TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 W118 2195760-1

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Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W118 2195760-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX auch XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der nunmehrige Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 16.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2.       Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.12.2015 und der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.01.2018 begründete der Beschwerdeführer die Antragstellung im Wesentlichen dahingehend, er sei von „den Amerikanern“ ausgebildet worden und habe am Flughafen in Kabul bei der Sicherheitskontrolle gearbeitet. Taliban hätten ihn mit dem Tode bedroht und aufgefordert, nicht mehr für „die Amerikaner“ zu arbeiten bzw. für die Taliban Aufträge zu erledigen.

3.       Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung stellte die belangte Behörde eine Berufstätigkeit des Beschwerdeführers als Securitymitarbeiter am Flughafen in Kabul fest, wertete die vorgebrachte Bedrohung durch Taliban aufgrund von Ungereimtheiten hingegen als unglaubhaft. Der Beschwerdeführer könne sicherer nach Kabul zurückkehren, wo er zumutbare Lebensbedingungen vorfinden würde. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, der über 12-jährige Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung verfüge, familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

4.       Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid zur Gänze angefochten. In der Begründung wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zusammengefasst, der Beweiswürdigung durch das Bundesamt entgegengetreten und betreffend die Situation in Afghanistan insbesondere aus Berichten des UNHCR aus dem Jahr 2016 sowie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem Jahr 2017 zitiert.

5.       Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6.       Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache mit Datum vom 10.07.2019 neu zugewiesen.

7.       Am 30.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.

8.       Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2020 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte betreffend die generelle Lage in Afghanistan einschließlich der derzeitigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit eingeräumt, hiezu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer wurde überdies aufgefordert, innerhalb der genannten Frist auch etwaige Änderungen in persönlicher Hinsicht (Integration, Familienleben, etc.) anzugeben, die seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2020 gegebenenfalls eingetreten sind.

Bis dato ist einer Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen sowie durch Einsicht insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019, aktualisiert mit 21.07.2020; EASO, Country Guidance Afghanistan, Juni 2019; EASO, Afghanistan – Anti-Government Elements (AGEs), August 2020; EASO, Afghanistan – Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen, Dezember 2017; EASO, Afghanistan – Security Situation, Juni 2019; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.07.2020; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.08.2018; ACCORD, ecoi.net-Themendossier „Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan“ vom 26.08.2020; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan: Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, April 2019; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan: Networks, Jänner 2018; EASO, Afghanistan – Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020; ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020.

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 16.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist der afghanischen Hauptstadt Kabul geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt. Er hat in Afghanistan zwölf Jahre lang die Schule besucht, kann in der Sprache Dari lesen und schreiben und hat ungefähr von 2009 bis 2015 als Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle XXXX gearbeitet.

Die Familie des Beschwerdeführers – insbesondere seine Eltern und Geschwister – leben in vergleichsweise guten finanziellen Verhältnissen in der Stadt Kabul in ihrem eigenen Haus. Die Mutter des Beschwerdeführers ist Hausfrau, der Vater arbeitet als Tischler. Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr Kontakt zu seiner Familie aufnehmen.

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig und arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Er ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Der Beschwerdeführer hat in Österreich unter anderem Deutschkurse besucht, Prüfungen bis zum ÖSD Zertifikat A1 bestanden und spricht etwas Deutsch. Der Beschwerdeführer hat gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet, ist darüber hinaus in Österreich aber noch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er hat in Österreich einen Bekannten- bzw. Freundeskreis, ist aber nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung durch Taliban aufgrund seiner früheren beruflichen Tätigkeit als Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle XXXX ausgesetzt. Auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer seitens der Taliban weder physische oder psychische Gewalt noch Zwangsrekrutierung.

Dem Beschwerdeführer droht auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit oder aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich weder Gewalt noch erhebliche Diskriminierung. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3.    Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 bis 42 % Paschtunen, 27 bis 30 % Tadschiken, 9 bis 10 % Hazara, 9 % Usbeken, ca. 4 % Aimaken, 3 % Turkmenen und 2 % Belutschen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag bestehen fort und werden nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan und hat einen deutlichen politischen Einfluss im Land. Sie machen etwa 27 bis 30 % der afghanischen Bevölkerung aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten und im nationalen Durchschnitt mit etwa 25 % in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren. Die Zwangsmaßnahmen können körperliche Bestrafung und andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und auch gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Quellen haben bestätigt, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert werden oder in denen die Taliban stark präsent sind, de facto unmöglich ist, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten. Die örtlichen Gemeinschaften haben sich der Lokalverwaltung durch die Taliban zu fügen. Oppositionelle sehen sich gezwungen, sich äußerst bedeckt zu halten oder das Gebiet zu verlassen. In einzelnen Fällen wurden Kinder insbesondere in den südlichen Provinzen von Taliban als Selbstmordattentäter, menschliche Schutzschilde oder Bombenleger eingesetzt. UNAMA dokumentierte im Jahr 2019 58 Fälle, in denen Buben von Taliban rekrutiert und eingesetzt wurden, um Bomben zu legen, Sprengstoff zu transportieren, Informationen zu sammeln, Selbstmordanschläge durchzuführen oder sich an Feindseligkeiten zu beteiligen. In Gebieten unter Kontrolle des IS wird Druck auf die Gemeinden ausgeübt, den IS voll zu unterstützen. In den Grenzprovinzen Kunar und Nangarhar wurde von Zwangsrekrutierung in unter der Kontrolle von ISKP befindlichen Dörfern berichtet.

Für als „verwestlicht“ wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko – insbesondere im urbanen Bereich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Die Provinz Kabul liegt in Zentralafghanistan östlich von Parwan und Wardak und hat laut Schätzungen etwa 5 Millionen Einwohner. Außerhalb der Hauptstadt sind von den aufständischen Gruppierungen in Afghanistan vor allem die Taliban aktiv, Berichten zufolge stehen aber keine Distrikte unter der Kontrolle von Aufständischen. Die Hauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist über den Flughafen gut zu erreichen. Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Die Lage in der Hauptstadt ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, dennoch führten Aufständische sowohl im gesamten Jahr 2018 als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2 % gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden. Dabei kam es auch zu zivilen Opfern. Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Nach Schätzungen leben nahezu 1,5 Millionen Menschen in der Provinz Balkh, davon etwa 470.000 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, die von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer mehrheitlich paschtunischen Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert und besonders der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt, die als „sehr sicher“ gilt, und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Auch in Herat-Stadt ist ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität zu verzeichnen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48 % gegenüber 2017. Die Hauptursachen für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft – wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung – auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre – insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes – weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert.

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an. Hinsichtlich des Ausmaßes und der Art von Unterstützung wird zwischen freiwillig und unfreiwillig zurückgeführten Personen unterschieden. Das von IOM durchgeführte Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR) Programme besteht aus einer Kombination von administrativen, logistischen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Personen, welche beschließen, freiwillig aus Europa, Australien und der Türkei in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Im Zuge des AVRR-Programmes wurden im Jahr 2018 von IOM 2.182 Rückkehrer unterstützt. Etwa die Hälfte von ihnen erhielt Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens. Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt. IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro sowie Informationen, etwa über Hotels. Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden. Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser – insbesondere in der Stadt Kabul – lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan:

Berichten zufolge haben sich in allen Provinzen Afghanistans insgesamt mehr als 38.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt, mehr als 1.400 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet; von 37,6 Millionen Einwohnern wurden lediglich knapp 103.000 Personen getestet.

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben offiziell in Kraft, werden Berichten zufolge aber nicht mehr durchgesetzt. Die Vorgaben der Regierung werden von der Bevölkerung im Allgemeinen nicht befolgt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet.

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden.

Am 18.07.2020 kündigte die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken. Die Weltbank genehmigte am 15.07.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten.

Verschiedenen Modellen zufolge ist der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan noch nicht erreicht. Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 bis 31 Prozent gestiegen sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, zum Alter, Gesundheitszustand und zur Schulbildung und Berufserfahrung sowie zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der mündlichen Verhandlung dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer hat zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan sowohl vor dem Bundesamt als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass er seit seiner Ausreise keinen Kontakt zu seinen Verwandten habe. Vor dem Hintergrund der Bedeutung familiärer und sozialer Netzwerke in Afghanistan ist allerdings jedenfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr mit seine Verwandten wieder in Verbindung treten kann (vgl. EASO Country of Origin Information Report Afghanistan: Networks, Jänner 2018), zumal der Beschwerdeführer auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet hat, das dem entgegenstehen würde. Alleine der (behauptete) Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Angehörigen seit seiner Ausreise nicht kontaktiert hat, ist noch nicht als Anhaltpunkt zu werten, dass sich seine Familie nicht mehr in der bisherigen Adresse in Kabul aufhält. Im Übrigen konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch nicht glaubhaft darlegen, dass es ihm tatsächlich bisher nicht möglich gewesen wäre, den Kontakt zu seinen Verwandten wiederherzustellen, zumal nicht plausibel ist, dass er von keinem seiner Verwandten oder Freunden noch eine Telefonnummer hat und er auch seinen früheren Arbeitgeber nicht mehr kontaktieren kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohungen durch Taliban einen längeren Zeitraum umfassen und der Beschwerdeführer auch noch ausreichend Zeit hatte, die Ausreise bzw. den Schlepper zu organisieren. Es ist daher keineswegs naheliegend und auch mit dem Amtswissen bzw. Länderberichten zu Afghanistan kaum in Einklang zu bringen, dass der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates keine Möglichkeit mehr gehabt habe, Verwandte oder Freunde zu kontaktieren. Mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte ist ferner davon auszugehen, dass die finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers weiterhin zumindest als „mittelmäßig“ (laut Angabe des Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung) bzw. für afghanischen Verhältnisse wohl eher als gut zu beurteilen ist, zumal der Vater zumindest bis zur Ausreise des Beschwerdeführers über ein Erwerbseinkommen als Tischler verfügte und die Familie in einem eigenen Haus in der Stadt Kabul lebte bzw. lebt. Auch der Beschwerdeführer hatte bis zu seiner Ausreise offenbar ein gutes Einkommen, da er angegeben hat, seine schlepperunterstützte Ausreise selbst finanziert zu haben.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben und der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und insbesondere in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise und Empfehlungsschreiben den Feststellungen zugrunde gelegt. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor. Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer stützte seine behauptete Furcht vor Verfolgung auf eine Bedrohung seitens der Taliban im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei einer Sicherheitskontrolle am Flughafen Kabul, für die er „von den Amerikanern“ bzw. von der „GLOBAL STRATEGIES GROUP“ (einem privaten Sicherheits- und Militärunternehmen mit Sitz in London; https://globalgroup.com/operational-experience/aviation-security/) ausgebildet wurde.

Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund von vagen und widersprüchlichen Angaben als unglaubhaft. Auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Widersprüche und Ungereimtheiten in seinem Vorbringen schlüssig zu erklären.

Während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 16.12.2015 angegeben hat, Taliban hätten ihm verboten, weiter „für die Amerikaner“ zu arbeiten, steigerte er in der Folge vor dem Bundesamt und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht sein Vorbringen dahingehend, dass Taliban von ihm verlangt hätten, für sie zu arbeiten bzw. Aufträge auszuführen. Wenngleich die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. zu Widersprüchen zur Erstbefragung VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171 mwN), ist dieser klare Widerspruch auch mit der besonderen Situation bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes kaum erklärbar, da der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt bzw. dem Bundesverwaltungsgericht sein Vorbringen nicht lediglich genauer ausführte und ergänzte, sondern den Kern seines Fluchtvorbringens – trotz der weiterhin bestehenden Verbindung zu seiner Arbeit am Flughafen – geradezu ausgetauscht hat: Während bei der Erstbefragung nur von einer geforderten Beendigung der Arbeit „für die Amerikaner“ die Rede war, betrafen seine Rückkehrbefürchtungen in der Folge nahezu ausschließlich eine drohende Zwangsrekrutierung durch Taliban.

Wie schon im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung als auch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst von Drohungen gegen ihn selbst und weitere Personen – offenbar Arbeitskollegen – berichtet hat (Erstbefragung: „Die Taliban haben uns verboten weiter zu arbeiten.“; Einvernahme: „Die Taliban haben uns aufgefordert, dass wir für die Taliban und nicht für die Amerikaner arbeiten sollen.“), über konkrete Nachfrage betreffend eine Bedrohung anderer Mitarbeiter aber angab: „Nein. Ich weiß es nicht.“ Die über Vorhalt des Widerspruchs protokollierte Erklärung des Beschwerdeführers, er habe das nicht gesagt, kann in Anbetracht der dargestellten Übereinstimmung zwischen Erstbefragung und Einvernahme durch das Bundesamt nur als Schutzbehauptung gewertet werden.

Dem Bundesamt ist ferner nicht entgegenzutreten, wenn es in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sinngemäß ausführt, es sei in Anbetracht der Bedeutung für die Flucht aus dem Heimatland nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer die genaue Anzahl der Kontakte mit den Taliban nicht angeben könne: Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme zunächst an, die Taliban hätten ihn „ständig angerufen“, änderte dies unmittelbar darauf aber auf „2-3 Mal“ und konnte auch über Nachfrage nicht angeben, wie oft er genau angerufen worden sei. Auch die Anzahl der Anhaltungen durch Taliban gab er erst mit „2-3 Mal“ an, dann mit „3 Mal“ und änderte seine Angabe über Vorhalt der Abweichung schließlich wieder auf „2-3 Mal“. Bei einer sehr großen, beispielsweise zweistelligen Anzahl von Kontakten wäre allenfalls noch nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zwei Jahre später die genaue Anzahl nicht mehr angeben könnte, bei der genannten geringen Anzahl von Kontakten, bei denen ihm überdies mit dem Tode gedroht worden sei, wäre hingegen zu erwarten, dass der Beschwerdeführer sich an jeden einzelnen Vorfall zumindest in den Grundzügen erinnern könnte.

Schließlich steht der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers auch entgegen, dass er behauptet hat, sich trotz der angegebenen Vorfälle, die sich über einen längeren Zeitraum ereignet hätten, weder an seinen Arbeitgeber noch an die Sicherheitsbehörden gewendet zu haben. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in Afghanistan insbesondere deshalb unplausibel, da der Beschwerdeführer nicht bei irgendeinem privaten Arbeitgeber, sondern beim Luftfahrtministerium beschäftigt war.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sohin Widersprüche und Ungereimtheiten in zentralen Teilen des Vorbringens auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubhaft zu werten.

Der Beschwerdeführer könnte darüber hinaus einer Bedrohung in seiner Heimatregion auch durch eine Neuansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif entgehen, da jedenfalls keine substantiierten Hinweise hervorgekommen sind, dass auch mehr als viereinhalb Jahre nach Beendigung der Tätigkeit am Flughafen in ganz Afghanistan nach dem Beschwerdeführer gesucht wird. Vor dem Hintergrund der amtsbekannten Gegebenheiten in Afghanistan (Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister; vgl. auch EASO COI Report Afghanistan: Networks (Arbeitsübersetzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl), Stand Jänner 2018, Pkt. 3.1.1) ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine andere afghanische Großstadt gesucht bzw. gefunden würde. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, warum die Taliban den Beschwerdeführer in einer anderen afghanischen Großstadt suchen sollten, um ausgerechnet ihn zu einer Zusammenarbeit zu zwingen, zumal der Beschwerdeführer über keinerlei aktuelle Informationen verfügt, die für regierungsfeindliche Gruppierungen von Interesse sein könnten.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein substantiiertes Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

2.3.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet – und dem EASO-Bericht „Country Guidance: Afghanistan“ vom Juni 2019.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in den EASO-Bericht „Afghanistan – Security situation“, September 2020, sowie in den Bericht von UN OCHA, „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“, vom 02.09.2020) versichert hat.

Der Beschwerdeführer ist den im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht konkret entgegengetreten und die im Rahmen der Rechtsmittelschrift angeführten Länderberichte weisen nicht (mehr) die erforderliche Aktualität auf. Zu den mit Schreiben vom 15.09.2020 übermittelten Länderberichten zur aktuellen Lage in Afghanistan einschließlich der derzeitigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul („UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.“) ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist („Indizwirkung“; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung in der von EASO im Juni 2019 publizierten Neuauflage der Guidance Notes, laut denen eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lage grundsätzlich weiterhin in Betracht kommt („It can be concluded that the general security situation in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif does not preclude the consideration of the three cities as IPA“). Sowohl hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) als auch hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird in dem Bericht ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt. Die in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vorherrschenden allgemeinen Bedingungen stehen der Zumutbarkeit einer innerstaatliche Fluchtalternative grundsätzlich nicht entgegen („Based on available COI, it is concluded that the general circumstances prevailing in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif, assessed in relation to the factors above, do not preclude the reasonableness to settle in the cities.“).

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung des EASO-Leitfadens ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information – COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Art. 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den – in den Kernaussagen mit dem Folgebericht vergleichbaren – EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass „in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht“, ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese „grundsätzlich“ nicht verfügbar sei.

Dies gilt auch für den UNHCR-Bericht vom Dezember 2019 („Afghanistan: Compilation of Country of Origin Information (COI) Relevant for Assessing the Availability of an Internal Flight, Relocation or Protection Alternative (IFA/IRA/IPA) to Kabul“), in dem im Wesentlichen die in den Richtlinien vom 30.08.2018 getroffene Einschätzung bestätigt wird, wobei darauf hinzuweisen ist, dass UNHCR sich hinsichtlich der Lage von Rückkehrern über weite Strecken auf die o.a. Studie von Friederike Stahlmann gestützt hat.

Zum vorliegenden Fall ist darüber hinaus festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan in Kabul verbracht hat. Er ist mit den örtlichen Gegebenheiten gut vertraut und hat in der Stadt Kabul über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren am Flughafen gearbeitet, von den Einkünften seinen Lebensunterhalt bestritten und laut seinen Angaben in der Einvernahme am 05.01.2018 sogar genug Geld gespart, um die schlepperunterstützte Ausreise zu finanzieren (ca. 6.000-7.000 USD).

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf den EASO-Leitfaden vom Juni 2019, dem etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die gleichlautenden Ausführungen betreffend die Stadt Mazar-e Sharif): „In the provincial capital of Herat City, indiscriminate violence is taking place at such a low level that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence within the meaning of Article 15(c) QD.“

Wie bereits oben ausgeführt, geht EASO hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif – insbesondere für „single able-bodied men“ – ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Die Feststellungen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan stützen sich ebenfalls insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie auf den ACCORD-Länderbericht „Afghanistan: Covid-19“ vom 05.06.2020 und die Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.07.2020, mit denen auch der aktuelle Bericht des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“ vom 02.09.2020 in Einklang zu bringen ist. Ergänzend beobachtet das Bundesverwaltungsgericht – insbesondere hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan – auch die diesbezügliche Medienberichterstattung (vgl. etwa TOLOnews, https://tolonews.com), aus der sich ebenfalls keine andere Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ableiten lässt.

Obwohl sich in der derzeitigen Situation eine Wiedereingliederung in Afghanistan wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten grundsätzlich schwieriger als vor Beginn der COVID-19-Pandemie darstellt, ist weiterhin davon auszugehen, dass gesunde leistungsfähige Männer – insbesondere wenn sie über familiäre Anknüpfungspunkte oder über hinreichende Schul- bzw. Berufsausbildung verfügen – in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen können, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zur Frage der Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif auf dem Luftweg ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die afghanische Zivilluftfahrtbehörde bekannt gegeben hat, dass die Inlandsflüge nach einer dreimonatigen Pause wiederaufgenommen wurden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1.  Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.2.2.  Wie oben ausgeführt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete, aktuelle Bedrohung konnte nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich der ins Treffen geführten Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch Taliban wird auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass aus den Länderberichten zu Afghanistan hervorgeht, dass Taliban verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern einsetzen, Maßnahmen unter Einsatz von Zwang allerdings nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Daraus, aus sonstigen Länderberichten (vgl. etwa Landinfo, Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017 (BFA Arbeitsübersetzung): „Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet.“) sowie aus dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist nicht abzuleiten, dass jeder wehrfähige Mann bei einer Rückkehr – ohne Hinzutreten individueller, gefahrenerhöhender Umstände – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre (vgl. auch UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018). Von einer Gruppenverfolgung aller Männer im wehrfähigen Alter ist demzufolge nicht auszugehen.

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass „verwestlichten“ Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019). Auch in den aktuellen UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 01.06.2017, [a-10159], Pkt. 5). Dies gilt umso mehr bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt.

3.2.3.  Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

3.2.4.  Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, ist unter Berücksichtigung der Länderberichte und der Umstände des vorliegenden Falles nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in anderen Teilen Afghanistans – insbesondere in Großstädten wie Herat oder Mazar-e Sharif – gesucht bzw. gefunden würde, zumal keine Hinweise hervorgekommen sind, dass Taliban in ganz Afghanistan nach dem Beschwerdeführer suchen. Aufgrund der eher untergeordneten Tätigkeit des Beschwerdeführers als Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle XXXX ist vor dem Hintergrund der amtsbekannten Gegebenheiten in Afghanistan (Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister; vgl. auch EASO COI Report Afghanistan: Networks (Arbeitsübersetzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl), Stand Jänner 2018) nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mehr als viereinhalb Jahre nach Beendigung seiner Tätigkeit in einer anderen afghanischen Großstadt gesucht bzw. gefunden würde (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019, S. 28: „When assessing the safety of IPA in case of persecution or serious harm by the Taliban, particular consideration should be given to the individual circumstances of the applicant, the capacity of the Taliban to track and target individuals in the cities, the way the applicant is perceived by the Taliban and whether or not a personal enmity is at stake, etc. For individuals who fear persecution or serious harm by other armed groups, the reach of the particular group and their ability to track and target individuals in the cities should be assessed; in most cases IPA could be available. The operational presence of ISKP in Kabul and Herat should be taken into account in the individual assessment.“; vgl. auch EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan: Insurgent strategies, intimidation and targeted violence against Afghans, Dezember 2012, S. 65: „If a person working for the IMF quits his activity and can flee and resettle in a safer area, he can normally escape intimidation or targeting by insurgents, unless there are specific individual circumstances which would preclude this possibility.“). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Beendigung seiner Arbeit XXXX im Jahr 2016 keinerlei Möglichkeit mehr hat, seine dortige berufliche Stellung zum Vorteil der Taliban einzusetzen bzw. den Taliban aktuelle Informationen – etwa über die Sicherheitskontrollen – zu verschaffen.

3.2.5.  Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

3.3.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1   Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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