Entscheidungsdatum
16.10.2020Norm
BBG §42Spruch
W207 2234116-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Verein ChronischKrank, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.06.2020, OB: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 17.08.2020, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte im Jahr 1995 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG). Mit Bescheid des Bundessozialamtes (in der Folge entsprechend der nunmehrigen Kurzbezeichnung als Sozialministeriumservice bzw. als belangte Behörde bezeichnet) vom 10.01.1996 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 13.09.1995 mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehört. Dies erfolgte damals auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens, in dem nach den Bestimmungen der Richtsatzverordnung die Funktionseinschränkung "Morbus Crohn", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 60 v.H. nach der Positionsnummer III/d/357 der Richtsatzverordnung, festgestellt wurde. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt. Es wurde außerdem festgestellt, dass die Pollen- und Stauballergie kein einstufungswürdiges Ausmaß erreiche, da sie nur saisonal auftrete und medikamentös gut beherrschbar sei. In diesem Gutachten wurde unter anderem auch ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Am 07.03.1996 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein unbefristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt.
Am 18.02.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde im Wege seiner Rechtsvertretung den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag wurde ein Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 27.12.2019 beigelegt.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 28.05.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.05.2020, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„…
Anamnese:
Letzte Begutachtung 6.11.1995: GdB 60vH wegen fistulierendem M. Crohn
1998 Colostomie nach Hartmann
2007, 2013 Subileus
2013: diffus großzelliges B-Zelllymphom intestinal, Chemotherapie, Remission 11/2013 Dünndarmresektion 2014, 2015, 2016
2017 Lebertransplantation, intrazytoplasmatische Cholestase, Z.n. mehrfacher ERCP PICC Anlage 2017, Thrombose rechter UA,
2018: oberflächliches Plattenepithel Ca linke Wange
2019: oberflächliches Plattenepithel Ca epigastral
chronische Niereninsuffizienz Basiskreatinin 1,7-2,2mg/dl
Humira, Entyvio, Remicade, Ebetrexat: Therapieversuche/Abbruch
Derzeitige Beschwerden:
"Der Kurzdarm macht mir Probleme. Muss dringend die Platte wechseln, das Sackerl ist schnell voll. Wenn ich nebenbei trinke, rinnt es komplett durch. Die hygienischen
Bedingungen sind eine Katastrophe. Im November hatte ich eine Campylobacter Infektion. Flüssigkeit und Vitamine ersetzte ich jeden Tag parenteral, Nahrung nur im Bedarfsfall."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Revestive, Veltassa, Nephrotrans, Aranesp, Concor, Efectin, Saroten, Pantoprazol, Prograf, Ursofalk, Kreon, Calciduran, Imodium, Dekristolmin
Sozialanamnese:
verheiratet, 2 Kinder, Lehrer an pädagogischer Hochschule
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund Prof. Dr. V. vom 27.12.2019: schwerer M.Crohn des Jejuno-ileocolon und Sigmoidostomie, Kurzdarmsyndrom mit Malnutrition, Rezidiv. Stomatitis aphthosa, Osteoporose, Partielle Niereninsuffizienz, LTX, Stp. Dünndarmlymphom, Plattenca der Haut 2x, Analstenose im Hartmannstumpf
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
leicht reduziert
Ernährungszustand:
normal, BMI 22
Größe: 175,00 cm Gewicht: 67,00 kg Blutdruck: 140/90
Klinischer Status - Fachstatus:
HNAP frei, keine Lippenzyanose
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: Narbe bland, Stoma linker MB, Haut bland, Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft, trägt Bauchgurt
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
OA rechts: PICC Katheter
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich ZFS: möglich Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen
Gesamtmobilität - Gangbild:
unauffällig, keine Hilfsmittel
Status Psychicus:
allseits orientiert, Ductus kohärent
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Illeostomie bei fistulierendem Morbus Crohn
2
Zustand nach Lebertransplantation
3
Zustand nach oberflächlichem Plattenepithel Karzinom Wange, epigastral
4
chronische Niereninsuffizienz, arterielle Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstmalige Berücksichtigung der Leiden 2-4, sowie teilweise auch Leiden 1 (Ileostomie), Z.n. B- Zelllymphom 2013 nach rezidivfreiem Ablauf der Heilungsbewährungsphase begründet keinen GdB.
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Keine. Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich ein leicht reduzierter Allgemeinzustand und ein normaler Ernährungszustand dar. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten lassen sich keine erheblichen funktionellen Einschränkungen objektivieren. Das Gangbild stellt sich ohne Verwendung von Hilfsmitteln flüssig und sicher dar. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten liegen nicht vor. Greif- und Haltefunktion ist beidseits insgesamt gegeben. Bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Wirbelsäule lassen sich keine maßgeblichen motorischen Defizite und Lähmungen objektivieren. Erhebliche kardiopulmonale Störungen lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben und sind befundmäßig nicht dokumentiert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liegt nicht vor. Es besteht ein Morbus Crohn mit klinisch unauffälligem Stoma, in günstiger Lage versorgt, eine erhebliche Stomaundichtheit ist durch entsprechende Therapieversuche/behandlungen aktuell nicht befundbelegt. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Zusammenfassend ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht auf erhebliche Weise erschwert. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ liegen daher nicht vor.
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.05.2020 wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorlägen; das eingeholte Gutachten vom 28.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Mit E-Mail vom 09.06.2020 brachte der rechtlich vertretene Beschwerdeführer ohne Vorlage von Beweismitteln eine Stellungnahme folgenden Inhalts – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergeben – bei der belangten Behörde ein:
„…
Die Frage ob eine schwere Immunerkrankung vorliegt wurde weder im Gespräch erörtert, noch durch andere Befunde durch Fr. Dr. K. belegt.
Tatsache ist, dass ich aufgrund meiner Lebertransplantation sowie auch im Rahmen meines Morbus Crohns einer permanenten Immunsuppression ausgesetzt bin. Dass dadurch das Immunsystems dauerhaft geschwächt ist, zeigt sich an multiviralen und bakteriellen Infektionen, z.B. Campylobacter Infektion, permanente virale Infektionen der Mundschleimhaut sowie an den Händen. Diesen Aspekt lässt Fr. Dr. K. völlig unerwähnt.
Weiters wird das zentrale Zusammenwirken von Kurzdarmsyndrom und der bestehenden
Nahrungsunverträglichkeiten, welches massiven Unterspülungen der Stomaplatte führt, die nicht nur mehrmals täglich sondern auch nachts nach unvorhersehbaren schwallartigen Entleerungen gewechselt werden muss, völlig außer Acht gelassen.
Diese Umstände machen es mir unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen.
Ergänzend dazu halten wir noch fest, dass sich die Unmöglichkeit der Benutzbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel schon alleine daraus ergibt, dass Herr N. bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmittel sich der Gefahr einer Infektion mit Covid 19 oder z.B. auch einer Influenza aussetzen würde, welche bei ihm sehr wahrscheinlich, durch seine permanente immunsuppressive Therapie einen schweren Verlauf nehmen könnte.
…“
Die belangte Behörde holte in der Folge eine ergänzende Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin, welche das Gutachten vom 28.05.2020 erstellt hatte, vom 23.06.2020 ein. In dieser Stellungnahme wird – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 25.5.2020 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 9.6.2020 vor, dass sein Immunsystem durch die Medikation geschwächt ist und unvorhersehbare schwallartige Entleerungen zu massiven Unterspülungen der Stomaplatte führen. Neue Befunde werden nicht vorgelegt.
Es besteht ein Zustand nach Lebertransplantation mit der üblichen begleitenden Therapie, welche jedoch nicht einer schweren Erkrankung des Immunsystems, einem Zustand nach Knochenmarkstransplantation, gleichzusetzen ist. Die Undichtheit des Stomas ist, wie auch im Gutachten erwähnt, nicht durch diesbezügliche Therapieversuche befundbelegt. Hierorts präsentierte sich das Stoma in günstiger Lage ohne Hinweis auf Hautdefekte. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ liegen daher nicht vor.“
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18.02.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Das Gutachten vom 28.05.2020 sowie die sachverständige Stellungnahme vom 23.06.2020 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage mit dem Bescheid übermittelt.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Am 21.07.2020 erhob der Beschwerdeführer per E-Mail im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.06.2020, mit dem sein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen worden war. Darin wird - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:
„…
I) Relevanter Sachverhalt
Unser Vereinsmitglied Herr N. wurde am 25.05.2020 von der Sachverständigen Frau Dr. K. untersucht und in der Folge wurde von dieser ein Gutachten erstellt. Auf Basis dieses Gutachtens erstellte die belangte Behörde den bekämpften abweisenden Bescheid.
II) Beschwerdebehauptung und Beschwerdebegründung
1) Der Abweisungsbescheid der belangten Behörde verletzt Herrn N. in seinem einfachgesetzlichen gewährleisteten Recht auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
2) Diese Rechtsverletzung ergibt sich im Detail aus den folgenden Überlegungen:
Frau Dr. K. kommt in Ihrem Gutachten vom 25.05.2020 zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit dar Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vorliegen. Herr N. erwiderte darauf im Rahmen des rechtlichen Gehörs vom 9.6.2020, dass sein Immunsystem durch die Medikation geschwächt ist und unvorhersehbare schwallartige Entleerungen zu massiven Unterspülung der Stromaplatte führen. Im darauf erfolgten Zusatzgutachten vom 23.06.2020 kommt Frau Dr. K. abermals zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht vorliegen.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob eine dauernde Gesundheitsschädigung vorliegt und wie sich diese nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Dies ist unserer Meinung nach wesentlich weiter zu betrachten, als das im Gutachten von Frau Dr. K. geschehen ist.
Hierbei ist auf den Folgesatz in den Erläuterungen zum Allgemeinen Teil zur Ausstellung Behindertenpässen auf Seite 4 von 4 zu § 1 Abs. 2 Z 3 zu verweisen, wonach bei anhaltenden schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes in Ausnahmefällen die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar ist. Eine Prüfung, ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, erfolgte im konkreten Fall jedoch nicht. Sie führt in Ihrem Gutachten diesbezüglich lediglich an, dass die Undichtheit des Stomas, wie auch im Gutachten erwähnt, nicht durch diesbezügliche Therapieversuche befundbelegt ist.
Auf die individuelle Situation von Herrn N., dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ wurde nicht in hinreichender Art und Weise eingegangen, weshalb den Anforderungen der Judikatur nicht entsprochen wurde.
Der Hauptgrund für die Mobilitätseinschränkung bei Herrn N. ist die starke Immunsupression nach der Lebertransplantation und zur Behandlung des in der Vergangenheit hochgradigen Morbus Crohn. Letzterer war Grund für zahlreiche Operationen, die zum Kurzdarmsyndrom und einer enormen Versorgungsproblematik des Stomas führte. Frau Dr. K. führt in Ihrem Gutachten vom 23.06.2020 dazu lediglich lapidar aus, dass ein Zustand nach Lebertransplantation mit der üblichen begleitenden Therapie bestehe, welche jedoch nicht einer schweren Erkrankung des Immunsystems, einem Zustand nach Knochentransplantation, gleichzusetzen ist. Dies allerdings ohne dies konkret zu begründen
Dem Gutachten von Frau Dr. K. tritt unser Mitglied Herr N. auf gleicher fachlicher Ebene mit dem beiliegenden Patientenbrief des Prof. Dr. R. vom 19.06.2020 entgegen, aus dem sich ergibt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sehr wohl vorliegen.
III) Beschwerdeerklärunq und Anträge
Herr N. erhebt gegen den Abweisungsbescheid der belangten Behörde in offener Frist gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 46 BBG iVm §§ 7 ff VwGVG
BESCHEIDBESCHWERDE
an das Bundesverwaltungsgericht und stellt den
Antrag
Das Bundesverwaltungsgericht möge
a) den Bescheid der belangten Behörde vom 23.06.2020 aufheben und dem Antrag von Herrn N. vom 18.02.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass stattgeben.
b) In eventu gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen
c) In eventu Beweis aufnehmen lassen durch eine/n Sachverständige/n aus dem Fachgebiet Gastroenterologie und Hepatologie.
…“
Der Beschwerde wurde ein Patientenbrief eines näher genannten Facharztes für Gastroenterologie und Hepatologie vom 19.06.2020 beigelegt.
In der Folge holte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung iSd § 14 VwGVG eine weitere ergänzende Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin, welche das Gutachten vom 28.05.2020 und die Stellungnahme vom 23.06.2020 erstellt hatte, vom 15.08.2020 ein. In dieser Stellungnahme wird – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„Letztes Gutachten vom 25.5.2020: Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der ÖVM".
Stellungnahme vom 9.6.2020: Gutachten wird weiter vertreten.
Neuerliche Beschwerde vom 21.7.2020, wobei der Beschwerdebescheid nicht vorliegend ist. Nachgereicht wird ein Befund Prof. Dr. R. vom 19.6.2020: auf Grund der immunsuppressiven Medikation bei Zustand nach Lebertransplantation besteht ein erhöhtes Risiko für Infekte.
Nach neuerlicher Durchsicht der Befunde liegt jedoch eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems nicht vor. Den Befunden ist weder eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit zu entnehmen, noch gibt es einen Hinweis auf Infektionen mit Problemkeimen. Es liegt kein hochgradiges Immundefizit, welches die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschränkt, vor.“
Mit E-Mail vom 17.08.2020 übermittelte der Beschwerdeführer folgendes Schreiben – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - an das Bundesverwaltungsgericht, dem zu diesem Zeitpunkt noch keine Beschwerde vorlag und daher keine Zuständigkeit zukam:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
erlauben Sie mir bitte als Betroffener meine persönliche Stellungnahme zur oben genannten Bescheidbeschwerde, eingebracht vom Verein Chronisch KRANK, dazulegen.
In aller Kürze:
? Ich leide seit 35 Jahren an Morbus Crohn, einer chronischen Darmerkrankung.
? Mein Verlauf ging bisher mit zahlreichen Fisteln einher, was in der Folge mehr als 20 Darmoperationen nach sich zog. Eine Operation davon löste eine Sepsis aus, die 10 Tage künstl. Tiefschlaf und Todeskampf nach sich zog.
? Durch due vielen OPs wurde mir so viel an Dünndarm entfernt, dass ich heute an einem sogenannten Kurzdarmsyndrom leide. Das bedeutet, dass Nahrung sehr rasch durch meinen Körper geht, wenig Nährstoffe aufgenommen werden und alle Stühle flüssig sind. Daher muss ich über einen permanenten Katheter zusätzliche parenterale Ernährung hinzufügen.
? Seit 22 Jahren habe ich ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang, der sich leider sehr oft durch die schwallartigen flüssigen Stühle unerwartet von der Haut löst.
? 2013 hatte ich aufgrund der zahlreichen immunsuppressiven Medikamente ein B-Zell-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) zu bekämpfen.
? Nach eine Darm-OP 2016 hatte ich wieder einmal eine Lungenentzündung, die mit einem Antibiotikum therapiert wurde, welches meine Leber dermaßen geschädigt hat, sodass im März 2017 nur eine Lebertransplantation mein Leben rettete.
Mit dieser Leidensgeschichte und einer Unmenge an täglichen Medikamenten, darunter auch eine Immunsuppression für den Morbus Crohn und gegen eine Abstoßung der Leber, versuche ich im Berufsleben zu bleiben und meiner Familie mit 2 schulpflichtigen Kindern ein guter und so aktiv wie möglicher Vater zu sein.
Dies ist durch die Immunsuppression nicht leicht, weil ich natürlich sehr Infekt anfällig bin. So habe ich versucht in meinem bestehenden Behindertenausweis den Zusatzeintrag „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ zu erwirken, um mich nicht der Gefahr von wiederholten Infektion (abgesehen von Sars-Covid-2 gibt es ja noch andere nicht ungefährliche Keime für immunsupprimierte Personen) aussetzen zu müssen. Außerdem ist es ein besonderer Stress, wenn sich durch die schwallartigen, flüssigen Durchfälle mein Stoma wieder einmal von meiner Bauchdecke löst.
Leider wurde dieser Antrag trotz ausführlicher Atteste meiner seit Jahren betreuenden Ärzte im XXX abgelehnt. Entscheidend dafür war eine Vorladung bei einer Ärztin, die mich vorher nie gesehen hatte und in 20 min. die Komplexität meiner Erkrankungen offensichtlich nicht erkannte.
Meine behandelnden Ärzte und ich sind fassungslos wie derartige Urteile zustande kommen können…. Offensichtlich geht es in diesem Verfahren nur um die Feststellung, ob jemand allein 300 Meter oder so gerade gehen kann. Andere Gefahren wie die Bedrohung durch ein geschwächtes Immunsystem scheinen unverständlicherweise nicht bewertet zu werden, obwohl dies in der gesetzlichen Verordnung „eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems“ explizit angeführt ist: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2013_II_495/BGBLA_2013_II_495.pdfsig
…“
Diesem E-Mail wurden der Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 27.12.2019, der Patientenbrief eines näher genannten Facharztes für Gastroenterologie und Hepatologie vom 19.06.2020 sowie das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten vom 28.05.2020 beigelegt.
Mit Schreiben vom 17.08.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dieses Mail des Beschwerdeführers vom 17.08.2020 samt Beilagen zuständigkeitshalber gemäß § 6 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG an die zuständige (also an die belangte) Behörde. Diese Unterlagen langten am 19.08.2020 bei der belangten Behörde ein.
Mit fristgerechter Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 17.08.2020 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 23.06.2020 gemäß §§ 41, 42 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Begründend wurde auf die nach Einbringung der Beschwerde eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin vom 15.08.2020 verwiesen, welche dem Beschwerdeführer zusammen mit der vorherigen Stellungnahme vom 23.06.2020 und dem Gutachten vom 28.05.2020 als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt wurde.
Mit E-Mail vom 01.09.2020 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung ohne Vorlage von weiteren Beweismitteln bei der belangten Behörde fristgerecht gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 17.08.2020 einen Vorlageantrag ein. Darin wird in inhaltlicher Hinsicht – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben für unser Mitglied Herrn N. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstalle Wien vom 23.06.2020 (zugestellt am 30.06.2020) fristgerecht am 21.07.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde ergriffen. Diese wurde von der Erstbehörde mittels Beschwerdevorentscheidung vom 17.08.2020 (zugestellt am 25.08.2020) abgewiesen.
Wir stellen daher binnen offener Frist den
Antrag
die Beschwerde vom 21.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Ergänzend möchten wir noch folgendes anführen:
Die Erkrankung von Herrn N. ergibt sich aus einem äußerst komplexen Zusammenspiel von unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen. Dieses komplexe Zusammenspiel wird seit Jahren von verschiedensten Spezialisten am XXX behandelt und es wird versucht, eine erfolgreiche Therapie finden. Im Gutachten für das Sozialministeriumservice wurde auf die Komplexität verschiedenen Krankheit kein Bezug genommen.
…“
Der Beschwerde wurde eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht zugunsten des Verein ChronischKrank beigelegt.
Am 31.08.2020 langte ein E-Mail des Beschwerdeführers folgenden Inhalts – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - bei der belangten Behörde ein:
„Sehr geehrte Damen und Herren.
ergänzend zum Vorlageantrag, eingebracht durch den Verein Chronischkrank, möchte ich hiermit folgende Ergänzungen nachreichen.
Die vom Sozialministerium bestellte Gutachterin argumentiert in all ihren Stellungnahmen stets als wäre meine Situation die SUMME einzelner Erkrankungen, was definitiv NICHT der Fall ist. Im Besonderen scheinen ihr die äußerst komplexen Zusammenhänge von Morbus Crohn, Lebertransplantation, renaler tubulärer Azidose (RTA) Typ 4 und vor allem die medikamentöse Therapie bei vorliegendem Kurzdarm und die Auswirkungen auf das Immunsystem nicht bewusst zu sein. Die Argumentation geht z.B. in keiner Weise auf die wechselnden Resorptionsverhältnisse eines Short Bowel Syndroms und die daraus folgenden wechselnden Wirkspiegel oral verabreichter Therapeutika ein. Weiters wurde auf das Infektionsrisiko eines permanenten PICC Katheters im rechten Oberarm, der auch bei der Untersuchung durch die Gutachterin bestand, nicht eingegangen.
Eben diese über Jahre komplexen und oftmalig wechselnden Voraussetzungen bedürfen das Zusammenwirken von zahlreichen Spezialisten der Universitätsklinik der XXX. Daher habe ich große Zweifel, dass eine zwanzig minütige „Beschau" die Atteste der behandelnden Ärzte im XXX widerlegen kann.
Siehe auch ergänzende Bilder:
? Verätzungen der Haut rund um das Stoma durch ätzende Dünndarmsekrete
? Infekte und permanente Warzen an Händen durch Immunsuppression S
? Schleimhaut Gaumen
Ergänzende Befunde finden Sie auch im Anhang:
? COVID-19 Risikogruppenzugehörigkeit
? Diverse Befunde zur Dokumentation der Schleimhautdefekte (von Mund bis Rektum)
…“
Diesem E-Mail wurden die darin erwähnten Unterlagen beigelegt.
Mit E-Mail vom 01.09.2020 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgendes Schreiben – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - übermittelt:
„Sehr geehrter Herr N.!
Ihre über das Service für Bürgerinnen und Bürger des Sozialministeriums an den Herrn Bundesminister gerichtete E-Mail betreffend die Ihnen nicht gewährte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in Ihren Behindertenpass wurde an uns als zuständige Fachabteilung weitergeleitet.
Wir haben in weiterer Folge umgehend das zuständige Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zur Berichterstattung in Ihrem Fall aufgefordert.
Dem Bericht ist zu entnehmen, dass Ihr Antrag vom 18.02.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels“ zur Erlangung eines Parkausweises gem. § 29b Straßenverkehrsordnung von Seiten des Ärztlichen Dienstes der Landesstelle Wien geprüft wurde.
Nach einer persönlichen Untersuchung vom 25.05.2020 wurde Ihnen am 29.05.2020 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, wonach bei Ihnen die Voraussetzungen für Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht gegeben sind, im Rahmen des Parteiengehör zur Kenntnis gebracht.
Mit der von Ihnen durch den Verein ChronischKrank, der Sie im Verwaltungsverfahren laut Vollmacht vertritt, eingebrachte Stellungnahme wurde erneut der Ärztliche Dienst der Landesstelle Wien befasst; sie konnte jedoch keine Änderung des Sachverhalts bewirken.
Mit Bescheid vom 23.06.2020 wurde daher Ihr Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ abgewiesen.
Am 22.07.2020 wurde vom Verein ChronischKrank Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht. Die im Rahmen der Beschwerde neu vorgelegten Befunde wurden dem Ärztlichen Dienst zu Stellungnahme vorgelegt, führten jedoch bedauerlicherweise aus ärztlicher Sicht zu keiner Änderung der Sachlage.
Da die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung bei Ihnen nicht vorlagen, erging seitens des Sozialministeriumservice; Landesstelle Wien eine negative Beschwerdevorentscheidung.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung können Sie innerhalb von 2 Wochen durch den Verein ChronischKrank einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht stellen. Beim Bundesverwaltungsgericht handelt es sich um ein unabhängiges, weisungsfreies Gericht, das Ihren Fall erneut prüft.
Um Ihnen nicht die Möglichkeit zu nehmen, einen derartigen Vorlageantrag fristgerecht stellen zu können, haben wir vorläufig von einer Überprüfung Ihres Falles durch die ärztliche Fachabteilung des Ressorts abgesehen.
Sollten Sie - unabhängig von einem allfälligen Gerichtsverfahren - eine Prüfung Ihres Falles durch die ärztliche Fachabteilung des Ressorts wünschen, teilen Sie uns das bitte mit.
…“
Die belangte Behörde legte am 07.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde, den Vorlageantrag und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchteil A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. …
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(4)…“
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
Kleinwuchs,
gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
…“
Der Beschwerdeführer ist aktuell Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. Dem gegenständlichen Verfahren liegt nun ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Grunde.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Der angefochtene Bescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung erweisen sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt als mangelhaft, und zwar aus folgenden Gründen:
Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist eine Ileostomie (Künstlicher Darmausgang) bei fistulierendem Morbus Crohn. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer bereits bei seiner persönlichen Untersuchung am 25.05.2020 an, dass er aufgrund dieses Leidens Probleme habe („Der Kurzdarm macht mir Probleme. Muss dringend die Platte wechseln, das Sackerl ist schnell voll. Wenn ich nebenbei trinke, rinnt es komplett durch. Die hygienischen Bedingungen sind eine Katastrophe. …“). In der Stellungnahme zum Parteiengehör wurde dazu weiter ausgeführt, dass es beim Beschwerdeführer zu massiven Unterspülungen der Stomaplatte komme, die nicht nur mehrmals täglich, sondern auch nachts nach unvorhersehbaren schwallartigen Entleerungen gewechselt werden müsse. Auch im Rahmen der Beschwerde wurde auf die Versorgungsproblematik des Stoma Bezug genommen.
Im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Zusatzeintragung hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach vergleichbare Krankheitsbilder beurteilt, die wiederkehrende Phasen der Inkontinenz beinhaltet haben: Im Erkenntnis vom 17.06.2013, 2010/11/0021, wurde der Umstand, dass (im Zusammenhang mit der Verdachtsdiagnose Morbus Crohn) die "mehrmals im Monat auftretenden Phasen der Stuhlinkontinenz und Flatulenzen unvorhersehbar und schubartig" aufgetreten sind, als Argument für die Annahme der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gewertet, insbesondere aufgrund der "Häufigkeit, Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit" der behaupteten Zustände, wie sie sich damals aus den ärztlichen Gutachten ergaben. In seinem Erkenntnis vom 23.02.2011, 2007/11/0142, wurde dieselbe Schlussfolgerung aus den Feststellungen der Behörde gezogen, wonach die damalige Beschwerdeführerin an einer Belastungsinkontinenz litt und täglich sechs bis sieben Mal ihre Vorlagen wechseln musste, wobei mit der Inkontinenz auch eine Geruchsbelästigung verbunden war. Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21.04.2016, Ra 2016/11/0018, bestätigt (vgl. im Übrigen auch VfGH 23.09.2016, E 439/2016-13).
Abgesehen davon wird in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idF BGBl. II Nr. 495/2013, bei Vorliegen eines Ileostoma ausgeführt, dass insbesondere zu prüfen ist, ob es zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser bzw. zu Geruchsbelästigungen kommt. Bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und den Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist es im gegenständlichen Verfahren erforderlich zu erheben, ob beim Beschwerdeführer ein Krankheitsbild vorliegt, welches jenem einer Durchfallerkrankung mit häufigem und imperativem Stuhlgang, bei in der Regel weder vorhersehbaren noch beeinflussbaren Zeitpunkten des Stuhlganges, ohne Ileostoma entspricht. In diesem Zusammenhang ist im Sinne der Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zu erheben, wie die Qualität der Versorgung mit dem Ileostoma ist bzw. ob allenfalls – bei Zutreffen der Behauptung, der Kurzdarm mache Probleme, der Beschwerdeführer müsse dringend die Platte wechseln, das Sackerl sei schnell voll, wenn er nebenbei trinke, rinne es komplett durch, es komme zu massiven Unterspülungen der Stomaplatte, die nicht nur mehrmals täglich, sondern auch nachts nach unvorhersehbaren schwallartigen Entleerungen gewechselt werden müsse (im bisher eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird dazu lediglich ausgeführt, dass die Undichtheit des Stomas nicht durch entsprechende Therapieversuche und Behandlungen befundbelegt sei) - ein Ausnahmefall im oben dargestellten Sinn vorliegen könnte.
Zudem wird in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag – im Lichte des § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, wonach, soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden können - nachvollziehbar auf ein äußerst komplexes Zusammenspiel von unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen hingewiesen. In dem im angefochtenen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten (inklusive der ergänzenden medizinischen Stellungnahmen) wird allerdings nicht auf die Frage Bezug genommen, ob bzw. wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Lebertransplantation und einer Morbus Crohn-Erkrankung einer permanenten Immunsuppression ausgesetzt ist, und er außerdem einen künstlichen Darmausgang bei fistulierendem Morbus Crohn hat, im Zusammenwirken dieser Funktionsbeeinträchtigungen Auswirkungen im Hinblick auf die Beantwortung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hat.
In dieser Hinsicht hat die belangte Behörde den Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt. Weder das im angefochtenen Verfahren eingeholte Gutachten noch die eingeholten ergänzenden medizinischen Stellungnahmen sind geeignet, die in der Judikatur festgelegten Anforderungen an die Sachverhaltsfeststellung zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer aufgrund der im Gutachten festgestellten Gesundheitsschädigung "Ileostomie bei fistulierendem Morbus Crohn" – allenfalls im Zusammenwirken mit Immundefiziten infolge der Immunsuppression - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, zu erfüllen; das bisher eingeholte medizinische Sachverständigengutachten wird in diesem Zusammenhang den Anforderungen an Vollständigkeit und Schlüssigkeit nicht gerecht.
Dies scheint im Übrigen auch der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Ergebnis für möglich zu halten, wie sich aus dem oben wiedergegebenen Schreiben vom 01.09.2020 an den Beschwerdeführer ergibt, führt dieser doch aus, dass er „vorläufig von einer Überprüfung des Falles durch die ärztliche Fachabteilung des Ressorts abgesehen habe, um dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit der Einbringung eines fristgerechten Vorlageantrages zu nehmen“, und biete er dem Beschwerdeführer doch - unabhängig von einem allfälligen Gerichtsverfahren - eine Prüfung seines Falles durch die ärztliche Fachabteilung des Ressorts an, was allerdings durchaus bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der Beschwerdevorentscheidung angezeigt gewesen wäre.
Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Sachverhalt – bezogen auf den konkreten Verfahrensgegenstand der Frage der (Un)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – nur ansatzweise ermittelt hat bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes in entscheidungswesentlichen Fragen an das Bundesverwaltungsgericht delegiert hat.
Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen auch nach Ansicht der belangten Behörde mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch, dass