Index
40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze außer Finanz- und DienstrechtsverfahrenNorm
B-VG Art18 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit näher bezeichneter Wortfolgen des VerwaltungsvollstreckungsG betreffend die Beugehaft; Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des Rechts auf persönliche Freiheit mangels Festlegung einer Höchstgrenze für die Gesamtdauer der Beugehaft; keine gesetzliche Determinierung näherer Kriterien für eine weitere Verhängung der Beugehaft sowie zur Verhältnismäßigkeitsprüfung der GesamtdauerSpruch
I. Die Wortfolge "oder durch Haft" in §5 Abs1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl Nr 53/1991 (WV), die Zeichen- und Wortfolge ", an Haft die Dauer von vier Wochen" in §5 Abs3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl Nr 53/1991 (WV), idF BGBl I Nr 137/2001 und §6 Abs2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl Nr 53/1991 (WV), werden als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebungen treten mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Gerichtsanträge
1.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E76/2019 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nepals, reiste im Jahr 2006 nach Österreich ein und stellte einen letztlich erfolglosen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) trug dem Beschwerdeführer in der Folge mehrfach unter Androhung der Verhängung einer Haftstrafe die Mitwirkung bei der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes gemäß §46 Abs2a und 2b FPG mit Bescheid auf und verhängte – da der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war – mit jeweils auf §5 VVG gestützten Bescheiden die angedrohten Haftstrafen (zwischen 14 und 28 Tagen). Der Beschwerdeführer befand sich zum Zwecke der Erfüllung der jeweils auferlegten Mitwirkungspflicht bis November 2018 neunzehn Wochen durchgängig und insgesamt 21 Wochen in einem Polizeianhaltezentrum in Haft.
Mit zunächst mündlich verkündetem und in der Folge schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid des BFA, mit dem über den Beschwerdeführer die (zuletzt) angedrohte Beugehaft gemäß §5 VVG verhängt wurde, erhobene Beschwerde als unbegründet ab.
Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer die von ihm geforderte Handlung nicht vorgenommen habe. Durch die Zwangsstrafe sei der Beschwerdeführer zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten worden; es handle sich um ein Beugemittel ohne Strafcharakter. Dem Bescheid über die Zwangsstrafe liege ein vollstreckbarer Bescheid über eine höchstpersönliche, ausreichend genau bestimmte Verpflichtung im Sinne des §5 Abs1 VVG zugrunde, der für den Fall der Nichterfüllung innerhalb der – angemessenen – Paritionsfrist die Zwangsstrafe androhe. Ein gelinderes, noch zum Ziel führendes Zwangsmittel, beispielsweise eine Geldleistung, habe nicht zur Anwendung kommen können, da der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt habe, nicht nach Nepal zurück zu wollen und das Formblatt nicht auszufüllen. Er sei seiner Verpflichtung wiederholt nicht nachgekommen und habe sich deshalb bei Erlassung des Bescheides bereits in Beugehaft befunden. Die Vorgehensweise des BFA, Haftstrafen beginnend mit 14 Tagen, danach 21 Tagen und schließlich 28 Tagen zu verhängen, sei im Hinblick auf §5 Abs2 dritter Satz VVG, demzufolge bei Wiederholung oder weiterem Verzug stets ein schärferes Zwangsmittel anzudrohen sei, nicht zu beanstanden.
1.2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "oder durch Haft" in §5 Abs1 VVG, der Zeichen- und Wortfolge ", an Haft die Dauer von vier Wochen" in §5 Abs3 VVG und des §6 Abs2 VVG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 26. Februar 2020 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof geht dabei davon aus, dass er im Anlassverfahren die in Prüfung stehenden Bestimmungen des §5 VVG anzuwenden habe und dass §6 Abs2 VVG mit diesen in einem untrennbaren Zusammenhang stehe.
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss gehen dahin, dass die genannten Bestimmungen gegen Art1 und 6 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (im Folgenden: PersFrSchG), BGBl 684/1988, iVm Art5 EMRK iVm dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG verstießen:
1.2.1. Zunächst hegt der Verfassungsgerichtshof Bedenken im Hinblick darauf, dass das VVG keine Höchstgrenze für die Gesamtdauer der Beugehaft vorgibt:
Die durch die Bestimmungen der §§5 und 6 VVG bewirkte und, wie sich insbesondere aus dem fehlenden Verweis auf die §§354 und 355 EO in §6 Abs2 VVG ergeben dürfte, intendierte Möglichkeit, insgesamt von ihrem Gesamtausmaß nicht begrenzte Androhungen der Beugehaft vorzusehen und diese in Vollzug zu setzen, dürfte angesichts der Bedeutung des Schutzgutes der persönlichen Freiheit und der typischen Konstellationen verwaltungsrechtlicher Verpflichtungen, deren Durchsetzung von der Vornahme unvertretbarer Handlungen des Verpflichteten abhänge, gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Art1 Abs3 PersFrSchG verstoßen. Der Gesetzgeber dürfte durch Art1 Abs3 PersFrSchG auch gehalten sein, selbst jene Grenze zu bestimmen, ab der die Zwangsmaßnahme nicht mehr durchgeführt werden darf.
1.2.2. Dabei hegt der Verfassungsgerichtshof auch das Bedenken, dass die in Prüfung stehenden Bestimmungen im Kontext der Erzwingung fremdenrechtlicher Mitwirkungsbestimmungen gegen das in Art1 Abs3 PersFrSchG verankerte, auch den Gesetzgeber bindende Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßen dürften. Sehe sich beispielsweise ein Fremder auch nach mehrmaliger Androhung und Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen nicht dazu veranlasst, die Mitwirkung an seiner Aufenthaltsbeendigung vorzunehmen, dürfte er in einer Lage sein, in der er im Ergebnis eine Anhaltung auf unbestimmte Dauer in Kauf nimmt, um die Mitwirkung an der Aufenthaltsbeendigung zu vermeiden. Eine insgesamt unbegrenzt sich wiederholende Anhaltung in Beugehaft dürfte daher unverhältnismäßig sein, weil der Haftzweck offenkundig nicht erreicht werde.
1.2.3. Schließlich äußert der Verfassungsgerichtshof auch das Bedenken, dass für die Beugehaft nach dem VVG die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Haftprüfung nach Art6 PersFrSchG nicht erfüllt seien:
Die Anordnung der Beugehaft sei zwar mittels Bescheidbeschwerde bekämpfbar. Dabei verleihe der unmittelbar anwendbare Art6 PersFrSchG bereits in Beugehaft angehaltenen Personen das Recht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Beugehaft innerhalb einer Woche. Die Beugehaft selbst dürften Betroffene jedoch nur eingeschränkt einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterziehen können. Die Prüfung der Zulässigkeit einer gegen die Beugehaft gerichteten Maßnahmenbeschwerde beinhalte zwar die Überprüfung, ob der Beugehaft eine hinreichende Anordnung zugrunde liege, jedoch scheine Art6 PersFrSchG die Überprüfung der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) in einem umfassenderen Sinn zu gebieten, als die Haft in jeder Hinsicht hin selbstständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit festzustellen und aufzugreifen sei, auch wenn dies noch keine Enthaftung gebiete. Schließlich bestehe das Bedenken, dass in Fällen länger andauernder Beugehaft der Gesetzgeber keine Möglichkeit vorgesehen haben dürfte, dass ein Gericht über die Zulässigkeit der Fortdauer der Haft abspricht, und die Haft auch keiner periodischen Überprüfung unterliegen dürfte.
2. Der Verwaltungsgerichtshof begehrt mit auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten, zu G316/2020 und G317/2020 protokollierten Anträgen, dieselben Bestimmungen in derselben Fassung, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 in Prüfung gezogen hat, als verfassungswidrig aufzuheben.
2.1. Diesen Anträgen liegen jeweils Sachverhalte zugrunde, in denen gegen zur Ausreise verpflichtete Fremde, über deren Anträge auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ entschieden, eine Rückkehrentscheidung erlassen und deren Abschiebung für zulässig erklärt wurde, gemäß §5 VVG (wiederholt) Beugehaft zur Erzwingung der Mitwirkung an der Beschaffung von Ersatzreisedokumenten verhängt und in Vollzug gesetzt wurde.
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinen Anträgen zunächst jeweils aus, dass er bei der Behandlung der bei ihm anhängigen Revisionen §5 VVG und, auf Grund untrennbaren Zusammenhanges, auch §6 Abs2 VVG anzuwenden habe.
2.3. In der Sache teilt der Verwaltungsgerichtshof die vom Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 26. Februar 2020 geäußerten Bedenken. Darüber hinaus sei noch Folgendes anzumerken:
"Art6 PersFrSchG verlangt ein umfassendes System der Haftprüfung, stellt selbst aber keines zur Verfügung. Es bedarf daher organisations- und verfahrensrechtlicher Ausführungsbestimmungen, um die institutionellen Garantien des Art6 PersFrSchG zu erfüllen (vgl Kopetzki, Art6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 63). In Bezug auf die hier in Rede stehende Beugehaft fehlen derartige Bestimmungen.
Im Zuge der Haftprüfung ist generell zunächst - im Falle noch aufrechter Haft - die Frage zu beantworten, ob eine weitere Anhaltung des Betroffenen zulässig oder ob seine (unmittelbare) Freilassung anzuordnen ist. Darauf darf sich die Haftprüfung aber nicht beschränken. Vielmehr ist vor dem Hintergrund des Art6 Abs1 PersFrSchG in ihrem Rahmen eine nachträgliche Überprüfung des aktuellen Freiheitsentzuges in seiner gesamten Dauer zu gewährleisten (vgl Kopetzki a.a.O., Rn. 24, unter Verweis auf die herrschende Lehre), sodass auch die bis zur Haftprüfungsentscheidung erlittene Haft einer Kontrolle unterzogen werden kann. Demgemäß hat der Verfassungsgerichtshof - für den Bereich der Schubhaft - auch ausgesprochen, dass der Anspruch auf gerichtliche Überprüfung selbst dann weiter besteht, wenn die Haft bereits beendet ist (vgl nur VfSlg 13.698/1994, Punkt II.2.3. der Entscheidungsgründe).
Im Prüfungsbeschluss vom 26. Februar 2020, E76/2019, Punkt III.3.2., hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, dass die bescheidmäßige Verhängung einer Zwangsstrafe, die Vollstreckungsverfügung, konkret die Anordnung von Beugehaft, mit Bescheidbeschwerde nach Art130 Abs1 Z1 B-VG anfechtbar ist. Die auf Basis einer solchen Vollstreckungsverfügung in deren Rahmen gesetzte Vollstreckungsmaßnahme, also die tatsächlich vollzogene Beugehaft, stellt keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar; sie ist daher nicht mit Maßnahmenbeschwerde nach Art130 Abs1 Z2 B-VG bekämpfbar. Es existiert aber auch - anders als im Bereich von Schubhaft (vgl dazu VfSlg 19.970/2015, Punkt III.4.4. der Entscheidungsgründe) - kein 'spezieller Rechtsschutzmechanismus' iSd Art130 Abs2 Z1 B-VG, sodass im Zusammenhang mit Beugehaft insgesamt nur die erwähnte Bescheidbeschwerde als Rechtsschutzinstrumentarium zur Verfügung steht.
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass Art6 PersFrSchG insoweit unmittelbar anwendbar sei, als er bereits in Beugehaft angehaltenen Personen das Recht auf eine Entscheidung des mittels Bescheidbeschwerde angerufenen Verwaltungsgerichtes über die Rechtsmäßigkeit der Anordnung (Aufrechterhaltung?) der Beugehaft innerhalb einer Woche verleihen dürfte (siehe Rn. 49 des Prüfungsbeschlusses). Auch wenn man diese Auffassung teilt (was - wie auch der Verfassungsgerichtshof in Rn. 51 des Prüfungsbeschlusses annimmt - voraussetzt, dass man etwa §14 VwGVG bezüglich der Möglichkeit der Verwaltungsbehörde, innerhalb von zwei Monaten eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen, unangewendet lässt), kann die insoweit auf Basis einer Bescheidbeschwerde bekämpfte Anordnung von Beugehaft vor dem Hintergrund des §28 VwGVG nur zu einer Entscheidung 'in der Sache' führen, die die aktuelle Situation in Bezug auf die Aufrechterhaltung von Beugehaft beurteilt (im Ergebnis nicht anders als der Fortsetzungsausspruch nach §22a Abs3 BFA-VG im Schubhaftbeschwerdeverfahren; siehe VfSlg 19.970/2015, Punkt III.5.3. der Entscheidungsgründe, und VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 11).
Damit wird dann zwar letztlich, wenn die Beugehaft im Entscheidungszeitpunkt noch vollzogen wird, durch Abweisung oder Stattgebung der Beschwerde die Frage beantwortet, ob sie aktuell rechtmäßig ist und eine (weitere) Anhaltung des Betroffenen rechtfertigt oder ob er umgekehrt sofort zu enthaften ist. Schon wie die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes auszusehen hätte, wenn der Betroffene vor dieser Entscheidung enthaftet wurde (Feststellung der Rechtmäßigkeit bzw der Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen verwaltungsbehördlichen Anordnung von Beugehaft iSd §28 Abs6 VwGVG?), lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen. Das widerstreitet nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG (ähnlich zur Schubhaft VfSlg 19.970/2015, Punkt III.4.6. der Entscheidungsgründe).
Hinzu kommt, dass völlig offen bleibt, wie bei im Entscheidungszeitpunkt aufrechter Beugehaft dem Anspruch auf Überprüfung der Gesamtdauer des Freiheitsentzuges […] Genüge getan werden könnte, wenn erst im Beschwerdeverfahren eingetretene Änderungen zu dem Ergebnis führen, die Beugehaft sei (nunmehr) rechtmäßig und die Beschwerde deshalb abzuweisen. Diesbezüglich ist im Sinne der schon erwähnten Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes nochmals darauf hinzuweisen, dass auf Basis einer Vollstreckungsverfügung bereits erlittene Beugehaft, so sie sich im Rahmen des Vollstreckungstitels hält, weder mit Maßnahmenbeschwerde noch im Wege des Art130 Abs2 Z1 B-VG bekämpft werden kann; die Anfechtung von Vollzugsakten sieht das Gesetz im Zusammenhang mit Beugehaft (anders als im Bereich von Schubhaft, wo es der Gesetzgeber seit Schaffung des §5a Fremdenpolizeigesetz 1954 [vgl 9 BlgNR 18. GP 3] im Hinblick auf das PersFrSchG für erforderlich hält, die Anfechtbarkeit bloßer Vollzugsakte zu eröffnen) nicht vor. Insoweit tut sich das schon vom Verfassungsgerichtshof unter Punkt III.4.5. des Prüfungsbeschlusses vom 26. Februar 2020 konstatierte Rechtsschutzdefizit in besonderer Weise auf, sodass die angefochtenen Bestimmungen auch von daher den Anforderungen von Art6 Abs1 PersFrSchG iVm Art18 B-VG nicht zu genügen scheinen."
II. Vorverfahren
1. Die Bundesregierung hat in den zu G164/2020, G316/2020 und G317/2020 protokollierten Verfahren mitgeteilt, dass sie von der Erstattung einer meritorischen Äußerung absieht, und für den Fall der Aufhebung eine Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten gemäß Art140 Abs5 B-VG beantragt. Diese Frist erscheine erforderlich, weil es bei einem Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses dazu kommen könnte, dass Verpflichtungen im Verwaltungsrecht im Fall von Vermögenslosigkeit generell nicht mehr vollstreckt werden könnten.
2. Der Verfassungsgerichthof hat in dem zu G164/2020 protokollierten, amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren die Ämter der Landesregierungen eingeladen, eine Äußerung zu erstatten. Davon hat das Amt der Kärntner Landesregierung Gebrauch gemacht und Folgendes vorgebracht (teilweise ohne Übernahme der Hervorhebungen im Original):
"Zur Gesamtdauer der aneinandergereihten Haft:
Die zwangsweise Rechtsdurchsetzung, die immer eine Rechtsfolge für die Nichterfüllung von Rechtspflichten ist, kann entweder in der Verhängung und Vollstreckung einer Strafe oder in der Herstellung des von der Rechtsordnung vorgesehenen Zustandes durch behördliche Organe — also in der 'Vollstreckung' — bestehen (vgl Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 [1996], 622).
Nach §1a Abs1 VVG ist die Vollstreckung von Verpflichtungen, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse gelegen ist, von der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen einzuleiten, wenn ein von ihr selbst erlassener Bescheid zu vollstrecken ist, jedoch wenn ein sonstiger Vollstreckungstitel zu vollstrecken ist, auf Ersuchen der Stelle, von der er ausgegangen ist. Nach §1a Abs2 VVG ist die Vollstreckung von Verpflichtungen, auf deren Erfüllung ein Anspruch besteht, auf Antrag des Berechtigten (betreibender Gläubiger) einzuleiten (beachte VwGH 20.11.2018, ZI. Ra 2017/05/0300, zur Einheitlichkeit des Vollstreckungsverfahrens, sofern dieses ohnehin bereits amtswegig einzuleiten ist). Für die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens normiert §1a Abs3 VVG den Grundsatz der Amtswegigkeit (Offizialmaxime). Im Unterschied zu den §§354 und 355 EO, die zur Erwirkung von unvertretbaren Handlungen sowie von Duldungen und Unterlassungen jeweils auf einen Antrag des betreibenden Gläubigers abstellen, ist die Verhängung von Zwangsstrafen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Amtspflicht der Vollstreckungsbehörde, also insoweit jede Parteidisposition ausgeschlossen.
Der Entzug der persönlichen Freiheit ist in den §§5 und 6 VVG gesetzlich vorgesehen. Ziel der Zwangsstrafe gemäß §5 VVG ist es, den Verpflichteten zur Erfüllung seiner Verpflichtung zu veranlassen. Die Zwangsstrafe gemäß §5 VVG bedient sich eines 'mittelbaren (psychologischen) Zwangs', während demgegenüber §7 VVG als ultima ratio die Anwendung unmittelbaren (physischen) Zwangs vorsieht (vgl zur Begrifflichkeit Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren/2. Halbband8 [1980], 329 und 334; ferner VwGH 9.5.1990, ZI. 89/03/0269, zum Sinn der Zwangsstrafe, 'einen dem Willen der Behörde entgegenstehenden Willen einer Partei zu brechen'). Bei der Auswahl der Zwangsmittel sowie bei der Bestimmung ihrer Schärfe ist am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ('Schonungsprinzip') nach §2 Abs1 VVG festzuhalten. In diesem Rahmen kann in jedem einzelnen Fall der Verhängung einer Zwangsstrafe dem Art1 Abs3 PersFrSchG Rechnung getragen werden, um zwischen dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Vollstreckungstitels einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits abzuwägen (vgl VfSlg 17.891/2006 und 19.675/2012).
Nach ihrem Zweck ist die Verhängung einer Beugehaft alternativ zur Geldstrafe notwendig, um einen rechtlich geforderten Zustand im Tatsächlichen herstellen zu können. Diese (weitere) Handlungsoption ermöglicht es, dass die Vollstreckungsbehörde effektiv ihrer Amtspflicht nachkommen kann. Es liegt im Zweck der Beugemittel, dass sie mit dem Grad und der Hartnäckigkeit des Zuwiderhandelns eine Steigerung erfahren sollen (vgl EvBI 1960/27, 48; siehe §5 Abs2 VVG: 'ein stets schärferes Zwangsmittel'). Die Befugnis, erforderlichenfalls durch Freiheitsentziehung Zwang auszuüben, muss in Summe zeitlich unlimitiert — also ohne Bedachtnahme auf die Gesamtdauer der in einem bestimmten Vollstreckungsfall bislang verhängten Beugehaft — bestehen, weil es nicht dem Belieben eines säumigen Verpflichteten überlassen bleiben soll, sich durch Hartnäckigkeit des Zuwiderhandelns der Herstellung des rechtlich geforderten Zustandes und damit dem behördlichen Willen auf Dauer zu entziehen. Würde Haft als Mittel einer Zwangsstrafe nur begrenzt aneinandergereiht werden dürfen, hätte dies zur Folge, dass nach Ausschöpfung dieser Befugnis bloß noch auf andere Mittel zur Rechtsverwirklichung zurückgegriffen werden könnte, um dem Gewaltmonopol des Staates zum Durchbruch zu verhelfen und einen in der Fortsetzung seiner Pflichterfüllung verharrenden Verpflichteten zur Rechtsbefolgung zu bewegen.
Wäre — zusätzlich zur zulässigen Höchstdauer der einzelnen Beugehaft — das Gesamtausmaß der in einem bestimmten Vollstreckungsfall notwendigen Beugehaft begrenzt, würde dies nach Erreichung der Höchstgrenze dazu führen, dass im Falle weiteren Zuwiderhandelns (bei einer Duldung oder Unterlassung) oder weiterer Säumigkeit (bei einer Handlung) nur mehr unmittelbarer Zwang im Sinne des §7 VVG angewendet werden könnte. Eine solche, automatisiert eintretende Rechtsfolge erscheint im Licht des grundrechtlichen Schutzes der körperlichen Unversehrtheit (Art2, 3 und 8 EMRK; Art3 EU-GRC), des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes als ein weitaus massiverer Eingriff in die Menschenwürde als das derzeit in §5 VVG vorgesehene Konzept der flexiblen Anwendung steigerungsfähiger Zwangsstrafen, die erforderlichenfalls wiederum in einer Freiheitsentziehung bestehen kann.
Zum Rechtsschutz:
Die Auffassung, dass die Beugehaft selbst grundsätzlich nicht einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, wird zunächst unter Hinweis auf die Unterscheidung zwischen Vollstreckungsverfügung und Vollstreckungshandlung bezweifelt: Der Vollstreckungsvorgang bei der Zwangsstrafe besteht aus der Androhung der Zwangsstrafe, deren bescheidmäßiger Verhängung ('Vollstreckungsverfügung') und der Vollstreckung als faktischer Amtshandlung (VwGH 21.11.2018, ZI. Ra 2017/17/0255). Die Vollstreckungsverfügung hat unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand; sie ordnet die Vollstreckungsmaßnahme im eigentlichen Sinne an und entspricht der Exekutionsbewilligung im gerichtlichen Verfahren (vgl VwSlg 12942 A/1989; VwGH 19.12.1989, ZI. 85/05/0150; 26.02.1990, ZI. 89/10/0189; 18.12.1997, ZI. 97/06/0187). Die Beugehaft selbst stellt als Vollstreckungshandlung Zwangsausübung dar; sie ist keine Norm, sondern eine — als letzter Vollzugsakt zu deutende — Tatsache (vgl Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 [1996], 623).
Gegen die Vollstreckungsverfügung kann nach Art130 Abs1 Z1 B-VG Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die Beschwerdegründe gegen eine Vollstreckungsverfügung sind — im Unterschied zu den früheren Berufungsgründen nach §10 Abs2 VVG idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 — nicht beschränkt.
Mit der gegen die Beugehaft selbst gerichteten Maßnahmenbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z2 B-VG ist dem Verwaltungsgericht nicht nur eine Überprüfung möglich, ob der Beugehaft eine hinreichende Anordnung zugrunde liegt, sondern auch, ob nach der Anordnung einer Beugehaft Unzulässigkeitsgründe bzw Vollstreckungshindernisse eingetreten sind sowie ob die Vollziehung der Haft den rechtlichen Vorgaben entspricht: Vollstreckungshandlungen sind Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wenn sie ohne vorangegangene Vollstreckungsverfügung gesetzt werden oder über eine solche hinausgehen (vgl zuletzt etwa VwGH 25.10.2018, ZI. Ra 2018/09/0068; 22.08.2019, Ra 2018/21/0188). Ferner wird im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des §5 Abs2 letzter Satz VVG die Vollstreckung einer bereits verhängten Zwangsstrafe unzulässig (vgl VwGH 20.03.2009, ZI. 2009/17/0333) und ist damit in der Folge eine Maßnahme anzunehmen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine laufende Vollstreckung auch durch andere Umstände unzulässig werden und damit zu einer Maßnahme mutieren kann (zB die Erbringung der Leistung wird unmöglich oder der Verpflichtete kann keinen rechtserheblichen Willen mehr bilden; Vorliegen von Privilegien und Immunitäten). Schließlich erscheint nicht ausgeschlossen, auch Verstöße gegen die bei Vollziehung der Haft zu beachtenden Vorschriften (§6 Abs2 erster Satz VVG iVm §§360 bis 362 und 365 EO) zum Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde zu machen, weil sich eine dem Gesetz nicht entsprechende Anwendung von Zwang (zB Unterbringung in einem ungeeigneten Haftlokal, Vollziehung der Haft trotz Bestehens einer erheblichen Gesundheitsgefahr) außerhalb des rechtlichen Ermächtigungsrahmens bewegt und vielmehr auf die eigenmächtige Entscheidung der Vollstreckungsorgane zurückzuführen ist (beachte in diesem Zusammenhang die Erwägungen im Erkenntnis VwGH 24.03.2014, ZI. 2012/01/0078).
Im Sinne der Erkenntnisse VfSlg 13.039/1992, 19.968/2015 und VfGH 25.02.2019, E1633/2018, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht aufgrund einer Beschwerde nach Art130 Abs1 Z1 oder Z2 B-VG die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges nach Art6 Abs1 PersFrSchG zu überprüfen hat. Wenn der Verfassungsgerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit des Art6 Abs1 PersFrSchG bejaht, erscheint es folgerichtig, dies auch in Bezug auf eine Vollstreckungsverfügung (als rechtliche Grundlage der Vollstreckungshandlung) sowie die Vollziehung einer verhängten Beugehaft (als Tatsache) zu tun.
Die Frage des Erfordernisses einer periodischen Überprüfung über die Zulässigkeit der Fortdauer der Haft dürfte sich deshalb nicht stellen, weil nach Art6 Abs2 PersFrSchG keine Anhaltung von unbestimmter Dauer vorliegt. Nach §5 Abs4 VVG darf in jedem einzelnen Fall die Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen. Nach Vollstreckung der verhängten Haft muss erforderlichenfalls eine neuerliche Vollstreckungsverfügung erlassen werden, die wiederum einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt."
3. Auch in den zu G316/2020 und G317/2020 protokollierten, jeweils über Antrag vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Ämtern der Landesregierungen die Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt. Das Amt der Kärntner Landesregierung hat dabei auf seine Äußerung im Verfahren zu G164/2020 verwiesen.
III. Rechtslage
1. Das Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, idF BGBl I 2/2008 lautet auszugsweise wie folgt:
"Artikel 1
(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).
(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.
(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind.
Artikel 2
(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
1. […]
4. um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;
5. […]
Artikel 6
(1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.
(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen."
2. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl 53/1991 (WV), idF BGBl I 33/2013 lautet auszugsweise wie folgt (§5 Abs1 und §6 Abs2 gelten in der wiederverlautbarten Stammfassung, §5 Abs3 gilt idF BGBl I 137/2001; die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen
[…]
b) Zwangsstrafen
§5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.
(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.
(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.
(4) […]
§6. (1) […]
(2) Bei der Vollziehung der Haft sind die §§360 bis 362 und 365 EO sinngemäß anzuwenden. Wird die Haft durch die Gerichte vollzogen, so sind die damit verbundenen Kosten durch die Gerichte nach den für die Einbringung der Kosten des Vollzuges gerichtlicher Strafen bestehenden Vorschriften vom Verpflichteten einzutreiben."
3. Die Exekutionsordnung (EO), RGBl. 79/1896, idF BGBl I 100/2018, lautet auszugsweise wie folgt:
"Erwirkung von anderen Handlungen.
[…]
§. 354.
(1) Der Anspruch auf eine Handlung, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete auf Antrag vom Executionsgerichte durch Geldstrafen oder durch Haft bis zur Gesammtdauer von sechs Monaten zur Vornahme der Handlung angehalten wird.
(2) Die Exekution hat mit Androhung der für den Fall der Saumsal zu verhängenden Strafe zu beginnen; als erste Strafe darf nur eine Geldstrafe angedroht werden. Nach fruchtlosem Ablauf der in dieser Verfügung für die Vornahme der Handlung gewährten Frist ist das angedrohte Zwangsmittel auf Antrag des betreibenden Gläubigers zu vollziehen und zugleich unter jeweiliger Bestimmung einer neuerlichen Frist für die geschuldete Leistung ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Der Vollzug desselben erfolgt nur auf Antrag des betreibenden Gläubigers.
Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen.
§355. (1) Die Exekution gegen den zur Unterlassung einer Handlung oder zur Duldung der Vornahme einer Handlung Verpflichteten geschieht dadurch, dass wegen eines jeden Zuwiderhandelns nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels auf Antrag vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung der Exekution eine Geldstrafe verhängt wird. Wegen eines jeden weiteren Zuwiderhandelns hat das Exekutionsgericht auf Antrag eine weitere Geldstrafe oder eine Haft bis zur Gesamtdauer eines Jahres zu verhängen. Diese sind nach Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns, unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auszumessen. In einem Beschluss, mit dem eine Geldstrafe oder eine Haft verhängt wird, sind auch die Gründe anzuführen, die für die Festsetzung der Höhe der Strafe maßgeblich sind.
(2) Auf Antrag des betreibenden Gläubigers kann dem Verpflichteten vom Executionsgerichte die Bestellung einer Sicherheit für den durch ferneres Zuwiderhandeln entstehenden Schaden aufgetragen werden. Hiebei ist die Höhe und Art der zu leistenden Sicherheit, sowie die Zeit zu bestimmen, für welche sie zu haften hat. In Ansehung der Vollstreckung dieses Beschlusses gelten die Bestimmungen des §. 353 Absatz 2.
[…]
Haft.
§. 360.
(1) Die Haft wird durch Anhaltung in einem hiezu bestimmten (öffentlichen) Haftlocale vollzogen. Dieses muss von den Räumen gesondert sein, die zum Strafvollzuge, sowie zur Anhaltung der Personen verwendet werden, wider welche die Untersuchungshaft verhängt ist.
(2) Die Verhaftung wird auf Grund eines vom Executionsgerichte ertheilten Haftbefehles, in welchem insbesondere der Grund der Verhaftung zu bezeichnen ist, durch das Vollstreckungsorgan vorgenommen. Der Haftbefehl muss dem Verpflichteten bei der Verhaftung zugestellt werden.
§. 361.
Die Haft darf nur verhängt werden, wenn der maßgebliche Sachverhalt bewiesen ist (§55 Abs2); sie darf in jeder einzelnen Strafverfügung nicht für länger als für die Dauer von zwei Monaten verhängt werden. Nach Ablauf der in der Strafverfügung angegebenen Haftzeit ist der Verpflichtete von amtswegen aus der Haft zu entlassen.
§. 362.
(1) Von der Verhängung der Haft gegen eine in einem öffentlichen Amte oder Dienste stehende Person oder gegen den Bediensteten einer dem öffentlichen Verkehre dienenden Unternehmung ist dem unmittelbar Vorgesetzten dieser Person oder der vorgesetzten Dienstbehörde gleichzeitig mit der Verhaftung Anzeige zu machen.
(2) Muss zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder anderer öffentlicher Interessen eine Stellvertretung während der Anhaltung eintreten, so darf die Verhaftung erst dann erfolgen, wenn für die Stellvertretung Vorsorge getroffen ist. Das hiezu Erforderliche ist von dem Vorgesetzten des Verpflichteten ohne Verzug nach empfangener Verständigung von dem Haftbeschlusse zu verfügen.
[…]
§. 365.
Die Haft kann nicht vollzogen werden, so lange durch sie die Gesundheit des Verpflichteten einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt würde. Sie ist von amtswegen aufzuheben, wenn sich nach ihrem Beginne solche Gefahren einstellen."
4. Das Außerstreitgesetz (AußStrG), BGBl I 111/2003, idF BGBl I 100/2018 lautet auszugsweise wie folgt:
"Zwangsmittel im Verfahren
§79. (1) Für den Fortgang des Verfahrens notwendige Verfügungen hat das Gericht gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen.
(2) Als Zwangsmittel kommen insbesondere in Betracht:
1. Geldstrafen, auch um vertretbare Handlungen zu erzwingen; für deren Ausmaß und Rückzahlung gilt §359 EO sinngemäß;
2. die Beugehaft, die nur bei unvertretbaren Handlungen, bei Duldungen oder Unterlassungen bis zur Gesamtdauer von einem Jahr verhängt werden darf;
3. die zwangsweise Vorführung;
4. die Abnahme von Urkunden, Auskunftssachen und anderen beweglichen Sachen;
5. die Bestellung von Kuratoren, die auf Kosten und Gefahr eines Säumigen vertretbare Handlungen vorzunehmen haben.
Durchsetzung von Regelungen der Obsorge oder des Rechts auf persönliche Kontakte
§110. (1) Die zwangsweise Durchsetzung einer Regelung der Obsorge oder des Rechts auf persönliche Kontakte hat nur dann zu erfolgen, wenn
1. eine gerichtliche Entscheidung vorliegt;
2. eine Vereinbarung vor Gericht geschlossen wurde oder
3. die Obsorge vor dem Standesbeamten bestimmt worden ist.
(2) Eine Vollstreckung nach der Exekutionsordnung ist ausgeschlossen. Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen angemessene Zwangsmittel nach §79 Abs2 anzuordnen. Regelungen, die die persönlichen Kontakte betreffen, sind auch gegen den Willen des Elternteils durchzusetzen, der mit dem Minderjährigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Regelungen, die die Obsorge betreffen, kann das Gericht auch durch Anwendung angemessenen unmittelbaren Zwanges vollziehen.
(3)
[…]"
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat das zu G164/2020 protokollierte, amtswegig eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren mit den jeweils über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eingeleiteten, zu G316/2020 und G317/2020 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §§187 und 404 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
A. Zur Zulässigkeit
In den Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung stehenden Bestimmungen in den jeweiligen Anlassverfahren zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die verbundenen Gesetzesprüfungsverfahren als zulässig.
B. In der Sache
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, dass die in Prüfung gezogenen Wort- und Zeichenfolgen in §5 Abs1 und Abs3 VVG §6 Abs2 VVG gegen Art1 und 6 PersFrSchG iVm dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG verstoßen, treffen zu:
1. Die in Prüfung stehenden Bestimmungen des VVG stehen in folgendem normativen Zusammenhang:
1.1. §2 VVG unterwirft die Handhabung der im VVG vorgesehenen Zwangsbefugnisse einem Verhältnismäßigkeitsgebot, demzufolge die Vollstreckungsbehörden das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden haben. Als ein mögliches Zwangsmittel sieht §5 VVG die Verhängung von Zwangsstrafen vor: Vollstreckungsbehörden vollstrecken die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer, wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten zu bewerkstelligenden, also einer unvertretbaren (Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit6, 2019, 224) Handlung, indem sie den Verpflichteten durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht anhalten. Der Verpflichtete soll durch die Zwangsstrafe gezwungen werden, jenes Verhalten zu setzen, zu dem ihn der Vollstreckungstitel verpflichtet (VfSlg 1977/1950). Die Zwangsstrafen dürfen nach §5 Abs3 VVG in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von € 726,–, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen. Die Verhängung einer Zwangsstrafe ist bis zur Erfüllung der Verpflichtung zu wiederholen (vgl VwGH 9.10.2014, 2013/05/0110 ua; 27.1.2015, 2012/11/0180; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 2003, Anm. 5 zu §5 Abs2 VVG; Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren20, 2017, Anm. 6 zu §5 Abs2 VVG), wobei Zwangsstrafen nach §5 VVG nicht als Strafen im Sinne der Art6 und 7 EMRK aufgefasst werden (vgl VfSlg 10.840/1986, 20.010/2015; VwGH 9.10.2014, 2013/05/0110 ua; 27.1.2016, Ro 2015/03/0042).
Nach §6 Abs2 VVG sind bei der Vollziehung der Haft die §§360 bis 362 und 365 EO betreffend die Verhängung und Vollziehung der Beugehaft nach der EO sinngemäß anzuwenden. Auf §354 oder §355 EO, die die Beugehaft auf eine Gesamtdauer von sechs Monaten bzw einem Jahr beschränken, verweist das VVG nicht; eine höchstzulässige Gesamtdauer für Haft als Beugemittel, wie sie im Übrigen etwa auch die §§79 und 110 AußStrG vorsehen, kennt das VVG damit nicht.
1.2. Ein spezieller Rechtsschutzmechanismus im Sinne des Art130 Abs2 B-VG ist für die Beugehaft im VVG – anders als im Bereich der Schubhaft (vgl dazu VfSlg 19.970/2015) – nicht vorgesehen (vgl Klammer, Die Beugehaft nach dem FPG, JB Asylrecht und Fremdenrecht 2018, 147 [155]), sodass nur die allgemeinen Beschwerdemöglichkeiten nach Art130 Abs1 B-VG zur Verfügung stehen. Soweit keine Sonderbestimmungen bestehen, ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Sachen Beugehaft das VwGVG einschlägig.
Daraus folgt, dass die bescheidmäßige Verhängung einer Zwangsstrafe (die Vollstreckungsverfügung), konkret etwa die Anordnung der Beugehaft, mit Bescheidbeschwerde nach Art130 Abs1 Z1 B-VG anfechtbar ist, wobei die Rechtskraft des zugrunde liegenden Vollstreckungstitels zu beachten ist (vgl VfSlg 1680/1948, 12.251/1990; VwGH 27.1.2015, 2012/11/0180; 30.3.2016, Ra 2016/09/0022, jeweils mwN, wonach im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens Fragen der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungstitels nicht mehr aufgeworfen werden dürfen; vgl weiters Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht6, 2018, Rz 1001; Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6, 2018, Rz 731).
Tatsächliche, auf Grund einer Vollstreckungsverfügung gesetzte Vollstreckungsmaßnahmen stellen keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art130 Abs1 Z2 B-VG dar. Tatsächliche Vollstreckungsmaßnahmen sind nur dann mit Maßnahmenbeschwerde an ein Verwaltungsgericht anfechtbar, wenn sie ohne vorangehende Vollstreckungsverfügung gesetzt werden oder über eine solche hinausgehen (vgl im Kontext der Schubhaft VfSlg 10.978/1986, 12.340/1990, 19.968/2015; vgl auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, 2019, Rz 1268). Soweit Festnahme und Anhaltung sich auf eine Vollstreckungsverfügung stützen und die Haftanordnung auch nicht überschreiten, ist eine Anrufung des Verwaltungsgerichtes demnach unzulässig (vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte3, 2019, Rz 5/18).
2. Es verstößt gegen das auch an den Gesetzgeber gerichtete Verhältnismäßigkeitsgebot des Art1 Abs3 PersFrSchG iVm dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG, dass das VVG keine Höchstgrenze für die Gesamtdauer der Beugehaft festlegt:
2.1. Die in Prüfung stehenden Bestimmungen des VVG greifen, indem sie die Haft zum zulässigen Beugemittel erklären, in das durch Art1 ff. PersFrSchG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ein. Sie stellen auch jenen Bezugspunkt dar, anhand dessen zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber im VVG den Anforderungen der Art1 und 6 PersFrSchG iVm Art18 Abs1 B-VG an die Regelung der Beugehaft und an eine Haftprüfung im vorliegenden Zusammenhang ausreichend Rechnung trägt.
2.2. Eingriffe in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit sind nur aus den im PersFrSchG genannten Gründen zulässig und dürfen nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgen (siehe zB VfSlg 19.970/2015; vgl auch Kopetzki, Art1 PersFrG in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 51).
Art2 Abs1 Z4 PersFrSchG erlaubt Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit zur Erzwingung der Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung. Schon die Gesetzesmaterialien zu Art2 Abs1 Z4 PersFrSchG ordnen die Beugehaft nach §5 VVG dem in dieser Ziffer vorgesehenen zulässigen Haftgrund zu (Erläut zur RV 134 BlgNR 17. GP, 6).
Solche gesetzlichen Eingriffe sind gemäß Art1 Abs3 PersFrSchG nur dann gerechtfertigt, wenn der Eingriff zum Zweck der Maßnahme notwendig ist und nur soweit der Freiheitsentzug nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaubt also nur dann die Anordnung der Beugehaft, wenn dies zur Erfüllung der Verpflichtung zu einer Duldung, Unterlassung oder unvertretbaren Handlung (§5 Abs1 VVG) notwendig ist, und soweit der Freiheitsentzug nicht zu diesem Zweck außer Verhältnis steht.
Das Verhältnismäßigkeitsgebot des Art1 Abs3 PersFrSchG an den Gesetzgeber, dass der Entzug der persönlichen Freiheit gesetzlich nur vorgesehen werden darf, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist, schließt auch das Gebot der Angemessenheit des Eingriffes im Sinne einer Verhältnismäßigkeit zwischen dem Zweck der freiheitsentziehenden Maßnahme und dem dadurch bewirkten Eingriff in das Schutzgut der persönlichen Freiheit mit ein (Kopetzki, Art1 PersFrG, aaO, Rz 65). Dies ist für die Beurteilung des zulässigen zeitlichen Ausmaßes einer Freiheitsentziehung von besonderer Bedeutung. Auch ein an sich erforderlicher, geeigneter und zunächst angemessener Freiheitsentzug kann unverhältnismäßig werden, wenn er eine bestimmte – entweder gesetzlich fixierte oder nach den Umständen zu konkretisierende – Höchstdauer überschreitet (Kopetzki, Art1 PersFrG, aaO, Rz 68; vgl auch VfSlg 13.988/1994, 14.730/1997, 15.131/1998).
2.3. Wie sich insbesondere aus dem Fehlen eines Verweises in §6 Abs2 VVG auf die §§354 und 355 EO ergibt, sehen die in Prüfung stehenden Bestimmungen in §5 und des §6 Abs2 VVG insgesamt von ihrem Gesamtausmaß nicht begrenzte Anordnungen der Beugehaft und deren Vollzug vor. In Verbindung mit der Regelung des §5 Abs2 VVG, wonach für den Fall eines weiteren Verzuges mit der unvertretbaren Handlung ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen und ein solches (erst) dann nicht mehr zu vollziehen ist, wenn der Verpflichtung entsprochen ist, ergibt sich, dass die gemäß §5 Abs3 VVG in jedem einzelnen Fall mit vier Wochen begrenzte Haft solange wiederholt anzuordnen ist, bis der Verpflichtete seiner Pflicht nachgekommen ist (vgl VwGH 27.1.2015, 2012/11/0180).
Eine solche gesetzliche Anordnung, in jedem Fall den zu einer unvertretbaren Handlung Verpflichteten zu eben dieser Handlung durch eine von ihrer Gesamtdauer nicht begrenzte Aneinanderreihung von Zwangsmaßnahmen der Beugehaft zu verhalten, verstößt gegen das den Gesetzgeber bindende Verhältnismäßigkeitsgebot des Art1 Abs3 PersFrSchG. Denn angesichts der Bedeutung des Schutzgutes der persönlichen Freiheit steht es mit Blick auf die typischen Konstellationen verwaltungsrechtlicher Verpflichtungen, deren Durchsetzung von der Vornahme unvertretbarer Handlungen des Verpflichteten abhängt, außer Verhältnis, wenn der Gesetzgeber in allen Fällen und undifferenziert zur Erzwingung dieser Handlungen und der dahinterstehenden Verpflichtungen eine insgesamt auch mehrjährige, theoretisch sogar unbeschränkte Beugehaft vorsieht, ohne eine Grenze zu bestimmen, ab der die Zwangsmaßnahme nicht mehr durchgeführt werden darf (vgl neben den §§354 und 355 EO auch die §§79 und 110 AußStrG, die ebenfalls eine Höchstgrenze bei von Amts wegen anzuordnenden Zwangsmitteln, etwa im Zusammenhang mit für den Verfahrensfortgang notwendigen Verfügungen, kennen), oder nähere Kriterien festzulegen, wann im Hinblick auf welche Verpflichtungen eine weitere Verhängung der Beugehaft als zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis stehend nicht mehr angeordnet werden darf.
Das schließt nicht aus, dass es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden angesichts ihrer aus Art1 Abs3 PersFrSchG folgenden Verpflichtung im Einzelfall überlässt, die (verfassungs-)gesetzlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits zu konkretisieren (vgl VfSlg 19.675/2012 mwN), sofern der Gesetzgeber auf Grund des ihn durch Art2 Abs1 PersFrSchG iVm Art18 Abs1 B-VG treffenden Determinierungsgebotes Kriterien für die zulässige Dauer der Anhaltung in Beugehaft festlegt (vgl zum Determinierungsaspekt des Gesetzesvorbehaltes des PersFrSchG Kopetzki, Art1 PersFrG, aaO, Rz 51).
2.4. Der Verfassungsgerichtshof verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass an der Vollstreckung verwaltungsrechtlicher Verpflichtungen ein öffentliches Interesse besteht, das unter anderem in dem in §1a Abs3 VVG festgelegten Amtswegigkeitsprinzip bei der Durchführung verwaltungsrechtlicher Vollstreckungen seinen Ausdruck findet (und diese sich, worauf das Amt der Kärntner Landesregierung hinweist, dahingehend etwa von den nur auf Antrag einzuleitenden Vollstreckungen nach den §§354 und 355 EO unterscheiden). Doch verlangt Art1 Abs3 PersFrSchG eben auch, dass zu prüfen ist, ob die konkrete verwaltungsrechtliche Verpflichtung und damit das einschlägige öffentliche Interesse zu dem mit der Beugehaft verbundenen Eingriff in die persönliche Freiheit und dessen Ausmaß (noch) angemessen sind. Aus Art1 Abs3 PersFrSchG folgt daher das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Gesetzgeber die Vollziehung bestimmt, von der Durchsetzung bestimmter verwaltungsrechtlicher Verpflichtungen Abstand zu nehmen, wenn das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Verpflichtung einen fortdauernden Entzug der persönlichen Freiheit eines Menschen nicht mehr zu rechtfertigen vermag (solches kann etwa, wie der Kontext der Anlassverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof zeigt, der Fall sein, wenn ein Fremder auch durch die wiederholte Verhängung und Vollstreckung der Beugehaft nicht verhalten werden kann, die mit diesen Zwangsmaßnahmen herbeizuführende Mitwirkung an seiner Aufenthaltsbeendigung vorzunehmen, und damit absehbar ist, dass selbst eine Anhaltung auf unbestimmte Dauer nicht zum Erfolg führt, weil der Fremde diese in Kauf nimmt, um die Aufenthaltsbeendigung zu vermeiden).
3. Auch die vom Verfassungsgerichtshof und vom Verwaltungsgerichtshof dargelegten Bedenken, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Haftprüfung nach Art6 PersFrSchG für die Beugehaft nach dem VVG nicht erfüllt seien, konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
3.1. Nach Art6 Abs1 PersFrSchG haben Festgenommene und Angehaltene das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit ihre Freilassung angeordnet wird. Diese Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter