Entscheidungsdatum
25.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2212645-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2018, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2018 Iran, stellte am 18.07.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 25.09.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund einerseits die fehlende Freiheit in Iran und die islamische Religion an. Vor allem aber wollte sie mit ihrem Ehemann keine Kinder in Iran aufziehen.
Vor dem BFA legte die Beschwerdeführerin eine iranische Personenstandsurkunde vor.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 30.11.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 18.12.2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin aufgrund der weltoffenen, nicht-islamischen Einstellung nicht möglich sei in den Iran zurückzukehren. Sie sei aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen sowie ihrer antireligiösen Haltung vor einer Verfolgung von den staatlichen Behörden bedroht. Die belangte Behörde habe etwaige Länderinformationen zur sozialen Gruppe der Frauen und zum Thema der Atheisten bei der Entscheidungsfindung außer Acht gelassen und sich mit dem individuellen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht sachgerecht auseinandergesetzt.
4. Mit Schriftsatz vom 08.01.2019 (eingelangt am 10.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
5. Mit Schreiben vom 15.06.2020 wurden die Beschwerdeführerin sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Die Beschwerdeführerin übermittelte Integrationsunterlagen (OZ 9), die dem BFA zum Parteiengehör gebracht wurde. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung (OZ 11).
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie die Rechtsvertretung teilnahmen. Die Beschwerdeführerin wurde ausführlich zu ihrer Person sowie ihren Fluchtgründen befragt. Es wurde ihr Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und ihre Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020 zum Parteiengehör. Zudem wurde der Onkel der Beschwerdeführerin auf Antrag der Rechtsvertretung als Zeuge zum Beweis einer aktuellen Bedrohung aufgrund ihres Abfalls vom Glauben einvernommen. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.
In der Verhandlung legte die Beschwerdeführerin die Heiratsurkunde im Original, sowie beglaubigte Übersetzungen der Heiratsurkunde und des Personalausweises vor.
Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest.
Die Beschwerdeführerin stammt aus Tabris (Provinz Ost-Aserbaidschan) und lebte dort bis zu ihrer Ausreise, gehört der Volksgruppe der Türken an, spricht Türkisch (Muttersprache), sehr gut Farsi und bisschen Deutsch (Prüfung auf Niveau A1 positiv abgelegt) und besuchte für zwölf Jahre die Schule.
Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und hat keine Kinder. In Iran leben ihr Ehemann, ihre Eltern, ihre Schwester, ihre Großeltern und weitere Verwandte. Zu ihrer Familie hat die Beschwerdeführerin regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut.
Die Beschwerdeführerin reiste mit dem Flugzeug aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 18.07.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung, nimmt keine Medikamente ein und ist arbeitsfähig.
In Österreich leben eine Tante, ein Onkel und ein Cousin der Beschwerdeführerin. In ihrer Freizeit lernt sie Deutsch, geht in den Park oder hat mit ihrer Familie Kontakt. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Die Beschwerdeführerin absolviert keine Ausbildung. Sie würde gerne Krankenschwester werden und interessiert sich für Essen, Kochen und Backen.
Die Beschwerdeführerin ist nicht selbsterhaltungsfähig und wird finanziell von ihrer Familie unterstützt. Sie spricht Deutsch in Ansätzen und absolvierte die Deutschprüfung auf Niveau A1.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Die Beschwerdeführerin wuchs in Iran als schiitische Muslima auf. Sie tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auf. Sie hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden. Die Beschwerdeführerin hat bereits in Iran, seitdem sie achtzehn Jahre alt war, die muslimischen Riten nicht praktiziert und hatte sie aus diesem Grund bisher keine Probleme in Iran.
Den iranischen Behörden ist ein Glaubensabfall nicht bekannt. Von den Verwandten der Beschwerdeführerin, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus.
Der Beschwerdeführerin droht in Iran keine Verfolgung aufgrund des Ehemannes und dessen Familie.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin weder eine Verfolgung aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit noch aufgrund einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung droht.
Eine grundlegende und verfestigte Änderung der Lebensführung der Beschwerdeführerin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei einer Rückkehr nach Iran nicht gelebt werden könnte, liegt nicht vor.
Die Beschwerdeführerin brachte keine weiteren Gründe, warum sie eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020
? Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020
? US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020
Zur Situation von Frauen:
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).
In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).
Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 12.2018).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 12.1.2019). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).
Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen „unislamisch“ kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. „Sünderinnen“ droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 23.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? AI – Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iran [MDE 13/9900/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003678/MDE1399002019ENGLISH.PDF, Zugriff 23.4.2020
? AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.4.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 23.4.2020
? GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 23.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 23.4.2020
? Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: "Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch", https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht-mehr_Besorgniserregender-Widerstand, Zugriff 23.4.2020
? Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-iranerinnen/303.910.665, Zugriff 23.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 23.4.2020
? Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-Iranerinnen, Zugriff 23.4.2020
? US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 23.4.2020
Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (insb. Iranische Personenstandsurkunde und Heiratsurkunde), die Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung, der GVS-Auszug und die Strafregisterabfrage.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Aufgrund des beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokuments (Iranische Personenstandsurkunde) steht die Identität der Beschwerdeführerin fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die Beschwerdeführerin – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Ausbildung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie ihre Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil sie im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war die Beschwerdeführerin diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.
Die Feststellung zur Ausreise und illegalen Einreise ergeben sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin (vgl. EV, S. 4 f).
Betreffend die Deutschkenntnisse konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den in Ansätzen vorhandenen Deutschkenntnisse machen und legte die Beschwerdeführerin ein Deutschzertifikat für A1-Niveau vor.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Die Beschwerdeführerin brachte insbesondere im Zuge des behördlichen Verfahrens als primär fluchtauslösenden Grund vor, dass ihr Ehemann und sie sich ein besseres Leben in einer anderen Kultur für etwaige Kinder gewünscht haben. In Iran müsse man den islamischen Glauben akzeptieren und beten, ein selbstbestimmtes Leben könne man nicht führen. Bereits im behördlichen Verfahren zeigte sich anhand der Aussagen der Beschwerdeführerin, dass keine tatsächliche, konkrete Bedrohung ihrer Person vorliegt. So gab sie in der EV vor dem BFA an, dass sie mit ihrem Ehemann vier Jahre lang überlegte, ob sie fliehen sollen. Persönliche Probleme habe sie nicht gehabt, ebenso wenig Probleme mit Behörden und sei sie auch politisch nicht aktiv gewesen. Sie sei vielmehr mit der Gesamtsituation unzufrieden gewesen. All diese Aussagen sprechen dafür, dass die Beschwerdeführerin aus allgemeinen Überlegungen heraus und auch wohl vor dem Hintergrund, dass Verwandte von ihr bereits in Österreich lebten, den Iran verlassen wollte. Eine asylrelevante Bedrohung hat sie mit ihren Aussagen vor der belangten Behörde nicht glaubwürdig dargelegt.
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht asylrelevant und unglaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:
Einerseits war das Vorbringen zu vage, nicht nachvollziehbar und sehr allgemein gehalten. Auch auf konkrete Nachfragen konnte die Beschwerdeführerin zum Beispiel keine zeitlichen Details nennen und stützte sich auf allgemeine Ausführungen (vgl. VH, S. 7). So besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den vorgebrachten Fluchtgründen und wurden diese im Verlauf des Verfahrens auch gewechselt oder erheblich gesteigert.
Nicht nachvollziehbar sind etwa die Ausführungen über die Bedrohungen durch den Ehemann und dessen Familie, die erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußert wurden. Insofern liegt eine asyltaktische Steigerung des Fluchtvorbringens vor. Dass die angebliche Bedrohung durch den Ehemann mit der religiösen Einstellung der Beschwerdeführerin in einem Zusammenhang steht ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr erschließt sich aus der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung, dass der Ehemann, nachdem er nicht unmittelbar nach der Ankunft der Beschwerdeführerin in Österreich nachgeholt werden konnte, verärgert war. Naheliegend sind somit Ehestreitigkeiten allgemeiner Natur, nicht aber eine asylrelevante Verfolgung. Dies indiziert auch die Aussage des Zeugen, der mit dem Noch-ehemann der Beschwerdeführerin schon seit langer Zeit in Kontakt steht und somit die Scheidung ermöglichen will. Die Bedrohungen aufgrund der angeblichen religiösen Einstellung der Beschwerdeführerin dienen lediglich der Argumentation eines Fluchtgrundes. Auffallend ist auch, dass sich die Beschwerdeführerin an keine zeitlichen Eckpunkte im Zusammenhang mit der angeblichen Bedrohung durch den Ehemann erinnern kann. Eine weitere Steigerung im Vorbringen ist auch die erstmals in der mündlichen Verhandlung getätigte Aussage, wonach der Bruder des Ehemannes den Basij angehören soll. Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, hätte die Beschwerdeführerin dies bereits im behördlichen Verfahren als potentielle Gefährdung angegeben. Dort sagte sie vielmehr, dass die keine Probleme mit Behörden und dgl. gehabt hätte. Zum Beweiswert der Zeugenaussage des Onkels der Beschwerdeführerin ist grundsätzlich anzumerken, dass es sich beim diesem um einen nahen Verwandten der Beschwerdeführerin handelt, und diese auch in Österreich mit ihm in engem Kontakt steht.
Im behördlichen Verfahren führte die Beschwerdeführerin noch aus, dass die Idee der Flucht aus Iran von ihrem Ehemann mitgetragen wurde und dieser ebenfalls den Islam nicht praktizierte und keine Kinder in Iran aufziehen bzw. bekommen habe wollen (vgl. EB, S. 6; EV, S. 4). Weswegen es zu einer Bedrohungssituation gekommen sein soll ist demnach nicht plausibel und für das erkennende Gericht nicht glaubwürdig. Auch weshalb der Ehemann der Beschwerdeführerin seiner Familie plötzlich die ablehnende Einstellung zum Islam erzählte, ist nicht nachvollziehbar.
Die Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auftritt und keine Verhaltensweisen verinnerlicht hat, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden, basieren einerseits auf dem Eindruck der erkennenden Richterin in der Verhandlung und auf den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin im Verfahren. Hierzu machte die Beschwerdeführerin lediglich allgemeine, vage Angaben und stützte sich auf Stehsätze, wie die herrschende Gewalt im Islam und die fehlende Religionsfreiheit, die aus vergleichbaren Verfahren bekannt sind (vgl. EV, S. 4: „In Iran muss man den islamischen Glauben akzeptieren. Das Land sagt, man muss die Religion akzeptieren und den Glauben weiterführen. Man muss zu Gott beten. Ich interessiere mich eher für die Beziehung zwischen den Menschen. Dass der Mensch gut miteinander umgeht. Im Islam ist das nicht der Fall es ist eher das Gegenteil.“; VH, S.11: „RV: Gibt es etwas, was Ihnen an Ihrer damaligen Religion missfallen hat? BF: Die Gewaltausübung und dass die Leute nicht frei wählen können. Ich kann das nicht nachvollziehen, dass der Gott das Volk so hinrichtet oder umbringt.“). Die Abwendung vom Glauben habe die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben nicht nach außen gezeigt und später auch ihrer Familie erzählt, die es akzeptiert haben und auch ihr Ehemann wusste davon (vgl. VH, S. 11). Konkrete Gründe oder Ereignisse, weshalb die Beschwerdeführerin den Islam ablehnt, vermochte sie nicht zu erklären. Auf Nachfrage der Rechtsvertretung, ob es ein konkretes Ereignis gäbe, das zur Ablehnung ihrer Religion führte, gab die Beschwerdeführerin lediglich unverständlich an, dass ihr Geschichtslehrer über die Geschichte des Islams gesprochen habe und sie sich sehr dafür interessiert habe, wie der Islam in Iran entwickelt wurde (vgl. VH, S. 11).
Auffallend ist auch, dass sich die Beschwerdeführerin mit achtzehn Jahre bereits dazu entschlossen hat, den Islam nicht mehr zu praktizieren und danach weitere sechs Jahre in Iran lebte, ohne Probleme aufgrund ihrer Weltanschauung zu bekommen. Zudem verneinte die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem BFA, dass sie jemals bedroht oder verfolgt worden sei oder Übergriffe gegen ihre Person stattgefunden haben oder sie persönliche Probleme in Iran gehabt habe (vgl. EV, S. 6: „Ich bin einfach mit der Gesamtsituation unzufrieden. Man muss Regeln befolgen. Ich bin damit nicht zufrieden. Ich habe keine Probleme mit Behörden oder Polizei. Überhaupt kein Kontakt mit denen.“). Die Beschwerdeführerin verneinte auch, politisch aktiv gewesen zu sein. Auch die Ausführungen zu ihrer Lebensweise in Österreich, wo sie sich für Kochen, Backen und Essen interessiert, sprechen nicht dafür, dass sie eine antireligiöse bzw. antiislamische Verhaltensweise nach außen demonstrierend aktiv praktiziert. Es ist somit nicht glaubwürdig, dass sie ein religionspolitisch agierender Mensch wäre, der etwa andere Menschen gegen den Islam aufbringen möchte.
Insgesamt war das Vorbringen zu der vorgebrachten Bedrohung und Verfolgung aufgrund des Glaubensabfalles und des Streits mit ihrem Ehemann sehr vage, allgemein, widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und deshalb für das erkennende Gericht nicht glaubwürdig.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin keine Verfolgung aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder aufgrund einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung droht, ergibt sich daraus, dass sie dahingehend nichts vorgebracht hat, vielmehr hat die Beschwerdeführerin angegeben, sie sei weder politisch aktiv gewesen, habe an keinen Demonstrationen teilgenommen noch sei sie bedroht oder verfolgt worden (vgl. EV, S. 6-7).
Die Feststellung, dass eine grundlegende und verfestigte Änderung der Lebensführung der Beschwerdeführerin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei einer Rückkehr in den Iran nicht gelebt werden könnte, nicht vorliegt, basiert auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung und wurde diesbezüglich auch kein konkretes Vorbringen erstattet. Die Beschwerdeführerin gab zwar an, sich in Österreich respektiert zu fühlen, dass sie Krankenschwester werden möchte, arbeiten und auf eigenen Beinen stehen möchte, allerdings führte sie nicht näher aus, wie sie diese Freiheiten konkret nützen will bzw. auch umsetzten möchte. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich bislang nicht gearbeitet, wird finanziell von ihrer Familie unterstützt, macht keine Ausbildung und engagiert sich in keinem Verein. Auch hat sie bislang Deutsch lediglich auf A1-Niveau bestanden und sich abgesehen von ihren Verwandten kein soziales Netzwerk aufgebaut. Damit ist jedoch nicht ersichtlich, dass sie ihre Lebensführung im Gegensatz zu jener in Iran grundlegend geändert hat oder die Ausübung ihrer Grundrechte auch in Anspruch genommen hat. Somit kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin eine „westliche Orientierung“ verinnerlicht hat, da sie dies selbst weder vorbringt noch diese sich in ihrem Verhalten ausdrückt.
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus ihrer Einvernahme, wo sie von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären. Auch in der mündlichen Verhandlung brachte sie keine darüberhinausgehenden Gründe vor (VH S. 11).
2.2.3. Zur Situation in Iran
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte be