TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/21 W201 2230468-1

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Entscheidungsdatum

21.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W201 2230468-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, vom 10.03.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin hat am 04.09.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung; Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.       Dem, durch die belangte Behörde eingeholten, auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.10.2019 basierenden Sachverständigengutachten
Dris. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin ist (auszugsweise) im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

„Klinischer Status –Fachstatus:

Kopf: Hören und Sehen gut

Hals: unauffällig

Herz: rein, rhythmisch, normocard, Blutdruck 130/80

Lunge: VA beidseits, sonorer KS, Basen verschieblich

WS: verstärkt gekrümmt im LWS, gut beweglich

Bauch: in TN, weich, kein DS, Leber und Milz tastbar

OE: beidseits frei beweglich

UE: blande Narbe rechts nach HTEP, Beinlängendifferenz minus 14mm (anamnestisch), geringe endgradige Beugeminderung, die übrigen Gelenke frei beweglich

Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt in Straßenschuhen, Gangbild unauffällig. Einbeinstand rechts etwas reduziert. Fersen-/Zehenstand seitengleich. Ent-/Bekleidung selbständig.

Status Psychicus: bewusstseinsklar, orientiert, auskunftsfähig.

„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Z.n. Hüftkopfnekrose rechts (TEP Versorgung), Hüftkopfnekrose links (konservativ beh.)

Oberer Rahmensatz, da Analgetika erforderlich und Beinlängenverkürzung um 14mm

02.05.08

40 vH

02

Rheumatoide Arthritis mit rez. Schmerzen in Knie-, Schulter- und Sprunggelenken

Oberer Rahmensatz, da medikamentöse Therapie erforderlich

02.02.01

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht wesentlich beeinflusst, da dieses nicht wesentlich.“

3.       Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG durch die belangte Behörde am 15.10.2019 erteilten Parteiengehörs hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines Befundkonvolutes – davon ein großer Teil in slowakischer Sprache – und eines am 09.08.2019 ausgestellten slowakischen Parkausweises - vorgebracht, dass ihre Krankheit bereits seit ca. 25 Jahre bestehe. Ihr Gesundheitszustand verschlimmere sich immer mehr, wodurch sie an der Hüfte habe operiert werden müssen. Da die Krankheit sich nicht verbessern könne, werde sie alle Gelenke austauschen müssen. Jedes Gelenk ihres Körpers sei geschädigt. Sie nehme täglich viermal Medikamente gegen die Schmerzen ohne welche sie nicht einmal aufstehen könne. Der Behindertenpass stehe ihr genauso zu wie jeder anderen Person, die in Österreich lebe und behindert sei. Sie übermittle die gesamte medizinische Dokumentation, deren Übersetzung sie sich nicht leisten könne.

4.       Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.11.2019 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, die vorgelegten medizinischen Beweismittel in deutscher Übersetzung in Vorlage zu bringen, da diese andernfalls keine Berücksichtigung finden könnten.

Am 10.12.2019 wurden die in deutsche Sprache übersetzen Befunde der belangten Behörde vorgelegt.

5.       Zur Überprüfung der Einwendungen wurden von der belangten Behörde - auf der Aktenlage basierende – mit 23.12.2019 und 09.03.2020 datierte, medizinische Stellungnahmen der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX und Dr. XXXX eingeholt, welchen zusammengefasst zu entnehmen ist, dass die Minderung des Grades der Behinderung von 60% (slowakischer Befund) auf nunmehr 40% aufgrund der zwischenzeitlichen Versorgung mittels Hüftendoprothese erfolgte und sich aus den vorgelegten Befunden keine Änderung des Gutachtens basierend auf der Untersuchung vom 02.10.2019 ergebe.

6.       Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Begründend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliegen würde. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Als Beilage zum Bescheid wurden die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten übermittelt.

7.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage von weiteren Beweismitteln wurde von der Beschwerdeführerin unter auszugsweiser Zitierung gesetzlicher Bestimmungen im Wesentlichen zusammengefasst, vorgebracht, dass sie mit der Beurteilung in den Gutachten Dris. XXXX und
Dris. XXXX nicht einverstanden sei. Ihr Grad der Behinderung in Höhe von
60 vH sei vom Versorgungsamt der Slowakischen Republik nach persönlichen Untersuchungen durch medizinische Sachverständige eingeschätzt worden. Es seien die Diagnosen Psoriasis Arthritis III in Progression mit beschränkter Mobilität und Gelenksschmerzen sowie eine sekundäre Arthrose des Hüftgelenkes mit Beschluss zur Operation und Implantation einer Hüfttotalendoprothese gestellt worden. Nach der OP habe sie sich nur mit Krücken ohne Belastung der rechten unteren Extremität fortbewegen können. Ihre Mobilität sei durch ihre Behinderung eingeschränkt und es sei nicht nachvollziehbar, dass Dr. XXXX zu einem anderen Ergebnis komme, als die slowakischen Sachverständigen.

8.       Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 30.04.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9.       Im zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten
Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin vom 24.06.2020 wird basierend auf der Aktenlage im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes festgestellt:

„Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Hüfttotalendoprothese rechts bei Zustand nach Hüftkopfnekrose, Hüftkopfnekrose links konservativ behandelt

Oberer Rahmensatz, da Analgetika erforderlich und Beinlängenverkürzung um 14 mm

02.05.08

40 vH

02

Rheumatoide Arthritis (Psoriasis-Arthritis) mit Beschwerden im Bereich Knie-, Schulter– und Sprunggelenke, Fingerpolyarthrosen

Wahl dieser Position da mehrere Gelenke betroffen sind und medikamentöse Dauertherapie mit Methotrexat und Cortison erforderlich ist, unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit beschrieben. Psoriasis ist in dieser Position miterfasst.

02.02.02

30 vH

03

Bluthochdruck

Fixer Richtsatz

05.01.01

10 vH

04

Morbus Raynaud (anfallsweises Verblassen der Finger aufgrund krampfartiger Verengung der Blutgefäße)

Fixer Richtsatz

05.03.01

10 vH

05

Gastropathie (Magenleiden)

Unterer Rahmensatz, da geringgradige Funktionseinschränkung mit medikamentöser Dauertherapie

07.04.01

10 vH

06

Hepatopathie (Leberleiden)

Unterer Rahmensatz, da geringgradige Funktionseinschränkung

07.05.03

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende Gesundheitsschädigung 1 wird durch die Gesundheitsschädigung 2 um eine Stufe erhöht, da eine relevante wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vorliegt. Die übrigen Gesundheitsschädigungen erhöhen aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter. Eine wesentliche Besserung ist nicht wahrscheinlich, daher ist ein Dauerzustand anzunehmen.

Stellungnahme zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin:

Die Funktionseinschränkung wird nach Implantation einer Hüft-Totalendoprothese vermindert, da dieser Eingriff aus kurativen Gründen erfolgt ist. Daher ist auch der Grad der Behinderung zu vermindern. Die Funktionseinschränkungen im Bereich beider Hüften mit Zustand nach Implantation einer Hüft-Totalendoprothese rechts wurde im Sachverständigengutachten von 10/2019 mit Gesundheitsschädigung 1 berücksichtigt und korrekt beurteilt. Die beschriebenen Beschwerden im Bereich der großen Gelenke wurden im Sachverständigengutachten 10/2019 berücksichtigt und korrekt beurteilt. Die chronischen Schmerzen wurden hier miterfasst.

Der Grad der Behinderung von Gesundheitsschädigung 2 (Rheumatoide Arthritis/Psoriasis Arthritis) mit Beschwerden im Bereich Knie-, Schulter- und Sprunggelenke und Fingerpolyarthrosen, ist zu erhöhen, da die Fingerpolyarthrosen und die Psoriasis (Schuppenflechte) miterfasst werden und die langjährige medikamentöse Therapie mit Cortison und Methotrexat gewürdigt wird.

Stellungnahme zu den medizinischen Beweismitteln:

Durch die im angefochtenen Verfahren vorgelegten Befunde werden die Gesundheitsschädigungen 1,2,5 und 6 dokumentiert. Durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Befunde wird die Gesundheitsschädigung 4 dokumentiert, sowie die die Gesundheitsschädigung 3 und die Psoriasis. Die Psoriasis (Schuppenflechte) wird in Gesundheitsschädigung 2 miterfasst.

Stellungnahme zum Vorgutachten Dris. XXXX vom 02.10.2019:

Die Funktionseinschränkung im Bereich beider Hüften mit Zustand nach Implantation einer Hüft-Totalendoprothese rechts wurde im Sachverständigengutachten von 10/2019 mit Gesundheitsschädigung 1 berücksichtigt und korrekt beurteilt.

Gesundheitsschädigung 1 bleibt daher unverändert. Der Grad der Behinderung von Gesundheitsschädigung 2 (Rheumatoide Arthritis/Psoriasis Arthritis mit Beschwerden im Bereich Knie-, Schulter- und Sprunggelenke, Fingerpolyarthrosen ist zu erhöhen, da die Fingerpolyarthrosen und die Psoriasis miterfasst werden und die langjährige medikamentöse Therapie mit Cortison und Methotrexat gewürdigt wird. Gesundheits-schädigungen 3 – 6 werden hinzugefügt aufgrund vorliegender Beweismittel.“

10.      Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG am 30.06.2020 erteilten Parteiengehörs haben weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 04.09.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 23.04.2020 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Hüfttotalendoprothese rechts bei Zustand nach Hüftkopfnekrose, Hüftkopfnekrose links konservativ behandelt

Oberer Rahmensatz, da Analgetika erforderlich und Beinlängenverkürzung um 14 mm

02.05.08

40 vH

02

Rheumatoide Arthritis (Psoriasis-Arthritis) mit Beschwerden im Bereich Knie-, Schulter– und Sprunggelenke, Fingerpolyarthrosen

Wahl dieser Position da mehrere Gelenke betroffen sind und medikamentöse Dauertherapie mit Methotrexat und Cortison erforderlich ist, unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit beschrieben. Psoriasis ist in dieser Position miterfasst.

02.02.02

30 vH

03

Bluthochdruck

Fixer Richtsatz

05.01.01

10 vH

04

Morbus Raynaud (anfallsweises Verblassen der Finger aufgrund krampfartiger Verengung der Blutgefäße)

Fixer Richtsatz

05.03.01

10 vH

05

Gastropathie (Magenleiden)

Unterer Rahmensatz, da geringgradige Funktionseinschränkung mit medikamentöser Dauertherapie

07.04.01

10 vH

06

Hepatopathie (Leberleiden)

Unterer Rahmensatz, da geringgradige Funktionseinschränkung

07.05.03

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Die führende Gesundheitsschädigung unter Nr. 01 wird durch die Gesundheitsschädigung 02 um eine Stufe erhöht, da eine relevante wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vorliegt. Die übrigen Gesundheitsschädigungen erhöhen aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX , das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX , sowie auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel.

Das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des vorliegenden Sachverständigenbeweises.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden im eingeholten Sachverständigengutachten dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und im Einklang mit den vorgelegten Befunden unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt beurteilt.

Die Änderung gegenüber der Beurteilung durch die belangte Behörde, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen und den damit in Vorlage gebrachten Befunden, welche das Erfordernis der Höherbeurteilung der rheumatoiden Arthritis und die Neuaufnahme der Leiden Bluthochdruck, Morbus Raynaud, Gastropathie und Hepatopathie in die Diagnoseliste erfordern, wobei die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung auf nunmehr 50 vH alleine aus der Neubeurteilung des Leidens rheumatoiden Arthritis resultiert.

So erfolgte die Erhöhung des Grades der Behinderung der rheumatoiden Arthritis/Psoriasis-Arthritis im Gutachten Dris. XXXX schlüssig und im Einklang mit den Vorgaben der Einschätzungsverordnung unter Richtsatzposition 02.02.02 welche für generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates bei entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen und degenerativen rheumatischen Erkrankungen mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades heranzuziehen ist. Dem bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Ausmaß dieser Gesundheitsschädigung mit Beschwerden im Bereich der Knie-, Schulter- und Sprunggelenke sowie bei Fingerpolyarthrosen und dem Erfordernis von Dauermedikation bei aber guter Beweglichkeit wurde durch die Heranziehung des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition ausreichend hoch Rechnung getragen. Eine höhere Einschätzung dieses Leidens ist nicht möglich, da die vorliegenden Funktionseinschränkungen kein Ausmaß erreichen, welche eine solche rechtfertigen würden.

So wurden im Rahmen der persönlichen Untersuchung Dris. XXXX frei bewegliche obere Extremitäten beschrieben und bestand lediglich bei Zustand nach Hüfttotalendoprothese rechts eine leichte Beugehemmung, waren aber alle anderen Gelenke der unteren Extremitäten frei beweglich. Befunde, welche maßgebliche Einschränkungen des Funktionsumfanges der Extremitäten belegen, wurden nicht in Vorlage gebracht.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin sie müsse sich mit Krücken bewegen ist festzuhalten, dass im vorgelegten ärztlichen Gutachten des Amtes für Arbeit, Soziales und Familie in Bratislava vom 10.07.2019 dargestellt wird, dass die Beschwerdeführerin „zur Zeit“ – bei Zustand nach Hüft TEP - zur Unterstützung Krücken verwendet. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung der belangten Behörde am 02.10.2019 erschien die Beschwerdeführerin ohne Krücken und präsentierte sich das Gangbild in Straßenschuhen unauffällig. Die Einschätzungsverordnung sieht Richtsatzposition 02.05.08 für Funktionseinschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades beidseitig vor. Dem Zustand nach Hüfttotalendoprothese rechts, Zustand bei Hüftkopfnekrose links und dem Erfordernis von Analgetika wurde – bei geringgradiger Beugeminderung - durch die Anwendung des oberen Rahmensatzes dieser Richtsatzposition ausreichend hoch Rechnung getragen. Eine Höherbeurteilung dieses Leidens ist daher nicht möglich.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, es sei ihr im Heimatstaat ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH zuerkannt worden, ist festzuhalten, dass die vorgelegten Unterlagen belegen, dass dieser Grad der Behinderung vor der Hüftoperation der Beschwerdeführerin – am 17.05.2010 - festgestellt wurde. In der ebenfalls von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Begutachtung des Amtes für Arbeit, Soziales und Familie Bratislava vom 10.07.2019 wurde dem gegenüber nur noch ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH zuerkannt.

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Schmerzen wird festgehalten, dass aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierende Schmerzzustände aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind und somit im Rahmen der Beurteilung des Grades der Behinderung mitberücksichtigt wurden.

Gegen die Neuaufnahme der Leiden Bluthochdruck, Morbus Raynaud, Gastropathie und Hepatopathie in die Diagnoseliste und gegen deren Beurteilung nach den Vorgaben der Einschätzungsverordnung wurden von der Beschwerdeführerin im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben.

Das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dessen Inhalt wurde auch im Rahmen des Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Beschwerdevorbringen und die vorgelegten Beweismittel waren sohin geeignet eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Auf den Fall bezogen:

Da Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als die vorgebrachten Einwendungen und vorgelegten medizinischen Beweismittel einer medizinischen Überprüfung unterzogen wurden. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, waren das Beschwerdevorbringen und die vorgelegten Beweismittel geeignet, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

Die vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden im Einklang mit den Vorgaben der Einschätzungsverordnung dem Ausmaß der vorliegenden Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt.

Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und resultieren daraus die geänderte Beurteilung.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten.

Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2230468.1.00

Im RIS seit

02.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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