TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 W133 2211234-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2211234-1/14E
W133 2219133-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen

1.) den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.11.2018 und

2.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.10.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass,

zu Recht erkannt:

A)

1.) Der Beschwerde gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid vom 05.11.2018 wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen weiterhin vor. Der Grad der Behinderung beträgt ab 18.09.2019 70 (siebzig) von Hundert.

2.) Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.10.2018 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin war bereits seit 2001 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von zunächst 60 von Hundert (v.H.) und ab 30.09.2008 von 80 v.H., wobei damals der Grad der Behinderung noch nach der Richtsatzverordnung beurteilt worden war.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.12.2014 wurde der damalige Behindertenpass eingezogen, da Ermittlungen der Behörde ergeben hatten, dass die Beschwerdeführerin seit 28.11.2013 ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in Österreich, sondern in Deutschland hatte.

Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt am 07.02.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als „belangte Behörde“ bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO. Nach dem von ihr unterfertigten Antragsformular galt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, da die Beschwerdeführerin zum Antragszeitpunkt nicht Inhaberin eines Behindertenpasses mit der genannten Zusatzeintragung war.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 11.06.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zustand nach mehreren Operationen und Interventionen bei

Aortenisthmusstenose, bikuspider Aortenklappe,

Aortenklappenersatz; membranöser Ventrikelseptumdefekt, paroxysmale Tachycardien

Wahl dieser Richtsatzposition bei erfolgreich operiertem Vitium, bei anhaltender Stabilität, bei subjektiv verminderter Belastbarkeit, aber unauffälliger Echocardiographie

05.06.04

30

2

Colitis ulcerosa

Wahl dieser Richtsatzposition bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung mit chronischen Schleimhautveränderungen, unterer Rahmensatz bei schubweisem Verlauf, fehlender

Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie, gutem Allgemein- und Ernährungszustand.

07.04.05

30

3

Klaustrophobie, somatisierende Depressio

Wahl dieser Richtsatzposition bei affektiver Störung, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Notwendigkeit einer Psychotherapie, aber sozialer Integration.

03.06.01

20

4

Substanzdefekt der linken Leiste, Schwellung des linken Beines Wahl dieser Richtsatzposition bei Beinödem, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei kosmetisch auffälligem Substanzdefekt der linken Leiste, mäßiger Schwellneigung des linken Beines, Fehlen von Hautveränderungen.

05.08.01

20

5

Zustand nach Bandscheibenvorfällen, Keilwirbelbildung Th 11 und 12

Wahl dieser Richtsatzposition bei mäßigen morphologischen Veränderungen der Wirbelsäule und guter Beweglichkeit, oberer Rahmensatz bei häufigen Schmerzen.

02.01.01

20

6

Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk geringen Grades einseitig

Wahl dieser Richtsatzposition bei Streckdefizit von 10°, sonst unauffälliger Beweglichkeit, Schmerzen, fixer Rahmensatz.

02.06.11

20

7

Neurodermitis und Psoriasis

Wahl dieser Richtsatzposition bei Hauterkrankung mit begrenzter Ausdehnung, schubweisem Verlauf, einfacher Therapie, fixer Rahmensatz.

01.01.01

10

8

Hypothyreose

Wahl dieser Richtsatzposition bei leichter endokriner Störung, unterer Rahmensatz bei komplikationsfreier Substitutionstherapie.

09.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, die führende funktionelle Einschränkung werde durch die anderen funktionellen Einschränkungen um zwei Stufen erhöht, da sich durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ergebe. Im Vergleich zum Vorgutachten werde der Grad der Behinderung um drei Stufen reduziert. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 11.06.2018 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Mit E-Mailnachricht vom 04.07.2018 erstattete die damals rechtlich noch unvertretene Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den im Gutachten angeführten Leidenszuständen 1, 3 und 5 und zur Gesamtbeurteilung des Sachverständigen. Sie sei in allen Lebenslagen auf ihr Auto angewiesen, weshalb die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel anzuerkennen und zu bescheinigen sei. Des Weiteren sei der festgestellte Grad der Behinderung von 50 v.H. ebenfalls nicht gerechtfertigt und müsse nach oben korrigiert werden. Der Stellungnahme wurden medizinische Befunde beigelegt.

Mit E-Mailnachricht vom 21.08.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin diverse Honorarnoten für eine Psychotherapie. Weiters urgierte sie eine Entscheidung.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin, welcher das Gutachten vom 11.06.2018 erstellt hatte, vom 31.08.2018 ein. Der Gutachter kam darin zu keiner geänderten Beurteilung.

Auch zu dieser ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 31.08.2018 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin am 13.09.2018 ein förmliches Parteiengehör samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

Mit E-Mailnachricht vom 24.09.2018 erstattete die damals rechtlich noch unvertretene Beschwerdeführerin wiederum eine ausführliche Stellungnahme zu den Leidenszuständen 1, 3 und 5 und zur Beurteilung des Sachverständigen und legte weitere medizinische Unterlagen vor.

Mit E-Mailnachricht vom 10.10.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin einen klinisch-psychologischen Befund vom 03.10.2018, am 11.10.2018 übermittelte sie einen internistischen Befund vom 08.10.2018.

Aufgrund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen und vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde ergänzend auch noch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein. In diesem Aktengutachten vom 27.10.2018 erfolgte eine Neubeurteilung des psychiatrischen Leidens Nr. 3 „Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden und Borderlinezügen bei Bulimie und somatoformer Schmerzstörung“. Dieses Leiden wurde nunmehr der Positionsnummer 03.04.01 der Einschätzungsverordnung zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz bewertet mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30 v.H. zugeordnet. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde auch in diesem Gutachten mit 50 v.H. bewertet und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als der Beschwerdeführerin zumutbar erachtet.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.10.2018 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 07.02.2018 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzung für die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" würde vorliegen. Der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Das eingeholte Aktengutachten vom 27.10.2018 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Mit Bescheid vom selben Tag wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 05.11.2018 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Mit E-Mailnachricht vom 22.11.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin eine psychotherapeutische Stellungnahme vom 13.11.2018 und brachte vor, diese widerlege die Behauptungen der von der belangten Behörde beigezogenen Psychiaterin. Sie ersuche, diese neuen Aspekte zu berücksichtigen und die Anträge (Grad der Behinderung und Unzumutbarkeit) nochmals zu überprüfen, bevor sie den Rechtsweg einleiten müsse.

Am 10.12.2018 erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer nunmehrigen anwaltlichen Vertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellte unter einem einen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Beigebung eines Rechtsanwaltes im Beschwerdeverfahren. Zusammengefasst wird ausgeführt, dass bei der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung der objektivierten Verhaltensstörung, der angeborenen Herzerkrankung und der orthopädischen Einschränkungen der unteren Extremitäten die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen würden, der Beschwerdeführerin sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Der Beschwerde bzw. dem Antrag auf Verfahrenshilfe wurden ein Vermögensbekenntnis, eine Ratenbewilligung im Rahmen einer Gehaltsexekution, ein Nachweis über den noch aushaftenden Restbetrag der Gehaltsexekution, ein Informationsschreiben der PVA über die Höhe der monatlichen Berufsunfähigkeitspensionsleistungen an die Beschwerdeführerin, nochmals die psychotherapeutische Stellungnahme vom 13.11.2018, ein AMS-Bescheid über die Ablehnung von Arbeitslosengeld vom 25.01.2018 mangels Erfüllung der Anwartschaft und eine deutsche Abstammungsurkunde betreffend einen Sohn der Beschwerdeführerin beigelegt.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt am 14.12.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Am 19.07.2019 urgierte die Beschwerdeführerin selbst telefonisch und ersuchte um Entscheidung bzw. die Einleitung erforderlicher Verfahrensschritte. Sie teilte mit, dass beim Bundesfinanzgericht ein FLAG-Verfahren anhängig sei und die diesbezügliche Entscheidung von der Entscheidung des gegenständlichen Verfahrens abhänge.

Am 03.09.2019 ersuchte die Beschwerdeführerin wiederum selbst neuerlich um Entscheidung bzw. die Einleitung erforderlicher Verfahrensschritte und wies auf das nach wie vor offene FLAG-Verfahren hin.

Am 07.10.2019 teilte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht telefonisch mit, dass neue FLAG-Gutachten vorliegen würden, wonach der Grad der Behinderung 70 v.H. betrage. Außerdem liege ein neuerlicher Antrag auf Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vor.

Am 08.10.2019 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht einen Befund der Beschwerdeführerin vom 30.08.2019 sowie die im Zuge des FLAG-Verfahrens eingeholten medizinischen Gutachten zur Beurteilung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin. In diesem Verfahren wurden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychologie vom 17.09.2019 und einer Fachärztin für Psychiatrie ebenfalls vom 17.09.2019 sowie eine, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Psychiatrie vom 18.09.2019 eingeholt.

In der Gesamtbeurteilung der Fachärztin für Psychiatrie vom 18.09.2019 wurden auf Grundlage der Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Psychologie und Psychiatrie die Funktionseinschränkungen zusammenfassend den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit somatoformer

Schmerzstörung bei Zustand nach Polytoxikomanie und Essstörung

Unterer Rahmensatz berücksichtigt eine ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung mit depressiven Episoden, Substanzmissbrauch und psychosomatischen Symptomen.

Gute Beziehung zu Ehemann und Kind.

03.04.02

50

2

Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen (auf der Basis komplexer posttraumatischer Belastungen) mit depressiver und psychosomatischer Symptomatik.

Unterer Rahmensatz, da nach mehrmaliger stationärer Behandlung in den letzten Jahren nur ambulante fachärztliche und psychotherapeutische Behandlungen erforderlich waren.

03.04.02

50

3

Zustand nach mehreren Operationen und Interventionen bei

Aortenisthmusstenose, bikuspitaler Aortenklappe,

Aortenklappenersatz, membranöser Ventrikelsepumdefekt, paroxysmale Tachykardien

Wahl dieser Position bei erfolgreich operiertem Vitium, subjektiv verminderter Belastbarkeit aber unauffälliger Echokardiographie

05.06.04

30

4

Colitis ulcerosa

Unterer Rahmensatz bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung bei schubweisen Verlauf, fehlender Notwendigkeit einer immunsupressiven Therapie, gutem Allgemein-und Ernährungszustand.

07.04.05

30

5

Substanzdefekt der linken Leiste

Wahl dieser Richtsatzposition bei Beinödem, bei kosmetisch auffälligem Substanzdefekt der linken Leiste, fehlen von Hautveränderungen

05.08.01

20

6

Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen

Oberer Rahmensatz bei mäßigen morphologischen Veränderungen aber häufigen Schmerzen

02.01.01

20

7

Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk geringen Grades einseitig

Fixer Rahmensatz bei Streckdefizit 10 Grad

02.06.11

20

8

Neurodermitis und Psoriasisen

Fixer Rahmensatz bei Hauterkrankung mit begrenzter Ausdehnung, schubweisem Verlauf, einfacher Therapie

01.01.01

10

9

Hypothyreose

Unterer Rahmensatz, bei komplikationsfreier Substitutionstherapie

09.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 und 2 seien ident von der Diagnosestellung der beiden Gutachter und würden durch die Leiden 3 und 4 um zwei Stufen erhöht werden, da eine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Die Leiden 5 bis 9 würden nicht weiter erhöhen. Im Vergleich zu den Vorgutachten werde das psychiatrische Leiden aufgrund der neuen Befundlage um zwei Stufen höher eingeschätzt, der Grad der Behinderung werde daher um zwei Stufen erhöht. Der nunmehr angenommene Grad der Behinderung bestehe seit September 2019.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurden die beiden gegenständlichen Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Am 18.02.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde telefonisch mitgeteilt, dass eine Neufestsetzung des Grades der Behinderung aufgrund der FLAG-Gutachten sowie eine Entscheidung betreffend die beantragte Zusatzeintragung aufgrund der beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerdeverfahren nicht veranlasst worden sei.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2020, hg. GZen: W133 2211234-1/11Z und W133 2219133-1/8Z, abgewiesen.

Mit Schreiben vom 21.02.2020, der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt am 04.03.2020, übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertretung die drei seitens der belangten Behörde im FLAG-Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin erstattete bis zum heutigen Tag keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Sie stellte am 07.02.2018 Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in diesem Behindertenpass.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 11.06.2018 (inklusive Stellungnahme vom 31.08.2018) und eines psychiatrischen Aktengutachtens vom 27.10.2018, mit welchen ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden war, wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde am 05.11.2018 ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Gegen diesen als Bescheid geltenden Behindertenpass erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, worin sie den in ihrem Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. bekämpft und damit auf die Feststellung eines anderen – höheren - Grades der Behinderung abzielt.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit somatoformer Schmerzstörung bei Zustand nach Polytoxikomanie und Essstörung, ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung mit depressiven Episoden, Substanzmissbrauch und psychosomatischen Symptomen, gute Beziehung zu Ehemann und Kind;

2.       Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen (auf der Basis komplexer posttraumatischer Belastungen) mit depressiver und psychosomatischer Symptomatik, nach mehrmaliger stationärer Behandlung waren in den letzten Jahren nur ambulante fachärztliche und psychotherapeutische Behandlungen erforderlich;

3.       Zustand nach mehreren Operationen und Interventionen bei Aortenisthmusstenose, bikuspitaler Aortenklappe, Aortenklappenersatz, membranöser Ventrikelsepumdefekt, paroxysmale Tachykardien bei erfolgreich operiertem Vitium, subjektiv verminderte Belastbarkeit aber unauffälliger Echokardiographie;

4.       Colitis ulcerosa, chronisch entzündliche Darmerkrankung bei schubweisem Verlauf, fehlende Notwendigkeit einer immunsupressiven Therapie, guter Allgemein-und Ernährungszustand;

5.       Substanzdefekt der linken Leiste, Beinödem, kosmetisch auffälliger Substanzdefekt der linken Leiste, Fehlen von Hautveränderungen;

6.       Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule bei mäßigen morphologischen Veränderungen aber häufigen Schmerzen;

7.       Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk geringen Grades einseitig bei Streckdefizit 10 Grad;

8.       Neurodermitis und Psoriasisen, Hauterkrankung mit begrenzter Ausdehnung, schubweiser Verlauf, einfache Therapie;

9.       Hypothyreose bei komplikationsfreier Substitutionstherapie.

Die nunmehr bei der Beschwerdeführerin festgestellten Leiden beruhen auf den im Rahmen eines FLAG-Verfahrens zuletzt eingeholten Gutachten zur Beurteilung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin (Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychologie vom 17.09.2019 und einer Fachärztin für Psychiatrie ebenfalls vom 17.09.2019, Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Psychiatrie vom 18.09.2019). Im Vergleich zu den im gegenständlichen behördlichen Verfahren eingeholten Gutachten wurde das psychiatrische Leiden aufgrund der neuen Befundlage um zwei Stufen höher eingeschätzt, der Grad der Behinderung erhöht sich daher um zwei Stufen.

Die Leiden 1 und 2 sind von der Diagnosestellung der beiden Gutachter ident und werden durch die Leiden 3 und 4 um zwei Stufen erhöht, da eine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Die Leiden 5 bis 9 erhöhen nicht weiter.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt somit aktuell 70 v. H. Dieser Grad der Behinderung ist seit 18.09.2019 (Datum der Gesamtbeurteilung) anzunehmen.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten, in welchen ein höherer Grad der Behinderung als in den im gegenständlichen behördlichen Verfahren eingeholten Gutachten festgestellt wurde, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Mit Bescheid vom 30.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 07.02.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor; diesbezüglich wird auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 11.06.2018 (inklusive Stellungnahme vom 31.08.2018) und im psychiatrischen Aktengutachten vom 27.10.2018 sowie die diesbezüglich wesentlichen Auszüge der im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auch auf die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Wohnsitz, zur gegenständlichen Antragstellung, zu den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten, zu den im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten, zum gegenständlich ausgestellten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H., zum Bescheid vom 30.10.2018 und zur gegenständlich erhobenen Beschwerde (insbesondere zu deren Inhalt) ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den zuletzt im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten zur Beurteilung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin (Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychologie vom 17.09.2019 und einer Fachärztin für Psychiatrie ebenfalls vom 17.09.2019, Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Psychiatrie vom 18.09.2019). Darin wird auf die Art der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und wechselseitiges Zusammenwirken nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit sämtlichen vorgelegten Befunden auseinander.

Im Vergleich zu den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten wurde das psychiatrische Leiden aufgrund der neuen Befundlage um zwei Stufen höher eingeschätzt, der Grad der Behinderung erhöht sich somit um zwei Stufen. Die Persönlichkeitsstörung wurde von den im FLAG-Verfahren beigezogenen Gutachtern korrekt der Positionsnummer 03.04.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung zugeordnet, in den im gegenständlichen behördlichen Verfahren eingeholten Gutachten war das psychiatrische Leiden hingegen noch der Positionsnummer 03.04.01 zugeordnet worden. Diese Positionsnummern lauten:

„03.04  Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

Erfasst werden spezifische Persönlichkeitsstörungen beginnend in der Kindheit (Borderline-Störungen).

Andauernde Persönlichkeitversänderungen im Erwachsenenalter.

Angststörungen, affektive Störungen, disruptive Störungen.

03.04.01 Persönlichkeit- Verhaltensstörung mit geringer sozialer Beeinträchtigung 10 – 40-%

10 – 20 %:

Mäßige Einschränkung der sozialen Fähigkeiten mit vorübergehenden oder geringen Schwierigkeiten in nur ein oder zwei sozialen Bereichen

30 – 40 %:

Leichte bis mäßige andauernde Beeinträchtigung in ein oder zwei sozialen Bereichen

03.04.02 Persönlichkeits- Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen 50 – 70 %
Ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche“          

Die in den im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten eingestuften Leiden 1 und 2 (Kombinierte Persönlichkeitsstörung) sind von der Diagnosestellung der beiden Gutachter ident und werden durch das Leiden 3 (Zustand nach mehreren Operationen und Interventionen bei Aortenisthmusstenose, bikuspitaler Aortenklappe, Aortenklappenersatz, membranöser Ventrikelsepumdefekt, paroxysmale Tachykardien) und das Leiden 4 (Colitis ulcerosa) um zwei Stufen erhöht, da eine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Die Leiden 5 bis 9 erhöhen nicht weiter. Diese Einschätzung der im FLAG-Verfahren beigezogenen Sachverständigen ist nicht zu beanstanden.

Daher ergibt sich eine entscheidungsmaßgebliche Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung auf 70 v.H.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt seit dem Zeitpunkt der Erstellung der Gesamtbeurteilung im FLAG-Verfahren, somit seit 18.09.2019, 70 v.H., da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt das komplette Ausmaß der relevanten Funktionseinschränkungen objektivierbar war.

Seitens der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin wurden die im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten, mit welchen nunmehr ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt wurde, nicht bestritten.

Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf die im gegenständlichen Verfahren durch die belangte Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 11.06.2018 (inklusive Stellungnahme vom 31.08.2018) und einer Fachärztin für Psychiatrie vom 27.10.2018. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel der Beschwerdeführerin zumutbar ist. Die Gutachter setzten sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Des Weiteren ist festzuhalten, dass sich auch den im FLAG-Verfahren eingeholten aktuellen Gutachten keine Hinweise dafür entnehmen lassen, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre.

Den im gegenständlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin gemachten Eingaben und der Beschwerde ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin vermeint, dass es ihr aufgrund einer Klaustrophobie nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Dazu führt die im gegenständlichen Verfahren beigezogene Fachärztin für Psychiatrie (diese Ärztin wurde - dies sei lediglich der Vollständigkeit halber angemerkt – auch im FLAG-Verfahren herangezogen) in ihrem Aktengutachten vom 27.10.2018 aus, dass der Beschwerdeführerin aus psychiatrisch fachärztlicher Sicht das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich sei. Es liege keine Klaustrophobie, Sozialphobie oder phobische Angststörung als Hauptdiagnose nach ICD-10 vor, sondern eine Persönlichkeitsstörung, Essstörung und eine somatoforme Schmerzstörung. Auch das therapeutische Angebot sei noch nicht ausgeschöpft worden. Es sei seit mehr als zehn Jahren kein stationärer, teilstationärer oder rehabilitativer Aufenthalt an einer psychiatrischen Abteilung absolviert worden.

Diese Ausführungen der Gutachterin sind nicht zu beanstanden und decken sich auch mit den Feststellungen in den im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten. In diesen Gutachten wurde zwar der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aufgrund ihres psychiatrischen Leidens (Kombinierte Persönlichkeitsstörung) angehoben, allerdings ergibt sich aus diesen Gutachten nicht, dass die Beschwerdeführerin unter Klaustrophobie als Hauptdiagnose nach ICD-10 leidet.

Auch die eben wiedergegebene Einschätzung der beigezogenen Fachärztin für Psychiatrie in ihrem Aktengutachten vom 27.10.2018, dass von der Beschwerdeführerin das therapeutische Angebot noch nicht ausgeschöpft wurde, wird durch die Ausführungen der im FLAG-Verfahren beigezogenen Fachärztin für Psychologie untermauert. So legt diese in ihrem Gutachten vom 17.09.2019 dar, dass bei der Beschwerdeführerin eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen (auf der Basis komplexer posttraumatischer Belastungen) mit depressiver und psychosomatischer Symptomatik vorliegt, dass bei der Beschwerdeführerin nach mehrmaliger stationärer Behandlung in den letzten Jahren jedoch nur ambulante fachärztliche und psychotherapeutische Behandlungen erforderlich waren. Aus den im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin zuletzt im Jahr 2003 in einer Psychiatrie wegen einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, Polytoxikomanie und Bulimia nervosa stationär aufgenommen wurde. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer Angsterkrankung wurden von der Beschwerdeführerin somit nicht ausgeschöpft.

Es kann daher nicht vom Vorliegen einer schwerwiegenden Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten im Sinne von Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens einem Jahr ausgegangen werden.

Dem Beschwerdeeinwand, es lägen auch unter Zugrundlegung der Herzerkrankung die Voraussetzung für die beantragte Zusatzeintragung vor, kann unter Berücksichtigung der unbestritten gebliebenen Feststellungen zu diesem Herzleiden nicht gefolgt werden: Aus dem Sachverständigengutachten vom 11.06.2018 ergibt sich ebenso wie auch aus den unbestritten gebliebenen FLAG-Gutachten, dass bei der Beschwerdeführerin ein erfolgreich operiertes Vitium mit (nur) subjektiv verminderter Belastbarkeit aber unauffälliger Echokardiographie vorliegt. Die gutachterliche Schlussfolgerung, dass trotz der Herzerkrankung die Belastbarkeit ausreichend sei, ist daher nicht zu beanstanden.

Betreffend die Funktionseinschränkungen im Stütz- und Bewegungsapparat ist zu berücksichtigen, dass diese nur mäßig ausgeprägt sind, sodass auch in diesem Bereich der nachvollziehbaren gutachterlichen Beurteilung gefolgt werden konnte.

Es liegen somit bei der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zusammengefasst keine ausreichend erheblichen Funktionseinschränkungen vor, welche die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung rechtfertigen würden.

Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der im gegenständlichen Verfahren und im FLAG-Verfahren eingeholten Gutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

….

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…

2. …         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten