TE Vfgh Beschluss 1995/10/11 G301/94

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Veröffentlicht am 11.10.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Sbg JagdG 1993 §102

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Sbg JagdG 1993 betreffend wildernde Hunde und Katzen mangels Darlegung der individuellen Betroffenheit des Einschreiters

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem vorliegenden Individualantrag nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG begehrt der Einschreiter mit näherer Begründung, §102 des (Salzburger) Jagdgesetzes 1993, LGBl. 100, als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Paragraph, der unter der Rubrik "Wildernde Hunde und Katzen" steht, hat folgenden Wortlaut:

"§102

Hunde, die außerhalb der Einwirkung ihres Halters abseits von Häusern, Herden oder öffentlichen Straßen und Wegen jagend angetroffen werden, sowie im Wald herumstreifende Katzen, können vom Jagdausübungsberechtigten getötet werden. Keinesfalls getötet werden dürfen jedoch gekennzeichnete Behinderten-, Dienst-, Rettungs- und Lawinensuchhunde. Der Abschuß eines Hundes ist der jeweiligen Gemeinde zu melden, die, wenn möglich, den Tierhalter zu verständigen hat. Dem Eigentümer derart getöteter Tiere gebührt kein Schadenersatz."

2. Der Antragsteller legt unter den Gegenstandsbezeichnungen "Sachverhalt" und "Ausführungen zur Legitimation" folgendes dar:

Er sei Mitglied der Österreichischen Rettungshunde-Brigade und Halter eines Rottweilers. Das Einsatzgebiet umfasse das gesamte Bundesgebiet; der Schwerpunkt der Aktivität liege im Bundesland Salzburg. Nach §102 JagdG 1993 könnten Hunde vom Jagdausübungsberechtigten getötet werden, wenn diese "außerhalb der Einwirkung ihres Halters abseits von Häusern, Herden oder öffentlichen Straßen und Wegen jagend angetroffen werden". Dem Eigentümer gebühre in diesem Fall kein Schadenersatz. Die rechtmäßige Tötung eines Hundes setze also nicht voraus, daß der Hund Wild reiße; es genüge vielmehr, daß er außerhalb der Einwirkung des Halters angetroffen wird. Gekennzeichnete Behinderten-, Dienst-, Rettungs- und Lawinensuchhunde dürften nach der zitierten Gesetzesstelle allerdings nicht getötet werden. Darin liege eine gewisse legistische Korrektur gegenüber dem Salzburger JagdG 1977. In Wahrheit sei hiedurch jedoch keine sachliche Besserung erreicht worden. Eine wirksame Kennzeichnung von sogenannten Diensthunden sei nämlich nicht möglich.

Er werde durch §102 JagdG 1993 "unmittelbar" im Sinne des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG in seinen Eigentumsrechten verletzt. Die angefochtene Bestimmung wirke im Verhältnis zu ihm unmittelbar. Diese Wirkung sei für ihn "aktuell" bzw. "potentiell", weil er kontinuierlich mit Einsätzen "der geschilderten Art" betraut werde. Die allfällige Erlangung eines Bescheides sei ihm jedenfalls unzumutbar; er könne nicht das Erschießen seines eigenen Hundes provozieren.

3. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung des Individualantrags wegen fehlender Antragsberechtigung begehrt. In diesem Zusammenhang führt die Landesregierung aus, daß §102 JagdG 1993 den Antragsteller lediglich potentiell und nicht aktuell beeinträchtige. Seine Behauptung, er werde als Mitglied der Österreichischen Rettungshunde-Brigade schwerpunktmäßig im Bundesland Salzburg eingesetzt, lasse ein Denkmodell vermuten, weil örtliche und zeitliche Konkretisierung der Einsätze fehlten. Es fehle eine Schilderung der Einsätze, mit denen er "zuletzt betraut wurde". Der Einschreiter lege die individuelle Betroffenheit nicht dar. Aus dem Antrag lasse sich lediglich die Aussage entnehmen, der Antragsteller könne durch gewisse - nicht näher konkretisierte - Einsätze im Bundesland Salzburg nicht das Erschießen des eigenen Hundes provozieren.

II. Dem Verfassungsgerichtshof erscheint der Einwand der Salzburger Landesregierung, der Einschreiter habe seine individuelle Betroffenheit nicht dargelegt, als gerechtfertigt. Der Individualantrag erweist sich aus diesem Grund als unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofs ist es darüberhinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, VfGH 14.6.1994 V84/93).

2. Das Antragsvorbringen läßt jegliche konkrete Sachverhaltsschilderung sowohl in der Richtung vermissen, weshalb der vom Einschreiter eingesetzte Hund aus der Einwirkung durch den Antragsteller als Halter geraten sollte, als auch darüber, weshalb der Hund als "jagend" beurteilt werden könnte. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofs, in dieser Beziehung bloße Vermutungen anzustellen und solcherart gewonnene vermeintliche Ansichten des Antragstellers zur Beurteilung der Antragsvoraussetzungen heranzuziehen. Dem Einschreiter selbst obliegt es darzutun, daß und weshalb ein Einsatz seines Hundes eine Situation herbeiführen kann, die als (wahrscheinlich vorübergehender) Verlust der Einwirkung des Hundehalters zu werten ist, sowie - in einsichtiger Weise - zu schildern, aus welchen Gründen das einsatzbedingte Verhalten des Hundes dahin mißverstanden werden kann, daß das Tier vom Jagdausübungsberechtigten fälschlich - wie es in der Überschrift zu §102 JagdG 1993 heißt - als "wildernder Hund" eingeschätzt wird. Das Erfordernis solcher Darlegungen besteht - wie hiezu abschließend bemerkt sei - auch dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die sonst geschilderte Situation naheliegen sowie wenn der Einschreiter die maßgebende Sachlage in einem früheren Antrag ausreichend dargestellt hat (s. hiezu den aufgrund eines Individualantrages des Einschreiters gefaßten hg. Beschluß G171/92 vom 20. Juni 1994).

2. Der vorliegende Individualantrag war aus diesen Erwägungen zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Jagdrecht, Jagdschutz, Hunde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G301.1994

Dokumentnummer

JFT_10048989_94G00301_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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