Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN ***** eingetragenen H*****gmbH mit Sitz in *****, wegen Eintragung eines Gesellschafterwechsels sowie der Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 1. Dr. A*****, 2. Dr. M*****, beide vertreten durch Dr. Robin Lumsden, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 17. Dezember 2019, GZ 6 R 145/19i-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17. September 2019, GZ 68 Fr 1367/19b-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben. Der Rekurs des M***** wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Parteien des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung:
Die H*****gmbH (künftig: die Gesellschaft) ist seit 17. 8. 2005 im Firmenbuch eingetragen. Als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer und Gesellschafter waren bis zum 17. 9. 2019 A***** mit einer Stammeinlage von 26.250 EUR und M***** mit einer Stammeinlage von 8.750 EUR eingetragen.
Gestützt auf einen vom Amtsgericht Frankfurt am Main am 12. 8. 2019 ausgestellten „Gemeinschaftlichen Erbschein“ beantragten die Revisionsrekurswerber die Eintragung eines Gesellschafter- und Geschäftsführerwechsels. Sie seien die Erben des am 15. 7. 2019 verstorbenen A***** und hätten die Gesellschafterstellung nach deutschem Erbrecht bereits mit dem Erbanfall erworben. In der von ihnen nach § 37 Abs 2 GmbHG einberufenen außerordentlichen Generalversammlung am 9. 9. 2019 seien sie unter gleichzeitiger Abberufung des M***** zu selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt worden.
Das Erstgericht vollzog die beantragten Eintragungen.
Dagegen erhob M***** Rekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Antragszurück-, hilfsweise Antragsabweisung, hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag. Der Anteilsübergang auf die Eintragungswerber stehe nicht zweifelsfrei fest. Diesen komme im Verhältnis zur Gesellschaft gemäß § 78 GmbHG keine Gesellschafterstellung zu.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die Eintragungsanträge zurückwies. Es ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtlich erörterte es, der Geschäftsführer sei gegen die Eintragung seiner Abberufung dann ausnahmsweise rechtsmittellegitimiert, wenn die Eintragung auf einem absolut nichtigen Scheinbeschluss beruhe. Dies sei hier der Fall, weil die von den Eintragungswerbern gefassten Beschlüsse solche von Nichtgesellschaftern seien. Die Eintragungswerber seien mangels wirksamer Bestellung zu Geschäftsführern nicht zur Anmeldung legitimiert gewesen.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Eintragungswerber, mit dem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstreben; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Der Rekurswerber beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses ist der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben, weil es über einen unzulässigen Rekurs meritorisch entschieden hat.
1. Vorauszuschicken ist, dass die Rechtsmittellegitimation der Revisionsrekurswerber nicht zweifelhaft ist, weil derjenige, der mit seinem Antrag zurückgewiesen wurde, jedenfalls das Recht hat, die Zurückweisung zu bekämpfen und eine sachliche Erledigung seiner Anträge anzustreben (RS0006793).
Hingegen fehlte dem Rekurswerber M***** die Rekurslegitimation:
2. Rekurslegitimiert sind im Firmenbuchverfahren die Parteien des Verfahrens sowie der nach § 18 FBG zu verständigende Betroffene (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 168 mwN). Die Parteistellung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Außerstreitverfahrens. Es ist darauf abzustellen, ob der Betreffende ein rechtliches Interesse hat, das auf einem eingetragenen Recht beruht oder das in einem anderen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (RS0059158 [T11]; 6 Ob 140/14b).
3. Zur Eintragung des Geschäftsführerwechsels
3.1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem abberufenen Geschäftsführer im eigenen Namen keine Legitimation zur Bekämpfung des Beschlusses des Firmenbuchgerichts auf Löschung seiner Funktion zu, weil diese Eintragung nicht rechtsbegründend, sondern nur deklarativ wirkt und ihm keine eigenen firmenbuchrechtlichen Rechte, die durch die Abberufung tangiert wären, zukommen (6 Ob 32/15x; 6 Ob 168/07k; 6 Ob 167/07p; RS0006938 [T5]). Ihm steht vielmehr der streitige Rechtsweg – die Bekämpfung des Gesellschafterbeschlusses über seine Abberufung – offen (6 Ob 195/10k mwN; 6 Ob 212/16v).
3.2. Das Rekursgericht leitete die Rechtsmittellegitimation des Rekurswerbers daraus ab, dass kein nach § 41 GmbHG anfechtbarer Beschluss zustande gekommen sei, sondern ein absolut nichtiger „Scheinbeschluss“ vorliege.
Damit sind „Beschlüsse“ angesprochen, die mit derart gravierenden Mängeln behaftet sind, dass sie keiner Anfechtung nach § 41 GmbHG bedürfen, sondern von Vornherein keine Wirksamkeit entfalten (vgl RS0060167; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 4/306; Linder in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/ Hoffenscher-Summer, GmbHG § 41 Rz 16 ff; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 41 Rz 7 ff; zur Konstatierung uneinheitlicher Terminologie 6 Ob 210/19d).
Wird ein Beschlus von oder unter Beteiligung von Nichtgesellschaftern gefasst, so liegt ein „Scheinbeschluss“ vor (6 Ob 290/98k; 7 Ob 143/10w; RS0111764; Enzinger in WK-GmbHG § 41 Rz 86).
3.3. Selbst unter der Annahme, dass die am 9. 9. 2019 gefassten Gesellschafterbeschlüsse als bloße „Scheinbeschlüsse“ zu qualifizieren sind, könnte daraus allerdings dennoch nicht die Legitimation des Rekurswerbers zur Bekämpfung des Beschlusses auf Löschung seiner Geschäftsführerstellung im Firmenbuch im eigenen Namen abgeleitet werden. Die Qualität des Abberufungsbeschlusses ändert nämlich nichts an dem für die Versagung der Rechtsmittellegitimation maßgebenden Umstand, dass dem Geschäftsführer keine eigenen firmenbuchrechtlichen Rechte zustehen, die durch die Abberufung tangiert wären.
Der Unterschied besteht vielmehr (nur) darin, dass einem nach § 41 GmbHG anfechtbaren Beschluss vorläufige Wirksamkeit zukommt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 41 Rz 23, § 42 Rz 13), wohingegen ein „Scheinbeschluss“ von Vornherein keine Rechtswirkungen entfaltet (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 4/306 mwN). Deshalb kann ein Geschäftsführer, der mittels eines rechtlich von Vornherein wirkungslosen Scheinbeschlusses „abberufen“ wurde, weiterhin namens der von ihm vertretenen GmbH Rekurs gegen den Löschungsbeschluss erheben (Petrasch/Verweijen in WK-GmbHG § 17 Rz 21; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I² [1997] Rz 2/634, 705).
Ein Rekurs namens der Gesellschaft wurde im vorliegenden Verfahren aber nicht erhoben.
3.4. Im Übrigen kann die mangelnde Wirksamkeit eines „Scheinbeschlusses“ jederzeit durch Einrede oder Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO ohne die Befristung des § 41 GmbHG geltend gemacht werden (6 Ob 210/19d; 6 Ob 191/18h; RS0111607; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 4/306 mwN; Linder in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG § 41 Rz 16 ff). Es wäre daher auch bei Vorliegen eines „Scheinbeschlusses“ nicht erforderlich, dem Rekurswerber im vorliegenden Firmenbuchverfahren deshalb materielle Parteistellung zuzubilligen, weil es durch das Ergebnis des Firmenbuchverfahrens zu einer ganz erheblichen Erschwerung oder gar zur Unmöglichkeit der sonstigen Rechtsdurchsetzung käme (vgl 6 Ob 14/07p; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 77 und 176).
3.5. Die Beurteilung, ob die Eintragungswerber im Hinblick auf § 78 GmbHG als „Nichtgesellschafter“ zu qualifizieren waren, kann daher dahinstehen.
3.6. Auch aus der Rechtsstellung des Rekurswerbers als Gesellschafter kann seine Rekurslegitimation nicht abgeleitet werden, weil der GmbH-Gesellschafter im eigenen Namen nicht gegen die Eintragung eines Geschäftsführerwechsels rekurrieren kann (6 Ob 32/15x; 6 Ob 168/07k; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 177).
3.7. Schließlich kann der Rekurswerber seine Rechtsmittellegitimation auch nicht daraus ableiten, dass die Eintragung von Verhältnissen der Gesellschaft abgelehnt worden wäre, die er als Geschäftsführer in persönlicher Verpflichtung anzumelden hatte (RS0005933; 6 Ob 330/98t; 6 Ob 193/97v; 6 Ob 17/91; 6 Ob 23/88; 6 Ob 14/78; vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 102 Rz 14, OLG Wien NZ 1998, 380), weil er nicht die Ab- und Zurückweisung eines Antrags bekämpft, sondern sich gegen eine seiner Ansicht nach zu Unrecht vorgenommene Eintragung wehrt.
4. Zur Eintragung des Gesellschafterwechsels
4.1. Gegen den Beschluss des Firmenbuchgerichts über die Eintragung des Gesellschafterwechsels ist die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer (Verweijen in WK-GmbHG § 26 Rz 10, 14; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 26 Rz 7; vgl 6 Ob 64/06i), nicht aber der Geschäftsführer im eigenen Namen, rekurslegitimiert.
4.2. Dem Gesellschafter einer GmbH steht nur dann eine Rechtsmittelbefugnis zu, wenn seine eigene Rechtssphäre berührt ist (vgl RS0006832 [T5]). Das ist dann der Fall, wenn es um seine eigene Eintragung oder Nichteintragung im Firmenbuch geht (RS0110337 [T5] = 6 Ob 111/01v).
Die bekämpfte Eintragung des Firmenbuchgerichts betrifft aber die eigene Gesellschafterstellung des Rekurswerbers nicht.
5. Schließlich kann der im eigenen Namen erhobene Rekurs des M***** auch nicht im Sinn einer „sacherledigungsfreundlichen“ Auslegung als Rekurs der Gesellschaft gedeutet werden (vgl Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 171), weil im Rekurs ausdrücklich Vorbringen zu seiner Rechtsmittellegitmation im eigenen Namen erstattet wird.
6. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen wegen fehlender Rekurslegitimation mangels Parteistellung unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist dieser Mangel der funktionellen Zuständigkeit vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen. (RS0121264).
7. Die Eintragungswerber haben im Rekurs- und im Revisionsrekursverfahren nicht auf die mangelnde Rekurslegitimation des abberufenen Geschäftsführers hingewiesen. Ihre Rekursbeantwortung und ihr Revisionsrekurs dienten daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 78 Abs 2 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG; vgl RS0122082). Der Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung kommt mangels Erfolgs ebenfalls nicht in Betracht.
Textnummer
E129916European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00033.20A.1022.000Im RIS seit
02.12.2020Zuletzt aktualisiert am
29.04.2021