TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/16 97/08/0107

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Index

30/02 Finanzausgleich;
41/02 Melderecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMPFG 1994 §6 Abs6;
FAG 1993 §2 Abs2;
MeldeG 1991 §1 Abs6;
SondernotstandshilfeV 1995 §3 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Gemeinde W, vertreten durch Dr. Manfred Moser, Rechtsanwalt in 7033 Pöttsching, Wiener Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 18. Februar 1997, Zl. VIII/1-N-643/1-1997, betreffend Rückersatz von Sondernotstandshilfe (mitbeteiligte Partei:

Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland, 7001 Eisenstadt, Permayerstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Gemeinde Weingraben Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. März 1996 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberpullendorf die beschwerdeführende Gemeinde gemäß § 2 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) und § 6 Abs. 6 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr. 297/1995, sowie § 3 Abs. 5 der Sondernotstandshilfeverordnung zum Ersatz eines Drittels der laut Vorschreibung vom 14. Februar 1996 im Abrechnungszeitraum vom 1. Mai 1995 bis 30. September 1995 aufgelaufenen Kosten der einer namentlich genannten Person ausbezahlten Sondernotstandshilfe in der Höhe von S 5.378,-- verpflichtet. Nach der Begründung dieses Bescheides sei für die Sondernotstandshilfebezieherin keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorhanden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gemeinde Berufung mit der Begründung, daß der Bürgermeister der Gemeinde das Arbeitsmarktservice am 29. August 1995 "über die Vorgangsweise, wie hier Notstandshilfe ungerechtfertigterweise in Anspruch genommen werden würde", informiert und um die Einleitung "eines Ermittlungsverfahrens, das bis zum heutigen Tag nicht durchgeführt wurde", gebeten habe. Die Bezieherin habe mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn "bis 24.8.1995 in Steinberg/Dörfl ..." gewohnt. Am 24. August 1995 sei ein Hauptwohnsitz in der beschwerdeführenden Gemeinde bei ihren Eltern begründet worden. Am 25. August 1995 sei durch die beschwerdeführende Gemeinde lediglich bestätigt worden, daß die Bezieherin in der Gemeinde eine Wohnsitzadresse führe. Der Antrag auf Sondernotstandshilfe sei aber bereits am 14. August 1995 zu einem Zeitpunkt erfolgt, wo die Bezieherin noch in Steinberg/Dörfl ihren Hauptwohnsitz gehabt habe. Dort habe sie auch bereits einen Antrag auf Sondernotstandshilfe eingereicht gehabt. Ihr sei vom dortigen Gemeindeamt eine Tagesmutter zugewiesen worden, was sie abgelehnt und sich daraufhin in der beschwerdeführenden Gemeinde hauptgemeldet habe und in Steinberg abgemeldet worden sei. Sie wohne nach Recherchen der Gemeinde weiterhin in Steinberg bei ihrem Lebensgefährten. Diese Tatsachen seien dem Arbeitsmarktservice bekannt und es sei trotz dieser Mitteilung kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Daher sei die beschwerdeführende Gemeinde der Ansicht, daß zu Unrecht eine Vorschreibung an die Gemeinde erfolgt sei und es sich hier um einen Mißbrauch der Sondernotstandshilfe handeln dürfte.

Dieses Rechtsmittel legte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland dem Landeshauptmann mit einer Stellungnahme vor. In dieser Stellungnahme wird nach Hinweis auf die einschlägigen Rechtsvorschriften ausgeführt, daß die Bezieherin - wie ein Meldezettel der beschwerdeführenden Gemeinde vom 10. Oktober 1983 bestätige - seit ihrer Geburt an der Adresse in der beschwerdeführenden Gemeinde gemeldet sei. Ein anderer Meldezettel betreffend das Kind der Beschwerdeführerin bestätige als ordentlichen Wohnsitz die gleiche Adresse. Am Meldezettel des Sohnes sei als weiterer Wohnsitz Steinberg/Dörfl angeführt. An diese Adresse seien auch die diesbezüglichen Abmeldungen der Bezieherin und ihres Sohnes am 17. August 1995 erfolgt. Am 24. August 1995 sei sodann die Rückmeldung in die beschwerdeführende Gemeinde erfolgt. Auf diesem am 24. August 1995 ausgestellten Meldezettel sei als bisheriger Hauptwohnsitz die Adresse in Steinberg angeführt. Wie dem Antrag auf Sondernotstandshilfe vom 14. August 1995 zu entnehmen sei, sei zu diesem Zeitpunkt die Bezieherin an der genannten Adresse in der beschwerdeführenden Gemeinde gemeldet gewesen. Am Anfallstag (Zuerkennung der Sondernotstandshilfe) sei sie noch in Steinberg gemeldet gewesen. Die Vorschreibung des Kostenersatzes an die beschwerdeführende Gemeinde hätte somit erst ab 1. September 1995 erfolgen dürfen.

Diese Stellungnahme wurde seitens der belangten Behörde am 3. Juni 1996 der beschwerdeführenden Gemeinde mit dem Ersuchen um eine detaillierte schriftliche Gegenäußerung übermittelt, andernfalls aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

Eine Stellungnahme langte seitens der beschwerdeführenden Gemeinde nicht ein.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 1997. In diesem Bescheid wurde der Berufung der beschwerdeführenden Gemeinde teilweise stattgegeben und sie zum Ersatz eines Drittels der vom 1. September bis 30. September 1995 aufgelaufenen Kosten der an die Bezieherin ausbezahlten Sondernotstandshilfe in der Höhe von S 3.841,70 verpflichtet. Abgesehen von einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der einschlägigen Rechtsvorschriften heißt es in der Begründung dieses Bescheides:

"Bei Anwendung dieser Rechtslage auf den vorliegenden Sachverhalt - Auszahlung der Sondernotstandshilfe an ..., die ab 1.9.1995 in der (beschwerdeführenden Gemeinde) ihren Hauptwohnsitz hatte, für den Monat September 1995 in Höhe von täglich S 325,--, das sind monatlich S 9.750,-- zuzüglich 18,2 % gesetzliche Sozialversicherung in Höhe von S 1.775,-- monatlich, somit insgesamt S 11.525,-- : 3 = S 3.841,70 - war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde, daß die belangte Behörde ausschließlich auf die An- bzw. Abmeldung der Sondernotstandshilfebezieherin abgestellt habe, nicht aber auf die tatsächliche Innehabung des Wohnsitzes in der jeweiligen Gemeinde. Auch sei das Verfahren mangelhaft geblieben, zumal die belangte Behörde "entgegen dem Grundsatz der Amtswidrigkeit (gemeint offenbar: Amtswegigkeit) des Ermittlungsverfahrens" nicht alle relevanten Umstände erhoben habe, insbesondere die Innehabung des Wohnsitzes der Sondernotstandshilfebezieherin in der beschwerdeführenden Gemeinde.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Gemäß § 2 Abs. 2 FAG 1993 haben die Gemeinden dem Bund ein Drittel der Kosten der Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeiträge) nach § 39 AlVG 1977 jener Bezieher, die ihren Wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben, zu ersetzen.

Anders als die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, ist der Gemeinde der Einwand, die Sondernotstandshilfebezieherin habe in ihrer Gemeinde nicht ihren ordentlichen Wohnsitz gehabt, im Verfahren nach § 2 Abs. 2 FAG nicht abgeschnitten, zumal nach der genannten Gesetzesvorschrift die Zahlungspflicht einer Gemeinde ausdrücklich davon abhängt, daß im Zeitraum der Gewährung der Sondernotstandshilfe ein Wohnsitz in dieser Gemeinde bestanden hat. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1997, Zl. 97/08/0014, wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die zahlungspflichtige Gemeinde im Rahmen des Verfahrens nach dem FAG keine Einwendungen in der Richtung erheben kann, daß jeweils die Vollziehung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Einwendung, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FAG lägen im vorliegenden Fall nicht vor, betrifft jedoch keine Einwendung aus dem ordnungsgemäßen Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes bei Zuerkennung der Sondernotstandshilfe, sondern eine Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 FAG selbst.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat in ihrer Berufung vom 27. März 1996 ausdrücklich vorgetragen, daß die Sondernotstandshilfebezieherin nach den Recherchen der Gemeinde weiterhin bei ihrem Lebensgefährten in einer anderen Gemeinde wohne. Die belangte Behörde ist auf dieses Berufungsvorbringen in der Begründung ihres Bescheides mit keinem Wort eingegangen, sondern hat sich ausschließlich auf die Daten der Meldebestätigungen gestützt. Dazu bringt die belangte Behörde in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift ergänzend vor, daß § 2 Abs. 2 FAG "auf den Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 des Meldegesetzes und nicht auf einen "tatsächlichen Wohnsitz" - offenbar ist der tatsächliche Aufenthalt gemeint - abstellt". Aus dem von der beschwerdeführenden Gemeinde am 24. August 1995 ausgestellten Meldezettel ergebe sich ein Hauptwohnsitz in der beschwerdeführenden Gemeinde ab 24. August 1995 unter Aufgabe des bis dahin bestehenden Hauptwohnsitzes in der Gemeinde Steinberg. Damit sei dieser Hauptwohnsitz insoferne auch als Wohnsitz der Leistungsbezieherin zu beurteilen, als diese in der am 24. August 1995 erfolgten Anmeldung in der Gemeinde Weingraben bezüglich allfälliger weiterer Wohnsitze keine Meldung erstattet habe.

Damit verkennt die belangte Behörde im Ergebnis die Rechtslage:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Auffassung der belangten Behörde, daß die Verwendung des Begriffes des "Wohnsitzes" in § 2 Abs. 2 des FAG 1993 (sowie in den anderen bezughabenden Bestimmungen der Sondernotstandshilfeverordnung und des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes) jenen Begriff des Wohnsitzes meint, der in § 1 Abs. 6 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9, definiert ist. Danach ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof stimmt auch mit der belangten Behörde - sollten deren diesbezügliche Ausführungen so zu verstehen sein - insoweit überein, als sie grundsätzlich berechtigt ist, die im Meldezettel aufscheinenden Daten über den Wohnsitz ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Ergeben sich aber daraus mehrere Wohnsitze im Sinne des § 1 Abs. 6 des Meldegesetzes, so sind nicht etwa alle Gemeinden, in denen (urkundlich) ein Wohnsitz der Leistungsbezieherin besteht, zum Kostenersatz verpflichtet, sondern jeweils nur jene Gemeinde, in der die Leistungsbezieherin ihren Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991) hat.

Dies gilt aber auch dann, wenn nach den Meldeunterlagen zwar ein (Haupt)Wohnsitz besteht, die betroffene Gemeinde aber - wie hier - ausdrücklich vorbringt, daß die Sondernotstandshilfebezieherin in Wahrheit an einer anderen Adresse wohnt. Wenn solcherart Zweifel an der Richtigkeit der Meldeunterlagen konkretisiert werden, ist die Behörde verpflichtet, den tatsächlichen Sachverhalt zu ermitteln.

Da die beschwerdeführende Gemeinde schon in ihrer Berufung ein hinreichend konkretisiertes Vorbringen erstattet hat, welches Grundlage für weitere Ermittlungsschritte der belangten Behörde sein konnte, hätte die belangte Behörde diese Ermittlungsschritte setzen und den tatsächlichen Sachverhalt in der Begründung des angefochtenen Bescheides feststellen müssen.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die mitbeteiligte Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland hat kein Kostenbegehren gestellt. Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Gemeinde auf Ersatz von S 390,-- Barauslagen für Stempelgebühren war abzuweisen, weil sie als Gebietskörperschaft im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 1 Z. 2 des Gebührengesetzes von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997080107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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