TE Bvwg Beschluss 2020/10/22 W238 2225513-1

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W238 2225513-1/11E

W238 2226201-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, 1. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 19.08.2019, OB XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 31.10.2019, betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses, 2. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.08.2019, OB XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 13.11.2019 betreffend Abweisung des Antrags auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beschlossen:

A)       Die Beschwerdeverfahren werden wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte am 07.01.2019 beim Sozialministeriumservice, Landestelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.08.2019 gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 31.10.2019 gemäß §§ 40, 41 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht vorliegen.

Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.08.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2, 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen (erster Satz des Spruches) sowie festgestellt, dass der Grad der Behinderung „40 vom Hundert“ beträgt (zweiter Satz des Spruches).

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 13.11.2019 gemäß §§ 2, 3, 14 und 19 BEinstG iVm § 14 VwGVG abgewiesen (erster Satz des Spruches). Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht vorliegen (zweiter Satz des Spruches).

Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag.

4. Die Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht jeweils am 18.11.2019 und am 05.12.2019 vorgelegt.

5. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden in weiterer Folge zwecks Überprüfung des jeweiligen Beschwerdevorbringens Sachverständigengutachten eines bisher nicht befassten Arztes für Allgemeinmedizin auf Basis einer persönlichen Untersuchung eingeholt. In den erstatteten Gutachten führte der befasste Sachverständige mit näherer Begründung aus, dass der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers – entgegen der Einschätzung in den Vorgutachten – 20 v.H. betrage.

6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2020 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben.

7. Mit am 06.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben erklärte der Beschwerdeführer, dass er die Beschwerden gegen die Bescheide vom 05.08.2019 und vom 19.08.2019 zurückziehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einräumung des Parteiengehörs seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zog der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 06.08.2020 die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide zurück.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerden zurückgezogen hat, ergibt sich aus dem unmissverständlichen Inhalt der schriftlichen Eingabe vom 06.08.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG und § 14 Abs. 2 iVm § 19b Abs. 1 BEinstG.

Die gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Einstellung der Verfahren:

3.2. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. z.B. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche eindeutige Erklärung lag in den gegenständlichen Fällen vor, da der Beschwerdeführer die Zurückziehung der Beschwerden – wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits dargelegt wurde – schriftlich eindeutig zum Ausdruck gebracht hat.

3.3. In welchen Fällen „das Verfahren einzustellen“ ist (§ 28 Abs. 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Die Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörde vom 31.10.2019 und vom 13.11.2019, die den bekämpften Ausgangsbescheiden vom 19.08.2019 und vom 05.08.2019 endgültig derogieren (vgl. dazu VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185), sind aufgrund der vom Beschwerdeführer erklärten Zurückziehung der Beschwerden rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung der Beschwerdeverfahren auszusprechen war.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus den Verwaltungsakten in Verbindung mit den Beschwerden und der Eingabe vom 06.08.2020 hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weichen die gegenständlichen Entscheidungen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Einstellung bei Zurückziehung etwa VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320; 29.04.2015, Fr 2014/20/0047). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2225513.1.00

Im RIS seit

02.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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