TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/10 W150 2148680-1

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Veröffentlicht am 10.10.2020
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Entscheidungsdatum

10.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W150 2148680-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .2000, StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die Diakonie – Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Steinergasse 3/12, 1170 Wien, FN 272779 x und die Volkshilfe Flüchtlings- und Migrant-Innenbetreuung GmbH, Stockhofstraße 40, 4020 Linz, FN 444937 w, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 27.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geb. XXXX .2000, gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: „BF“), zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährig, reiste spätestens am 27.09.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in das Bundesgebiet ein.

2. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und gab, von Organwaltern der BPK Jennersdorf PI Heiligenkreuz, unter Beiziehung eines Dolmetschers aber ohne gesetzlichen Vertreter befragt, dabei u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein, den im Spruch genannten Namen zu führen und zu dem im Spruch genannten Datum geboren zu sein. Weiters, dass er uneingeschränkt gesund, ledig, kinderlos, schiitischer Moslem sei, der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, und in seinem Heimatland acht Jahre die Grundschule besucht habe und Dari als Muttersprache spreche.

Als Fluchtgrund gab er dabei an: „Ich musste Afghanistan verlassen weil die Taliban mir drohten mich umzubringen, wenn ich weiterhin in die Schule gehen will. Sie verprügelten mich auf dem Schulweg. Außerdem wurde der Bürgerkrieg in Afghanistan immer schlimmer, deshalb musste ich das Land verlassen.“

3. Am 20.10.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers und seines gesetzlichen Vertreters niederschriftlich einvernommen, bestätigte der BF zunächst abermals seinen uneingeschränkten Gesundheitszustand. Identitätsdokumente – ausgenommen seinen Schülerausweis der NMS Leipziger Platz - konnte er keine vorlegen. Die weitere Befragung gestaltete sich im Wesentlichen und soweit verfahrensrelevant wie folgt:

„LA:    Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

VP:      Ich heiße XXXX , geb. XXXX 2000 in XXXX , Afghanistan.

LA:      Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

VP: Ich bin Paschtune und Moslem, Sunnit.

LA:      Nennen Sie mir bitte Ihre letzte Adresse in Afghanistan!

VP:      In XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX .

LA:      Wie heißt Ihr Vater, wie alt ist er und wo lebt er?

VP:      Mein Vater heißt XXXX , er ist bereits verstorben.

LA:      Wie heißt Ihre Mutter, wie alt ist sie und wo lebt sie?

VP:      Meine Mutter heißt XXXX , sie ist ca. 37 Jahre alt.

LA:      Haben Sie Geschwister, wo sind diese aufhältig?

VP:      Ich habe einen Bruder und eine Schwester, sie leben beide in meinem Heimatort.

LA:      Wie ist Ihr Familienstand?

VP:      Ledig.

LA:      Haben Sie Schulen besucht?

VP:      Ich war acht Jahre in der Grundschule.

LA:      Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

VP: Ca. vor 14 Monaten.

LA:      Wie und wovon haben Sie in Afghanistan gelebt?

VP:      Mein Vater hat uns versorgt solange er gelebt hat, danach ich selber. Ich war Gemüseverkäufer.

LA:      Wann sind Sie in Österreich eingereist?

VP:      Ca. vor 1 Jahr.

LA:      Welche Sprachen sprechen Sie?

VP:      Paschtu ist meine Muttersprache, Dari, Urdu und ein bisschen Deutsch.

LA:      Warum haben Sie in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie all Ihre Fluchtgründe!

VP:      Mein Leben war in Gefahr, ich musste das Land verlassen. Die bewaffneten Gruppen, ich glaube, dass es die Taliban waren, haben nicht erlaubt, dass ich die Schule besuche und es wurde von mir verlangt, dass ich mich ihnen anschließe und für sie kämpfe. Als mein Vater verstorben ist, war ich alleine und danach konnte ich mich nicht davor schützen für sie zu kämpfen, ich wollte das überhaupt nicht, ich habe meine Mutter informiert. Meine Mutter hat meinen Onkel mütterlicherseits um Hilfe gebeten und er hat die Ausreise für mich organisiert. Ich wollte niemanden töten und auch selbst nicht getötet werden, ich wollte die Schule besuchen und einen Beruf lernen. Ich wurde immer wieder angesprochen von denen, dass ich für sie kämpfe. Ein Großteil unserer Ortschaft gehört zu den Taliban.

LA:      Haben Sie nun alle Fluchtgründe genannt?

VP:  Meine Mutter hatte keine andere Wahl gehabt, sie haben mich nicht in Ruhe gelassen und hatte keine andere Wahl, sie hat sich große Sorgen um mich gemacht, außerdem hat sich die Sicherheitslage in unserem Ort sehr verschlechtert.

LA:      Was haben Sie in Afghanistan gearbeitet?

VP:      Ich habe Gemüse verkauft.

LA:      Wie viel haben Sie im Monat verdient?

VP:      Nicht so viel, es hat für den Alltag teilweise gereicht.

LA:      Wie hoch waren die Kosten der Reise nach Österreich?

VP:      Ca. 5000 Dollar von Afghanistan in die Türkei, dann nochmal 4000 Dollar von der Türkei nach Österreich. Meine Mutter musste die Grundstücke verkaufen um die Reise zu finanzieren, zusätzlich hatte ich noch 1000 Dollar in bar mit zum Leben.

LA:      Hatten Sie sonst noch irgendwelche Probleme in Afghanistan?

VP: Nein, nur wie vorher schon gesagt.

LA:      Wie geht es Ihrer Familie in Afghanistan?

VP:      Ganz schlecht ihr Leben ist in Gefahr sie haben niemand mehr, finanziell geht es ihnen ganz schlecht. Ich habe niemanden mehr dort, ein Onkel von mir lebt in England, einer lebt in Österreich, auch meine Cousins leben in Österreich.

LA:      Welche sonstigen Familienangehörigen oder Bekannte leben in Afghanistan?

VP:      Nein, nur ein Onkel mütterlicherseits befindet sich noch dort, bei ihm lebt auch meine Mutter.

LA:      Wann haben Sie die Taliban das erste Mal angesprochen?

VP:      Vor ca. 3 Jahren in meinem Heimatdorf.

LA:      Wie konkret fand das statt?

VP:      Ich war unterwegs, es passierte mehrere Male, manchmal am Schulweg, manchmal als ich nachhause wollte. Es hat zugenommen als mein Vater nicht mehr am Leben war.

LA:      Warum wurden gerade Sie angesprochen von den Taliban?

VP:      Die andern waren auch davon betroffen, die anderen wurden auch angesprochen.

LA:      Was konkret haben die Taliban zu Ihnen gesagt?

VP:      Sie haben mit mir über den Dschihad gesprochen dass ich mit ihnen kämpfen soll, dadurch komme ich ins Paradies, das die Schule nichts bringt, ich solle lieber mit ihnen am heiligen Krieg teilnehmen.

LA:      Wieso intensivierte sich das mit dem Tod Ihres Vaters?

VP:      Ich weiß es nicht, aber ich glaube deswegen weil keiner mehr da war, der auf mich aufpasst und mich schützt.

LA:      Wurden Sie auch bedroht von den Taliban?

VP:      Sie haben mit mir zweimal gesprochen und beim dritten Mal haben sie gesagt, dass das meine letzte Chance wäre und falls ich das nicht akzeptiere würden sie mich töten.

LA:      Was geschah dann?

VP:      Dann habe ich das Land verlassen.

LA:      Wie viele waren das von denen Sie bedroht wurden?

VP:      Letztes Mal waren sie zu viert.

LA:      Können Sie einen Namen nennen?

VP:      Nein ich kenne die Leute nicht.

LA:      Bei der Erstbefragung gaben Sie an auch verprügelt worden zu sein?

VP:      Ja, das stimmt.

LA:      Wieso haben Sie das jetzt nicht erwähnt?

VP:      Ich entschuldige mich, ich bin sehr nervös, ich habe vergessen das auch zu erwähnen.

LA:      Wurden Ihre Geschwister oder Ihre Mutter von den Taliban bedroht?

VP:      Nein. Mein Bruder ist ca. 4 Jahre alt, er ist noch sehr klein.

LA:      Wie sind Sie aus Afghanistan in die Türkei gereist?

VP:      Ein Großteil zu Fuß, dann mit dem PKW.

LA:      Könnten Sie auch in einem anderen Teil von Afghanistan leben?

VP:      Ich habe dort niemanden und auch keine finanziellen Möglichkeiten. Wir haben nur ein paar Grundstücke gehabt, aber die haben wir verkauft um die Ausreise zu finanzieren.

LA:      Haben Sie zu Irgendjemanden in Afghanistan noch Kontakt?

VP:      Nein.

LA:      Besitzen Sie ein Handy?

VP:      Ja.

LA:      Ihre Mutter lebt bei Ihrem Onkel?

VP:      Ja, auch meine Geschwister.

LA:      Wo lebt Ihr Onkel?

VP:      Er lebt in meinem Heimatdorf.

LA:      Was hätten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

VP: Ich müsste entweder für die Taliban kämpfen, wenn ich das ablehne bringen sie mich um. Ich habe keine Möglichkeit dort in die Schule zu gehen oder eine Ausbildung zu machen, da die Felder verkauft sind, kann ich dort auch finanziell nicht überleben.

LA:      Wie verbringen Sie den Alltag in Österreich?

VP:      Bis vier Uhr bin ich täglich in der Schule, danach mache ich die Hausaufgaben. Ich bemühe mich die Deutsche Sprache zu lernen. Ich mache Sport, gehe laufen wenn ich Zeit habe, ich habe viele österreichische Freunde.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs schriftlich Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des BFA Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?

VP:   Ich verzichte darauf.

Vertreter: Unser größter Wunsch ist dass er so schnell als möglich einen Beruf lernt. Er möchte Mechaniker werden.

LA:      Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren?

VP:      Ja.

LA:      Möchten Sie sonst noch irgendetwas angeben?

VP:      Vielen Dank.

LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP: Ja.“

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) vom 27.01.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde in diesem Kontext im Wesentlichen aus, dass Die vom BF vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubwürdig gewesen wären, er hätte nicht glaubhaft machen können, dass er in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Weiters sei er eine arbeitsfähige Person, verfüge über eine Schulbildung und sei auch vor seiner Ausreise in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er sei der örtlichen Sprache in Afghanistan mächtig, und es könne nicht festgestellt werden, dass er an chronischen oder lebensbedrohenden Krankheiten leide.

5. Gegen diese Entscheidung erhob der rechtsfreundlich vertretene BF am 22.02.2017 fristgerecht Beschwerde.

6. Am 03.08.2018 langte beim BVwG eine mit 26.07.2018 datierte Beschwerdeergänzung ein, in welcher der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters nunmehr auch eine Verfolgung aufgrund homosexueller Orientierung geltend mache. Seit ca. zwei Monaten lebe er mit Herrn XXXX zusammen; die Lebensgemeinschaft umfasse auch eine sexuelle Beziehung. Es falle dem BF der Umgang mit seiner sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit aber immer noch schwer, aus Angst vor Repressionen und Diskriminierung habe er dies bislang nicht vorgebracht, er habe zu den Beamten der Behörde diesbezüglich kein Vertrauen gegenüber gehabt. Weiters gab der BF bekannt, dass seine Mutter in Afghanistan ermordet worden sei. Aufgrund einer daraufhin erfolgten Unzuständigkeitseinrede wurde in weiterer Folge die Rechtssache neu zugeteilt.

7. Am 28.08.2018 richtete Herr XXXX in gegenständlicher Causa ein Schreiben an das BVwG (eingelangt am 30.08.2018), in dem er angab, dass der BF nunmehr mit ihm zusammen sei und dieser als Lebensgefährte bei ihm wohne.

8. Anlässlich der vom Bundesverwaltungsgericht anberaumten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.08.2020, wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des BF im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari, zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn XXXX und Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts; den Parteien wurde zudem Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen.

Der BF erklärte eingangs, seine Beschwerde aufrecht zu halten, gesund zu sein, keine Medikamente zu nehmen und den Dolmetscher gut zu verstehen. Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

„RI: Führen Sie Ihren Namen seit Ihrer Geburt?

BF: Ich habe meinen Namen von Geburt an.

RI: Wo sind Sie geboren?

BF: In der Provinz XXXX . Distrikt/Bezirk: XXXX , Dorf: XXXX .

RI: Sind Sie in Ihrem Heimatland Afghanistan unter anderen Namen, Spitznamen, Kampfnamen, Rufnamen bekannt?

BF: Nein.

RI: Sind Sie in anderen Ländern dieser Erde, einschließlich Österreich, unter anderen Namen bzw. Identitäten in Erscheinung getreten?

BF: Nein. Ich habe nur diesen Namen immer getragen.

RI: Haben Sie irgendwelche Dokumente (Ausweise, Bestätigungen, etc.) die Ihre Person oder Familienangehörige betreffen, die noch nicht im Akt enthalten sind, die Sie mir heute vorweisen wollen?

BFV: Ja.

BFV legt ein Konvolut an kopierten Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./1 zur Niederschrift genommen werden.

RI: Sie haben mir vorgelegt eine Bestätigung bezüglich eines Brückenkurses.

BF (auf Deutsch): Brückenkurs bedeutet, dass man vorbereitet wird auf die Pflichtschule.

RI: Gehören Sie einer Kirche oder Religionsgemeinschaft an? Wenn ja, welcher? Wenn nein, haben Sie ein religiöses Bekenntnis?

BF (auf Deutsch): Ich bin Moslem und Sunnit.

RI: Wie äußert sich ihre religiöse Überzeugung? Woran können Außenstehende erkennen, dass Sie sunnitischer Moslem sind?

BF: Ja. Ich verrichte täglich 5x das Gebet und ich faste auch.

RI: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Paschtune. Genauer gesagt, ich gehöre zu dem Stamm XXXX .

RI: Schildern Sie konkret wo Sie in Afghanistan bis zu Ihrer Flucht gelebt haben. Genaue Angaben der Stadt, Provinz, Distrikt.

BF: Ich habe nur in meinem Dorf gelebt.

RI: Erzählen Sie mir allgemein etwas über Ihr Leben. Wie hat ein typischer Tag in Afghanistan so ausgesehen?

BF: Mein Leben war in Afghanistan nicht gut. Natürlich ein Grund war die Anwesenheit der Taliban. Ich ging zur Schule. Eines Tages war ich von zu Hause in die Schule unterwegs. Unterwegs haben mich die Taliban mich gestoppt. Sie waren nicht einverstanden, dass ich in die Schule gehe. Sie haben auch verlangt, dass ich mich ihnen zusammeneschließe und auch den Jihad führe. Sie haben mir auch gesagt, dass mir die Schule nichts geben kann. heutzutage hat eine solche Schule keinen Sinn. Ich habe ihnen dann geantwortet: „Ich kenne die Bedeutung des Wortes Jihad nicht, geschweige denn, dass ich es führen kann“. Dann habe ich, als ich zu Hause zurück war, die Geschichte meiner Mutter erzählt. Meine Mutter hat wirklich Angst gehabt. Dann hat sie über mich mit meinem Onkel ms gesprochen. Sie haben versucht, einen Weg zu finden, mich aus der Gefahrzone zu bringen oder herauszuschicken. Mein Leben war dort in Gefahr. Ich konnte dort nicht mehr weiterleben. Meine Mutter hat keine andere Wahl gehabt, außer mich in das Ausland, nach Europa, zu schicken. Natürlich wollte und will ich auch ein normales Leben führen, eine Ausbildung haben und als einfacher Mensch weiter leben zu können.

RI: Sie haben mir jetzt im Wesentlichen Ihr Fluchtvorbringen erzählt. Das habe ich Sie nicht gefragt. Ich habe Sie gefragt, wie ein typischer Tag in Ihrem Leben in Afghanistan ausgesehen hat. Erzählen Sie bitte darüber.

BF: Ich habe wie ein normaler Mensch dort gelebt.

RI: Wie lebt ein normaler Mensch in Afghanistan? Erzählen Sie doch Details.

BF (zögert): Es ging uns nicht sehr gut oder blendend, aber es ging. Ich bin dort auch als Gemüseverkäufer tätig gewesen, aber es ging uns nicht sehr gut. Was soll ich darüber sagen?

RI: Es wird Ihnen doch möglich sein, mir zu erzählen, wie ein ganz normaler typischer Tag in Afghanistan für Sie war. Sie waren damals 13/14 Jahre. Was hat sich ereignet? Was haben Sie gemacht?

BF: Ich ging zur Schule. Natürlich hin und wieder habe ich auch gespielt, das muss ich ehrlich sagen. Wie ein Jugendlicher halt lebt.

RI: Ich frage nicht, wie ein Jugendlicher halt lebt. Ich frage Sie, wie ein typischer Tag in Ihrem Leben abgelaufen ist in Afghanistan.

BF: Normalerweise wachte ich damals um sieben immer auf. Nach dem Frühstück ging ich normal immer in die Schule. Als ich immer von der Schule zurück war, habe ich auch zu Hause geholfen. Manchmal für eine Stunde oder so etwas, bin ich auch spielen gegangen oder habe mich um mich gekümmert. Aber wie gesagt, nachmittags habe ich fast immer gearbeitet und zwar bis 17 Uhr. So hat mein normales Leben dort ausgeschaut.

RI: Haben Sie noch Verwandte (z.B. Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegattin) in Ihrer Heimat Afghanistan?

BF: Nein. Meine Eltern sind schon beide verstorben. Ich habe einen Bruder und eine Schwester, die bei meinem Onkel ms leben. Sonst habe ich niemanden. Ich habe auch eine Tante vs, die hier in Österreich lebt.

RI: Haben Sie sonst noch Verwandte in Österreich oder anderen Ländern dieser Erde?

BF: Ja. Ich habe einen Onkel vs, der in London lebt.

RI: Wie heißen denn Ihre Geschwister?

BF: Meine Schwester heißt XXXX und mein Bruder heißt XXXX .

RI: Wie alt sind die beiden?

BF: Mein Bruder ist XXXX Jahre alt. Meine Schwester ist ca. XXXX Jahre alt.

RI: Sie meinen damit ihr heutiges Alter und nicht jenes zum Zeitpunkt der Flucht. Verstehe ich Sie richtig?

BF: Ja. Jetzt meine ich.

RI: Sind Sie ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden oder in einer eingetragenen Partnerschaft?

BF: Ich bin ledig, aber ich habe auch keine Kinder.

RI: Welche Schul- bzw. Berufsausbildungen haben Sie?

BF: In Afghanistan bin ich 8 Jahre zur Schule gegangen und hier bin ich 2 Jahre zur Schule gegangen. Damals bin ich ein bisschen krank geworden. Ich konnte das nicht weitermachen. Aus diesem Grund war es für mich nur möglich, Deutschkurse zu machen. Das habe ich auch gemacht. Bis zu B1 habe ich Kurse gemacht. Ich habe auch vorgehabt, die Prüfung für B2 zu machen und nach der Prüfung das auch machen zu können. Leider ist inzwischen die CORONA-Krise gekommen, das ist mir deshalb nicht gelungen. Zurzeit habe ich einen Kurs. Genauer gesagt: Ich gehe zur Fahrschule, um meinen Führerschein zu machen.

RI: Sie haben mir eingangs erzählt, dass Sie Gemüse verkauft haben in Afghanistan. Ist das richtig?

BF: Ja. Das stimmt.

RI: War das im elterlichen Geschäft?

BF: Nein. Ich habe an der Straße so etwas wie einen Stand gehabt, ich habe an diesem Stand etwas verkauft.

RI: Haben das nur Sie gemacht oder haben das andere Familienmitglieder von Ihnen auch gemacht?

BF: Nur ich.

RI: Ihre Schwester XXXX : Ist sie noch ledig oder schon verheiratet?

BF: Sie ist noch nicht verheiratet.

RI: Haben Sie noch andere Schwestern?

BF: Nein.

RI: Kennen Sie XXXX ?

BF: Ja. Ich kenne ihn.

RI: Wer ist das?

BF: Er ist der Mann meiner Tante.

RI: Haben Sie in Afghanistan einer Miliz oder bewaffneten Gruppe angehört oder eine Kampfausbildung erhalten?

BF: Nein.

RI: Sie wurden durch das BFA am 20. Oktober 2016 ausführlich zu Ihren Erlebnissen, Lebensumständen und Fluchtgründen befragt. Waren Ihre damaligen Angaben richtig?

BF: Ja. Ich habe nur die Wahrheit gesagt.

RI: Wann ist Ihre Mutter verstorben?

BF: Es war im Jahr 2017.

RI: Woher kommt es, dass Sie auch Urdu sprechen?

BF: Urdu und Deutsch habe ich hier in Österreich gelernt.

RI: Wie sind Sie von Afghanistan nach Österreich gelangt? Schildern Sie bitte die Stationen Ihrer Reise.

BF: Meistens oder öfters zu Fuß. Hauptsächlich mit dem Auto. Sehr viel bin ich auch gegangen. Von der Türkei bin ich nach Bulgarien weitergereist.

RI: Bevor Sie in die Türkei kommen, müssen Sie zuerst einmal von Ihrem Heimatort wegfahren.

BF: Von Afghanistan zuerst bin ich nach Pakistan gegangen oder gefahren. Von Pakistan in den Iran. Vom Iran in die Türkei, nachher nach Bulgarien, nachher nach Serbien. In Serbien war ich leider sehr stark krank gewesen, sprich: meine Füße wollten nicht mehr weitermachen. Ich war zu müde. Meine Füße waren fast blau vom Gehen. Wir sind sozusagen in Serbien erwischt worden von der Polizei. Als die Polizei meine Füße angeschaut hat, haben sie mich dann zum Arzt geschickt. Man hat mich behandelt. Ich habe auch Medikamente bekommen. Ich glaube, ich war auch ca. 8 Tage in Serbien insgesamt gewesen. Von Serbien bin ich nach Ungarn weitergegangen. Von Ungarn bin ich nach Österreich.

RI: Sie stammen aus der Provinz XXXX , das ist ein paar hundert km von Pakistan entfernt. Wie sind Sie denn von Ihrem Heimatdorf nach Pakistan gelangt?

BF: Von XXXX bis nach Pakistan bin ich durch die Hilfe eines Schleppers gefahren. Ich habe in einem VAN Platz genommen. Deshalb weiß ich nicht genau, wie das Auto hingefahren ist.

R: Wo sind Sie angekommen? In Peshawar oder in Quetta?

BF: Ich kannte damals nicht, welche Stelle oder Grenze das gewesen ist. Ich weiß die genaue Grenze oder Stelle nicht, wo ich darübergefahren bin.

RI: Wie ist es dann möglich, dass Sie von Pakistan in den Iran gelangt sind, wenn Sie doch gar nicht gewusst haben, wo Sie sich befinden?

BF: Wie gesagt, mit der Hilfe des Schleppers auch weiter.

RI: Heißt das, dass Sie weiter mit diesem Van gefahren sind, bis Sie im Iran gelandet sind?

BF: Nein. Es war ein anderes Auto. Unterwegs mussten wir auch öfters zu Fuß gehen.

RI: Wissen Sie noch, wo Sie im Iran gelandet sind, als Sie die Grenze zum Iran passiert haben?

BF: Ich weiß nicht, über welche Grenze wir gefahren sind. Ich kann nicht sagen, welche iranische Stadt die erste gewesen ist. Als ich mir bewusst war, dass ich im Iran bin, bin ich in der Stadt Shiraz gewesen.

RI: Wie lange hat das gedauert, von Ihrem Heimatort – Pakistan – Shiraz?

BF: Ungefähr ca. eine Woche.

RI: Was haben Sie in Shiraz gemacht? Sind Sie weiter mit diesem Schlepper? Was war da?

BF: Ich war nur einen Tag in Shiraz. Ich war einen Tag in Shiraz. Dann bin ich mit einem anderen Schlepper weitergefahren. Wir sind soweit gefahren, dass wir an einem Haus angekommen sind. Wir haben uns am Rande eines Berges platziert. Wir sind dann in der Nacht mit dem Auto weitergefahren. Es war sehr schwer. Manchmal konnten wir sehr schwer ein- und ausatmen. Einige Stunden sind wir mit diesem Auto gefahren. Dann sind wir weiter mit dem Schlepper weitergegangen und gefahren. Irgendwann wurde uns an der Straße gesagt, dass wir warten müssen. Dann kommt ein anderer Schlepper, mit denen werden wir weiterfahren.

RI: Wo waren Sie da inzwischen gelandet?

BF: Ich kenne den Ort ehrlich gesagt nicht. Dann sind wir mit einem anderen Auto weitergefahren, bis spät abends. Spät abends hat man uns gesagt, dass wir aussteigen sollen. Man hat uns in eine Hühnerfarm platziert. Wir haben dort auch eine Nacht übernachtet. Dann am Tag darauf sind wir wieder mit dem Auto weitergefahren. Dann sind wir weitergefahren. Dann hat man uns in einem Haus aussteigen lassen. Dort hat man uns auch gesagt, dass wir uns immer noch im Iran befinden. Dann hat uns der Schlepper gesagt, dass wir in Teheran angekommen sind.

RI: Wie lange hat Ihre Reise von Shiraz nach Teheran insgesamt gedauert?

BF (auf Deutsch): Ungefähr 4 Tage.

RI: Von Teheran sind Sie dann in die Türkei? Ist das richtig?

BF: Sie meinen von Teheran über die Türkei?

RI: Sind Sie über Irak und Syrien gefahren?

BF: Ich war ca. 2 Tage in Teheran. Dann hat man uns in einen LKW einsteigen lassen. Der LKW war verdeckt von der rechten und linken Seite. Wir sind dann weitergefahren bis zu der türkischen Grenze. An der Grenze gab es ein Gebirge. Wir sind ca. 2 Tage am Rande eines Gebirges gewesen. Diese 2 Tage sind wir nur zu Fuß weitergegangen. Der Tag darauf in der Früh: Es wurde uns gesagt, dass wir uns setzen müssen und warten müssen. Dann kam ein anderes Auto, ein PKW. In diesem Auto sind wir weitergefahren. Dann hat man uns in einem Haus aussteigen lassen. Dann wurde uns auch gesagt, dass wir uns in der Türkei befinden.

RI: Wie sind Sie dann von der Türkei nach Europa gelangt?

BF: Ein paar Stunden sind wir in der Türkei mit einem VAN weitergefahren. Dann gab es ein anderes Haus. Man hat uns dort aussteigen lassen. Ca. einen Tag haben wir auch in diesem Haus verbracht. Dann sind wir mit einem Bus weitergefahren. Solange, bis ich mich dann in Istanbul befunden habe. Ich war eine Nacht in Istanbul gewesen. Dann gab es ein anderes Auto. In der Nacht sind wir weitergefahren. Wir sind solange weitergefahren, bis wir zu einem Wald gestoßen sind. Dort hat man uns wieder aussteigen lassen. Dann sind wir zu Fuß weitergegangen. Ca. 48 Stunden sind wir nur zu Fuß weitergegangen. Am Tag darauf in der Früh sind wir wieder in ein Auto eingestiegen. Dann war spät abends, sodass wir dort angekommen sind. Man hat uns wieder aussteigen lassen. Wir haben dort auch ein paar Stunden verbracht. Dann sind wir weiter zu Fuß die ganze Nacht gegangen. Dann hat man uns eigentlich aussteigen lassen. Ca. eine Stunde sind wir selbst zu Fuß weitergegangen. Dann hat man uns gesagt, dass wir uns in Serbien. Man hat uns gesagt, den Rest macht ihr selbst. Geht weiter.

RI: Sie haben uns gesagt, Sie sind auf Ihrem Weg über die serbische Grenze 48 Stunden zu Fuß gegangen, am nächsten Tag in der Früh in ein Auto gestiegen, spätabends angekommen, dann hat man Sie aussteigen lassen. Sie haben dort ein paar Stunden verbracht, sind weiter zu Fuß gegangen. Das passt nicht zusammen.

BF: Ich weiß nicht, wie das passiert ist. Wir sind noch einmal mit dem Auto gefahren. Dann hat man uns aussteigen lassen.

RI: Sie haben erzählt, dass Sie in Serbien behandelt wurden, weil Ihre Füße verletzt waren. Stimmt das?

BF: Ja.

RI: Wie lange sind Sie in Serbien geblieben?

BF: Ca. 2 Tage.

RI: Ihre Füße sind so schnell verheilt?

BF: Insgesamt ca. 1 Woche.

RI: Wie lange sind Sie jetzt in Serbien geblieben, 2 Tage, eine Woche oder 9 Tage?

BF: Diese ersten zwei Tage meine ich, dass ich an der Grenz gewesen bin. Dort hat man mich behandelt und Medikamente gegeben. Ich bin in Serbien insgesamt ca. 1 Woche geblieben.

RI: Wie sind Sie dann von Serbien nach Österreich gelangt?

BF: In Serbien gab es einen Schlepper. Wir sind mit dem Auto gefahren und dann zu Fuß weitergegangen, das bis zur ungarischen Grenze. 2 Nächte haben wir an der ungarischen Grenze verbracht. Dann hat der Schlepper an einer Stelle die Dorndrähte an einer Stelle durchschnitten und durch dieses Loch sind wir durch. Auf der anderen Seite haben wir zuerst gewartet. Irgendwann haben wir den Befehl zum Marsch bekommen, wir sind ein paar Stunden weitergelaufen. Dann hat sich der Schlepper von uns entfernt. Dann sind wir entlang einer Straße einfach weitergegangen. Dann haben wir eine Busstation erreicht. Wir haben an dieser Bushaltestelle gewartet. Irgendwann sind die Polizisten zu uns gekommen. Besser gesagt: Wir sind von der Polizei erwischt worden. Man hat uns in ein gefängnisähnliches Gebäude mitgenommen. Ca. 1 Woche habe ich mich dort befunden. Aber zu diesem Zeitpunkt haben die österreichischen Leute dort den Flüchtlingen geholfen. Praktisch ist das so passiert, dass die ungarische Polizei uns den österreichischen Leuten, die uns helfen wollten, übergeben hat. So bin ich nach Österreich weitergefahren.

BFV ersucht um eine kurze Pause.

RI unterbricht um 09:54 Uhr die Verhandlung.

Fortsetzung: 10:01 Uhr.

RI: Warum sind Sie aus Afghanistan geflüchtet?

BF: Die erste Gefahr war, dass ich homosexuell bin. Der zweite Grund war die Anwesenheit der Taliban. Ich war eines Tages von zu Hause in die Schule unterwegs. Vor mir sind die Taliban aufgetaucht und haben mich erwischt. Sie haben von mir verlangt, dass ich mich ihnen anschließe. Sie haben es verboten, dass ich weiter in die Schule gehe. Sie haben über den Jihad gesprochen. Sie haben gesagt, dass ich meinem Aussehen nach, bereit wäre, den Jihad zu führen. Ich hatte große Angst gehabt. Ich wollte den Jihad nicht führen, ich wollte keine Unschuldigen töten. Ich hatte Angst, dass ich selbst sterbe, sie haben gesagt, dass ich keine Angst haben sollte. Ich würde dafür eine Ausbildung bekommen. Als ich zu Hause zurück war, habe ich die Geschichte meiner Mutter erzählt. Sie hat mehr Angst gehabt als ich. Sie hat sofort angefangen zu weinen. Sie hat meinen Onkel ms, ihren Bruder, um Hilfe gebeten. Mein Onkel hat auch keine Lösung finden können, außer mir zu raten, das Land zu verlassen. Außerdem war ein Teil des Dorfes unter dem Joch der Taliban, diese hatten in einem Teil des Dorfes das Sagen. So habe ich auch Afghanistan verlassen müssen. Es gab keine andere Möglichkeit.

RI: Sie haben gesagt, die erste Gefahr war, dass Sie homosexuell sind. Sie haben anlässlich Ihrer Antragstellung in erster Instanz und in der Beschwerde 2017 nicht angegeben. Sie haben das erst in einer Beschwerdeergänzung von 2018 angegeben. Seit wann sind Sie denn homosexuell?

BF: Ich habe bereits in Afghanistan das Gefühl gehabt, dass ich homosexuell bin.

RI: Wie hat sich das geäußert?

BF (auf Deutsch): Ich habe immer an die männlichen Jugendlichen gedacht und nicht an die Mädchen und dafür habe ich mich auch gehasst.

RI: Hat es da ein besonderes Erlebnis gegeben, wo Sie sich sicher waren, homosexuell zu sein oder gab es das nicht?

BF: Ich habe zwar keinen Freund gehabt, aber dieses Gefühl habe ich immer gehabt, dass ich homosexuell bin.

RI: Wann haben Sie denn das erste Mal einen Freund gehabt?

BF: Sie meinen in Österreich?

RI: Ich meine überhaupt.

BF: Zum ersten Mal habe ich in Österreich einen Freund gehabt.

RI: Wann war das?

BF (auf Deutsch): Das war 2018.

RI: Wie hieß dieser Freund?

BF: XXXX

RI: Ist er immer noch Ihr Freund?

BF: Nein.

RI: Haben Sie jetzt einen anderen Freund?

BF: Ja.

RI: Wie heißt er?

BF: XXXX .

RI: Mit ihm wohnen Sie zusammen?

BF: Wir haben 2 Jahre miteinander gelebt. Seit einigen Monaten nicht mehr.

BF (auf Deutsch): Seit 3 oder 4 Monaten.

RI: Warum nicht?

BF: Sie können ihm diese Frage stellen.

RI: Wissen Sie, wann XXXX seinen Geburtstag hat?

BF: Genau das Datum kann ich nicht sagen.

RI: Haben Sie mit ihm nie seinen Geburtstag gefeiert?

BF: Ja. Dafür haben wir ein Fest gehabt, ich kann mich an das genaue Datum nicht erinnern.

RI: Wie ist das ungenaue Datum?

BF: Er hat mir selbst gesagt, dass er 48 oder 49 Jahre alt ist.

RI: Wann hat er Geburtstag? Im Winter? Im Sommer? In welchem Monat?

BF: Es war im Winter.

RI: In welchem Monat?

BF: An den Monat kann ich mich nicht erinnern. Er hat mir nicht genau gesagt, welches Datum, welches Monat, welches Jahr.

RI: Sie haben 2 Jahre zusammengelebt, welche gemeinsamen Interessen hatten Sie denn?

BF: Er ist ein sehr fröhlicher, sympathischer Mensch. Er hilft auch den anderen Menschen sehr viel. Das weiß ich. Jetzt auch, immer wenn er Zeit hat oder einen freien Tag hat, treffen wir uns in einem chinesischen Restaurant. Wir essen und trinken. Wir gehen in einen Park und unternehmen etwas zusammen usw. Er arbeitet am Flughafen.

RI: Was hat er denn für Hobbies?

BF (auf Deutsch): Fernsehschauen.

RI: Schaut er nur fern oder isst oder trinkt er etwas dazu?

BF: Natürlich, das ist normal. Das gehört dazu.

RI: Was isst und trinkt er dazu?

BF: Wie ich: Ich trinke gerne Saft, ich denke, er trinkt gerne Saft oder ein normales Wasser.

RI: Was ist ein normales Wasser?

BF: Ohne Gas.

RI: Hat er irgendeine Lieblingsspeise?

BF (auf Deutsch): Chinesisches Essen. Steiermark-Salat isst er gern.

BFV: Backhendel-Salat.

RI: Was bestellt er sich im China-Restaurant gerne beim chinesischen Essen?

BF: Ich kenne dessen Namen nicht. Es ist wie eine Schnur mit weißer Farbe. Ich und er essen das gerne. Es ist in einer Schüssel. Innen ist Reis und es ist gebacken.

RI: Wo wohnen Sie jetzt?

BF: In der XXXX , im XXXX Bezirk.

RI: Wie war das mit den Taliban, die Sie auf dem Weg in die Schule aufgehalten haben? Haben Sie diese nur einmal aufgehalten oder mehrmals?

BF: Es war mehrmals.

RI: Innerhalb einer Woche oder innerhalb mehrerer Monate?

BF: Z.B. das zweite Mal war ca. 2 Wochen danach. Es war verschieden. Einmal nach einer Woche, vom vorherigen Mal gesehen. Sie haben mich auch bedroht. Es war ein klares Verlangen, dass ich mich ihnen anschließe. Im anderen Fall würden sie mich auch töten können. Ich habe keine andere Wahl gehabt. Ich wollte mit ihnen nicht zusammenarbeiten.

RI: Wie oft sind Sie bedroht worden?

BF: Zumindest dreimal oder viermal haben sie mich angesprochen.

RI: War das auf der Straße?

BF: Das war verschieden. Manchmal, als ich von zu Hause in die Schule unterwegs war und umgekehrt.

RI: Wie weit hatten Sie es von der Schule nach zu Hause?

BF: Mindestens eine halbe Stunde zu Fuß.

RI: Die Taliban haben immer dort auf diesem Weg auf Sie gewartet. Ist das richtig?

BF: Ein Teil unseres Dorfes war bereits in ihren Händen. Sie haben eine Station unterwegs zwischen meiner Schule und unserem Haus gehabt. Sie waren immer da.

RI: Wie viele waren das?

BF: Zum letzten Mal, als sie mich angesprochen haben, waren es 4 Leute.

RI: Kannten Sie diese Leute aus dem Dorf?

BF: Nein. Ich kannte sie nicht.

RI: Waren das immer andere Taliban, die dort gestanden sind?

BF: Das kann ich nicht genau sagen, ob es dieselben Leute gewesen sind. Sie waren öfters vermummt.

RI: Kannten die Taliban Ihren Namen?

BF: Nein. Sie kannten meinen Namen nicht.

RI: Waren Sie der einzige Bursche aus Ihrem Dorf, der in die Schule gegangen ist?

BF: Nein. Sie haben alle Jugendlichen in meinem Alter angesprochen. Z.B. haben sie einen Jugendlichen aus unserer Nachbarschaft mitgenommen, er wollte sich anschließen. Sie haben ihn nach Pakistan mitgenommen. Er hat dort eine Ausbildung gemacht. Als er zurückkam, hat er sich irgendwann bei den Amerikanern in die Luft gesprengt. Es war so: Als die Amerikaner auf ihn geschossen haben, durch das Sprengmaterial, das er getragen hat, hat er sich in die Luft gesprengt.

RI: Waren Sie da dabei?

BF: Nein. Ich war nicht dabei. Alle haben im Dorf darüber gesprochen. Eine Frau aus der Nachbarschaft hat die Geschichte meiner Mutter erzählt.

RI: Haben die Taliban Sie verprügelt?

BF: Einmal schon. Ja.

RI: Wann? Beim ersten Mal? Beim letzten Mal? Irgendwann dazwischen?

BF: In der Mitte auf jeden Fall.

RI: War das im Sommer oder im Winter?

BF: Es war im Sommer.

RI: Wann haben Sie dann den Entschluss gefasst, aus dem Land zu flüchten?

BF: Beim letzten Mal. Nachher habe ich überhaupt keine andere Wahl gehabt. Ich musste die Heimat verlassen.

RI: Wie haben Sie das Geld aufgebracht für Ihre Flucht?

BF: Dafür hat meine Mutter ihr Grundstück verkauft.

RI: Woher wissen Sie, dass das Taliban waren, die Sie bedroht haben?

BF: Das kann ich sicher wissen, weil, wie bereits gesagt, ein Teil unseres Dorfes in den Händen der Taliban war.

RI: In wessen Händen war der andere Teil Ihres Dorfes?

BF: Ich war für die ganze Geschichte ein bisschen zu jung, aber in Afghanistan, besonders in den Dörfern, ist es so, dass praktisch niemand genau weiß, wer wer ist.

RI: Wenn das niemand genau weiß, wer wer ist, warum wissen Sie, dass das Taliban waren?

BF: Weil sie haben mit mir über den Jihad gesprochen.

RI: Aber Sie haben die Personen nicht gekannt und es waren auch immer andere Personen. Ist das richtig?

BF: Sie haben recht. Sie waren vermummt. Woher sollte ich das wissen? Ich kannte sie nicht.

RI: Was genau befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr?

BF: Ich habe vor den Taliban Angst. Außerdem sobald man dort darauf kommen würde, ist sicher mein Leben in Gefahr.

RI: Sobald man worauf kommen würde?

BF: Ich meine die Homosexualität und auch die Taliban. Zwei Arten von Gefahr steht vor mir.

RI: Welche Gefahr beinhaltet diese Homosexualität?

BF: In Afghanistan und nicht nur in Afghanistan, in allen islamischen Ländern, ist es so: Sobald die Leute wissen, dass jemand homosexuell ist, dann,….

RI: Was bedeutet,….?

BF: Damit meine ich, es braucht nicht einmal jemand offiziell mit dem Tod zu bestrafen, die Leute machen das.

RI: Warum steht darauf die Todesstrafe?

BF: Weil das im Islam nicht erlaubt ist.

RI: Wie vereinbaren Sie das mit Ihrem islamischem Glauben?

BF: Das stimmt. So hat mich der Allmächtige geschaffen. So bin ich nun einmal.

RI: Gibt es noch weitere Dinge, die Sie im Falle einer Rückkehr befürchten?

BF: Sonst gibt es keine mehr. Nein.

RI: Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Familienmitglieder, sondern machen Sie sich nur Sorgen um sich selbst?

BF: Auf der anderen Seite sie sind beide auch in Gefahr. Was kann ich dafür tun?

RI: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

BF: Nein.

RI: Waren Sie persönlich sonst in irgendeiner Weise politisch aktiv?

BF: Nein.

RI: Leben Sie in Österreich Ihre Sexualität offen oder verstecken Sie sie?

BF: Ich versuche es hier auch soweit wie möglich, versteckt zu halten. Es ist möglich, dass Leute aus meiner Heimat eine sehr negative Reaktion dazu zeigen. Ich versuche darüber nicht öffentlich zu sprechen.

RI: Wissen das Ihre afghanischen Freunde in Österreich?

BF: Nein.

RI: Haben sie das nicht merkwürdig gefunden, dass Sie 2 Jahre lang mit einem Österreicher in einer Wohnung gelebt haben?

BF: In diesem Fall sehe ich keine Gefahr, weil ich nicht der Einzige bin, der mit einem anderen Mann in einer Wohngemeinschaft lebt.

RI: Wohnen viele Ihrer afghanischen Freunde mit einem österreichischen Mann zu zweit in einer Wohnung?

BF: Nicht alle. Es gibt viele Leute, die eine Wohngemeinschaft eingehen.

RI: Wurden Sie jemals in irgendeinem Land dieser Erde wegen Straftaten verurteilt?

BF: Nein.

RI: Sind Sie Mitglied bei Sport- oder Kulturaktivitäten?

BF: Früher habe ich Thai geboxt. Aber jetzt mit Unterbrechungen, betreibe ich diesen Sport noch immer, wenn ich Zeit habe. Wenn ich dafür keine Zeit habe, laufe ich. Ich bin schon Mitglied in einem Fitness-Center.

RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

BF: Ja.

RI: In welchem Verein sind Sie denn Mitglied?

BF: XXXX

RI: Möchten Sie mir sonst noch etwas sagen?

BF: Ich kenne sehr viele österreichischen Familien. Ich kenne viele österreichischen Leute, mit denen verbringe ich sehr viel Zeit. Besonders eine Familie gibt es in Bregenz. Wir sind immer telefonisch in Verbindung. Wenn sie herkommen, besuchen sie mich. Es gibt einen Familientag. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Man kann Volleyball spielen und Sport treiben. An diesem Tag kommen sogar von anderen Ländern die Leute. Mit diesen Leuten spiele ich Volleyball. Ich bin froh, in diesem Land weiter leben zu können. Österreich ist wie eine 2. Heimat für mich geworden. Ich kenne eine andere Familie, die in der Steiermark lebt. Ich treffe diese Familie mindestens einmal oder zweimal pro Jahr. Bei Festen wie z.B. Weihnachten. Lassen Sie mich auch meinen Wunsch ausdrücken, in diesem Land weiter leben zu dürfen. Die genannten Familien wollen das auch.

RI: Warum kennen Sie eine Familie aus Bregenz? Sie haben immer in Wien gewohnt?

BF: Wegen XXXX . Weil seine Mutter mit der Familie in Bregenz lebt. XXXX lebt in Wien.

RI: Warum haben Sie erst so spät in diesem Verfahren, erst 2018 erwähnt, dass Sie Sorge haben wegen Ihrer Homosexualität in Afghanistan verfolgt zu werden?

BF: Ich kann mich nur wiederholen. Auch als Jugendlicher habe ich das Gefühl gehabt, dass ich homosexuell bin.

RI: Wusste Ihre Mutter davon?

BF: Nein.

RI: Wissen Ihre Geschwister davon?

BF: Nein.

RI an BFV: Haben Sie noch Fragen oder möchten Sie mir noch etwas sagen?

BFV: Haben Sie die Familie von XXXX kennengelernt?

BF: Ja.

BFV: Wie wurden Sie ihnen vorgestellt?

BF: Ich war einmal mit XXXX zusammen in die Steiermark gefahren. Dort habe ich auch die Familie kennengelernt. Ich habe mit dieser auch gesprochen. Wir haben eine gute Zeit gehabt. Wir haben uns unterhalten und sind spazieren gegangen.

BFV: War der Familie auch bewusst, dass Sie und XXXX eine Beziehung führen?

BF: Ja. Sie waren damit einverstanden.

BFV: Wie würden Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Ihre sexuelle Orientierung ausleben?

BF: Das ist praktisch überhaupt nicht möglich. Ich kann den Leuten nicht vertrauen. Wenn kein Vertrauen da ist, werde ich mich nicht trauen, mit jemandem zu reden. Wenn einer oder die Leute darüber Bescheid wisse, ist es für mich sehr gefährlich.

RI: Haben Sie die Familie von XXXX nur das eine Mal getroffen oder öfters?

BF: Nein. Mehrmals. Z.B. auch vor einigen Monaten.

RI: Wie sprechen Sie diese Menschen an? Wie sagen Sie zu ihnen? Sprechen Sie diese mit dem Vornamen an oder wie machen Sie das?

BF: Als Erstes würde ich sagen, dass die Mutter von XXXX eine sehr gute Frau ist. Sie hat sich mir so angeboten, dass ich sie auch als Mutter ansprechen kann. Ich sage immer Mutter zu ihr.

RI: Wie sagen Sie zu den anderen Familienmitgliedern?

BF: Mit Vornamen spreche ich sie an.

RI: Wie lauten diese Vornamen?

BF: XXXX .

RI: Wer ist XXXX ?

BF: Sie ist die Cousine von XXXX ms.

RI: Andere Familienmitglieder gibt es nicht, mit denen Sie sprechen?

BF: XXXX hat eine Schwester, die auch dort wohnt. Ich habe sie erst einmal und nicht mehrmals getroffen. Im Moment habe ich auch ihren Namen ehrlich gesagt nicht im Kopf. Ich habe auch seinen Bruder einmal getroffen.

RI: Wie heißt er?

BF: Ich weiß es nicht im Moment. Ich denke, er heißt XXXX .“

Der Zeuge XXXX gab nach Rechtsbelehrung und WE an, aussagen zu wollen, die Befragung gestaltete sich wie folgt:

„RI: Wie haben Sie den BF kennengelernt?

Z: Ich war früher mit XXXX befreundet. Der BF hat auf einer Datingplattform den BF kennengelernt. Eines Tages habe ich mich mit Herrn XXXX am XXXX auf einen Kaffee getroffen. Er hat XXXX mitgebracht. Während des Treffens fiel mir dann auf, dass XXXX versucht hat mit mir mit seinen Augen Kontakt aufzunehmen und mit mir allein zu sprechen. Daraufhin habe ich vorgeschlagen, in den Prater zu gehen und mit der Hochschaubahn zu fahren, wobei ich genau wusste, dass XXXX das ablehnen würde. XXXX hat mir erzählt, wie sich das Leben mit XXXX gestaltet. U.a. auch, dass bei diesem Herrn ständig junge Männer ein- und ausgegangen sind, mit denen dieser sexuell verkehrt hat und darunter hat er sehr gelitten. Ich möchte bitte betonen, dass es nicht meine Absicht war, mit diesem jungen Mann, er war damals 18 und ich bin 50, eine sexuelle Beziehung einzugehen. Das war nicht meine Absicht. Aber er hat mir leid getan ob dieser Situation. Dann habe ich ihm angeboten, er kann zu mir kommen, er kann bei mir wohnen. Es war nicht beabsichtigt. Es ist so passiert. Es ging nicht von mir aus, dass er mich überzeigt hat, mit ihm ein sexuelles Verhältnis einzugehen.

RI: Das war für Sie beide 2 Jahre alles in Ordnung? Wie war das?

Z: Ich hatte anfänglich einen Kampf mit mir selbst, weil ich das nicht wollte, weil er so jung war. Dann tat sich im Laufe der Zeit ein anderes Problem auf. Auf Grund seiner Homosexualität durfte nie jemand etwas wissen. Weder seine afghanischen Freunde und schon gar nicht sein Onkel. Er lebt schon seit 5 Jahren in Österreich. Dieser Onkel war auch die Ursache, warum es letztendlich zur Trennung zwischen uns beiden kam. Dieser Onkel hat einen schlechten Einfluss auf XXXX . Er hat Macht über ihn. Er vertritt aber Werte, die konträr zu den unseren hier in Europa sind. Um das zu verdeutlichen: ein Beispiel: XXXX kam eines Tages nach Hause. Sein Onkel bräuchte meine Hilfe, weil das Jugendamt ihm 2 seiner Kinder weggenommen hätte und zwar nur deshalb, weil angeblich der kleine Junge, der XXXX , ein Stück Schokolade bei DM gestohlen hat. Ich bin nicht bewandert auf diesem Gebiet. Ich habe mich nur gewundert, dass auf Grund einer derartigen Lappalie eine Kindesabnahme erfolgt ist. Ich habe sofort interveniert und auch einen Brief an das Jugendamt geschrieben. Es kam dann zu einem gemeinsamen Treffen. Die Kinder wurden 2 Wochen später tatsächlich der Familie wieder zurückgegeben. Allerdings, was ich dort erfahren habe, hat leider auch die Beziehung zwischen XXXX und mir beeinflusst. Das Jugendamt hat mir erklärt, dass Kindesabnahmen nicht so leichtfertig erfolgen. Es ginge hier nicht um bloße Gewalt, sondern um entsetzlichen, brutalen Missbrauch und sie wären erst dann eingeschritten, als bei dem kleinen XXXX eine Persönlichkeitsveränderung eingesetzt hat und von da an begann der Anfang vom Ende meiner Beziehung zu XXXX . Ich habe beinahe täglich darauf gedrungen, er möge den Kontakt zu diesem Mann abbrechen. Aber was wir in Europa nicht so kennen, die familiären Strukturen sind extrem stark. Die Loslösung von diesem Onkel hat nie stattgefunden, bis heute nicht, leider. Bis ich eigentlich die Entscheidung haben wollte, ich oder diese Familie.

RI: Sie haben auch den Kontakt zwischen Ihrer Familie und dem Herrn XXXX hergestellt.

Z: Ja. Natürlich. Meine Familie wohnt in der Steiermark. Ich habe ihn in die Steiermark mitgenommen. Meine Mutter liebt ihn wie einen eigenen Sohn und er sagt auch Mama zu ihr.

RI: War das nur ein einmaliger Kontakt zwischen Herrn XXXX und Ihrer Familie?

Z: Nein. Oft.

RI: Mit wem hat sich der BF besonders gut verstanden von Ihrer Familie?

Z: Mit meiner Mutter.

RI: Und außerdem?

Z: Auch mit anderen, mit meiner Nichte XXXX im Besonderen, aber auch mit meinem Neffen XXXX .

RI: Was essen Sie denn gerne?

Z: Vegetarisch.

RI: Backhendel-Salat gehört auch dazu?

Z: Ja. Doch. Auch Fisch und Huhn, aber kein rotes Fleisch. Wienerwald ist unser zweitliebstes Restaurant am XXXX .

RI: Das Liebste?

Z: XXXX am XXXX .

BFV: Keine Fragen.

BFV möchte eine schriftliche Stellungnahme vorlegen und tut das auch; wird als Beilage .2 zur Niederschrift genommen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrags auf internationalen Schutz vom 27.09.2015, der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des BFA, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA vom 27.01.2017, der Beschwerdeergänzung vom 03.08.2018, der im Verfahren vorgelegten Unterlagen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem und dem Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 17.08.2020 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des BF steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsbürger, spricht als Muttersprache Dari, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Soweit im Bescheid und Verfahren Namen und Geburtsdaten genannt werden, dient dies nur zur Individualisierung und stellt eine Verfahrensidentität dar.

Der Beschwerdeführer ist homosexuell. Er bemerkte bereits in seinem Heimatland, dass er kein sexuelles Interesse an Frauen hat. Seine erste Beziehung mit einem Mann hatte er aber erst 2018 in Österreich, wodurch ihm seine diesbezügliche Neigung erst bewusst wurde. Er führte hier ca. von August 2018 bis März 2020 eine (auch sexuelle) längerfristige Beziehung als Lebensgefährte mit einem männlichen österreichischen Staatsbürger. Der BF war daher vor 2018 nicht in der Lage, seine diesbezügliche sexuelle Orientierung im Verfahren vorzubringen.

Es liegen derzeit keine Hinweise darauf vor, dass der Beschwerdeführer seine sexuelle Orientierung, etwa im Falle einer Rückkehr in seine Heimat Afghanistan, ändern würde.

Dem Beschwerdeführer droht daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner sexuellen Orientierung (Homosexualität) physische und/oder psychische Gewalt durch staatliche und nicht-staat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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