TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/3 VGW-042/013/15355/2018

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1
ZustG §37 Abs

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, Zl. ... wegen Übertretung des § 8 Abs. 1 und 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7.03.2019, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen.

III. Die Revision ist unzulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

„Sie haben als Inhaber eines Handelsgewerbes bezüglich der weiteren Betriebsstätte in Wien, C.-Straße zu verantworten, dass Sie als Arbeitgeber entgegen § 8 Abs. 1 und 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, wonach Arbeitgeber/innen und die gemäß § 4 Abs. 5 und 7 beauftragten Personen verpflichtet sind, den Arbeitsinspektionsorganen auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen und Arbeitgeber/innen dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen diese Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln haben, trotz Aufforderungsschreiben vom 02.09.2015 und Aufforderungsschreiben vom 12.10.2015 seitens des Arbeitsinspektorates für den ... Aufsichtsbezirk von 13.11.2015 bis 19.04.2016 Protokolle der Begehung durch den/ die Arbeitsmediziner/in und der Sicherheitsfachkraft und Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (Evaluierung, Mutterschutzevaluierung) nicht den Organen des Arbeitsinspektorates für den ... Aufsichtsbezirk zur Einsichtnahme vorgelegt haben bzw. im Original oder in Kopie übermittelt haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Z 1 lit. d des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 27/1993 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 350,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 21 Stunden gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 lit. d des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 35,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d. s. 10% der Strafe - (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung). Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher € 385,00. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.“

2. In seiner form- und fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel bringt der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund vor, er habe die per E-Mail gesendeten Aufforderungen der Behörde zuvor nicht erhalten. Folglich habe er den Aufforderungen der Behörde gar nicht entsprechen können. Zwischenzeitlich habe er die aufliegenden Arbeitnehmerschutzunterlagen aber übermittelt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme zweier Zeugen zum Beweis für das vorliegende Verschulden.

3. Am 7.3.2019 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsfreund sowie die Zeugin DI D. ladungsgemäß erschienen sind. Das Arbeitsinspektorat war durch Herrn E. vertreten. Der Beschwerdeführer gab an, mit Süßwaren zu handeln und zwei Betriebsstätten im … und … Bezirk zu besitzen, für die er vier Arbeitnehmer insgesamt angestellt habe. Er sei Inhaber der E-Mail-Adresse A.B.@web.de, habe aber die Aufforderung des Arbeitsinspektorates nicht erhalten. Der Beschwerdeführer verneinte die Frage, ob er vor dem September 2015 über E-Mail mit dem Arbeitsinspektorat kommuniziert habe. Woher dann das Arbeitsinspektorat seine E-Mail-Adresse wisse, sei ihm nicht bekannt, im Geschäft lägen allerdings Karten für die Kunden auf, auf denen seine E-Mail-Adresse vermerkt sei. Er könne sich aber nicht erinnern, einem Vertreter des Arbeitsinspektorates so eine Karte gegeben zu haben.

Seine E-Mail-Adresse sei ständig in Verwendung. In der Regel werde sie durch ihn abgerufen, aber es gebe auch einige Leute, die die Zugangsdaten haben, falls sie etwas nachschauen wollen. Er habe nichts eingestellt, was seinen Spamordner betreffe. Allerdings passiere es ihm immer wieder, das Spam im normalen Einlauf aufscheine, während andere Sachen, die nicht dort hingehören, im Spamordner auftauchen.

Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer spätestens mit Erhalt der Strafverfügung gewusst habe, was das Arbeitsinspektorat von ihm verlange, gab er an, er habe zu diesem Zeitpunkt erst gewusst, dass er wegen etwas bestraft werde, von dem er nichts gewusst habe. Die Schreiben habe er auch im Nachhinein nicht in seinem Spamordner gefunden, denn dieser besitze nur eine bestimmte Kapazität und lösche Nachrichten, wenn diese Kapazität überschritten werde bzw. speichere er sie nicht. Er wisse natürlich nicht, ob diese Nachrichten im Spamordner gelandet seien, aber falls sie geschickt worden seien, nehme er dies an, denn er habe sie nicht in seinem E-Mail-Account vorgefunden, obwohl er sie nach Erhalt der Strafverfügung aktiv gesucht habe.

Die Zeugin DI D. gab an, sie habe die Aufforderung zur Vorlage Dokumente nur per E-Mail an den Beschwerdeführer geschickt. Woher sie die
E-Mail-Adresse des Beschwerdeführers habe, wisse sie nicht mehr, aber normalerweise erkundige sie sich danach, wenn sie vor Ort sei. Sie sei Ende August 2015 in der Betriebsstätte in der C.-Straße gewesen und die Dame dort habe ihr die Unterlagen nicht geben können. In solchen Fällen verlange sie einen Stempel oder eine Karte.

Außerdem sei es so, dass die Kanzlei eine Fehlermeldung bekomme, falls die Mail nicht durchgehe und dies würde die Kanzlei gleich mitteilen. Vor der Kontrolle habe sie noch nicht per E-Mail mit der Firma des Beschwerdeführers korrespondiert; sie wisse nicht, ob Kollegen von ihr das getan haben.

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates beantragte die Gewährung einer Frist von vier Wochen, um das Vorhandensein einer allfälligen Empfangs- oder Lesebestätigung für eine der verfahrensgegenständlichen E-Mails recherchieren zu können, sowie zur Vorlage allfälliger Notizen der Zeugin D., welche die Umstände der Kontrolle im August 2015 betreffen.

Mit Schreiben vom 11.3.2019 teilte das Arbeitsinspektorat Wien Zentrum mit, dass die LOG-Daten (E-Mail Verkehr bzw. Anforderung von Unterlagen des Herrn B.) aus dem Jahr 2015 nicht beigebracht werden können, da die diesbezügliche Datenabfrage der LOG-Daten nicht so weit zurückreiche.

Im Zuge der amtsinternen Recherchen sei jedoch festgestellt worden, dass der dem Strafverfahren zugrundeliegende Besuch am 31.8.2015 stattgefunden habe. Da Frau DI D. keine zufriedenstellende Auskunft erhalten habe, zumal die Unterlagen in der Arbeitsstätte nicht vorgelegt worden seien, sei der Beschwerdeführer in weiterer Folge zur Übermittlung der Unterlagen [wie in der Verhandlung festgestellt: ausschließlich per E-Mail] aufgefordert worden.

Weiters hat das Arbeitsinspektorat herausgefunden, dass bereits am 3.7.2013 eine Erhebung in der Arbeitsstätte des Beschwerdeführers in der C.-Straße durchgeführt worden sei. Ergebnis dieser Erhebung sei eine Aufforderung gemäß Arbeitsinspektionsgesetz gewesen, einen dem Gesetz entsprechenden Zustand herzustellen. Diese Aufforderung sei am 15.7.2013 erstellt worden und habe die Geschäftszahl ... aufgewiesen. In weiterer Folge sei dem gegenständlichen Amt eine Mängelbehebung entsprechend dieser Aufforderung per E-Mail von der Adresse A.B.@web.de durch den Beschwerdeführer am 25.11.2013 übermittelt worden. Diese Rückmeldung, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer selbst vom E-Mail-Verkehr von seiner genannten Adresse bereits Gebrauch gemacht habe, liegt der Stellungnahme bei. Bisher sei keine Mitteilung seitens des Beschwerdeführers ergangen, wonach die Zustellung von Schriftstücken ausschließlich per Post gewünscht werde. Die Behauptung, dass die Anforderung von Unterlagen nicht angekommen sei, erwecke daher jeden Anschein einer reinen Schutzbehauptung.

Zu diesem Schreiben nahm der Vertreter des Beschwerdeführers am 25.3.2019 Stellung, in der auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf § 37 Zustellgesetz und § 22 AVG verwies.

4. Das Verwaltungsgericht Wien hat dazu erwogen:

Aufgrund der vorgelegten Beweismittel ist es zwar im hohen Maße wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer die ausschließlich per E-Mail gesendeten Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektorates für den ... Aufsichtsbezirk tatsächlich erhalten und nicht beachtet hat, und dass es sich - wie vom Arbeitsinspektorat vermutet - bei seinen Einwendungen um eine reine Schutzbehauptung handelt.

Allerdings kann diese Feststellung im gegenständlichen Fall nicht ohne vernünftigen Zweifel getroffen werden. Zutreffend verweist der Vertreter des Beschwerdeführers auf § 37 Abs. 1 Zustellgesetz, wonach im Fall von Zustellungen ohne Zustellnachweis über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde diese die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen hat, falls Zweifel darüber bestehen, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist. Knüpft sich an die Zustellung eines behördlichen Auftrages eine Strafdrohung, wenn diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen wird, so genügt es nicht, wenn man mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Zustellung dieses Auftrages ausgehen kann, sondern es wäre die praktische Gewissheit erforderlich, welche in diesem Fall nicht gegeben ist.

Das Verfahren war daher im Zweifel spruchgemäß einzustellen.

5. Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitsinspektorat; Aufforderung; Zustellung; Zustellnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.042.013.15355.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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