der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis, dass die Verkündung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG entfalle.

13. Die BF legten im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Iranische Dokumente und den Visaakt der BF

?        Iranischer Führerschein des BF1

?        Teilnahmebestätigungen des BF1 und der BF2 an einem Deutschkurs (Niveau A1)

?        Taufscheine der BF1, BF2 und BF3

?        Teilnahmebestätigungen an einem Werte- und Orientierungskurs des BF1 und der BF2

?        Bilder von der Taufe der BF1, BF2 und BF3

?        Anwesenheitslisten der BF bei kirchlichen Aktivitäten

?        Geburtsurkunde und Meldezettel der BF4

?        Stellungnahme für die mündliche Verhandlung

?        Kindergartenbesuchsbetätigung für den BF3

?        Zahlreiche Referenz- und Empfehlungsschreiben aus der Pfarrgemeinde

?        Schreiben der Pfarrerin der Heimatgemeinde der BF

?        Teilnahmebestätigung am Lehrgang Vorbereitung zum Pflichtschulabschluss für BF1 und BF2 sowie Teilnahmebestätigung am Pflichtschulabschlusslehrgang für den BF1

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Die oben unter Verfahrensgang angeführten Verfahrensschritte werden zu den gegenständlichen Feststellungen erhoben.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person der BF wird festgestellt:

2.1.1. Die BF, deren Identität nach einer Vorlage unbedenklicher Personaldokumente abschließend geklärt werden könnte, sind Staatsangehöriger des Iran. BF1 und BF2 sind verheiratet und BF3 und BF4 sind die leiblichen Kinder der beiden Eheleute. BF1, BF2 und BF3 sind gemeinsam und legal nach Österreich gekommen, wo sich auch der Bruder der BF2 aufhält. Die BF4 wurde im Bundesgebiet geboren. Die BF sind gesund und leiden an keinen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie verfügen über soziale Anknüpfungspunkte im Iran; wobei sie mit der Mutter der BF2 regelmäßig in Kontakt stehen.

Der BF1 hat elf Jahre die Schule besucht und danach als Schweißer, Tischler und Verkäufer gearbeitet. Er hat auch den Militärdienst absolviert. Die BF hat maturiert und danach in einem Petrolunternehmen gearbeitet, ehe sie Krankenschwester und Frisörin wurde. BF1 und BF2 haben beide zum Lebensunterhalt der Familie, der es im Iran wirtschaftlich gut ging, beigetragen.

2.1.2. Die BF reisten mit einem Visum legal aus dem Iran aus und legal in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellten nach wochenlangem, illegalem Aufenthalt am 04.06.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Für die nachgeborene BF4 wurde am 08.01.2020 ein Asylantrag gestellt.

Es kann festgestellt werden, dass die BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt haben. Es kann auch festgestellt werden, dass die BF nicht von den iranischen Behörden verfolgt werden, weil der BF1 in einer privaten Chatgruppe islamkritische Videos gepostet und die BF2 diese kommentiert hätte.

Die BF1, BF2 und BF3 wurden in Österreich getauft und sind in einer evangelischen Kirchengemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich der BF1 und die BF2 mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt haben. Jedoch haben sich der BF1 und die BF2 nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und daher ist dieser Glaube für die beiden BF auch nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion der BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die BF Gefahr liefen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es wird festgestellt, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der BF in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich haben die BF, die alle vier eine gleichlautende Asylentscheidung erhalten, mit dem asylberechtigten Bruder der BF2 einen Familienangehörigen. Zu diesem besteht jedoch weder ein engerer Kontakt noch ein Abhängigkeitsverhältnis.

Die BF sind in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und beziehen seit ihrer Asylantragstellung in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Die BF verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der BF1 und die BF2 sprechen ein wenig Deutsch. Sie haben neben Sprachkursen auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.

Die BF sind in einer christlichen Gemeinde aktiv. Über diese haben sei im Bundesgebiet im Zuge ihres Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist – insbesondere unter der Betrachtung der Aufenthaltsdauer der BF – davon auszugehen, dass die privaten Interessen der BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und es ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.

2.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt (Länderinformationsblatt vom 19.06.2020):

1.       Politische Lage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und

137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

2.       Sicherheitslage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

2.1.    Verbotene Organisationen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

2.2.    Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga- nisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, „iranische Volksmudschahedin“) gilt in Iran als Terrororganisation, und wird für die Ermordung von17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB Teheran 9.2017; vgl. Global Security o.D., SFH 20.7.2018). Verbindungen zur MEK gelten in Iran als „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2019). Im Exil in Frankreich hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019). Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Die MEK unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verantwortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet. In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder in Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager in Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vgl. Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vgl. Arab News 22.1.2018).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird, ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 10.2019).

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

2.3.    PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdis- tan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vgl. ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018) und 3.000 Kämpfern (BMI 2015). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vgl. CRS 6.2.2020).

Die PJAK ist zwischen einem Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und dem politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Wie bei anderen PKK-Zweigen versucht die Gruppe angeblich, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und Irak ansässig (JF 15.1.2018) und operiert in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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