Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. C*****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, wegen Insolvenzentgelt (3.744 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2020, GZ 7 Rs 17/20d-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Nach § 3a Abs 1 IESG idF BGBl I 123/2017 gebührt Insolvenzentgelt für das dem Arbeitnehmer gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist. Die Frist von sechs Monaten gilt nicht, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder im Rahmen eines gesetzlich oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird oder soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird.
1.2 Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 8 ObS 8/19p klargestellt hat, kommt es seit der Novelle BGBl I 123/2017 nur noch darauf an, ob ein Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht wird und wann die Fälligkeit eintritt. Die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit wurde beseitigt (vgl AB 1691 BlgNR 25. GP 2). Diese Änderung der Rechtslage führte dazu, dass die bestehende höchstgerichtliche Rechtsprechung, mit der die Sicherung einer erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor dem Insolvenzstichtag fällig werdenden Erfindungsvergütung dem Grunde nach bejaht wurde (8 ObS 7/09a), nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte.
2.1 Die Vorinstanzen vertraten übereinstimmend die Auffassung, dass die Fälligkeit der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Provisionsansprüche der Klägerin erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 15. 9. 2016 (Kündigung der Dienstgeberin) eingetreten ist. Die Ansprüche würden daher nicht in den Sicherungszeitraum des § 3a Abs 1 IESG fallen.
2.2 Dagegen wendet die Klägerin ein, dass dem Wortlaut des § 3a IESG nicht entnommen werden könne, dass mangels Fälligkeit des Anspruchs vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Sicherung auszuschließen sei, wenn dieser Anspruch innerhalb von sechs Monaten vor der Insolvenzeröffnung fällig werde. Die Sicherungszeiträume vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und vor der Verfahrenseröffnung stünden in einem ergänzenden und nicht in einem ausschließenden Verhältnis. Sie bezieht sich hierbei ausdrücklich auf die von Sundl (in JAS 2020, 210 [212 ff]) an der Entscheidung 8 ObS 8/19p geäußerte Kritik.
2.3 Mit diesen Ausführungen vermag die Revisionswerberin aber schon deshalb keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weil sie – worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat – kein Tatsachenvorbringen erstattet hat, aus dem sich der Eintritt der Fälligkeit ihrer Provisionsansprüche innerhalb von sechs Monaten vor der Insolvenzeröffnung am 27. 2. 2018 ergeben würde. Vielmehr setzt die Klägerin der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Provisionsansprüche hier nach der zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen (von § 10 Abs 4 AngG abweichenden) Vereinbarung im Monat nach der Rechnungslegung an die Kunden, frühestens aber mit dieser am 19. 9., 20. 9. und 28. 9. 2016 entstanden und fällig geworden seien, nichts entgegen.
3.1 Da die geltend gemachten Ansprüche auch unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der Klägerin nach § 3a IESG nicht gesichert wären, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den von ihr aufgeworfenen Zweifeln an der Verfassungskonformität der Bestimmung des § 3a Abs 1 IESG im der ihr vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObS 8/19p beigemessenen Sinn (vgl RIS-Justiz RS0111271).
3.2 Nur der Vollständigkeit halber ist die Klägerin daher darauf zu verweisen, dass § 3a Abs 1 zweiter Satz IESG dem Arbeitnehmer in Fällen wie dem vorliegenden ohnehin die Ausdehnung des Sicherheitszeitraums ermöglicht.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Textnummer
E129934European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBS00006.20W.1023.000Im RIS seit
02.12.2020Zuletzt aktualisiert am
02.12.2020