TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/12 G309 2234415-1

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G309 2234415-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie der Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Maria HIERZER als Beisitzerinnen, über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 15.07.2020, OB: XXXX , betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben. Herr XXXX erfüllt auf Grund seiner mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, vom 15.11.2004, rechtskräftig festgestellten Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigen Behinderten ab 31.08.2004, die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG z u l ä s s i g.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 10.06.2020 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden ein allgemein-medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.07.2020 wurde festgestellt, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht erfülle. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.

4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit 17.08.2020 (Datum: Postaufgabestempel) fristgerecht Beschwerde. Darin brachte der BF auch vor, dass er seit dem Jahr 2004 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen sei.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 26.08.2020 vorgelegt.

6. Über Ersuchen des erkennenden Gerichtes reichte die belangte Behörde den Bescheid hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.11.2004, wurde ein Grad der Behinderung von 50 von Hundert sowie die Zugehörigkeit des BF zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab 31.08.2004, rechtskräftig festgestellt. Eine rechtskräftige Aberkennung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ist nicht festzustellen.

Der Beschwerdeführer erfüllt somit die allgemeinen Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung, dass der BF dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen ist, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 15.11.2004, wonach der BF ab dem 31.08.2004 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen sei.

Die Feststellung zum Wohnsitz des BF ergibt sich aus einem eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BGBl. Nr. 22/1970 idgF), angehören.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idgF) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.11.2004 wurde rechtskräftig ein Grad der Behinderung von 50 von Hundert, sowie die Zugehörigkeit des BF zum Personenkreis der begünstigten Behinderten festgestellt. Da der BF zudem seinen Wohnsitz im Inland hat, erfüllt der BF derzeit die gesetzlich normierten Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 Z 5 BBG. An diesem Umstand vermögen auch die zum aktuellen Gesundheitszustand des BF eingeholten und aufliegenden medizinischen Beweismittel nichts ändern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine solche liegt vor, wenn die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Soweit überblickbar liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur verfahrensgegenständlich aufgeworfenen Rechtsfrage vor. Einerseits hat die belangte Behörde in einem Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) einen Grad der Behinderung von 50 von Hundert und damit einhergehend eine Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten festgestellt, sowie andererseits in einem Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (BBG) einen Grad der Behinderung von 40 von Hundert festgestellt, und den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses aus diesem Grund abgewiesen, wobei beide Bescheide dem Rechtsbestand angehören. Dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 40 Abs. 1 Z5 BBG, der als eine der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten vorsieht, wenngleich auch hier ein Grad der Behinderung von 50 von Hundert vorliegen muss.

Schlagworte

begünstigter Behinderter Behindertenpass Grad der Behinderung Revision zulässig Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G309.2234415.1.00

Im RIS seit

02.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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