Entscheidungsdatum
16.10.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2224814-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.10.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte zunächst am 17.12.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), wobei er auch die Ausstellung eines Parkausweises begehrte. Dem Antrag wurden ein Konvolut an medizinischen Unterlagen und ein Schreiben der PVA vom 08.11.2018 betreffend die Meldung zu einer Rehabilitation beigelegt.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 15.02.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Aortenklappeninsuffizienz III°, Ectasie der Aorta ascendens,
Oberer Rahmensatz, da gering eingeschränkte körperliche Belastbarkeit.
05.07.02
40
2
Panikattacken
Zwei Stufen über unterem Rahmensatz, da medikamentöse Kombinationstherapie und fachärztliche Therapie erforderlich.
03.05.01
30
3
Hypertonie
Fixer Richtsatz.
Wahl dieser Position, da Blutdruckschwankungen.
05.01.02
20
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, das führende Leiden 1 werde durch die übrigen Leiden um eine Stufe erhöht, da der Gesamtzustand wesentlich negativ beeinflusst werde. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 20.02.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 15.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 17.12.2018 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden.
Mit dem Bescheid vom selben Tag wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vom 17.12.2018 gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer in weiterer Folge nicht angefochten.
Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 27.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Am 02.07.2019 stellte der Beschwerdeführer innerhalb der Jahresfrist bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass. Begründend führte er aus, er könne seit 2009 nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Der Grund dafür seien die Panikattacken und die Angststörung wegen seiner Herzerkrankung. Dem Antrag wurden ein Psychologischer Befund vom 21.06.2019 und eine Kopie des Behindertenpasses des Beschwerdeführers beigelegt.
Die belangte Behörde wies in der Folge den innerhalb der Jahresfrist gestellten Antrag nicht zurück, sondern gab ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 02.09.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Aortenklappeninsuffizienz III°, Ectasie der Aorta ascendens,
2
Panikstörung im Sinne einer Herzneurose mit depressiven Auslenkungen
3
Hypertonie
festgestellt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten keine Veränderungen ergeben hätten. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 04.09.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 02.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Im Rahmen des erteilten Parteiengehörs wurden mit Schreiben vom 19.09.2019 - ohne Vorlage weiterer Beweismittel - Einwendungen erhoben. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er 2009 aus gesundheitlichen Gründen den Führerschein gemacht habe, da er nicht mehr in der Lage sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Wenn er öffentliche Verkehrsmittel benutze, bekomme er Platzangst und das habe Herzrasen zur Folge. Er habe dann das Gefühl aufgrund seiner Herzerkrankung einen Herzinfarkt zu bekommen. Schweißausbrüche, Schwindel und hoher Blutdruck seien die Folgen der Angst (Diagnose: Angst- und Panikstörung). Ohne ein Auto könne er seine regelmäßigen Arztbesuche, Behördengänge usw. nicht wahrnehmen. Daher beantrage er die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.
Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie, welche das Gutachten vom 02.09.2019 erstellt hatte, vom 28.09.2019 ein. Darin führt die Gutachterin aus, dass an der bereits getroffenen Einschätzung festgehalten werde. Aus psychiatrisch fachärztlicher Sicht bedinge das psychische Leiden nicht die Unzumutbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Daher wies die belangte Behörde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 03.10.2019 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vom 02.07.2019 unter Hinweis auf das medizinische Beweisverfahren gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) abermals ab. Das Gutachten vom 02.09.2019 und die Stellungnahme vom 28.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Mit E-Mailnachricht vom 23.10.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2019 bei der belangten Behörde ein. Ohne Vorlage von Beweismitteln führt der Beschwerdeführer darin aus, dass er seiner Meinung nach alle Möglichkeiten an Therapien ausgeschöpft habe. Dass er zurzeit in keiner Psychotherapie sei, liege daran, dass keine Therapeuten auf Kassa zur Verfügung stehen würden und er es sich nicht leisten könne, die Kosten selbst zu tragen. Auf Anfrage bei Therapeuten sei ihm mitgeteilt worden, dass das Budget der Krankenkassa ausgereizt sei und deswegen keine Therapieplätze frei seien. Dass er nicht laufend in psychiatrisch fachärztlicher Behandlung sei, liege daran, dass er sich von seinem bisherigen Arzt nicht mehr ernst genommen fühle. Deshalb sei er auf der Suche nach einem anderen Psychiater. Dies gestalte sich jedoch schwierig, da es in seiner Umgebung nur Wahlärzte gebe. Er sei der Meinung, dass in 25 Minuten keiner sein jahrelanges psychisches Leiden einschätzen könne. Seine Einschränkung sei, dass er eben nicht stehen bleiben könne oder aussteigen könne, wenn er das für notwendig empfinde. Und er sei nun einmal seit 2009 auf ein Auto angewiesen. Zusätzlich zu seiner Herzerkrankung und seiner psychischen Erkrankung leide er seit Februar 2019 an Diabetes Typ 2. Daher falle sein Zuckerspiegel beim Gehen längerer Strecken sehr stark ab.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2019 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Der Beschwerdeführer stellte am 02.07.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
? Aortenklappeninsuffizienz III°, Ectasie der Aorta ascendens;
? Panikstörung im Sinne einer Herzneurose mit depressiven Auslenkungen;
? Hypertonie.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel liegen zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.
Es liegen weiters keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen vor. Aus psychiatrisch fachärztlicher Sicht liegen trotz Panikattacken im Sinne einer Herzneurose keine solcherart maßgeblichen Funktionseinschränkungen vor, welche die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel bedingen würden. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer Angsterkrankung werden vonseiten des Beschwerdeführers ebenfalls nicht ausgeschöpft. Es besteht weder eine laufende psychiatrisch fachärztliche Betreuung, noch eine ambulante Psychotherapie. Die letzte fachspezifische stationäre psychiatrische Aufnahme war 2010 und es wurde einmalig eine psychosoziale Rehabilitation 2013 absolviert. Bisher hat auch noch kein Aufenthalt an einer stationären Psychotherapiestation stattgefunden.
Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 02.09.2019 (inklusive der Stellungnahme der Fachärztin vom 28.09.2019) der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der Beschwerdeführer erhob in seiner Beschwerde keine konkreten und substantiierten Einwendungen gegen das vorliegende Gutachten und die Stellungnahme, welche geeignet wären, diese zu entkräften oder in Frage zu stellen; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine vom Gutachten und der Stellungnahme abweichende Beurteilung erweist sich als nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 02.09.2019 und deren Stellungnahme vom 28.09.2019. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben im Original wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).
Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.
Im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.08.2019 wurde folgender klinischer Status erhoben:
„Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 180,00 cm Gewicht: 107,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Visus korrigiert durch Brille
Pulmo: Vesikuläres Atmen, keine Rasselgeräusche, Nichtraucher
Cor: rein, rhythmisch
Haut: o.B.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Gang und Stand sicher, kommt alleine mit dem Auto
Status Psychicus:
Bewusstseinslage klar, allseits orientiert, Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration unauffällig, Ductus kohärent, Tempo habituell, weder formale noch inhaltliche Denkstörungen, keine psychotische Symptomatik fassbar, Stimmungslage euthym, Affekt adäquat, Antrieb habituell, in beiden Skalenbereichen affizierbar, Schlaf gut, keine akute Suizidalität, kein Freud- und Interessensverlust“
Die beigezogene Fachärztin für Psychiatrie beschreibt nachvollziehbar, dass beim Beschwerdeführer trotz des Vorliegens von Panikattacken im Sinne einer Herzneurose keine solcherart maßgeblichen Funktionseinschränkungen gegeben sind, welche die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel bedingen würden. Bei der Begutachtung am 27.08.2019 wurde die letzte Panikattacke zwei Monate vor dem Untersuchungstermin beschrieben.
Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer Angsterkrankung werden vom Beschwerdeführer nicht ausgeschöpft. Es besteht weder eine laufende psychiatrisch fachärztliche Betreuung, noch eine ambulante Psychotherapie. Die letzte fachspezifische stationäre psychiatrische Aufnahme war 2010 und es wurde einmalig eine psychosoziale Rehabilitation 2013 absolviert. Bisher hat auch noch kein Aufenthalt an einer stationären Psychotherapiestation stattgefunden. Dies steht im Einklang mit dem im Rahmen der Antragstellung vorgelegten psychologischen Befund vom 21.06.2019, in welchem gleichermaßen weiterführende fachärztliche Behandlungen empfohlen wird und die Wiederaufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung angeraten wird. Der Aussage des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde, dass er alle Möglichkeiten an Therapien ausgeschöpft habe, kann nicht gefolgt werden. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich auf den Verweis der Schwierigkeit des Erlangens eines Therapieplatzes und die Unzufriedenheit des Beschwerdeführers mit Ärzten.
Der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde erstmals vorgebrachte Einwand, er leide seit Februar 2019 an Diabetes mellitus Typ II, ist nicht geeignet eine offenkundige Änderung hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu dokumentieren. So wurden keine medizinischen Beweismittel in Vorlage gebracht, welche diese Gesundheitsschädigung belegen würden. Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass beim Gehen längerer Strecken der Zuckerspiegel stark abfalle, ist entgegenzuhalten, dass insbesondere bei Diabetes mellitus Typ II ausreichend körperliche Bewegung dringend angeraten wird.
Es liegen somit beim Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt zusammengefasst keine ausreichend erheblichen Funktionseinschränkungen vor, welche die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung rechtfertigen würden.
Schließlich ist anzumerken, dass sich dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass beim Beschwerdeführer von der beigezogenen Sachverständigen keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre; insbesondere widersprechen die Untersuchungsergebnisse – wie oben bereits ausgeführt - auch nicht den im Verwaltungsakt aufliegenden medizinischen Unterlagen.
Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 02.09.2019 (inklusive Stellungnahme vom 28.09.2019). Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
…
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
„§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
…
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
…
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
…
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
…“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Verfahren der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 02.09.2019 (inklusive Stellungnahme vom 28.09.2019) zu Grunde gelegt, wonach dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine anhaltende ausreichend erhebliche Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.
Trotz des Vorliegens von Panikattacken im Sinne einer Herzneurose sind beim Beschwerdeführer keine solcherart maßgeblichen Funktionseinschränkungen gegeben, welche die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel bedingen würden.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden im gegenständlichen Verfahren keine Befunde vorgelegt, die das Gutachten bzw. die ergänzende Stellungnahme entkräften würden. Das Gutachten und die Stellungnahme erweisen sich als richtig, vollständig und schlüssig.
Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist nicht belegt. Trotz des Vorliegens einer Angsterkrankung besteht weder eine laufende psychiatrisch fachärztliche Betreuung, noch eine ambulante Psychotherapie.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten offenkundigen Verschlechterung seines Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens (inklusive ergänzender Stellungnahme) geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2224814.1.00Im RIS seit
02.12.2020Zuletzt aktualisiert am
02.12.2020