TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 W154 2233921-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch

W154 2233921-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: 1064810102/200297081 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste unbestimmten Datums ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.08.2013 zur Zahl 13 11.484-BAT wurde sein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ebenfalls nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria verfügt (Spruchpunkt III.).

Am 09.05.2014 wurden der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien, zur GZ 061 Hv 55/2014z, wegen des Vergehens nach § 15 StGB, §§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und 27 Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.08.2013 Zl. 13 11.484- erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 28.10.2015, GZ I408 1437487-1/9E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet ab und verwies das Verfahren gemäß § 75 Abs 20 AsylG hinsichtlich Spruchpunkt III. zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurück.

Am 11.04.2016 wurden der BF vom Bezirksgericht Leopoldstadt, GZ 082 U 11/2016z wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.12.2017 zur Zahl 831148410/1702038 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Es wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde dem BF keine Frist zur freiwilligen Ausreise erteilt (Spruchpunkt IV.) und gegen ihn ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren verhängt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Mit Berichtigungsbescheid vom 02.01.2018 stellte die erkennende Behörde die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung richtig.

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.02.2018, Zl. I414 1437487-2/3E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Eine 'Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt." Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wurde mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, GZ 043 Hv 37/2018a vom 18.08.2016 wurde die VP wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 16 (sechzehn) Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, GZ 043 Hv 37/2018a vom 28.06.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1, achter Fall, Absatz 3 SMG, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15. 83 Abs 1 und 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Am 17.09.2018 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft in der JA Leoben schriftlich einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. (Spruchpunkt I.)

Dagegen erhob der BF neuerlich durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2018, Zl. I415 1437487-3, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine Revision wurde gem. Art. 133 Abs 4 B-VG als nicht zulässig erklärt.

Mit Schreiben vom 11.01.2019 (zugestellt am 14.01.2019) wurde dem BF die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und somit Parteiengehör gewährt. Der BF hatte die Möglichkeit zur beabsichtigten Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides gemäß § 76 FPG innerhalb von zehn Tagen Stellung zu nehmen. Dieser Möglichkeit kam der BF innerhalb der Frist nicht nach.

Am 26.03.2019 wurde dem BF ein Ersatzreisedokument von der nigerianischen Botschaft für die Ausreise aus Österreich ausgestellt.

Mit Bescheid des BFA vom 16.04.2020, Zl. 831148410/190034047, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Rechtsfolgen des Bescheides sollten nach Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

„B) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht fest.

Sie sind volljährig, ledig und sorgepflichtig für zwei Kinder.

Sie sind Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Sie bekennen sich zum christlichen Glauben.

Sie sind der englischen Sprache mächtig.

Sie sind im arbeitsfähigen Alter.

Sie sind im Bundesgebiet massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Sie verfügen über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet.

Sie sind mittellos und können sich im Bundesgebiet nicht selbst erhalten.

Derzeit verbüßen Sie eine Haftstrafe in der Justizanstalt Leoben.

Dass sie gesund sind, ist aus Ihrer Haftfähigkeit gegeben.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem für die Dauer von 5 (fünf) Jahren befristetem Einreiseverbot.

Sie sind ohne Beschäftigung und verfügen im Bundesgebiet über keine Kranken - oder Sozialversicherung.

Sie verfügen über keine ausreichenden finanziellen Mittel um Ihren Unterhalt im Bundesgebiet zu sichern.

Sie sind in Österreich weder sozial, wirtschaftlich oder persönlich integriert.

Sie reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten letztlich unbegründete Anträge auf internationalen Schutz.

Sie wurden im Bundesgebiet von inländischen Gerichten vier Mal rechtskräftig verurteilt.

Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen und Ihrer hohen Unzuverlässigkeit werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten einen letztlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen vier rechtskräftige Verurteilungen auf:

1. LG F.STRAFS.WIEN 061 HV 55/2014z vom 09.05.2014 RK 09.05.2014

§ 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

2. BG LEOPOLDSTADT 028 U 11/2016z vom 11.04.2016 RK 14.04.2016

§ 27 (1) Z 1 2. 8. Fall SMG

Freiheitsstrafe 4 Monate

3. LG F.STRAFS.WIEN 043 HV 26/2016f vom 18.08.2016 RK 18.08.2016

§ 27 (1) Z 1 8. Fall u (3) SMG

Freiheitsstrafe 16 Monate

4) LG F.STRAFS.WIEN 043 HV 37/2018a vom 28.06.2018 RK 03.07.2018

§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall SMG

§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB

§ 27 (1) 8. Fall (3) SMG

§ 15 StGB §§ 83 (1), 84 (2) StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

Sie gingen bis dato keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach.

Sie lebten vor Ihrer letzten Verurteilung im Untergrund

Sie haben sich nicht zuletzt aufgrund Ihrer rechtskräftigen Verurteilungen als höchst unzuverlässig erwiesen. Sie sind nicht willens oder in der Lage die österreichische Rechtsordnung zu respektieren.

Ihr gesamter Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet ist durch Ihre strafrechtliche Delinquenz geprägt.

Sie erwiesen sich als vehement ausreiseunwillig und gaben dies auch mehrmals zu Protokoll.

Im Lichte Ihres Gesamtverhaltens ist begründet davon auszugehen, dass Sie sich weiteren behördlichen Maßnahmen, auf freiem Fuße belassen, entziehen würden.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie sind zu keiner Zeit einer legalen Beschäftigung nachgegangen und sind nicht krankenversichert.

Sie verfügen über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich besteht.

Es sind somit keinerlei Hinweise auf die vorliegende Fluchtgefahr ausschließende Anbindungen hervorgekommen.

C)       Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 831148410, dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien Zl 061 Hv 55/2014z vom 09.05.2014, dem Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt ZI. 028 U 11/2016z vom 11.04.2016, dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ZI: 043 Hv26/2016f vom 18.08.2016, dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.06.2018, die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015 GZ I408 1437487-1/9E und vom 28.02.2018 zur GZ I414 1437487-2/3E, sowie den aktuelle Registerabfragen (ZMR, IZR,…).

Eine geplante aktuelle Einvernahme und Anhörung konnte aufgrund der aktuellen Situation betreffend Covid-19 nicht durchgeführt werden.

Eine im Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann saniert werden, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens im Bescheid vollständig wiedergegeben werden. (vgl. VwGH 24.10.2017. ZI Ra 2016/06/0104; vgl. zuletzt auch BVwG G303 2214572-2/3E zu einem gleichgelagerten Sachverhalt)

Des Weiteren wurden Ihnen bereits mit Schreiben vom 11.01.2019 (nachweislich zugestellt am 14.01.2019) das gesetzlich normierte Parteiengehör eingeräumt und Ihnen die beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zur Kenntnis gebracht sowie Ihnen die Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von 10 (zehn) Tagen ab Zustellung dieses Schreibens eine sachverhaltsbezogene Stellungnahme abzugeben.

Es wäre Ihnen jederzeit möglich gewesen, während Ihrer Haftzeit, eine Stellungnahme bei der erkennenden Behörde einzubringen. Wie sich aus den im Bescheid dargestellten Feststellungen ergibt, stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest.

D)       Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen.

Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt gemäß § 76 Abs. 5 FPG die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen, dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gem. § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die Schubhaft dient der Sicherung der angeführten Verfahren bzw. der Sicherung der Abschiebung. Zur Prüfung der Fluchtgefahr ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.2.2007, 2006/21/0311). Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06). In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen eines aufrechten Einreiseverbots, eines aufrechten Aufenthaltsverbots oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.       es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen zur Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

?        Sie sind im Bundesgebiet weder sozial noch beruflich fest verankert.

?        Sie haben weder Familienangehörige noch sonstige Angehörige in Österreich.

?        Sie sind nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

?        Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig und massiv auf soziale Unterstützung angewiesen.

?        Auf Grund ihrer mehrmaligen Straffälligkeit kann (4 rechtskräftige Verurteilungen wegen einschlägiger SMG-Delinquenz, rascher Rückfall, Begehung innerhalb offener Probezeit) ist Ihre Gleichgültigkeit bzw. Ihre Ablehnung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung klar dokumentiert und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründet, dass Sie auch künftig eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen werden und somit eine latente Fluchtgefahr besteht.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Wie bereits ausführlich dargelegt haben Sie durch die Begehung der angeführten strafrechtlichen Delikte eindeutig Ihre negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung dokumentiert.

Sie haben durch Ihr bisheriges Verhalten und Ihren Lebenswandel in Österreich unter Beweis gestellt, dass jedenfalls begründet davon auszugehen ist, dass Sie sich weiteren behördlichen Maßnahmen zu Ihrer Außerlandesbringung auf freiem Fuße belassen entziehen würden. Des Weiteren muss die Behörde im Lichte Ihres Gesamtverhaltens begründet davon ausgehen, dass Sie nach Haftentlassung begründet auf Ihre Suchtmittel – Delinquenz erneut rückfällig werden.

Sie verfügen über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet.

Sie weisen kein soziales Umfeld und keine familiären Anbindungen in Österreich auf.

Sie gaben auch bei Ihrer mündlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.10.2018 zu Protokoll, dass Sie keine familiären oder familienähnlichen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet haben.

Ihr gesamter bisheriger Aufenthalt ist durch Ihre strafrechtliche Delinquenz geprägt. Sie haben sich zudem als höchst mobil erwiesen und waren auch in der Lage im Untergrund zu leben.

Gegen Sie liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm einem für die Dauer auf 5 (fünf) Jahre befristetem Einreiseverbot vor.

Aufgrund der in Ihrem Fall begründet anzunehmenden hohen Fluchtgefahr ist die Entscheidung erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens - vier rechtskräftige Verurteilungen von österreichischen Gerichten - als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie missachteten massiv die österreichische Rechtsordnung, indem Sie die bereits genannten strafrechtlichen Delikte im österreichischen Bundesgebiet begangen haben. Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden, da sie sich als höchst unzuverlässig erwiesen haben.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiteres aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.“

Am 21.04.2020 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und in die Schubhaft überstellt.

Die Verwaltungsbehörde legte mit Schriftsatz vom 11.08.2020 die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Schubhaft vor und führte in ihrer Stellungnahme nach Darlegung des Sachverhaltes unter anderem aus:

„Am 26.03.2019 wurde der VP ein Ersatzreisedokument für die Rückreise von der nigerianischen Botschaft ausgestellt.

Sobald ein Flug nach Nigeria möglich ist (CoV-19 Situation) wird die VP in ihr Heimatland abgeschoben.

Schubhaftbegründung:

Die VP ist nicht gewillt, nach Nigeria auszureisen und besteht die Gefahr, dass sie sich dem Verfahren entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern.

Die VP hält sich seit 10.08.2013 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt sie über keine Familienangehörige, ist ledig und hat keine Kinder. Sie verfügt in Österreich über kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk, keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen gesicherten Wohnsitz.

Die VP wurde bereits 4 Mal von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen

folgende Verurteilungen auf:

1)       LG F.STRAFS.WIEN 061 HV 55/2014z vom 09.05.2014 RK 09.05.2014 § 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG Datum der (letzten) Tat 29.03.2014

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

2)       BG LEOPOLDSTADT 028 U 11/2016z vom 11.04.2016 RK 14.04.2016

§ 27 (1) Z 1 2. 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 12.01.2016

Freiheitsstrafe 4 Monate

3)       LG F.STRAFS.WIEN 043 HV 26/2016f vom 18.08.2016 RK 18.08.2016 § 27 (1) Z 1 8. Fall u (3) SMG Datum der (letzten) Tat 01.05.2016 Freiheitsstrafe 16 Monate

4)       LG F.STRAFS.WIEN 043 HV 37/2018a vom 28.06.2018 RK 03.07.2018

§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall SMG, § 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB, § 27 (1) 8. Fall (3) SMG, § 15 StGB §§ 83 (1), 84 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 21.04.2018 Freiheitsstrafe 18 Monate

Heimreisezertifikaterlangung:

Seitens der nigerianischen Botschaft wurde bereits ein bis 27.07.2020 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Dieses kann bei Bedarf verlängert werden.

Die Abschiebung in das Heimatland der VP ist ehestmöglich geplant. Derzeit verzögert sich ein möglicher Rückflug durch die Reisebeschränkungen wegen der dzt. weltweit herrschenden CoV-19 Situation.

Eine freiwillige Ausreise der VP in sein Heimatland, wird seitens des Bundesamtes für fremdenwesen und Asyl jederzeit unterstützt.

Weitere Anhaltung in Schubhaft:

Die weitere Anhaltung in Schubhaft wird als verhältnismäßig angesehen.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgten seitens der ho. Behörde bereits drei Schubhaftprüfungen gem. § 80 Abs. 6 FPG und ist das BFA der Ansicht, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft nach wie vor aus den im Schubhaftbescheid vom 20.03.2020 angeführten Gründen erforderlich ist, kein gelinderes Mittel anwendbar und bereits ein HRZ für Nigeria ausgestellt wurde.

Aufgrund der Fristerreichung gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG der durchgehend andauernden Schubhaft, wird der hierortige Verfahrensakt der VP zur 1. Prüfung einer möglichen Fortsetzung der Schubhaft i.S.d. § 22a Abs. 4 BFA-VG übermittelt.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die von der Verwaltungsbehörde im obzitierten Schubhaftbescheid vom 16.04.2020, Zahl: Zl. 831148410/190034047, getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom obzitierten Erkenntnis abweichenden und für die Freilassung des BF sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die vom BF zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

2. Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid vom 16.04.2020, Zahl: Zl. 831148410/190034047, übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen und der dem aktuellen Verfahren vorausgehenden Gerichtsverfahren hinreichend geklärt wurde und das gegenständliche gerichtliche Verfahren eben keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

„8. Abschnitt

Schubhaft und gelinderes Mittel

Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das

öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Gelinderes Mittel

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie

insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Die maßgebliche Bestimmung des BFA-VG lautet:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder die Abschiebung zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise „Fluchtgefahr“ zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesamt eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt – ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG – einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits der angeführten Entscheidung zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den BF sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung der obzitierten Entscheidung des BFA zur rechtlichen Beurteilung erhoben und in diesem Zusammenhang die entsprechende Einschätzung der Verwaltungsbehörde anlässlich der Aktenvorlage geteilt.

Der BF hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist auch vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um die Abschiebung des BF bemüht, verhältnismäßig. Zwar ist der Flugverkehr aufgrund der COVID-19-Pandemie weiterhin eingeschränkt, Anhaltspunkte, dass innerhalb der gesetzlichen Fristen keine Abschiebung des BF möglich wäre, sind gegenwärtig nicht gegeben, mit der Durchführung der Überstellung ist tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen, wie dies auch seitens des BFA in seiner Stellungnahme vom 11.08.2020 dargelegt wurde, dass eine Abschiebung aufgrund der jederzeitigen Ausstellbarkeit eines Heimreisezertifikates jederzeit angesetzt werden könne. Damit ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung auch aus dieser Perspektive gegeben.

Weiters wird festgehalten, dass eine Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des regulären, touristischen Flugbetriebes voraussetzt.

Das Verhalten des BF in der Vergangenheit, insbesondere in Hinblick auf die mehrfache Straffälligkeit unter anderem wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

3.4. Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2233921.1.00

Im RIS seit

01.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten