Entscheidungsdatum
12.08.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W127 2201501-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Lorenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberichtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, ist illegal in Österreich eingereist und hat am 09.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 21.04.2017 legte der Beschwerdeführer seinen Taufschein – Taufe am 17.04.2018 – vor (römisch-katholische Kirche).
In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.02.2018 wurde der Beschwerdeführer unter anderem zu seinem Glaubenswechsel befragt.
In der Folge legte der Beschwerdeführer mehrere Dokumente zu seiner Integration sowie Empfehlungsschreiben vor und beantragte die Zeugeneinvernahme des für seine Kirchengemeinde zuständigen Pfarrers als Beweis dafür, dass er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstadt Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei, und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid zur Gänze angefochten.
Am 05.08.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, zu welcher das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinen Vertreter entsandte. In der Verhandlung wurden der Beschwerdeführer sowie Zeugen zum Glaubenswechsel des Beschwerdeführers befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger und hat am 09.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer bekannte sich früher zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer wurde am 17.04.2017 getauft und in die römisch-katholische Kirche aufgenommen.
Er ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes geworden. Er befindet sich in einem aufrechten Lehrverhältnis.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christ konvertiert ist und er nicht bereit ist, seinen christlichen Glauben – insbesondere in islamischer Umgebung – zu verleugnen.
Zu der Gruppe der Christen und dem Thema Konversion zum Christentum in Afghanistan wird basierend auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, zuletzt aktualisiert 29.06.2020, sowie u.a. den Berichten von UNHCR, USDOS und USCIRF Folgendes festgestellt:
Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).
Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).
Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).
Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).
Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).
2. Beweiswürdigung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben, insbesondere waren das für glaubwürdig erachtete Vorbringen des Beschwerdeführers einschließlich der vorgelegten Dokumente sowie die Aussagen der Zeugen ausschlaggebend. In der Beschwerdeverhandlung vermochten der Beschwerdeführer und die zu diesem Beweisthema einvernommenen Zeugen zu überzeugen, dass der Beschwerdeführer sich seit dem Jahr 2016 mit dem christlichen Glauben beschäftigt, Bibelkurse und den Taufunterricht besucht hat und an den Gottesdiensten teilnahm und teilnimmt. Auch nach der Taufe ist der Beschwerdeführer weiterhin ein aktives Mitglied seiner Gemeinde.
Der Beschwerdeführer war im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung in der Lage, die für ihn wesentlichen Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum sowie die Beweggründe für seine Konversion darzutun. Er vermittelte nicht nur ein großes Wissen über seinen neuen Glauben, sondern zeigte auch auf, dass er diesen Glauben verinnerlicht und in sein Alltagsleben eingebaut hat. Er hat glaubhaft dargelegt, dass er aus freier persönlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert ist. Der Beschwerdeführer ist bereits während des Asylverfahrens konvertiert. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist – ohne Befragung des beantragten Zeugen – zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um eine „Scgheinkonversion“ handle, da der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung im November 2015 sein Interesse am Christentum nicht erwähnt habe und sowohl bei der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme angegeben habe, Moslem zu sein. Die Konversion habe er erst nach Rücksprache mit seiner Vertrauensperson angegeben. Trotz dieser Ungereimtheiten sind im Beschwerdeverfahren letztendlich keine darüberhinausgehenden Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion zum christlichen Glauben bloß als asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre. Der Beschwerdeführer konnte letztendlich überzeugen, dass er wirklich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertierte. Maßgeblich für diese Feststellung waren letztendlich neben den Ausführungen des Beschwerdeführers die Aussagen der unter Wahrheitspflicht aussagenden Zeugen. Diese kennen den Beschwerdeführer bereits seit mehreren Jahren und begleiteten ihn auf dem Weg zu seiner Konversion zum Christentum. Nach deren Ausführungen nimmt der Beschwerdeführer auch nach seiner Taufe regelmäßig an Gottesveranstaltungen und Bibelkursen teil, engagiert sich bei kirchlichen Feierlichkeiten und feiert die christlichen Kirchenfeste.
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603).
Der Beschwerdeführer ist spätestens mit der Taufe auch für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben konvertiert. Aus seinen Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geht hervor, dass er sich mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat. Er hat zentrale Grundaussagen des Christentums verinnerlicht. Er hat seine Familie in Afghanistan von seinem Glaubenswechsel informiert, es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Tatsache der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum über das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers hinaus bekannt geworden ist bzw. bekannt wird. Es besteht daher kein Grund, insgesamt an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Konversion zum Christentum zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichter-zuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz, BGBl I Nr. 33/2013 idgF - VwGVG).
Zu Spruchteil A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinaus gehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldeten Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu beweisen (VwGH 12.06.2003, 2000/20/0100).
Gemäß Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG (Status-Richtlinie) kann unbegründete Furcht vor Verfolgung oder die Tatsache, Gefahr oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.
Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Es ist bei einer Konversion zum Christentum vielmehr entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).
Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertieren Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit christlicher Überzeugung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich aufgrund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers vor. Aufgrund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die wohlbegründete Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe staatlicher Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W127.2201501.1.00Im RIS seit
01.12.2020Zuletzt aktualisiert am
01.12.2020