TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W222 2130752-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W222 2130752-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinem Antrag wurde der Beschwerdeführer am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, am XXXX in Logar, Afghanistan geboren zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Er habe in XXXX gelebt und sechs Jahre die Grundschule besucht. Zuletzt sei er als Verkäufer tätig gewesen. Der Beschwerdeführer habe vor ungefähr eineinhalb Monaten Afghanistan illegal zu Fuß Richtung Iran verlassen. Seine Mutter, seine beiden Brüder und seine Schwester seien in Afghanistan aufhältig. Die Familie besitze Grundstücke im Ausmaß von vier Jirib und werde vom Onkel mütterlicherseits versorgt. Zum Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, er habe Afghanistan aufgrund der dort herrschenden schlechten Lebensumstände verlassen. Sein Vater sei verstorben und es gebe in Afghanistan keine Arbeit für den Beschwerdeführer. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban.

In weiterer Folge veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Handwurzelröntgen der linken Hand zur Bestimmung des Knochenalters und Tatsachenfeststellung bezüglich der angegebenen Minderjährigkeit. Anhand des Röntgenergebnisses: Schmeling 4, GP 31 konnte nicht zweifelsfrei von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden, weshalb im Anschluss eine Volljährigkeitsbeurteilung durchgeführt wurde und anhand dieser der XXXX als fiktives Geburtsdatum errechnet und für das gegenständliche Verfahren herangezogen wurde. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung mit 18,15 Jahren bereits volljährig war.

Im Zuge der mündlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand an, er sei gesund, stehe in keiner ärztlichen Behandlung und nehme keine Medikamente. Der Beschwerdeführer sei noch nie im Besitz von Dokumenten gewesen, die seine Identität bestätigten. Das festgestellte Geburtsdatum nehme er zur Kenntnis. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, sei sunnitischer Moslem und habe sechs Jahre die Schule in Logar besucht. Der Beschwerdeführer habe keine Berufsausbildung; er habe nur zwei Monate bei einem XXXX gearbeitet. Er sei weder verheiratet, noch lebe er in einer eheähnlichen Beziehung. Sein Vater sei zehn Tage vor der Ausreise des Beschwerdeführers verstorben. Seine Mutter und seine Geschwister würden bei einem Onkel väterlicherseits wohnen. Das in Baghlan gelegene Grundstück werde vermietet. Weiters wohne ein Onkel mütterlicherseits, der die Ausreise des Beschwerdeführers finanziert habe, in Logar. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seiner Familie. Zu seinem Fluchtgrund, seiner Rückkehrsituation, dem Leben in Afghanistan und Österreich gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

„[…]

VP: In Afghanistan, in Logar haben wir einen Nachbarn gehabt, welcher eine Tochter in meinem Alter hat. Wir liebten uns und haben uns manchmal getroffen, es war sehr lustig. Bei der Hochzeit Ihres Bruders sind viele Leute gekommen. Auch meine Familie war dort anwesend. Wir hatten die Gelegenheit genutzt und haben uns bei mir zuhause getroffen und miteinander geschlafen. Dann kamen drei Frauen und erwischten uns. Mein Vater und andere sind dann auch aufgetaucht und haben davon erfahren. Mein Vater war sehr böse auf mich und auch verzweifelt, dass ich deswegen getötet werde. Er sagte zu meinem Onkel mütterlicherseits er solle mir helfen von dort weg zu kommen. Dieser brachte mich zu einem seiner Freunde, wo ich übernachtet habe. Nach ein paar Tagen wollte ich wieder nachhause. Mein Onkel meinte, dass dies nicht möglich wäre, da das Mädchen von den Taliban getötet wurde und dass man mich auch töten würde. Von meinem Vater hat er mir nichts erzählt, aber dieser wurde auch getötet.

LA: Warum haben Sie dies in der Erstbefragung nicht geschildert?

VP: Ich wurde nicht gefragt

Anm: Dem AW wird die Erstbefragung zu Punkt 11 (Fluchtgrund) nochmals übersetzt. Nehmen Sie bitte dazu Stellung

VP: Niemand hat mich gefragt.

LA: Wie hieß der Nachbar?

VP: Er heißt […]. Er ist der Cousin meines Vaters.

LA: Wie hieß seine Tochter?

VP: Sie hieß […] und war ein Jahr älter als ich.

LA: Wann fand die Hochzeit des Bruders von […] statt?

VP: Zwölf oder dreizehn Tage vor meiner Ausreise.

LA: Wo fand diese statt?

VP: In Logar

LA: Wie viele Leute waren dort anwesend?

VP: Es waren sehr viele, ich kann aber keine Zahl nennen. Es ist so, dass alle Dorfbewohner teilnehmen können.

LA: Warum haben sie und […] an der Hochzeit nicht teilgenommen. Es war doch die Hochzeit Ihres Bruders?

VP: Ich blieb zuhause. Sie kam vorbei um etwas zu holen und ist dann wieder zurückgekommen.

LA: Wer waren die drei Frauen, die Sie und […] erwischt haben?

VP: Eine war Ihre XXXX , die andere war XXXX und eine XXXX .

LA: Was wollten die drei Frauen bei Ihnen zuhause?

VP: Sie wollten etwas holen.

LA: Wer hat Ihren Vater verständigt?

VP: Die drei Frauen fingen an zu schreien und dann kamen alle zu uns. Mein Onkel väterlicherseits hat mich geschlagen. Mein Onkel mütterlicherseits und mein Vater planten sofort meine Wegweisung.

LA: Wie hat der Vater von […] reagiert?

VP: Er hat nichts mitbekommen.

LA: Wie haben die Taliban davon erfahren?

VP: Nachdem ich weg war, hat der Vater von […] es auch erfahren. Mein Vater ist zu ihm gegangen und meinte wir sollen heiraten. Dieser meinte jedoch, es wäre zu spät und ich hätte Schande über sie gebracht. Er hat dann auch die Taliban verständigt.

LA: Wollen Sie mir sagen, dass der Vater einverstanden damit war, dass die Taliban seine Tochter töten?

VP: Ja

LA: Warum haben Sie Ihre Liebe nicht zuvor offiziell bekannt gegeben?

VP: Es war ein Fehler, aber das passiert wenn man jung ist.

LA: Es muss doch einen Grund gehabt haben, warum Sie Ihre Liebe anfangs geheim hielten?

VP: Wir wollten auch heiraten, aber wir waren dumm und haben vorher miteinander geschlafen.

LA: Hätte Ihre Familie und die Familie Ihrer Freundin mit dieser Beziehung Probleme gehabt?

VP: Nein, das glaube ich nicht. Aber wir haben einen Fehler gemacht und miteinander geschlafen.

LA: Wenn Sie gewusst haben, welche Konsequenzen das hatte, warum haben Sie es dann getan?

VP: Es war ein Fehler.

LA: Gibt es Beweise dafür, dass […] tatsächlich getötet wurde?

VP: Nein, nur mein Onkel hat es mir erzählt.

LA: Wie ist Ihr Vater verstorben?

VP: Als ich in Österreich war, rief ich meinen Onkel mütterlicherseits an um ihn um Geld zu bitten. Mein Onkel väterlicherseits hat meine Nummer von meinem anderen Onkel genommen, mich angerufen und mich beleidigt. Er hat mir auch erzählt, dass mein Vater tot sei. Konkreter sagte er, dass nachdem die Taliban das Mädchen töteten, diese zu meinem Vater gingen und von ihm verlangten, dass er mich aushändige. Die Taliban und auch die Familie von […] vermuteten, dass mein Vater mich irgendwo versteckt hält und es kam zum Streit. Im Zuge der Auseinandersetzung wurde mein Vater getötet. Einer der Familie hat meinen Vater erschossen.

LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ja, ich habe alles vorgebracht.

LA: Mir fällt auf, dass Sie sehr emotionslos über die Tötung Ihrer Freundin und Ihres Vaters reagieren. Nehmen Sie bitte dazu Stellung!

VP: Es ist mir nicht egal, aber was soll ich machen.

LA: Warum sind Sie nicht in einen anderen Teil des Landes geflüchtet zB nach Kabul, Herat, Mazar-e-Sharif?

VP: Sie hätten mich überall in Afghanistan gefunden, damit meine ich die Familie von […]. Ich habe auch Angst, dass mich die Familie hier in Österreich findet. Deshalb habe ich keinen Kontakt zur Familie.

LA: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

VP: Sie werden mich aus Rache töten.

[…]

VP: Wirtschaftlich ging es uns gut, wir hatten Grundstücke und mein Vater hatte auch XXXX . Sonst kann ich nichts mehr hinzufügen.

[…]

LA: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

VP: Ja

LA: Können Sie Gründe vorbringen, die gegen eine Ausweisung aus Österreich sprechen? Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für Ihre Integration in Österreich sprechen?

VP: Momentan habe ich nichts. Ich besuche einmal in der Woche einen Deutschkurs, eine Arbeit habe ich jedoch nicht. Ich kann für den Deutschunterricht ein Schreiben von […] aus […] vorlegen.

LA: Haben Sie Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich? Wie oft sehen Sie diese?

VP: Nein.

LA: In welchen Vereinen oder Organisationen sind und waren Sie Mitglied in Österreich?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Nein. Ich habe alles gesagt und ich habe auch keine Einwände.

[…]“

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erfülle in keiner Weise die für das Asylverfahren nötigen Glaubwürdigkeitskriterien. Der Beschwerdeführer habe nur emotionslose Behauptungen in den Raum gestellt, ohne diese zu belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft zu machen. Die von ihm präsentierte „Fluchtgeschichte“ sei zu „blass“, wenig detailreich und zu oberflächlich und daher als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gehe daher davon aus, dass die in der Erstbefragung geschilderten Fluchtgründe des Beschwerdeführers, wonach er wegen den schlechten Lebensumstände bzw. wegen der fehlenden Arbeit Afghanistan verlassen habe, der Wahrheit entsprechen. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen habe vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden können. Im Falle seiner Rückkehr müsse der Beschwerdeführer nicht um sein Leben fürchten. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen volljährigen, gesunden und jungen Mann, der bei der Rückkehr zumindest mit Gelegenheitsjobs seinen Unterhalt bestreiten und seine Familie dabei auch finanziell unterstützen könne. Ebenso hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zu leben. Eine Rückkehrentscheidung sei zudem gerechtfertigt, zumal der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe, die deutsche Sprache nicht beherrsche, nicht selbsterhaltungsfähig sei, seine Bindungen zum Heimatstaat wesentlich stärker seien als zu Österreich, besondere Integrationsbemühungen nicht ersichtlich seien, die Einreise ins Bundesgebiet unrechtmäßig erfolgt sei und der Aufenthalt ausschließlich aufgrund des laufenden Asylverfahrens legalisiert worden sei. Infolgedessen wurde eine Abschiebung nach Afghanistan als zulässig betrachtet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am XXXX Beschwerde in vollem Umfang und rügte die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit. Dabei brachte er nach Darstellung des Sachverhaltes zusammengefasst vor, da die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht gewillt bzw. nicht in er Lage seien, dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz vor Verfolgung zu bieten, und der Beschwerdeführer gefürchtet habe, als Nächster von den Taliban umgebracht zu werden, sei er aus Afghanistan geflüchtet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stütze seine Feststellungen zur Situation in Afghanistan auf unvollständige (teilweise veraltete) Länderberichte; für den konkreten Fall würden insbesondere relevante Berichte zur Effektivität der afghanischen Sicherheitsbehörden und zur Lage von Personen, die vorehelichen Geschlechtsverkehr hatten, fehlen. Weiters stütze sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde primär auf eine vermeintliche Steigerung bzw. Abweichungen im Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und Einvernahme. Diese Argumentationsweise sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe bereits in der Erstbefragung angegeben, Angst vor den Taliban zu haben. Außerdem dürften Asylbehörden ihre Entscheidungen nicht vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme stützen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einer Rückkehr weitere Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer geben werde. Für den Beschwerdeführer bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, zumal gerade bei einer Verfolgung durch Angehörige der Taliban davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im gesamten afghanischen Staatsgebiet ausfindig gemacht werden könne. Als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland sei der Beschwerdeführer zudem als besonders vulnerabel anzusehen. Weiters sei die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan dermaßen prekär, dass im Falle seiner Rückkehr jedenfalls eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK drohe. Betreffend seine Integration in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, er besuche bereits einen Deutschkurs.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , GZ XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, durch Vorlage einer Kopie des RSa-Briefes habe der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen können, dass das Schriftstück erst ab XXXX hinterlegt worden sei.

Am XXXX reichte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB nach.

Am XXXX wurde die Verständigung von der Verhängung der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers wegen § 28a Abs. 1 SMG nachgereicht. Mit Eingabe vom XXXX übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Urteil vom Landesgericht für Strafsachen Graz vom XXXX .

Am XXXX wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Beschluss über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Freiheitsstrafe übermittelt.

Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Rahmen welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und zu seinen Lebensumständen in Österreich sowie in Afghanistan befragt wurde. Zudem brachte er eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs A2.1, eine Stellungnahme der Bewährungshilfe Neustart sowie eine vom Beschwerdeführer selbst verfasste Sachverhaltsdarstellung in deutscher Sprache in Vorlage.

Am selben Tag ersuchte das erkennende Gericht das Landesgericht für Strafsachen Graz um Übermittlung des vorläufigen Urteils vom XXXX .

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er ist ledig sowie kinderlos und seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Logar, wo er von Geburt an bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern, seinen zwei Brüdern und seiner Schwester im Dorf XXXX gemeinsam gelebt hat. Sein Vater hat den Lebensunterhalt der Familie bestritten, indem er von XXXX die Ernte gekauft und diese anschließend weiterverkauft hat. Zudem ist die Familie im Besitz eines landwirtschaftlichen Grundstücks in Baghlan, das von einem Landarbeiter bewirtschaftet wird und als zusätzliche Einnahmequelle dient. Ob die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in der Provinz Logar lebt oder nach Baghlan gezogen ist, kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer hat sechs Jahre die Grundschule besucht und anschließend ungefähr zwei bis zweieinhalb Monate als Gehilfe XXXX gearbeitet.

In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers lebt sein Onkel mütterlicherseits, welcher im Besitz von Grundstücken in Logar, Baghlan sowie Kabul ist. Er lebt von der Landwirtschaft und seine finanzielle Lage ist gut. Die Ausreise des Beschwerdeführers wurde außerdem von diesem Onkel finanziell unterstützt. Weiters verfügt der Beschwerdeführer über einen Onkel väterlicherseits in Baghlan.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit und ist arbeitsfähig.

m Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht, er hat sich jedoch einen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut. Seinem Freundeskreis gehören auch österreichische Staatsangehörige an. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer an zwei Deutschkursen teilgenommen, zuletzt auf dem Sprachniveau A2.1. Er hat bisher noch keine Sprachprüfung absolviert. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Abgesehen von XXXX in der Asylunterkunft in Traiskirchen in der Dauer von drei Monaten ist der Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen oder hat sich ehrenamtlich betätigt. Er ist kein Mitglied in einem Verein.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft bedingt entlassen. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom XXXX wurde unter Bedachtnahme auf das zuvor ergangene Urteil vom XXXX eine Zusatzstrafe von 22 Monaten verhängt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilung lag das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zugrunde.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer aus den von ihm genannten Grund Afghanistan verlassen hat.

Der Beschwerdeführer ist von den allgemeinen Sicherheitsmängeln in Afghanistan individuell nicht in höherem Maße betroffen, als andere dort aufhältige Personen. Der Beschwerdeführer hätte im Fall einer Rückkehr in die Provinz Logar aufgrund der dort auftretenden Sicherheitsprobleme mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben zu rechnen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren und sich in Mazar-e Sharif oder Herat niederzulassen. Er hat bislang zwar in keiner der genannten Städte gelebt und verfügt dort über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Existenz könnte er dort – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten ohne Unterstützung seiner Familie sichern. Er ist auch in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer kann in den genannten Regionen und Metropolen aus Eigenem seine Existenz sichern und sein Leben neu aufbauen. Der Beschwerdeführer ist in einer afghanischen Familie in der Provinz Logar aufgewachsen und sozialisiert worden und ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Ebenso ist eine finanzielle Unterstützung durch seine Familie, insbesondere seinen Onkel mütterlicherseits, nicht ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Tatsache, dass er in Europa über einen bestimmten Zeitraum hinweg Aufenthalt fand, keiner Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) – bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) – mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als “Marionette“ des Westens betrachten – auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

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Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle – eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle – ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet – 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):

Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) – dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl – Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) – 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019)) * 2019: Erste drei Quartale 2019 (1.1.-30.9.2019)

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahresw

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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