Entscheidungsdatum
16.10.2020Norm
BBG §40Spruch
W133 2227366-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.11.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.).
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin war seit 2001 Inhaberin eines Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.). Folgendes Leiden wurde 2001 erhoben: Insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.).
Im Jahr 2013 stellte sie beim Sozialministeriumservice (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Die belangte Behörde holte daraufhin ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten nach den Bestimmungen der Richtsatzverordnung vom 17.06.2013 ein. Die Funktionseinschränkungen wurden in diesem Gutachten den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
Oberer Rahmensatz, da äußerst schwierige Einstellung des Diabetes mellitus Typ I
384
60
2
Degenerative Veränderungen der WS
Oberer Rahmensatz, da mäßig- bis höhergradig funkt. Behinderungen im Bereiche der LWS bei nachgewiesenen höhergradigen degenerativen Veränderungen
190
30
3
Sehverminderung rechts auf 1/2 und links auf 0,6
Oberer Rahmensatz, da Offenwinkelglaucom und Siccasyndrom
637
Zeile 1,
Kolonne 2
10
4
Bluthochdruck
Unterer Rahmensatz, da gutes Einstellungsergebnis mittels Mehrfachmedikation
323
20
zugeordnet und nach der Richtsatzverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt. Begründend wurde ausgeführt, Leiden 1 werde durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da durch dieses Leiden eine deutlich zusätzliche Beeinträchtigung vorliege. Die Leiden 3 und 4 würden aufgrund ihrer funktionellen Einschränkung keine weitere Erhöhung bedingen. Gegenüber dem Vorgutachten resultiere durch die Aufnahme des Leidens 2 eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe. Die ebenfalls neu aufgenommenen Leiden 3 und 4 würden keine weitere Erhöhung bewirken. Daher wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde am 17.08.2015 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H. ausgestellt.
Am 25.07.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Sie legte diesem Antrag einen Laborbefund vom 02.05.2019 und einen augenfachärztlichen Befundbericht vom 24.07.2019 bei.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten vom 14.10.2019 nach der Einschätzungsverordnung wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Diabetes mellitus
Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da funktionelle Insulintherapie
09.02.02
40
2
Makula Atrophie mit Sehverminderung rechts auf 0,9 und links auf 0,04
Tabelle Zeile 1 Kolonne 8
11.02.01
30
3
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mäßige Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Ausfälle
02.01.01
20
4
arterieller Bluthochdruck
05.01.02
20
5
Hypothyreose
Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da durch Schilddrüsenmedikation kompensiert
09.01.01
10
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, die Erhöhung der führenden funktionellen Einschränkung 1 durch Leiden 2 um eine Stufe sei aufgrund des ungünstigen Zusammenwirkens mit diesem Leiden gerechtfertigt. Die Leiden 3-5 würden nicht weiter erhöhen, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 sei es zur erstmaligen Berücksichtigung von Leiden 5 gekommen. In Bezug auf das Leiden 2 sei eine Verschlimmerung eingetreten, die Leiden 1 und 3 hätten sich gebessert. Der Grad der Behinderung verringere sich aufgrund der Besserung von Leiden 1.
Mit Schreiben vom 15.10.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 14.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 22.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 25.07.2019 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Es sei daher ein neuer Behindertenpass auszustellen. Die Voraussetzung für die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" würde vorliegen. Der Behindertenpass werde unbefristet ausgestellt. Der alte Behindertenpass sei ungültig und der belangten Behörde innerhalb von vier Wochen vorzulegen.
Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 25.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin am 29.11.2019 bei der belangten Behörde niederschriftlich fristgerecht eine Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wird vorgebracht, dass sie sich gegen die Ausstellung ihres neuen Behindertenpasses beschwere, der nur auf 50 v.H. laute. Vorher habe sie 70 v.H. gehabt. Sie habe Probleme mit den Augen, den Füßen und sie sei zuckerkrank und daher insulinpflichtig. Die entsprechenden Befunde habe sie bereits vorgelegt.
Die belangte Behörde legte am 10.01.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin am 17.08.2015 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. aus.
Am 25.07.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.
Sie hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Diabetes mellitus mit funktioneller Insulintherapie;
2. Makula Atrophie mit Sehverminderung rechts auf 0,9 und links auf 0,04;
3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit mäßigen Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Ausfälle;
4. Arterieller Bluthochdruck;
5. Hypothyreose, durch Schilddrüsenmedikation kompensiert.
Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 aufgrund des ungünstigen Zusammenwirkens um eine Stufe erhöht. Die Leiden 3 bis 5 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Es wurden im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 folgende Änderungen objektiviert: Es ist zur erstmaligen Berücksichtigung von Leiden 5 „Hypothyreose“ gekommen. In Bezug auf das Leiden 2 „Makula Atrophie“ (vormaliges Leiden 3) ist eine Verschlimmerung eingetreten. Das Leiden 1 „Diabetes mellitus“ und das Leiden 3 „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen“ (vormaliges Leiden 2) haben sich gebessert.
Die Einschätzung hatte im vorliegenden Verfahren – im Gegensatz zum Vorgutachten vom 17.06.2013 – aufgrund des Neufestsetzungsantrages nunmehr nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zu erfolgen.
Gegenüber dem Vorgutachten aus dem Jahr 2013 ergibt sich eine Reduktion des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50 v.H. Die Gründe dafür sind eine Besserung von Leiden 1 und die erstmalige Anwendung der Einschätzungsverordnung.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Allgemeinmediziners vom 14.10.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt nunmehr 50 v.H. Es wurden im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vorgelegt, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als im Gutachten vom 14.10.2019 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden; diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu dem im Jahr 2015 ausgestellten Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungakt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zum Grad der Behinderung gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Allgemeinmediziners vom 14.10.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden und den Angaben der Beschwerdeführerin auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden ausreichend konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.
Führendes Leiden der Beschwerdeführerin war bereits im Vorgutachten aus dem Jahr 2013 und ist auch im gegenständlich eingeholten Gutachten die insulinpflichtige Diabetes mellitus-Erkrankung. Im Vorgutachten wurde betreffend diese Erkrankung der obere Rahmensatz der Positionsnummer 384 der Richtsatzverordnung mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. herangezogen, da sich die Einstellung des Diabetes mellitus Typ I zum damaligen Zeitpunkt als äußert schwierig erwiesen hatte. Der nunmehr beigezogene Gutachter ordnete dieses Leiden aktuell der Positionsnummer 09.02.02 der Einschätzungsverordnung zu, welche einen insulinpflichtigen Diabetes bei funktioneller Einstellung, gutem Allgemeinzustand und stabiler Stoffwechsellage betrifft. Aufgrund der bei der Beschwerdeführerin bestehenden funktionellen Insulintherapie ordnete der Gutachter diese Funktionseinschränkung nachvollziehbar dem oberen, mit 40 v.H. bewerteten Rahmensatz dieser Positionsnummer zu. Diese Einschätzung stimmt auch mit dem vorliegenden Laborbefund vom 02.05.2019 überein (HbA1 c 7,4 %). Die Zuordnung zur nächst höheren Positionsnummer 09.02.04 der Einschätzungsverordnung würde insbesondere das Vorliegen einer instabilen Stoffwechsellage mit hohen Blutzuckeramplituden sowie eines reduzierten Allgemeinzustandes bedingen. Bei ihrer persönlichen Untersuchung am 30.09.2019 zeigte sich die Beschwerdeführerin jedoch in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand. Das Vorliegen einer instabilen Stoffwechsellage wurde von ihr nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Befunden. Insofern ist die nunmehrige Einstufung durch den beigezogenen Arzt für Allgemeinmedizin im Gutachten vom 14.10.2019 nicht zu beanstanden. Es ist somit im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 zu einer Besserung von Leiden 1 gekommen.
Weiters ist es im Gutachten vom 14.10.2019 zur erstmaligen Berücksichtigung von Leiden 5 „Hypothyreose“ gekommen. In Bezug auf das Leiden 2 „Makula Atrophie“ (vormaliges Leiden 3) ist eine Verschlimmerung eingetreten. Das Leiden 3 „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen“ (vormaliges Leiden 2) hat sich gebessert.
Die Feststellung des Gutachters, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 aufgrund des ungünstigen Zusammenwirkens um eine Stufe erhöht wird, ist nicht zu beanstanden. Die Leiden 3 bis 5 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Schließlich ist auszuführen, dass das Gutachten vom 14.10.2019 nunmehr aufgrund des Neufestsetzungsantrages der Beschwerdeführerin auf Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen war. Hingegen waren die Einschätzungen im Vorgutachten nach der Richtsatzverordnung erfolgt, die in vielen Positionen andere (oft höhere) Einschätzungen enthielt als die nunmehr anzuwendende Einschätzungsverordnung.
Gegenüber dem Vorgutachten aus dem Jahr 2013 ergibt sich somit eine Reduktion des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50 v.H. Die Gründe dafür sind – wie bereits ausgeführt - die Besserung von Leiden 1 und die erstmalige Anwendung der Einschätzungsverordnung.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen ihrer Beschwerde keine Beweismittel vor, die dem Gutachtensergebnis widersprechen würden. Sie ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 14.10.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 14.10.2019 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vorliegt. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, das Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.
Da somit festzustellen war, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H. beträgt, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2227366.1.00Im RIS seit
02.12.2020Zuletzt aktualisiert am
02.12.2020