TE Bvwg Beschluss 2020/10/16 W207 2233095-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W207 2233095-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.07.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 30.12.2019 beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Zusätzlich stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesen Anträgen legte sie ein umfangreiches Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie ein persönliches Schreiben betreffend ihre Erkrankungen vom 06.12.2019 bei.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 17.02.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.02.2020, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

„…

Anamnese:

Antragsleiden: Reizdarm RDS, Inkontinenz Grad 2, Fibromyalgie, Fersensporn auf beiden Fu?ßen, Gleitwirbel und Bandscheibenvorwölbung LWS L5/S1, Rechte Schulter: KMÖ und AC-Arthrose, Linke Schulter: Schleimbeutelentzu?ndung mit 2 Kalkdepots, Rechte Hand: Karpaltunnelsyndrom

„All diese Schmerzen und Probleme erfolgen in Schu?ben die weder physisch noch psychisch noch medikamentös zu beeinflussen sind!

Selbst an den halbwegs „guten" Tagen ist es mir nicht möglich meine Einkäufe und Termine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erledigen. Schon beim Einsteigen treten die 1. Probleme (Blase) auf, ich einen Platz bekomme - wieder Probleme wenn beim Aufstehen, rechtzeitig zur Tu?re zu kommen und am Schlimmsten ist das Austeigen. Bei all der Hektik und Problematik den ständigen Muskelschmerzen (Fibromyalgie) in den Beinen, ist die letzte Hoffnung, (unter all den fremden Menschen dicht neben mir) die Blase zu kontrollieren völlig dahin.....

Da aber mein Einkommen nur ca. 630 € beträgt, bekomme ich eine Aufzahlung von der MA40von ca. 260€

t(gesamtes Einkommen ca. 890 €), deswegen darf ich aber keinen PKW besitzen,

einzige Ausnahme: § 12 Absatz 3: Kraftfahrzeuge auf Grund besonderer Umstände – insbesondere Behinderung.

Daher bitte ich dringend um die Genehmigung fu?r eine Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis)!“

Derzeitige Beschwerden:

„Ich habe eine ganze Reihe von Beschwerden, allerdings die Beschwerden, die mir am meisten zu schaffen machen, sind folgende: Ich leide an einem Reizdarm, wann ich diese Reizdarmsymptomatik habe, kann ich allerdings nicht vorhersehen, die ist auch nicht vom Stress abhängig. In meiner Coloskopie war allerdings diesbezüglich nichts zu sehen, nur entzündliche Prozesse, allerdings nichts Bösartiges. Ernährungstechnisch esse ich nur das, womit ich gute Erfahrung habe. Dieses Essen ist allerdings sehr einseitig. Bei meinen Gastroskopien kommt immer wieder heraus, dass ich einen Helicobacter habe, den bekommen wir allerdings nicht in den Griff. Wenn ich bezüglich meines Reizdarmes akute Schübe habe, laufe ich sozusagen den ganzen Tag auf die Toilette. Früher war das extrem schlimm, seitdem ich die Nahrungsergänzungsprodukte habe, geht es mir besser. Akute Schübe habe ich maximal dreimal im Monat, die dauern dann ungefähr bis zu zwei Tage, bis sich der Darm wieder beruhigt hat. Zusätzlich leide ich an einer Harninkontinenz Stufe

2, wo ich Einlagen tragen muss. Dadurch kann ich auch nicht das Haus verlassen. Meinen Harndrang kann ich auch nicht kontrollieren. Die Stufe 2 wurde bei mir im Jahr 2009 diagnostiziert, wird sich wahrscheinlicherweise im Laufe der Jahre auch verschlimmert haben. In den öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Harninkontinenz insofern ein Problem, vorallem beim Ein,- und Aussteigen, wenn ich mich niedersetze und wieder aufstehe, beziehungsweise auch, wenn zum Beispiel die Straßenbahn anfährt, und wieder stehen bleibt. Diesen Juni habe ich auch die Diagnose gestellt bekommen, dass ich eine Fibromyalgie habe. Die Schmerzen habe ich allerdings schon seit meiner Jugend, nur hat mir niemand geglaubt. Dagegen helfen auch keine Schmerzmittel. Seit Jahren versuche ich eine Psychotherapie zu machen, habe aber bis jetzt keine bekommen. Ich habe auch niemanden der für mich da ist, jetzt ist auch mein Vater und meine Mutter gestorben und ich bin mit meinen zwei Kindern komplett alleine. Ein Sohn ist 25 Jahre alt, ein Sohn 21 Jahre. Mein großer Sohn ist auch schon lange ausgezogen. Ich bin mit meinem jüngeren Sohn, der 21 Jahre alt ist, komplett alleine. Durch meine Krankheiten bin ich sozial auch sehr isoliert. Zusätzlich bin ich auch mit der linken Schulter in Behandlung, wegen den geplatzten Schleimbeuteln. Ich hätte schon dreimal die Möglichkeit gehabt auf Kur zu fahren, konnte die Kur aber nicht annehmen, weil ich einen Hund habe und niemanden, der ihn sonst betreut, außerdem kann ich meinen Hund auch nicht zu anderen Leuten geben.“

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Diovan, Venobene, Bioflorin, Zynarix, Nahrungsergänzungeprodukte

Sozialanamnese:
getrennt lebend, verheiratet, 2 Kinder, Beruf: AMS

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
XXX vom 24.06.2019

Nach ausführlicher langwierigen Abklärung der Ganzköperschmerzen derzeit kein krankheitsspezifisches korrelat zu finden
Eine Fibromyalgie ist somit anzunehmen

Elektroneurographie vom 26.11.2018
Herabgesetzte sensible LG des N.Medianus bds /(rechts > links)

MRT rechtes Schulterggelenk vom 09.10.2018
AC-Arthrose mit ausgeprägtem begleitendem KMÖ.
MRT linkes Schulterggtenk vom 09.10.2018

Zwei rundliche Verkalkungen im ventralen Anteil der Supraspinatussehne im Sinne einer tendinitis calcarea

Beckenu?bersicht a.p., beide Hu?ftgelenke axial: vom 05.07.2018
Coxarthrosis bilateralis. Relevanter Beckenschiefstand von links minus 7 mm.
Produktive Fibroostosen am Beckenringskelett

Beide Fersen vom 24.01.2018
Ausgeprägte dorsale Fersenspornbildungen

MR-Tomografie der LWS vom 27.06.2017

Spondylolisthesis vera Grad l bei Spondylolyse L5/S1. Geringe, diffuse, subiigamentäre dorsaie

Banaschesbenprotrusion in diesem Segment, ohne Tangierung der nervalen Strukturen. Keine Vertebrostenose. Sonst unauffälliger Befund.

Dr. K.
Facharzt fu?r Urologie und Andrologie vom 27.07.2009
UROLOGISCHES GUTACHTEN an das ASG
Harnbelastungsinkontinenz Grad 2

WSP vom 25.02.2008
Colon irritabile
Die Recto-Coloskopie war unauffällig.

Mitgebrachte Befunde:

Sonographie beider Kniegelenke vom 06.02.2020: Deutlicher Gelenkserguss im Recessus suprapatellaris rechts, sowie geringer Gelenkserguss links. Ansonsten keine Auffälligkeiten.

Röntgenbefund Füße beidseits vom 06.02.2020: Ausgedehnter, dorsaler Fersensporn links sowie mäßiggradig dorsal blunter Fersensporn rechts.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
gut

Ernährungszustand:
gut

Größe: 160,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: 120/60

Klinischer Status - Fachstatus:
55 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput:, Visus: mit Brille korrigiert Hörvermögen nicht eingeschränkt
keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei
Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch,
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff recht uneingeschränkt durchführbar , Nackengriff rechts bis zum Ohr, Schürzengriff bis zum ISG möglich, Arm wird bis 90° abduziert, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,

Untere Extremität: Zehenspitzenstand möglich und Fersenstand wegen „Fersensporn“ nicht möglich sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird wird links als verstärkt angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: bis zum mittleren Unterschenkel
Rotation und Seitwärtsneigung im Bereich der HWS frei beweglich, im Bereich der BWS+LWS wird zu 1/3 eingeschränkt durchgeführt

Gesamtmobilität - Gangbild:

normales Gangbild

Status Psychicus:

bewußtseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit,

Gedankenstuktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage angepasst, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Gelenke, Fibromyalgie, Carpatunnelsyndrom, Fersensporn

unterer Rahmensatz, da mäßiggradige Funktionseinschränkung der Gelenke und Therapieoptionen offen sind

02.02.02

30

2

Reizdarmsymptomatik

oberer Rahmensatz, da schubhafte Beschwerdesymptomatik bei jedoch gutem Ernährungszustand und ohne chronische Schleimhautveränderungen

07.04.04

20

3

Harnbelastungsinkontinenz

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da das Tragen von Einlagen erforderlich ist

08.01.06

20

4

Bewegungseinschränkung der linken Schulter

Fixer Richtsatz

02.06.03

20

                                                      
Gesamtgrad der Behinderung          30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2-4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

keine. Es liegen keine maßgeblichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule, sowie der oberen und unteren Extremitäten vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

…“

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.02.2020 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihr das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Am 05.03.2020 bat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde telefonisch darum, die Frist für die Einbringung eines Parteiengehörs bis Ende April zu verlängern. Es würde ein neurologischer Befund nachgereicht werden.

Per Fax langte am 10.03.2020 ein Schreiben der Beschwerdeführerin folgenden Inhalts – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – bei der belangten Behörde ein:

„…

Wie ich am Do den 5.3.2020 telefonisch schon gemeldet habe, möchte ich gegen das Sachgutachten Einspruch erheben, da mir beim Durchlesen des Sachgutachtens aufgefallen ist, dass meine Schilderungen nicht vollständig waren. Ich dachte man wird nur körperlich untersucht, und wusste daher nicht, dass ich so genau die Auswirkungen meiner Erkrankungen schildern muss.

Deswegen möchte ich eine ausführliche Stellungnahme mit neuen Befunden nachreichen und bitte daher um eine Fristverlängerung um die neuen Befunde besorgen zu können. (Frist wurde schon telefonisch verlängert).

…“

Am 15.04.2020 bat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde telefonisch um eine weitere Fristverlängerung, da der Neurologe aufgrund des Corona-Virus geschlossen habe. Die Frist wurde von der belangten Behörde bis Ende Mai verlängert.

Am 26.05.2020 bat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde abermals telefonisch um eine Fristverlängerung, da sie aufgrund des Corona-Virus so schlecht Arzttermine bekomme. Die Frist wurde von der belangten Behörde bis 30.06.2020 verlängert.

Mit E-Mailnachricht vom 30.06.2020 brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme folgenden Inhalts – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – ein (Hervorhebungen wie im Original):

„Betrifft: Stellungnahme und neue Befunde

Hiermit möchte ich innerhalb der verlängerten Frist Stellung nehmen gegen das

Sachverständigengutachten vom 17.2.2020 da mir beim Durchlesen des Sachgutachtens aufgefallen ist, dass meine Schilderungen nicht vollständig waren. Ich dachte man wird bei diesem Termin nur körperlich untersucht, als Ergänzung zu den mitgeschickten Befunden mit den Diagnosen meiner Erkrankungen.

Ehrlich gesagt, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich die Auswirkungen meiner

Erkrankungen so detailliert schildern muss, da ich versuche so wenig wie möglich darüber zu sprechen, da mich meine gesundheitlichen Probleme psychisch sehr belasten.

Obwohl ich dieses Diktiergerät sehr praktisch finde, muss ich zugeben, dass es mich sehr irritiert hat, und ich auch ständig beim Reden den Faden verloren habe, was mir aber erst beim Nachlesen bewusst wurde, da einiges durcheinander oder völlig konträr zu meinem Schilderungen bei der Einreichung wiedergegeben wurde.

Auch wurde mit keinem Wort erwähnt, dass ich 2x während der Schilderungen weinen musste, was mir auch im Alltag öfters passiert, was ich aber auf keinen Fall „normal" finde, sondern eher als Zeichen wie groß diese Belastungen für mich sind.

Deswegen möchte ich eine ausführliche Stellungnahme mit neuen Befunden nachreichen, bitte aber um Verständnis, dass ich als Laie wirklich nur die Auswirkungen meiner 3 chronischen Erkrankungen auf mein Leben schildern kann!

Stellungnahme: Mein Leben mit Reizdarm:

Symptome wie stark aufgeblähter Bauch und massives Völlegefühl mit dem Gefühl als müsste Ich gleich erbrechen hatte ich schon seit meiner Pubertät, aber mit den starken Krämpfen und Durchfall wurde es erst nach der Geburt meines ersten Sohnes 1994 immer schlimmer. Das Frühstück war noch kein Problem, aber nach jeder warmen Mahlzeit bekam ich nach 2 Std. starke Bauchschmerzen, und dann starke Krämpfe im Unterleib, die mich stark an Wehen erinnerten.

Ideal ist es, nicht dagegen anzukämpfen. sondern schnell auf die Toilette zu rennen.

Die 1. Welle löst direkt einen „normalen" Stuhlgang aus, mit dem die Krämpfe schlagartig besser werden. Doch dann folgen noch weitere „Krampf-Wellen" im halben Stunden Takt, die auch immer stärker werden. Es folgt Durchfall, dann nur mehr flüssiger Durchfall, bei der

letzten Welle kommt nichts mehr, aber die Krämpfe dauern weiter an und es fühlt sich an, als würde sich das Innerste nach außen stülpen! Dazu kommt, dass der Durchfall sehr „scharf" zu sein scheint, da ein normales sauberwischen sehr schmerzhaft ist, und bei die letzen 2 Wellen frisches Blut auf dem Papier ist, und ich danach kaum schmerzfrei sitzen kann.

Hab ich das geschafft, tritt große Erleichterung ein, weil im Bauch „völlige Stille" herrscht, auf der anderen Seite bewegt man sich so wenig wie möglich, da man immer noch starke brennende Schmerzen am Darmausgang hat,

Selbst waschen mit klarem Wasser brennt! Die einzige Linderung bringt eine Wundsalbe und wenig bewegen, das hält den restlichen Tag an und bessert sich erst etwas am 2. Tag. Dadurch der Darm „völlig leer ist", hat man einmal etwas Ruhe und absolut keinen Wunsch nach Essen, vielleicht aus Angst vor neuen „Aktivitäten" im Darm. Erst am 3. Tag traue ich mich wieder vorsichtig essen und kurzzeitig außer Haus zu gehen.

Natürlich war das als Mutter zweier Kinder eine große Belastung, da ich immer 2 Tage „außer Betrieb" war! ich konnte ja nicht von meiner Familie verlangen ebenfalls 2 Tage zu Hause zu bleiben bis alles vorbei war. Wir haben das so gelöst, dass mein Mann ALLE Aktivitäten mit den Kindern außerhalb der Wohnung übernommen hat, und ich an diesen Tagen vor allem wegen der Toilette aber auch wegen der Schmerzen zu Hause blieb.

Diese Zustände waren eine immense Belastung für meine Familie, da wir gemeinsame Aktivitäten oder Besuche nie im Voraus planen konnten, und 50 manches wegen mir nicht stattgefunden hat.

Da ich jetzt schon seit mehr als 25 Jahren damit leben muss, habe ich natürlich versucht rauszufinden, wodurch diese Darm Probleme ausgelöst werden, um eine bessere Lebensqualität zu bekommen,

Das schlimmste an diesen Durchfall Attacken ist aber, dass nichts und niemand sie beeinflussen oder verhindern kann!!!

Leider musste ich bei mir folgendes feststellen:

jegliche negativen Ereignisse sind auf jeden Fall ein Auslöser, aber vor allem Zeitdruck!! Unzählige Termine musste ich absagen oder verschieben, da ich wegen dieser Krampf-Attacken zu Hause bleiben musste.

Selbst wenn mein Sohn an meinem Geburtstag mit mir ausmacht, ich soll um 14 Uhr fertig sein, er holt mich ab, damit wir zu ihm fahren, weil er für mich kochen will, bekomme ich garantiert 1 Std. vorher Krämpfe und Durchfall.

Also spielen alle Emotionen eine Rolle, sogar positive Emotionen können ein Auslöser sein, schließlich habe ich mich auf meinen Sohn gefreut!!!

Die einzige Möglichkeit Termine einzuhalten ist jene, dass ich schon am Vortag nichts Festes mehr esse, damit im Darm „Ruhe" herrscht, am Tag des Termins esse und trinke ich vorher nichts, versuche alles so schnell wie möglich zu erledigen, um wieder schnell zu Hause zu sein.

Dann gibt es einmal ein Frühstück, egal welche Uhrzeit, noch ist alles ruhig.

Aber spätestens nach der ersten warmen Mahlzeit beginnt das ganze Prozedere von neuem.

Also gehe ich nach jedem Termin wieder 2 Tage nicht außer Haus!!

Ohne Termine herrscht mehr „Ruhe" im Körper und ich schaffe es auch mal 4-5 Tage ohne Durchfall bis zum nächsten Mal….

Ich hatte insgesamt 6 Darmspiegelungen, wovon 4 abgebrochen wurden, wegen zu starker Schmerzen. die 5. Untersuchung erfolgte mit Sedierung, wurde aber auch abgebrochen, da ich angeblich um mich geschlagen habe und geschrien, trotz Sedierung?

Also wurde die 6.Untersuchung unter Vollnarkose gemacht Ergebnis: Reizdarm.

Was die Nahrungsmittel betrifft, habe ich das Gefühl, dass mein Körper generell auf so gut wie alles negativ reagiert, am „normalsten" fühle ich mich eigentlich ohne Essen, was aber leider zu Kreislaufproblem, Magenschmerzen und Schwindel führt.

Übrigens sind die Darmprobleme vererbt, meine Mutter bekam 2000 Darmkrebs, ich habe „nur" einen Reizdarm und mein großer Sohn bekam mit 20 Jahren Morbus Grohn.

Folgende Nahrungsmitteln kann ich überhaupt nicht essen:

alle Milchprodukte sowie Käse

Obst

alle Vollkornprodukte und alle Sojaprodukte

ALLE Fertigprodukte sowie auswärtig essen

generell Alkohol sogar in Medizinen (Tropfen)

meine Ernährung besteht aus:

Fleisch (hauptsächlich Huhn) und Gemüse

selten etwas Reis, Nudeln, Kartoffeln

Weißbrot und Schinken und Eier und Suppen

Ich esse seit 1987 nur 2 Mahlzeiten am Tag, Frühstück und spätes Mittagessen, kein Nachtmahl und nichts mehr nach 17 Uhr, da mir sonst Essen und Magensäure in der Nacht hochkommen (Reflux).

Da durch die sehr einseitige Ernährung über die vielen Jahre schon einige

Mangelerscheinungen aufgetreten sind, nehme ich zusätzlich seit 2 Jahren hochdosierte

Nahrungsmittelergänzungen die jedes Jahr im Blutbild kontrolliert werden:

Vit C, Vit B Komplex mit allen 8 Vit B, Vit A, Vit E, Vid D + K2,

Kalium, Magnesium, Zink, Selen, Chrom

Ich habe in den vielen Jahren schon unzählige Medikamente angefangen und wieder aufgehörte weil auf Dauer keine Verbesserungen zu erreichen waren und die vielen Nebenwirkungen wieder neue Probleme erzeugten.

weitere Einschränkungen durch Fibromyalgie

Druckschmerzen in allen Muskeln, besonders der Extremitäten hatte ich schon in der Schulzeit, weswegen ich immer wieder verspottet wurde, da ich Angst vorm Turnunterricht hatte. Diese Schmerzen hatte ich an bestimmten Stellen über all die Jahre hinweg, da mir aber niemand glaubte und ich auch als hysterisch bezeichnet wurde, musste ich lernen damit zu leben.

Seit meinem 50. Lebensjahr (2014) sind diese Schmerzen immer schlimmer geworden, da ich aber überhaupt nicht auf die üblichen Schmerzmittel reagiere, wurde ich zu unzähligen Durchuntersuchungen geschickt.

Allein 2018 waren es über 33 Befunde, von Röntgen, Ultraschall, MRT, CD, EEG, Nervenleitmessungen und unzählige Blutuntersuchungen! 

Nachdem auch beim Neurologen keine Erklärung für meine starken Schmerzen gefunden wurde, bekam ich Juni 2019 im XXX—Rheuma-Ambulanz den Befund Fibromyalgie.

In weiterer Folge erfuhr ich leider auch, dass es eine chronische Krankheit ist, die nicht heilbar ist. Da leider die Schmerzen auf keinerlei Schmerzmittel reagieren, ist eine übliche Schmerztherapie erfolglos. Einige Patienten reagieren positiv auf Pregabalin, aber dieses Medikament ist eigentlich für Epilepsie und wirkt nur, wenn überhaupt in sehr hoher Dosierung und hat sehr viele starke Nebenwirkungen!!

Die Schmerzen treten in Schüben auf, sind absolut nicht vorhersehbar, und es bleibt mir nichts anderes übrig als diese akuten Schmerztage auszuhalten, Obwohl ich durch den Reizdarm schon sehr „geübt'* bin mit Schmerzen umzugehen, sind diese Schübe eine einzige Qual. Es gibt Tage, da kann ich mich nur in der Wohnung vor Schmerzen stöhnend von einem Zimmer ins andere bewegen. Für mich fühlt es sich an als hätte ich einen extremen Muskelkater, ähnlich wie nach einem Marathon, die Muskeln „brennen" bei jedem Schritt derartig, man möchte einfach stehen bleiben und sich nicht bewegen!

Auch habe ich durch das Brennen kein anderes Gefühl in den Muskeln und kann sie auch teilweise nicht kontrollieren, z.b. will ich nach vorne gehen, aber bewege mich zur Seite, muss mich auch oft anhalten, da sich die Beine wie „Pudding" anfühlen. Ich „gehe" weil mein Gehirn weiß wie man geht, aber ich fühle es nicht, habe irgendwie keine Kontrolle über die Beine!

Im Gegenzug gibt es aber auch vereinzelt Tage, da wache ich auf und merke nach den ersten Schritten sofort, dass ich keine Schmerzen habe!! Man denkt sofort, oh es ist vorbei, ich bin gesund, es ist alles in Ordnung! Es fühlt sich alles „normal" an, ich kann mich „normal" bewegen!! Dann kommt sofort der Gedanke, mein Gott, ich habe mir alles nur eingebildet, bin ich schon verrückt?? Doch genauso plötzlich wie sie gehen, kommen die Schmerzen wieder, ohne Ankündigung! Man will aufstehen und der Schmerz ist wieder da, es brennen alle Muskeln, jede Bewegung Schmerzen!

Da an diesen Tagen für mich das Fortbewegen eine einzige Qual ist und nur sehr, sehr langsam möglich ist, führt das zum nächsten Problem unter dem ich am stärksten leide!

Inkontinenz:

Auf Anordnung der PVA wurde bei mir 2009 von einem Urologen ein Gutachten erstellt, mit folgendem Ergebnis: Inkontinenz Grad II. Ich war damals 35 Jahre alt.

Da in dem Gutachten steht, dass weder nach einer Therapie noch einer Operation eine Heilung zu erwarten ist, bin ich nie wieder zu einer weiteren Untersuchung (dauerte 3 Std, und war schrecklich unangenehm) gegangen. Daher gibt es seit damals keinen neueren Befund, und ich kenne den derzeitigen Grad der Inkontinenz nicht. Da es sich aber seitdem sehr stark verschlechtert hat, ist Grad Il nicht mehr aktuell.

Tatsache ist es, das ich unter diesem Problem am stärksten leide und es sich durch die Fibromyalgie sehr stark verschlechtert hat!!

Für Schmerzen muss man sich nicht schämen, darüber kann man auch reden, ABER über dieses Problem kann und will ich nicht reden.

Es ist so demütigend, wenn man über seinen Körper keine Kontrolle mehr hat. Ich weiß auch nicht wie ich es beschreiben soll!

Bei Grad Il war es so, dass man beim niesen, husten, heben, springen, Stufen steigen oder laufen Harn verliert. Aber es ist schon seit Jahren viel schlimmer!

Der Harndrang kommt so plötzlich und ohne Vorwarnung!

Es geht alles blitzschnell, das Signal kommt, oh ich muss zur Toilette, aber wenn ich erst aufstehen muss, oder gar im Stiegenhaus stehe, ist es zu spät bis zum WC und ich verliere schon Harn, es gibt auch keine Chance „zusammenzukneifen" um den Harn zurückzuhalten, es funktioniert einfach nicht!!

Dieses Gefühl ist so fruchtbar, man ist so hilflos, es passiert einfach.

Deswegen trage ich seit 2008 Einlagen auf Rezept von XXX die es in verschiedenen Stärken gibt.

Es ist eine Hilfe, aber es ändert nichts daran wie man sich fühlt, wenn es passiert.

Man fühlt sich schmutzig, hilflos, unfähig, behindert, und am schlimmsten ist es in der Öffentlichkeit!!!

Immer wieder bilde ich mir ein, dass die Menschen neben mir bemerken was passiert ist!!! Ich kann damit nicht „normal" gehen, man glaubt die Wäsche ist auch nass, einfach nur grauenhaft!!!

Das ist auch der Grund, warum ich Menschen so gut es geht meide, damit mich keiner anspricht, es könnte ja während dem Gespräch….

Am schlimmsten ist es in öffentlichen Verkehrsmitteln!!!

Ein Beispiel: Ich habe es zu einem Termin geschafft, bin am Heimweg und war schon länger nicht am WC, habe in der Straßenbahn einen Sitzplatz bekommen, sollte aber bald aussteigen. Zuerst einmal muss ich „hochkommen" (Muskeln brennen, keinerlei Kontrolle), sollte ich das schaffen, muss ich im fahrenden Wagon rechtzeitig zur Türe kommen (sehr schwierig, durch die Bewegungen des Wagons vom bremsen und weiterfahren), habe ich auch das geschafft, kommt das größte Problem, das aussteigen (beim Stiegen steigen verliere ich immer Harn), und rundherum Menschen, die „dabei" sind wenn es „passiert", denen ich im Weg bin, weil alle es eilig haben und ich zu langsam bin, und dann mehr als 50 m bis zu meiner Stiege!! Ich bewege mich „komisch", und kriege die Panik, dass mich wer anspricht den ich kenne!!

Ich wohne dort seit 30 Jahren, war vor vielen Jahren Mietervertreter, somit wollen viele Leute mir ihre Sorgen mit der Wohnung erzählen. Ich will aber nur nach Hause, mich waschen und umziehen!! Es ist für mich einfach nur schrecklich, ich bekomme einen hohen Puls und Schweißausbruch, die totale Panik!!

Einfach nur nach Hause und bitte ja niemanden der mich anspricht!

Ich weiß nicht, ob das ein gesunder Mensch nachvollziehen kann, wie es mir in diesen

Momenten geht!! Ich bin doch erst 56 Jahre alt und habe meinen Körper nicht unter

Kontrolle!! Und es darf keiner merken, ich kann nicht darüber reden, ich kann auch keine Hilfe erwarten, wie auch, es gibt dafür keine Hilfe!!!

Alleine während ich das schreibe, habe ich einen hohen Puls, Zittere und weine vor Hilflosigkeit und Scham!

Deswegen habe ich auch damals bei der Untersuchung nicht darüber geredet.

Vor mir saß eine hübsche, gesunde Frau, und da soll ich beschreiben wie kaputt ich bin, dass mein Mann 2011 die Familie verlassen hat (wer will schon so eine kranke Frau), mein großer Sohn ist mit 17 nur einen Monat später gegangen (wollte ein „normales" Leben, hatte genug von den Einschränkungen wegen seiner kranken Mutter), nur der Jüngere konnte noch nicht weg, war erst 13 Jahre alt. Inzwischen sind meine Eltern verstorben, und ich habe niemanden mehr, bin alleine mit meinen Problemen.

Meine ganze Familie besteht aus meinen beiden Söhnen und mir und ich spiele die starke Mutter, darf nicht zeigen wie schlecht es mir geht, alleine mit all meinen Krankheiten!!!

Alle Menschen haben darunter gelitten, als wegen Coronna der Shutdown kam, und sie zu Hause bleiben mussten, mit so wenig wie möglich Kontakt zu anderen Menschen!! Und verwundert lese ich, dass die Menschen so darunter leiden, dass es sie psychisch so belastet!!

Und dann wird mir klar, dass ich schon seit Jahren so lebe, leben muss, gezwungen durch diese Krankheiten die ich nicht haben will, die mir ein normales Leben nicht ermöglichen.

Ich lebe völlig isoliert, seit 2011 hat niemand meine Wohnung betreten außer meinen

Kindern, ich gehe nur hinaus, wenn es sein muss und wenn ich körperlich dazu im Stande bin. Bitte diese Krankheiten gehen nicht mehr weg, ich muss damit leben bis an mein Ende irgendwann, ABER nicht mehr so, das geht nicht mehr, das ist nicht lebenswert.

Nachdem ich zusätzliche all diese altersbedingten orthopädischen Erkrankungen bekommen habe, sind die Schmerzen und Einschränkungen unerträglich geworden. Ich werde noch verrückt ständig allein zu Hause.

Ich muss dringend mobil sein, um an den wenigen schmerzfreien Tagen meine Termine und

Einkäufe zu erledigen, und vielleicht kann ich einmal in den nahen XXX fahren, um Sonne und frische Luft zu tanken (wohne seit 56 Jahren im Erdgeschoß ohne Balkon), und wenn es notwendig ist (Toilette) schnell wieder nachhause zu fahren, auch wenn ich es nicht schaffe, ist es nicht so schlimm, es gibt immer Parkplätze vor meiner Stiege, und es sind nur 7 Stufen bis in meine Wohnung, wenig Gefahr jemanden zu treffen, der mich in diesem Zustand anspricht.

Aber davon kann ich nur träumen, da ich monatl. von der MA 40 eine Aufzahlung von ca. 280 € bekomme, darf ich kein Auto besitzen!! Einzige Ausnahme bei Behinderung mit mind. 50%!!

Im Spital hat man mir geraten diesen Antrag zu stellen, es würde dadurch für mich der Alltag leichter, weil ich gleich 3 chronische Krankheiten habe für die es keine Therapie gibt, angeblich gibt es sogar Patienten die nur wegen dem Reizdarm auf 50% eingestuft wurden. Mein Sohn würde mir sein Auto geben, weil er mit dem Wagen seiner Freundin fährt. Aber wegen dem Parkpickerl müsste es auf mich angemeldet werden, dann stellt die MA 40 aber die 280 € ein, und ich bekomme nur mehr 637 € Notstandshilfe.

Dieser Behindertenpaß mit 50 % würde mein Leben mehr verändern, als eine Kur oder jeder andere teure vergebliche Versuch die Schmerzen zu behandeln,

Ganz ehrlich, mit dem Reizdarm alleine habe ich gelernt zu leben, da ich ja „nur" ein paar Tage in der Woche eingeschränkt bin. Ich beschwere mich auch nicht, dass ich seit 2011 schwere Schlafstörungen und furchtbare Alpträume habe, und keine Nacht mehr als 4 Std, schlafen kann, dann liege ich wach und grüble, dazu aber die Schmerzen von der Fibromyalgie sind schon eine immense Belastung und erhebliche Einschränkung, da ich bei jedem Schub mehrere Tage nicht außer Haus gehen kann.

Dazu zerrt das tägliche bewältigen der Schmerzen furchtbar an meiner Energie, ich kann max. 2 Std. etwas im Haushalt erledigen, dann geht ohne längere Pause gar nichts mehr, ich bin aber nicht nur körperlich erschöpft, sondern auch geistig kann ich mich nur kurz auf etwas konzentrieren.

Aber das Allerschlimmste ist diese Inkontinenz, die ja nicht vorübergehend ist, sondern immer, Tag und Nacht und selbst an schmerzfreien Tagen traue ich mich deswegen nicht unter Menschen auf engsten Raum (öffentliche Verkehrsmitteln)!!!

Selbst wenn ich das Problem mit der Panik unter Menschen nicht hätte, kann ich wegen Karpaltunnelsyndrom re. Hand und Kalkschulter mit chron. Schleimbeutelentzündung linke Schulter keine Einkäufe nach Hause tragen....

Allein das Wissen während dieser Schmerztage, ich müsste nur durchhalten, bis wieder schmerzfreie Tage kommen, dann könnte ich schnell mit einem PKW alles notwendige erledigen, würde die nächsten Schmerztage erträglicher machen.

Aber besonders die Fibromyalgie hat das Inkontinenzproblem insofern sehr verschlechtert, da ich wegen der starken Schmerzen viel zu lange brauche, um es rechtzeitig aufs WC zu schaffen!!! Umgekehrt habe ich wegen der Inkontinenz keinen einzigen Tag ohne Einschränkungen, selbst an den Tagen nicht, an dem ich vielleicht einmal schmerzfrei sein sollte!

Daher bitte ich dringend um Berücksichtigung aller meiner Beeinträchtigungen und Befunde, auch jener die ich bei der Untersuchung noch nicht hatte oder jener die ich aus Scham damals nicht angegeben habe.

Bei diesem Schreiben musste ich mehrere Pausen machen, ich war schweißgebadet, habe geweint, und der Puls hat in meinen Schläfen gepocht, da es extrem schwierig für mich ist, meine Gefühle und Probleme zu beschreiben, es ist das 1.x, dass ich darüber „gesprochen" habe!!!

Meine Strategie zur Bewältigung all dieser Einschränkungen, Schmerzen und Hilflosigkeit war der Versuch alles zu ignorieren, ich wollte es mir all die Jahre einfach nicht eingestehen, dass ich nicht einmal meinen Körper unter Kontrolle habe, ich bin gerade sehr erstaunt wie erleichtert ich mich fühle, sonderbar.

Bitte verzeihen Sie mir dieses lange Schreiben,

mit freundlichen Grüßen

Name der Beschwerdeführerin“

Dieser Stellungnahme wurden keine medizinischen Unterlagen beigelegt. Die Beschwerdeführerin führte in der E-Mailnachricht, mit welcher die Stellungnahme übermittelt wurde, aus, dass sie die fehlenden Befunde umgehend nach Erhalt nachreichen werde.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge eine ergänzende Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 17.02.2020 erstellt hatte, vom 06.07.2020 ein. In dieser Stellungnahme wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

„Stellungnahme zum Parteiengehör vom 02.06.2020

Die Antragstellerin ergänzt in im Parteiengehör ihr Beschwerdebild bezüglich des

Reizdarmsyndrom. Die Beschwerden werden ausführlich geschildert, die Durchfallattacken seien unter anderem durch nichts und niemand zu Beeinflussen und können auch nicht verhindert werden, was das Schlimmste sei. Weiters bestehen Einschränkungen durch die Fibromyalgie, welche schon seit der Schulzeit bestehe und seit dem 50 Lebensjahr schlimmer geworden sind. Die Schmerzen treten in Schu?ben auf, seien absolut nicht vorhersehbar.

Zusätzlich bestehe eine Inkontinenz Grad II. Tatsache sei, dass sie unter diesem Problem am stärksten leide und es sich durch die Fibromyalgie sehr stark verschlechtert habe.

Am schlimmsten ist es in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Aus Scham habe sie bei der Untersuchung nicht darüber gesprochen.

Befunde wurde keine Nachgereicht.

Das nachgereichte Schreiben beinhaltet keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht berücksichtigter, behinderungswirksamer Gesundheitsschäden, als auch der Vornahme der Zusatzeintragung: Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel. Alle Leiden wurden entsprechend der derzeit geltenden EVO eingestuft. Somit ergibt sich keine Änderung der bereits durchgeführten Einstufung.“

Mit Bescheid datiert mit 07.07.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 30.12.2019 ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 17.02.2020 sowie der Stellungnahme vom 06.07.2020, die einen Bestandteil der Begründung bilden würden, zu entnehmen. Die Stellungnahme und das Gutachten wurden der Beschwerdeführerin als Beilage zu diesem Bescheid übermittelt.

Dieser mit 07.07.2020 datierte Bescheid wurde der Beschwerdeführerin ohne Zustellnachweis übermittelt. Er wurde laut Akteninhalt am 09.07.2020 versendet. Da dieser Bescheid ohne Zustellnachweis versendet wurde, wurde er entsprechend der Bestimmung des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz, wonach XXXX .

Mit E-Mail vom 11.07.2020 – sohin also noch vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides - übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Röntgen-Befunde vom 23.01.2020 und vom 04.06.2020 sowie eine Fachärztliche Stellungnahme eines näher genannten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 06.07.2020.

Mit E-Mailnachricht vom 13.07.2020 – sohin ebenfalls noch vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides - übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde ein persönliches Schreiben betreffend ihre Erkrankungen.

Am 15.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde telefonisch darüber informiert, dass die vorgelegten Befunde und die Stellungnahme zum Parteiengehör nicht mehr berücksichtigt werden hätten können, da bereits ein Bescheid erlassen worden sei. Die Beschwerdeführerin wurde auf die Möglichkeit einer Beschwerde hingewiesen.

Mit E-Mail vom 15.07.2020 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den mit 07.07.2020 datierten Bescheid ein. In der E-Mail führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie von der belangten Behörde eine Fristverlängerung bis 30.05.2020 (richtig: 30.06.2020) bekommen habe. Innerhalb dieser Frist habe sie ihre Stellungnahme vom 30.05.2020 (gemeint wohl: 30.06.2020) per E-Mail übermittelt. Am selben Tag habe sie mit einer Mitarbeiterin der belangten Behörde telefoniert, da sie den aktuellen Befund vom Neurologen erst am 09.07.2020 bekommen würde. Die Mitarbeiterin habe ihr zugesagt, dass die Stellungnahme erst gemeinsam mit dem Befund weitergeleitet werde. Leider sei ihre Stellungnahme aber schon vor dem 09.07.2020 ohne den Befund weitergeleitet worden. Somit seien bei der Beurteilung keine neuen Befunde von ihr vorhanden gewesen. Den neurologischen Befund habe sie einschließlich der aktuellen Befunde der linken Schulter am 11.07.2020 per Mail an die belangte Behörde geschickt. Schon am 14.07.2020 habe sie den Bescheid erhalten, wodurch sie erfahren habe, dass ihre Befunde noch nicht weitergeleitet worden seien. Deswegen lege sie Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.07.2020 ein und bitte um neuerliche Beurteilung unter Berücksichtigung der neuen Befunde. Der Beschwerde wurden die Stellungnahme zum Parteiengehör, ein persönliches Schreiben betreffend ihre Erkrankungen, Röntgen-Befunde vom 21.11.2019, 23.01.2020 und 04.06.2020 sowie die Fachärztliche Stellungnahme eines näher genannten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 06.07.2020 beigelegt.

Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG keinen Gebrauch. Sie legte am 17.07.2020 die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1.       wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

..."

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt als mangelhaft, und zwar aus folgenden Gründen:

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 17.02.2020 eingeholt. Mit Schreiben der belangten Behörde vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin dieses Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten vom 17.02.2020 wurde von der belangten Behörde auf telefonische Nachfragen der Beschwerdeführerin hin bis Ende April, dann bis Ende Mai und schließlich bis 30.06.2020 verlängert. Aus den entsprechenden Aktenvermerken der belangten Behörde betreffend die geführten Telefonate ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin weitere Befunde (insbesondere eines Neurologen) einholen wollte. Am 30.06.2020 langte schließlich per E-Mail ohne Vorlage weiterer Beweismittel eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde ein. In dieser E-Mail führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie die fehlenden Befunde umgehend nach Erhalt nachreichen werde. In weiterer Folge wurde von der belangten Behörde - ohne das Einlangen der angekündigten Befunde abzuwarten - eine ergänzende Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 17.02.2020 erstellt hatte, vom 06.07.2020 eingeholt und schließlich der mit 07.07.2020 datierte Bescheid erlassen. Wie bereits erwähnt, wurde dieser mit 07.07.2020 datierte Bescheid der Beschwerdeführerin ohne Zustellnachweis übermittelt. Er wurde laut Akteninhalt am 09.07.2020 versendet. Da dieser Bescheid ohne Zustellnachweis versendet wurde, wurde er entsprechend der Bestimmung des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz, wonach die Zustellung als am dritten Werktag

nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt gilt, (erst) am 14.07.2020 zugestellt.

Mit E-Mailnachricht vom 11.07.2020 – sohin noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Röntgen-Befunde vom 23.01.2020 und vom 04.06.2020 sowie insbesondere die angekündigte Fachärztliche Stellungnahme eines näher genannten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 06.07.2020. In rechtlicher Hinsicht wären diese medizinischen Unterlagen, da sie vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde einlangten, von der belangten Behörde aber zu berücksichtigen gewesen. Dies mag nun in der gegebenen Fallkonstellation faktisch nicht möglich gewesen sein, jedoch stand der belangten Behörde die Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG offen, die es ihr ermöglicht hätte, diese zu berücksichtigenden, aber unberücksichtigt gebliebenen medizinischen Unterlagen auch tatsächlich zu beachten; davon machte die belangten Behörde aber keinen Gebrauch. Vielmehr legte sie am 17.07.2020 die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, dies versehen mit der Anmerkung, es lägen keine neuen Aspekte vor, welche eine Beschwerdevorentscheidung rechtfertigen würden.

Abgesehen davon bringt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 15.07.2020 vor, dass sie am 30.06.2020 (= Tag der Einbringung ihrer Stellungnahme zum Parteiengehör) mit einer Mitarbeiterin der belangten Behörde telefoniert und dieser erklärt habe, dass sie den aktue

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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