TE OGH 2020/10/21 9ObA89/20h

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.-Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. German Storch, Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revisionen beider Streitteile (Revisionsinteresse: jeweils 10.900 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juni 2020, GZ 11 Ra 27/20z-31, mit dem den Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. März 2020, GZ 14 Cga 110/18i-24, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

2. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

3. Die Kosten der Revisionsbeantwortungen der Streitteile werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Studienbetreiberin einer Fachhochschule (FH *****). Auf ihre Angestellten ist kein Kollektivvertrag anwendbar. Ihr Lehrpersonal besteht aus etwa 310 Personen, von denen etwa 280 L2-Dienstverträge (Fachhochschulprofessoren) und etwa 30 L1-Dienstverträge (Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren) haben.

Der Kläger, Angestelltenbetriebsrat der Beklagten, begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG

1. die Feststellung, dass die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren der Beklagten in die Verwendungsgruppe L2 der Dienstordnung vom 12. 12. 2002 einzustufen sind;

2. die Feststellung, dass die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren der Beklagten Anspruch auf Nachzahlung der Gehaltsdifferenzen wegen der unrichtigen Einstufung in L1 für den Zeitraum der gesetzlichen Verjährungsfrist ab 1. 11. 2015, in eventu für den nicht verfallenen Zeitraum bei einer etwaig vereinbarten Verfallsklausel haben.

Die Einstufung des wissenschaftlichen Personals erfolge nach der Dienstordnung vom 12. 12. 2002 (idF: DO). Alle L1-Angestellten seien im gleichen Ausmaß wie Fachhochschulprofessoren in der Lehre tätig, es gebe auch sonst keine faktischen Unterschiede. Sie würden – entsprechend dem „Drei-Säulen-Modell“ – überwiegend Lehrtätigkeit erbringen, weshalb sie gemäß Punkt II.2.1. der DO in die Verwendungsgruppe L2 einzustufen seien.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die DO aus dem Jahr 2002 habe nicht mehr volle Aktualität und sei zugunsten eines beweglichen Drei-Säulen-Modells aufgegeben worden. Es handle sich dabei um eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2010. Dieses Modell setze sich aus den Punkten Lehre – Forschung – Organisation zusammen, wobei jeder hauptberuflich Lehrende in diesen drei Bereichen eingesetzt werde. Seit mehreren Jahren habe sich bei der Beklagten eine betriebliche Übung entwickelt, wonach L1-Angestellte neben der Forschung durch Zuteilung von wenigen Semesterwochenstunden auch in der Lehre eingeteilt werden. Die Lehrtätigkeit dieser L1-Angestellten unterscheide sich von jener der L2-Angestellten dadurch, dass der L1-Angestellte den L2-Angestellten lediglich unterstütze und der L2-Angestellte letztlich für die jeweilige Lehrveranstaltung verantwortlich sei. Die L1-Angestellten würden neben ihrer Lehrtätigkeit auch meist an ihrer Dissertation schreiben, die in den meisten Fällen Voraussetzung für die Bewerbung auf eine L2-Stelle sei. Die Lehrtätigkeit der L1-Angestellten sei erforderlich, um diese auf eine L2-Stelle auszubilden, wobei kein Rechtsanspruch auf eine L2-Stelle bestehe. Die L1-Stelle sei daher lediglich als „Durchgangsstadium“ anzusehen. Darauf werde in den Dienstverträgen der Beklagten auch ausdrücklich hingewiesen. Sowohl L1- als auch L2-Stellen würden öffentlich ausgeschrieben. Jeder Bewerber wisse, für welche Position er sich bewerbe. Bei den Ausschreibungen werde auch das Gehalt inhaltlich genau umschrieben. Die Dienstverträge sowie die darin enthaltenen Bestimmungen würden daher jedenfalls wirksam zustande kommen, zumal es dem akademischen Personal zugemutet werden könne, die Unterlagen und Dienstverträge eingehend zu studieren und vor Unterfertigung zu lesen. Das System der Beklagten sei mit jenem an den Gerichten bzw Universitäten vergleichbar. Es gebe auch bei der Beklagten ein Berufungsverfahren hinsichtlich der zu besetzenden Planstellen. Eine allfällige inhaltsgleiche Dienstbeschreibung könne daher genau so wenig wie auf einer Universität zu einer „Gleichstellung“ der verschiedenen Lehrenden auf einer Fachhochschule führen. Ein weiteres Unterscheidungskriterium zwischen L1- und L2-Angestellten sei, dass die Mindestanforderung für die Professorenstelle L2 in den meisten Fällen ein Doktorat sei. Dies ergebe sich auch aus älteren Personalunterlagen. Zudem sei für eine L2-Stelle eine sonstige vorzuweisende wissenschaftliche Erfahrung erforderlich. Beispielsweise seien „Peer-reviewte“ Publikationen erforderlich, wobei es sich um Publikationen handle, welche von anerkannten Experten/Wissenschaftlern vorab begutachtet, analysiert und bewertet worden seien. Es sei daher offenkundig, dass an die Einstufung als L2-Professor höhere Anforderungen gestellt würden, zumal es sich hierbei um Vollprofessuren handle. Im Übrigen handle es sich bei der Beklagten um einen „Tendenzbetrieb“ im Sinn des § 132 ArbVG; die Einreihung des akademischen Kernpersonals in bestimmte Verwendungsgruppen falle daher nicht in den Kreis der engeren Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats.

Das Erstgericht gab Punkt 1. des Feststellungsbegehrens statt und wies es in Punkt 2. ab, wofür es auszugsweise von folgendem Sachverhalt ausging:

Auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der Beklagten sind die DO sowie die Vereinbarung zum Drei-Säulen-Modell anwendbar. Es handelt sich dabei um zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung des Fachhochschulträgervereins ***** abgeschlossene Betriebsvereinbarungen. Die Einstufung der Angestellten in die Verwendungsgruppen erfolgt nach der DO. Die Assistenten der Lehre bzw Assistenzprofessoren wurden und werden in Verwendungsgruppe L1 eingestuft. Diese etwa 30 Dienstverträge lauten auszugsweise sinngemäß wie folgt:

I. Stellenbeschreibung, Aufgaben und Pflichten

1. Sie werden zur Assistentin in der Lehre für den Fachhochschulstudiengang Prozessmanagement Gesundheit an der Fakultät ***** bestellt. Das Dienstverhältnis beginnt am 1. 6. 2013.

2. Mit dieser Dienstverwendung sind gemäß Fachhochschulstudiengesetz (BGBl 1993/340 idF BGBl 2006/43) nachstehende Tätigkeiten verbunden:

a) Lehrtätigkeit

Frau ***** ist verpflichtet, im Lehr- und Studienbetrieb der FH ***** Lehrtätigkeit im Ausmaß von mindestens 420 Lehrveranstaltungseinheiten im Studienjahr (Hervorhebung hier, Anm) zu leisten.

b) Forschungs- und Entwicklungstätigkeit

Frau ***** ist verpflichtet, Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in einem noch näher zu vereinbarenden Ausmaß zu leisten.

c) Organisatorische und administrative Tätigkeiten

Frau ***** ist verpflichtet, organisatorische und administrative Tätigkeiten in einem noch näher zu vereinbarenden Ausmaß zu leisten.

Die unter a) bis c) angeführten Leistungsgattungen sind im Rahmen des Drei-Säulen-Modells zu erbringen. Das Drei-Säulen-Modell ist ein gültiges Verrechnungsmodell zur Erfassung der unter a) bis c) angeführten Leistungsgattungen. Details ergeben sich aus dem Dokument 'Drei-Säulen-Modell'. Im Rahmen dieses Drei-Säulen-Modells kann es in Abstimmung mit dem/der StudiengangsleiterIn oder der wissenschaftlichen Leitung zu Gewichtungen kommen. Diese Gewichtungen werden gesondert mit Ihnen vereinbart. Ziel ist, eine schwerpunktmäßige Entwicklung Ihrer fachlichen Neigungen und Ausrichtungen zu gewährleisten. Ein Mindestmaß an organisatorischen und administrativen Tätigkeiten ist jedenfalls im zumindest notwendigen Ausmaß mit der Tätigkeit verbunden.

II. Einstufung, Vorrückung

1. Sie werden entsprechend den Bestimmungen der FH-DO in die Verwendungsgruppe L1 Gehaltsstufe 1 erstmalig eingestuft.

2. Maßgeblicher Vorrückungsstichtag ist jeweils der 1. Oktober. Die Vorrückung erfolgt entsprechend den Bestimmungen der FH-DO.…

IV. Dienstzeit

1. Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt 40 Stunden (MO–FR). …

VIII. Gehalt

1. Das vereinbarte Bruttogehalt beträgt gemäß der Einstufung nach Punkt II. EUR 2.516,99 (Stand: 1. 1. 2013) …“

Die Lehrtätigkeit der L2-Angestellten beträgt 420 Lehreinheiten pro Jahr. Die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren sind – im gleichen Ausmaß wie L2-Angestellte – in der Lehre tätig. Die von der Klage betroffenen 30 Angestellten leisten jeweils, wie in den einzelnen Dienstverträgen vorgesehen, mindestens 420 Lehreinheiten pro Jahr. Auch sie halten Lehrveranstaltungen ab. Auch sie können wirksam Prüfungen abnehmen.

Die DO enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

I. Geltungsbereich

I.1. Die vorliegende Dienstordnung gilt für alle Angestellten des FH*****, die auf Basis eines Dienstvertrags beschäftigt werden.

I.2. …

I.3. Die Gehaltstabellen der vorliegenden Dienstordnung treten bei gleichbleibender Einstufung rückwirkend mit 1. Oktober 2001, alle übrigen Bestimmungen mit 1. Januar 2003 in Kraft. Alle Bestimmungen gelten ab dann unbefristet.

II. Regelungen der Beschäftigung

II.1. Allgemeine Bestimmungen

II.1.1. Es gibt zwei Schemata für die dienstrechtliche Behandlung von Angestellten:

• Das wissenschaftliche Personal (für Lehre, Forschung und Entwicklung) wird im Schema L (siehe Abschnitt II.2.) behandelt,

• das nicht-wissenschaftliche Personal im Schema A (siehe Abschnitt II.3.).

II.1.2. Die eindeutige Zuordnung eines Angestellten zu einem der beiden Schemata richtet sich nach der Beschreibung der Verwendungsgruppen, wobei die überwiegende Verwendung des Angestellten maßgeblich ist.…

II.2. Schema L (wissenschaftliches Personal)

II.2.1. Definition der Verwendungsgruppen im Schema L

L1 Wissenschaftliche MitarbeiterInnen sind Angestellte des wissenschaftlichen Personals, die überwiegend in der Forschung tätig sind, unterstützend aber auch in der Lehre mitwirken können.

L2 FH-ProfessorInnen sind Angestellte des wissenschaftlichen Personals, die überwiegend in der Lehre tätig sind. (Hervorhebung hier, Anm)

Die Führung des von der FH–Konferenz verliehenen Titels „FH-Professor“ steht in keiner Wechselwirkung mit der Zuordnung zu einer der beiden oben genannten Verwendungsgruppen.

II.2.2. …

II.2.3. Aufgaben des wissenschaftlichen Personals

Die Aufgaben des wissenschaftlichen Personals umfassen – in unterschiedlicher Gewichtung, je nach Verwendungsgruppe – Lehre (siehe Punkt II.2.4.), Forschung und Entwicklung, Weiterentwicklung der Studiengänge und alle erforderlichen administrativen Tätigkeiten, wie z.B.:…

II.2.4. Lehrverpflichtung

Die Lehrverpflichtung eines FH-Professors (Verwendungsgruppe L2) beträgt 420 Lehrveranstaltungseinheiten im Studienjahr. (Hervorhebung hier, Anm) Es obliegt der Verantwortung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, in Einzelfällen und mit Einverständnis des Mitarbeiters Abweichungen nach oben oder unten zuzulassen, wobei dann ein Ausgleich in einem Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren herzustellen ist. Eine Reduktion der Lehrtätigkeit kann aber auch durch eine vermehrte Forschungs- und/oder Verwaltungstätigkeit kompensiert werden.…“

Die Beklagte verwendet für sämtliche Dienstverhältnisse der Verwendungsgruppe L eine Vertragsschablone. Diese Vertragsschablone enthält hinsichtlich der Einstufung in die Verwendungsgruppen folgende Regelungen:

II. Einstufung, Vorrückung

1. DN wird entsprechend den Bestimmungen der FH-DO in die Verwendungsgruppe L. Gehaltsstufe . erstmalig eingestuft. …

XIV. Arbeitsrechtliche Grundlagen

1. …

2. Als Bestandteil dieses Dienstvertrages gelten die Bestimmungen der FH-DO in der jeweils gültigen Fassung. Diese sind, sofern der Dienstvertrag nichts anderes regelt, in der jeweils gültigen Fassung auf diesen Vertrag anwendbar. …“

Den klagsstattgebenden Teil seines Urteils begründete das Erstgericht zusammengefasst damit, dass die Assistenten der Lehre bzw Assistenzprofessoren im gleichen Ausmaß wie die L2-Angestellten überwiegend in der Lehre tätig seien und aufgrund ihrer tatsächlich geleisteten Tätigkeit nach der DO in die Verwendungsgruppe L2 einzustufen seien. Weder die DO noch das Drei-Säulen-Modell sehe erhöhte Anforderungen für L2-Angestellte vor. Das zweite Feststellungsbegehren enthalte einen Leistungsanspruch, der sich auf das Verhältnis der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer zur Beklagten beziehe und im Rahmen eines Feststellungsbegehrens gemäß § 54 ASGG nicht zugesprochen werden könne.

Das Berufungsgericht gab den dagegen erhobenen Berufungen der Streitteile keine Folge.

Zur von der Beklagten bekämpften Einstufung führte es aus, die DO entfalte in Bezug auf die Entgeltregelung keine Normwirkung, sie sei daher als unzulässige (freie) Betriebsvereinbarung zu qualifizieren, deren Inhalt als Vertragsschablone zu einer Änderung bzw Ergänzung des Einzelvertrags führen könne. Hier verwende die Beklagte eine Vertragsschablone, in der ausdrücklich darauf verwiesen werde, dass die Einstufung entsprechend den Bestimmungen der DO erfolge. Diese sei daher für die Einstufung des wissenschaftlichen Personals grundsätzlich maßgeblich. Nach Pkt II.2.4. DO betrage die Lehrverpflichtung eines FH-Professors grundsätzlich 420 Lehrveranstaltungseinheiten im Studienjahr. Das treffe auch auf die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren zu. Der Festlegung im Dienstvertrag und den Ausschreibungen auf eine L1-Stelle komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Beklagte nach der Formulierung in den Dienstverträgen nach dem Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers zu erkennen gebe, dass die Einstufung entsprechend den Bestimmungen der Dienstordnung erfolgen solle. Da sie keine anderen Kriterien zur Unterscheidung der Aufgaben von L1- und L2-Stellen beinhalte, bedürfe es auch keiner weiteren Feststellungen zur Vergleichbarkeit der L1- und L2-Tätigkeiten. Eine Weiterentwicklung durch betriebliche Übung bzw interne Richtlinien zur Schaffung des Mittelbaus sei in den Dienstverträgen nicht zum Ausdruck gebracht worden. Die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren seien daher in die Verwendungsgruppe L2 einzustufen.

Zum zweiten Feststellungsbegehren sei kein rechtliches Interesse zu erkennen, weil die begehrte Feststellung eines Nachzahlungsanspruchs der Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren grundsätzlich die Rechtsfolge der Stattgebung des ersten Feststellungsbegehrens im Einzelfall sei; an deren Feststellung bestünde nur dann ein besonderes rechtliches Interesse, wenn über die Einstufungsfrage hinaus der Zahlungsanspruch der betroffenen Dienstnehmer strittig sei, was vom Kläger nicht behauptet werde.

Die ordentliche Revision sei zur Frage der verfahrensgegenständlichen Einstufung zulässig.

Der Kläger beantragt in seiner gegen den klagsabweisenden Teil des Berufungsurteils gerichteten Revision, das Berufungsurteil im Sinn einer gänzlichen Klagsstattgabe abzuändern.

Die Beklagte beantragt in ihrer gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichteten Revision, das Berufungsurteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Streitteile begehren in ihren Rechtsmittelbeantwortungen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig, jene der Beklagten ist nicht berechtigt.

I. Zur Revision des Klägers

I.1. Nach § 54 Abs 1 ASGG können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebs oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Das über die Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 ASGG ergehende Urteil wirkt zwar nur zwischen den Prozessparteien, also zwischen den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und dem Arbeitgeber und nicht (auch) zum Vorteil der berechtigten Arbeitnehmer. Diese erwerben daher aufgrund des über die Feststellungsklage ergehenden Urteils keinen Anspruch und verlieren auch allfällige Ansprüche nicht. Ein solches Urteil hat für die berechtigten Arbeitnehmer aber insofern faktische Wirkung, als der Arbeitgeber meistens das Urteil, vor allem wenn eine Rechtsmittelentscheidung ergangen ist, in Bezug auf die berechtigten Arbeitnehmer beachten wird (RS0085545). Durch die in § 54 Abs 5 ASGG angeordnete Verjährungshemmung kann der einzelne Arbeitnehmer auch den Ausgang des Feststellungsverfahrens als Testverfahren abwarten, ohne Gefahr zu laufen, dass seine Leistungsansprüche zwischenzeitig verjähren.

I.2. Die Rechtsprechung sieht den Gegenstand der besonderen Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG in einer auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen gerichteten Klage im Sinne des § 228 ZPO. Voraussetzung des Feststellungsanspruchs ist daher, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines (näher bezeichneten) Rechts oder Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung hat (RS0085572). Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses setzt voraus, dass das gegenständliche Rechtsverhältnis eine unmittelbare rechtliche (nicht bloß wirtschaftliche oder ideelle) Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausübt, dass ferner ein unmittelbarer Anlass zur Klageführung gegeben ist, dass sich das rechtliche Interesse unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergibt und tatsächlich geeignet ist, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu verhindern oder zu beenden (RS0085548). Voraussetzung ist daher eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre der betroffenen Arbeitnehmer, die schon darin gelegen ist, dass die beklagte Partei den Anspruch verneint (RS0085548 [T1]; RS0039007). Ob dies zutrifft, ist nach den Umständen des Falls zu prüfen.

I.3. Die erstmals in der Revision geäußerte Befürchtung des Klägers, dass Arbeitgeber durch Weigerung der Nachzahlung von Gehaltsdifferenzen (trotz Anerkennung der zukünftigen Einstufungssituation) neuerlich Gerichtsverfahren provozieren könnten, hat hier keine Entsprechung im erstinstanzlichen Vorbringen konkreter Tatsachen. Im Übrigen sind, wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, im Vorbringen der Streitteile keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Nachzahlungsanspruch der betroffenen Dienstnehmer über die Einstufungsfrage hinaus strittig sein könnte. Wenn das Berufungsgericht ein gesondertes rechtliches Interesse am zweiten Feststellungsbegehren verneinte, ist das hier nicht weiter korrekturbedürftig.

I.4. Aus der Entscheidung 9 ObA 4/20h, in der beiden (vergleichbaren) Feststellungsbegehren stattgegeben wurde, ist für den Kläger nichts anderes zu gewinnen, weil die Frage des rechtlichen Interesses an der Feststellung des Nachzahlungsanspruchs dort nicht näher aufzugreifen war.

I.5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

II. Zur Revision der Beklagten

II.1. Die allgemeinen Ausführungen zum Fachhochschulwesen, zur besonderen Situation der Beklagten sowie Vergleiche mit öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen sind nicht zielführend, weil der vorliegende Fall die nach vertragsrechtlichen Kriterien zu prüfende Einstufung der Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren betrifft.

II.2. Die Beklagte stellt nicht in Frage, dass die DO im Hinblick auf die Einstufung des Personals keine Inhalte iSd § 97 ArbVG regelt. Es handelt sich daher um eine „freie“ Betriebsvereinbarung, deren Wirkungen sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen bestimmen. Die Rechtsprechung und das Schrifttum sehen solche Betriebsvereinbarungen als Vertragsschablonen an, deren Inhalt ausdrücklich oder schlüssig zu einer Änderung bzw Ergänzung des Einzelvertrags führen kann (RS0018115, zuletzt 8 ObA 59/17k). Richtig ist daher, dass die DO den Dienstverträgen hier nicht übergeordnet ist, sondern, soweit in diesen auf sie Bezug genommen wird, zu deren Inhalt wurde.

II.3. Bei der Auslegung des Dienstvertrags ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen (RS0017915). Die Vertragserklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war (RS0113932 [T13] ua).

II.4. Hier enthalten die Dienstverträge zur gehaltsrechtlichen Einstufung der betroffenen Mitarbeiter die Formulierung: „Sie werden entsprechend den Bestimmungen der FH-DO in die Verwendungsgruppe L1 Gehaltsstufe 1 erstmalig eingestuft. … Die Vorrückung erfolgt entsprechend den Bestimmungen der FH-DO.“

Die Lehrverpflichtung der betroffenen Dienstnehmer beträgt – nicht anders als jene der L2-Angestellten (Pkt II.2.4. der DO) – 420 Lehrveranstaltungseinheiten. Aus dem Drei-Säulen-Modell (Beil ./B, deren Inhalt auch ohne wörtliche Wiedergabe durch die Vorinstanzen berücksichtigt werden kann, s RS0121557 [T2, T3]) geht hervor, dass 420 Lehreinheiten pro Studienjahr einer Lehrverpflichtung von 1.260 Normalstunden bei einer Jahresnormalarbeitszeit von 1.680 Stunden entsprechen. Da die betroffenen Dienstnehmer iSd Punktes II.2.1. der DO daher überwiegend in der Lehre tätig sind, ergibt sich „entsprechend den Bestimmungen der FH-DO“ eine Einordnung in die Verwendungsgruppe L2. Aus der Klarstellung, wonach die Führung des von der FH-Konferenz verliehenen Titels „FH-Professor“ in keiner Wechselwirkung mit der Zuordnung zu einer der beiden oben genannten Verwendungsgruppen steht, lässt sich außerdem ableiten, dass die Einordnung in eine Verwendungsgruppe nicht an eine Funktion oder einen Titel geknüpft ist.

II.5. Dass in den Dienstverträgen gleichzeitig ausdrücklich eine Einordnung in die Verwendungsgruppe L1 vorgesehen ist, kann ein redlicher Erklärungsempfänger primär als Ausdruck der korrekten Einstufung entsprechend den Vorgaben der DO verstehen. Auch wenn die Umstände der Erklärung bei der Interpretation mitheranzuziehen sind (s RS0017915), gewinnt die Beklagte nichts daraus, dass sich die betroffenen Angestellten möglicherweise „bewusst auf L1-Stellen unter Heranziehung des Lohnschemas L1“ beworben haben. Der Bewerbung auf eine mit einer bestimmten Einstufung verbundenen Stelle muss kein solcher Erklärungswert beigemessen werden, dass damit ein im schriftlichen Dienstvertrag deutlich zum Ausdruck gebrachter Erklärungswert unbeachtlich würde.

II.6. Die Beklagte verweist auch auf die Öffnungsklausel in Punkt XIV.2. des Mustervertrags („Als Bestandteil dieses Dienstvertrages gelten die Bestimmungen der FH-DO in der jeweils gültigen Fassung. Diese sind, sofern der Dienstvertrag nichts anderes regelt, in der jeweils gültigen Fassung auf diesen Vertrag anwendbar.“). Es trifft zwar zu, dass die Dienstvertragsparteien einvernehmlich von Regelungen der freien Betriebsvereinbarung abgehen können. Eine solche Abänderung wird hier aber nicht schon dadurch erreicht, dass in den Verträgen auch eine Einstufung „in die Verwendungsgruppe L1“ angeführt wird. Es wäre unlogisch, im Vertragstext zunächst eine Einstufung „entsprechend den Bestimmungen der FH-DO“ festzulegen, um diese im selben Satz wieder abzubedingen.

II.7. Aber auch wenn man die Einstufungsregelung im Ergebnis als widersprüchlich erachtet, ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil in diesem Fall – zu ihren Lasten – die Unklarheitenregel des § 915 2. HS ABGB greift.

II.8. Die Beklagte vermisst Feststellungen zur konkreten Tätigkeit von Assistenten und Professoren und zu den unterschiedlichen Voraussetzungen und Qualifikationen. Die Zuordnung zu L1 oder L2 in der DO erfolgt hier allerdings nur anhand des Kriteriums, ob die Lehrtätigkeit überwiegt, wobei die Lehrverpflichtung für L2-Stellen mit 420 Lehrveranstaltungseinheiten festgelegt wird. Mögen sich auch aus verschiedenen Richtlinien der Beklagten andere Unterscheidungskriterien für die Tätigkeit von Assistenten/Assistenzprofessoren und Professoren entwickelt haben, nimmt die DO die gehaltsrechtliche Einstufung aber nicht nach weiteren Kriterien vor. Die DO und die Dienstverträge nehmen auf diese Richtlinien auch nicht Bezug. Auch aus dem Drei-Säulen-Modell, das die DO ergänzen soll, ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. Bei diesem handelt es sich nach den Feststellungen nur um ein Verrechnungsmodell zur Erfassung der unter a) bis c) im Dienstvertrag angeführten Leistungsgattungen. Es beinhaltet aber keine die DO ergänzenden oder abändernden Einstufungskriterien für das wissenschaftliche Personal.

II.9. Die Vorinstanzen sind damit zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren der Beklagten, deren Dienstverhältnis die genannten Verträge zugrunde liegen, in die Verwendungsgruppe L2 der DO einzustufen sind. Punkt 1. des Feststellungsbegehrens ist daher berechtigt. Der Revision der Beklagten ist danach keine Folge zu geben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 iVm 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen (RS0112296). Die Kosten der jeweils erfolgreichen Revisionsbeantwortungen der Streitteile werden gegeneinander aufgehoben.

Textnummer

E129939

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00089.20H.1021.000

Im RIS seit

02.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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