TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/15 96/19/2651

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Veröffentlicht am 15.09.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des 1996 geborenen D A P in A, vertreten durch die Eltern D und L P, ebendort, diese vertreten durch Dr. Hermann Fromherz, Dr. Friedrich Formherz und Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1996, Zl. 120.013/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 28. März 1996 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit Fremden (und zwar mit Vater/Mutter) an. Als Person, mit der diese Familiengemeinschaft angestrebt werde, nannte der Beschwerdeführer ausdrücklich seinen Vater.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. Juni 1996 wurde (auch) der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die Begründung des Bescheides bezieht sich ausschließlich auf die mit diesem Bescheid ebenfalls ausgesprochene Abweisung des Antrages der Mutter des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, welche von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 AufG und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen wurde. Aus der Begründung des Bescheides geht hervor, daß der Antrag auf Aufenthaltsbewilligung der Mutter des Beschwerdeführers negativ beschieden worden sei. Im speziellen Fall des Beschwerdeführers sei für die erkennende Behörde daher die Norm des § 4 Abs. 3 AufG anzuwenden, da der Beschwerdeführer auf Grund seines Lebensalters im Abhängigkeitsverhältnis zur ihr stehe, jedoch bei seiner Mutter von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe Abstand genommen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von Fremden, die auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 AufG) vorliegt. Gemäß § 4 Abs. 3 AufG ist eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

Die belangte Behörde geht darüber hinweg, daß im Antrag des Beschwerdeführers unter Punkt 4 "Aufenthaltszweck" in lit. c "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft, und zwar mit" (auch) das Wort "Vater" angekreuzt ist und bei den folgenden Angaben zur Person dieses Familienangehörigen der Name des Vaters des Beschwerdeführers angegeben wurde. Daraus ist zu ersehen, daß die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem Vater angestrebt wird.

Die belangte Behörde hat den rechtlichen Inhalt des § 3 AufG verkannt. Denn aus dem diesbezüglich unzweifelhaften Wortlaut der Norm ist im Falle, daß sich die angestrebte Bewilligung auf die Familienzusammenführung mit dem Vater bezieht, keine Befugnis der Behörde zu einer dem Wunsch des Antragstellers entgegenstehenden Bevorzugung der Mutter ableitbar. Auch aus dem systematischen Bezug des § 4 Abs. 3 AufG folgt, daß sinnvollerweise nur derjenige Elternteil gemeint sein kann, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Diese Auffassung entspricht auch einer im Hinblick auf Art. 8 MRK verfassungskonformen Interpretation. Allein der Umstand, daß die Mutter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall somit nicht zur Abweisung des auf Familiengemeinschaft mit seinem Vater gerichteten Antrag des Beschwerdeführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777, mit weiteren Nachweisen).

Der zwingende Charakter des § 3 Abs. 1 AufG schließt die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Gründen jedenfalls aus. Die belangte Behörde verkennt ihre Aufgaben, wenn sie meint, sie sei dazu berufen zu entscheiden, ob für den Beschwerdeführer das Leben in Gemeinschaft mit seiner Mutter jenem in Gemeinschaft mit seinem Vater im Interesse des Kindeswohles vorzuziehen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/3352).

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, daß die Mutter im konkreten Fall diejenige Person sei, auf welche die angestrebte Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft abzustellen sei, hat sich die belangte Behörde nicht damit befaßt, ob der Vater des Beschwerdeführers rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte.

Aus dem Verwaltungsakt ist zu ersehen, daß dem Vater des Beschwerdeführers Aufenthaltsbewilligungen vom 6. Juni 1994 bis 7. Februar 1995 sowie vom 7. Dezember 1995 bis 15. November 1996 erteilt wurden. Hätte die belangte Behörde diesbezüglich Feststellungen getroffen, so hätte sie zu dem Ergebnis gelangen können, daß der Vater des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde die im § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG genannten Erfordernisse erfüllt hätte, weshalb dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG zugekommen wäre. Eine Ermessensentscheidung der belangten Behörde gemäß § 4 Abs. 1 AufG wäre somit ausgeschlossen gewesen. Dieser Verfahrensmangel hat seinen Grund in der oben dargelegten unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde über den Inhalt des § 4 Abs. 3 AufG.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192651.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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