TE Bvwg Beschluss 2020/10/20 W200 2234563-1

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Veröffentlicht am 20.10.2020
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Entscheidungsdatum

20.10.2020

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W200 2234563-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 28.07.2020, Zl. 36050951800055 beschlossen:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist seit 1993 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 Prozent. Kausal dafür war folgende Gesundheitsschädigung: „Nierentransplantation“.

Gegenständliches Verfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.03.2020 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung“. Dem Antrag angeschlossen waren radiologische und orthopädische Unterlagen sowie Laborbefunde.

Im Rahmen der Untersuchung durch einen Arzt für Allgemeinmedizin brachte die Beschwerdeführerin vor aufgrund ihres Bandscheibenvorfalls an sehr starken Schmerzen in ihrem rechten Hüftgelenk und auch im Kreuz zu leiden. (…) Bei längeren Gehstrecken werde sie rasch müde und bekomme Schmerzen in den Beinen.

Das allgemeinmedizinische Gutachten vom 19.06.2020 ergab zur Fragestellung, welche der Funktionsbeeinträchtigungen – festgestellt wurden Z.n. Nierentransplantation, deg. Veränderung der Wirbelsäule, Z.n. Bandscheibenvorfall, Rhizarthrose, Abnützung bieder Hüftgelenke – das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden und warum, Folgendes: „Keine. Es liegt ein Zustand nach Nierentransplantation vor. Dieser Zustand bewirkt jedoch keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich, sowie das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ist ohne erhebliche Erschwernis zu bewältigen. Die degenerativen Gelenks-und Wirbelsäulenveränderungen bewirken, auch unter Berücksichtigung der übrigen eingestuften Gesundheitsschäden, eine gering bis mäßig verminderte Gehfähigkeit, welche jedoch eine erhebliche Erschwernis des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke, sowie des Ein-u-Aussteigens in öffentliche Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen kann.“

Im Ergänzungsgutachten vom 27.07.2020 führt der befasste Allgemeinmediziner aus:

„Die Beschwerdeführerin gibt an, dass sie keine 30 Schritte ohne Hilfe gehen könne, und sie immer eine Gehhilfe brauche. Sie würde außerdem seit der Nierentransplantation eine Unmenge an Medikamenten benötigen.

Sie schreibt, dass sie darüber hinaus auch an schwere Depression leiden würde.

Es werden keine neuen Befunde nachgereicht.

STELLUNGNAHMEN:

zu 30 Schritte ohne Hilfe: anlässlich der hierorts durchgeführten Untersuchung konnte die Beschwerdeführerin sich aus dem Sitzen selbstständig erheben, das Gangbild war nur leicht rechtshinkend, in altersentsprechend normalem Tempo und die Beschwerdeführerin war in den Bewegungsabläufen nicht maßgeblich behindert. Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern, wurden nicht verwendet. zu Medikamentenmenge: die Anzahl der einzunehmenden Medikamente sind für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel belanglos. zu Depressionen: Für das Vorliegen einer behinderungsrelevanten depressiven Erkrankung wurden keine diesbezüglichen fachärztlichen Behandlungsunterlagen vorgelegt.

Im Vergleich zur persönlichen Begutachtung stehen die vorgebrachten Beschwerdeargumente im Widerspruch zu den objektivierbaren Funktionseinschränkungen und sind daher nicht geeignet das Betrachtungsergebnis zu entkräften, d.h. auch insbesondere in Hinblick auf die beantragte Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, keine Änderung des Gutachtens.“

Ohne weiteres Parteiengehör wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 28.07.2020 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, in der die Beschwerdeführer darauf hinweist, dass es ihr nicht nur um das Ein- und Aussteigen in die und aus den öffentlichen Verkehrsmittel gehe, sondern um die Schmerzen, die sie beim Gehen verspüre und die zweitweise unerträglich seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit 1993 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 Prozent. Sie stellte am 23.03.2020 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung“.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. 283/1990 idF BGBl. I. 57/2015 (BBG), lauten:

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

?        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

?        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

?        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

?        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

?        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 23.02.2011, 2007/11/0142, und vom 25.05.2012, 2008/11/0128, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde legt dem gegenständlichen Verfahren betreffend den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zwei Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 19.06.2020 und 27.07.2020 basierend auf einer Untersuchung zu Grunde.

Im ersten Gutachten wird zur beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ lediglich wie folgt ausgeführt: „Es liegt ein Zustand nach Nierentransplantation vor. Dieser Zustand bewirkt jedoch keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich, sowie das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ist ohne erhebliche Erschwernis zu bewältigen. Die degenerativen Gelenks-und Wirbelsäulenveränderungen bewirken, auch unter Berücksichtigung der übrigen eingestuften Gesundheitsschäden, eine gering bis mäßig verminderte Gehfähigkeit, welche jedoch eine erhebliche Erschwernis des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke, sowie des Ein-u-Aussteigens in öffentliche Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen kann.“

Im Ergänzungsgutachtern bleibt der Gutachter bei seiner Einschätzung.

Zusammenfassend fehlt es im angefochtenen Bescheid an einer nachvollziehbaren und schlüssigen Begründung für die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen und erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ auf Grund der nur zu kurz gegriffenen Ermittlungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind. Im Beschwerdefall hat das Sozialministeriumservice im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines/einer bisher nicht mit der Angelegenheit befassten Gutachters/Gutachterin zu den unten dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung der vorgelegten medizinischen Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Die belangte Behörde wird daher insbesondere auch folgende konkrete Fragen an den Gutachten zu stellen haben, um die Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einschätzen zu können:

1.       Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bzw der körperlichen Belastbarkeit vor? Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032, 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186) sind auch die Art und das Ausmaß der von der Beschwerdeführerin angegebenen Schmerzen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu klären.

2.        Mit welchen Schmerzen (Art und Ausmaß) ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere das Gehen bei der Beschwerdeführerin verbunden?

3.       Lassen die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu oder nicht zu bzw. warum?

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das SMS wiederholt in seinen Entscheidungen betreffend die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ auf die Frage der Schmerzen nicht eingegangen ist und wiederholt das BVwG aus diesem Grund Entscheidungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG gefällt hat (W200 2234023-1/4E vom 25.08.2020, W200 2225758-1/3E vom 11.02.2020, W200 2224399-1/3E vom 27.01.2020). Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, dass dem SMS bewusst war, dass es im gegenständlichen Fall unzureichende Ermittlungen getätigt hat.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein. Anschließend wird sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausführlicher mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen haben, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2234563.1.00

Im RIS seit

02.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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