TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 W124 2157653-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2157653-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und sei am XXXX geboren. Er stamme aus der afghanischen Provinz Maidan Wardak und sei ledig. Seine Erstsprache sei Dari und er habe von XXXX bis XXXX die Schule besucht. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern und seine Geschwister leben. Vor vier Monaten sei er von seinem Wohnort aus endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er wegen der Unsicherheit und des Krieges Afghanistan verlassen habe. Er habe Angst, dass ihn die Taliban erwischen und zwangsrekrutieren würden.

I.2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt), im Zuge welcher er zu seiner Person angab, dass er neben Dari auch Paschtu spreche und gesund sowie arbeitsfähig sei.

Hinsichtlich seiner Angaben in der Erstbefragung führte er an, er habe die Wahrheit gesagt. Der BF habe fünf Brüder und eine Schwester. Allerdings seien die Ehefrau seines Bruders sowie dessen Kinder als Geschwister des BF protokolliert worden. Er habe versucht, das Missverständnis aufzuklären, es sei jedoch vom Dolmetscher nicht verstanden worden.

Afghanische Dokumente könne er nicht vorweisen, da an der Grenze zwischen Pakistan und Iran alle seine Sachen, darunter auch seine Tazkira, gestohlen worden seien. Für die Ausstellung einer Tazkira müsse man persönlich anwesend sein, daher könne er sich von Österreich aus keine neue Tazkira ausstellen lassen.

Der BF sei in der Provinz Maidan Wardak geboren, habe sechs Jahre lang die Schule besucht und anschließend als Landwirt sowie eineinhalb Jahre als Eisenschmied in einem Geschäft gearbeitet. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Seine Familie lebe in XXXX sowie in XXXX . Die Familie bestehe aus seinen Eltern, seinem 22-jährigen Bruder XXXX , seinem 20-jährigen Bruder XXXX , seinem 13-jährigen Bruder XXXX , seinem 11-jährigen Bruder XXXX , seinem 6-jährigen Bruder XXXX und seiner 5-jährigen Schwester XXXX . Sein Vater arbeite als Landwirt und als Tagelöhner auf einer Baustelle, seine Mutter sei Hausfrau. Sie hätten ein eigenes Haus in ihrem Dorf. In seiner Heimatprovinz würden ferner seine drei Onkel und deren Ehefrauen, zwei Cousins und drei Cousinen leben. Mit seiner Mutter habe der BF alle zwei Monate telefonischen Kontakt. Sie habe ihm erzählt, dass sein Vater sowie zwei seiner Brüder von den Taliban entführt worden seien und es ihnen nicht gut gehe.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF an, dass er von den Taliban bedroht worden sei, da er ein Alter erreicht habe, in welchem er sie unterstützen könne. Sie hätten ihn bedroht, damit er sich dem Djihad anschließe. Aus diesem Grund habe er den Herkunftsstaat im achten Monat des Jahres XXXX , sohin circa im Oktober XXXX , verlassen.

Persönlichen Kontakt zu den Taliban habe er nicht gehabt. Sie hätten aber einen Drohbrief bekommen, der für ihn und seinen Bruder gegolten habe. Zwei seiner Brüder seien entführt worden, der BF habe flüchten können. Am Abend jenes Tages, an welchem der Brief geschickt worden sei, sei er geflüchtet. Der BF habe den Brief seinem Vater gegeben. Im Brief sei gestanden, dass dieser seine Söhne den Taliban übergeben solle. Als der BF davon erfahren habe, habe er seiner Familie mitgeteilt, dass er sich dem Kampf nicht anschließen, sondern ins Ausland flüchten werde.

Auf konkrete Nachfrage führte er aus, der Drohbrief sei seinem Vater übergeben worden. Es sei darum gegangen, dass sich seine drei ältesten Söhne dem Kampf anschließen sollten. Der Brief sei bei ihrem Haus abgegeben worden. Der BF habe nicht mitbekommen, wer den Brief übergeben habe. Seinen Vater habe er nicht danach gefragt. Auf Vorhalt, er habe zuvor angegeben, den Brief persönlich übernommen zu haben, erklärte der BF, die Behörde habe dies missverstanden. Weiter zum Inhalt des Briefes befragt, führte der BF aus, es sei in dem Brief darum gegangen, dass sein Vater seine Söhne nach zwei oder drei Tagen den Taliban übergeben solle und diese sich den Taliban anschließen sollten. Es sei ein leeres Papier gewesen. Darauf sei mit Stift die Forderung geschrieben gewesen. Auf Nachfrage erklärte er, es sei ein weißer Zettel gewesen und der Text sei in Computerschrift verfasst gewesen. Mit seiner Ausführung, wonach es mit einem Stift geschrieben gewesen sei, habe er gemeint, auf dem Zettel sei etwas gestanden. Wo sich der Brief nun befinde, wisse er nicht. Weiter befragt, woher er wisse, dass der Drohbrief von den Taliban gewesen sei, gab er zur Antwort, die Taliban seien es, die so etwas schicken. Ferner gehe es im Brief darum, dass man sich ihnen anschließen solle. Sein Vater hätte ihn und seine Brüder im Distrikt XXXX übergeben sollen, da dort die Taliban seien. Auf Nachfrage, ob sein Vater Kontakt zu den Taliban gehabt habe, erklärte er, sein Vater sei entführt worden. Nach Wiederholung der Frage gab der BF zu Protokoll, der Vater habe keinen persönlichen Kontakt zu den Taliban gehabt. Auf die Frage, wie genau die Übergabe erfolgen habe sollen, erklärte er, sie würden einen Drohbrief schicken und die Personen auch mitnehmen. Hinsichtlich der Frage, warum die Taliban gerade ihn bedroht hätten, führte er aus, sie würden alle Jugendlichen bedrohen, damit sie sich ihnen anschließen. Wenn man nicht freiwillig Folge leiste, werde man mit Zwang geholt. Weiter befragt, wo genau er hingehen habe müssen, antwortete der BF, er wisse es nicht genau. Es sei aber allgemein üblich, dass die Taliban einen nach ein oder zwei Tagen nach dem Erhalt des Drohbriefes mitnehmen würden.

Nachdem er den Drohbrief erhalten habe, habe er seine Familie von seiner Ausreiseabsicht informiert und sei dann in Richtung Kandahar nach Nimroz, weiter nach Pakistan und über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Kroatien nach Österreich gelangt. Insgesamt sei er vier Monate unterwegs gewesen. In der Türkei habe er für zwei Monate und 10 Tage in einer Fabrik gearbeitet. Sein Vater habe den Schlepper bezahlt, es seien ungefähr USD 5.000 gewesen.

Auf die Frage, warum seine Brüder zuhause geblieben seien, gab er an, zwei seiner Brüder seien entführt worden, die anderen seien jünger. Nach der Ausreise des BF seien die Taliban bei ihnen zuhause gewesen, um seine Brüder mitzunehmen. Sie hätten Druck auf seine Eltern ausgeübt, damit diese ihnen den Aufenthaltsort des BF nennen. Wann genau seine Brüder entführt worden seien, wisse er nicht. Aufgrund ihrer finanziellen Situation hätten seine Brüder nicht flüchten können. Würden die Taliban im Fall seiner Rückkehr erfahren, dass er in Europa gewesen sei, würden sie ihn erst recht töten. Sie hätten Interesse am BF, da sie wollen würden, dass alle gegen die Regierung kämpfen.

In seinem Heimatdistrikt gebe es nur Taliban. Seine Brüder und sein Vater würden sich bei ihnen empfinden. Das wisse er, weil es seine Mutter erzählt habe. Er glaube, drei oder vier Tage nach seiner Flucht hätten die Taliban seine Brüder und seinen Vater entführt. Sein Vater sei entführt worden, da er nicht preisgeben habe wollen, wo sich der BF aufhalte. Die Dorfältesten hätten seinen Vater aufgefordert, den Taliban den Aufenthaltsort zu nennen. Hätte er gesagt, dass der BF ins Ausland geflüchtet sei, wäre die ganze Familie getötet worden. Von der Aufforderung der Dorfältesten habe ihm seine Mutter berichtet. Auf Nachfrage erklärte er, sein Vater sei bei den Taliban und werde nicht wieder freigelassen, bis der BF dort sei. Zur Frage, warum seine Brüder nicht bereits früher von den Taliban rekrutiert worden seien, antwortete der BF, sie hätten alle drei gleichzeitig eine Aufforderung bekommen.

Im Zuge der Einvernahme brachte der BF folgende Unterlagen in Vorlage:

-        Bestätigung über die Mitgliedschaft bei der XXXX vom XXXX ;

-        Bestätigung über die Teilnahme am Kurs „Bildung für junge Flüchtlinge“ vom XXXX ;

-        Teilnahmebestätigung Deutschkurs vom XXXX ;

-        Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr XXXX vom XXXX .

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

I.4. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vom BF im Wege seiner Vertretung vollinhaltlich angefochten. Nach Wiederholung des wesentlichen Fluchtvorbringens wurde ausgeführt, der BF habe eine Tazkira besessen, habe sie jedoch am Weg nach Europa verloren. Zurzeit könne er keine Unterstütztung von der Familie oder von Verwandten bei der Beschaffung einer neuen Tazkira erwarten. Das persönliche Erscheinen des BF sei hierfür erforderlich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht offen, da er auch in anderen Gebieten Afghanistans keine Angehörigen habe. Wie geschildert, sei der BF sogar in der von der Regierung kontrollierten Hauptstadt von Extremisten bedroht worden. Im Fall seiner Rückkehr bestehe die Gefahr, dass man vermute, er habe nach der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte verstoßen, zumal seine Heimatprovinz zu den unruhigen Provinzen Afghanistans zählt. Hinzuweisen sei ferner auf seine Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten und der Volksgruppe der Hazara. Im Fall seiner Rückkehr liefe der BF Gefahr in seinen in Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt zu werden.

In der Folge wurde auf die allgemein schlechte Sicherheitslage hingewiesen und die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des BF erörtert. Weiters wurde ausgeführt, es werde regelmäßig über Zwangsrekrutierungen informiert und es gebe Berichte darüber, dass Taliban Verwandte von Deserteuren getötet hätten, welche bei der Fahndung nach den Deserteuren nicht kooperieren hätten wollen. Festgehalten wurde ferner, dass die Lebenssituation des BF im Fall der Rückkehr in den Heruknftsstaat jener eines Binnenvertriebenen entsprechen würde. Er werde daher in Afghansitan in eine dauerhaft ausweglose Situation geraten, weshalb ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offenstehe.

Medienberichten sei überdies zu entnehmen, dass die Taliban auch in Kabul nach wie vor im Untergrund tätig seien und gezielte Tötungen von Zivilpersonen durchführen würden. Die Befürchtung des BF, als Sohn der ehemaligen Regierungsbeamten wiedererkannt und von den Taliban zur Rechenschaft gezogen zu werden, sei objektiv nach der Berichtslage wohl begründet. In der Folge wurde die allgmeine Situation der Hazara in Afghanistan erörtert.

Eine Neuansiedlung in einem Gebiet außerhalb seiner Heimatprovinz sei dem BF nicht zumutbar, da der Zugang zu Unterkunft, zu grundlegender Versorgung und zu Erwerbsmöglichkeiten in Afghanistan von staatlicher Seite nicht gegeben sei. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten Afghanistans habe der BF keinen Familienrückhalt und/oder eine eigene Wohnung, weshalb er auf massive Versorgungsschwierigkeiten stoßen würde. Die Familie des BF könne ihn überdies nicht finanziell unterstützen.

I.5. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Am XXXX fand in Anwesenheit der ausgewiesenen Vertreterin des BF sowie unter Beziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari und eines länderkundlichen Sachverständigen eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsericht statt. Das Bundesamt verzichtete mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an einer Beschwerdeverhandlung.

Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Unterlagen (in Kopie) in Vorlage gebracht:

?        vollständige Beschwerde vom Verein VMÖ (Beilage A)

?        Medikamentenliste (Beilage B);

?        Mitgliedschaft der Sport-Union vom XXXX (Beilage C);

?        Bestätigung der XXXX (Beilage D)

?        A1 Zertifikat vom XXXX (Beilage E);

?        Schülerausweises vom XXXX (Beilage F).

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: Ich bin bereit. Es passt alles.

[…]

R: Die Angaben, die Sie bei der Polizei bzw. BFA gemacht haben, sind diese richtig bzw. halten Sie diese weiterhin aufrecht?

BF: Ja.

[…]

R (auf Deutsch): Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich besuche eine Schule.

R (Frage auf Deutsch): Welche Schule besuchen Sie`

BF (Antwort auf Deutsch): Fachschule.

R: (Frage auf Deutsch): Welche Fachschule?

BF (Antwort auf Deutsch): Fachschule, Arbeitsschule.

R (Frage auf Dari): Frage wird wiederholt.

BF: Derzeit lerne ich, dann später mache ich die Lehre als Schweißer.

R (Frage auf Deutsch): Welche Schule besuchen Sie?

BF (Antwort auf Dari): Die Schule heißt Fachschule. Derzeit lernen wir, aber danach, wenn es fertig ist, kann man einen Beruf als Mechaniker, Tischler oder Schweißer ausüben oder als Landwirt.

[…]

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie eine Freundin?

BF: Nein.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: XXXX .

R (Frage auf Deutsch): Welche Staatsbürgerschaft hat Ihre Freundin?

BF (auf Deutsch): Ich weiß nicht. Deutschland.

R (Frage auf Deutsch): Wo wohnt Ihre Freundin?

BF (auf Deutsch): In Wien, im XXXX . Wo weiß ich nicht genau.

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie Ihre Freundin in Wien schon einmal besucht?

BF (auf Deutsch): Nein.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ja. Beim Volleyball haben wir uns kennengelernt. Seit zwei Monaten sind wir befreundet.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ja.

R (auf Deutsch): Wie finden Sie dann Ihre Freundin, wenn Sie nicht wissen, wo sie wohnt?

BF: Beim Volleyball haben wir uns kennengelernt.

[…]

R (auf Deutsch): Leben Verwandte von Ihnen in Österreich?

BF (auf Deutsch): Nein.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: Nein.

R (auf Dari): Leben Verwandte von Ihnen innerhalb der Europäischen Union?

BF (auf Dari): Nein.

[…]

R (auf Deutsch): Leiden Sie an irgendwelchen schweren Krankheiten?

BF (auf Deutsch): Ich weiß es nicht.

Fragewiederholung auf Dari.

BF: Ich habe psychische Probleme. Ich besuche auch einen Arzt. Ich war mehrere Male bei ihm und habe Medikamente von ihm verschrieben bekommen.

Verhandlung wird ab nun in Dari fortgesetzt.

R: Sind Sie nach wie vor in ärztlicher Behandlung?

BF: Ja.

R: Würden Sie gegebenenfalls Ihren Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden?

BF: Ja.

R: Welche Medikamente nehmen Sie derzeit ein?

BF: Das steht auf dem Zettel. Es sind Schlaftabletten.

R: Wie oft nehmen Sie die Tabletten ein?

BF: Am Abend nehme ich eine halbe Tablette zum Schlafen. In der Früh eine Tablette. Diese ist auch für das Gehirn. Am Abend ist es die Schlaftablette.

R: Sind Sie in Österreich gerichtlich vorbestraft?

BF: Nein.

R: Läuft gegen Sie ein Strafverfahren?

BF: Nein.

R: Haben Sie zur Integration noch eine Frage?

RV: Wie oft sehen Sie Ihre Freundin?

BF: Einmal pro Woche.

R: Wann sehen Sie sie einmal pro Woche? Bei welchem Anlass?

BF: Ich kenne diese erst seit kurzem, seit zwei Monaten.

R: Trotzdem meine Frage ist damit nicht beantwortet. Fragewiederholung. Ich würde Sie bitte, wenn wir dann zu den Fluchtgründen kommen, auch auf die Fragen einzugehen, in Ihrem eigenen Interesse.

RV: Trauen Sie sich zu erzählen, seien Sie nicht so zurückhaltend.

BF: Wir treffen uns im Park. Wir spielen dort auch Volleyball.

R: Im welchem Park?

BF: Im XXXX

R: Wenn ich am Wochenende dort spazieren gehe, dann treffe ich Sie dort an?

BF: Nicht immer. Es ist kälter geworden.

R: Haben Sie schon eine Deutschprüfung absolviert?

BF: A1 habe ich gelernt und eine Prüfung abgelegt.

R: A2 und B1, B2? Was ist damit?

BF: Ich habe keine Zeit. Es sollte ein A2-Kurs beginnen, aber die Schule hat begonnen.

R: Es liegt eine Schulbesuchsbestätigung vom XXXX vor.

RV: Er hat am 04. September begonnen und am 04. August die A1-Prüfung gemacht.

[…]

R: Gibt es vom XXXX ein Zeugnis?

RV: Jetzt nicht. Wenn Sie wollen, kann ich eines organisieren als außerordentlicher Schüler.

R: Es wird eine Frist von vier Wochen eingeräumt ab heutigem Datum, zur Vorlage einer eventuell bestehenden Schulbesuchsbestätigung.

[…]

R: Ich habe Sie am Anfang schon gefragt, ob der SV gegebenenfalls, wenn es notwendig sein sollte, ein Gutachten mit den entsprechenden Recherchen erstatten darf?

BF: Ja.

R: Schreiben Sie bitte auf, wo Sie geboren sind (Dorf, Distrikt, Provinz)?

BF: Provinz Maidan Wardak, Distrikt: XXXX . Dorf: XXXX .

R: Bitte geben Sie chronologisch an, ab Ihrer Geburt, wo Sie gewohnt haben in welchen Zeiträumen (Dorf, Stadt, Land) innerhalb von Afghanistan?

BF: Ich bin in meinem Heimatort auf die Welt gekommen, dort aufgewachsen und ausgereist.

R: Sind Sie direkt von Ihrem Heimatort aus Afghanistan ausgereist?

BF: Ja. Von meinem Heimatort direkt bin ich weggegangen.

R: Wie lange haben Sie für diese Ausreise aus Afghanistan benötigt?

BF: Vier Monate lang.

Fragewiederholung.

BF: Eine Woche.

[…]

R: Welcher Ethnie gehören Sie an?

BF: Hazara.

R: Wie ist das Verhältnis zahlenmäßig in Ihrem Heimatdorf hinsichtlich der Ethnien?

BF: Es wohnen dort Paschtunen und wenige Hazara.

SV: Können Sie sagen, wie das Verhältnis zahlenmäßig bezüglich der Ethnien im Distrikt ist?

BF: Es wohnen dort hauptsächlich Paschtunen. Es gibt auch Menschen, die Dari sprechen.

R: Wer wohnt dort noch außer hauptsächlich Paschtunen?

BF: Die Paschtunen, die Dari sprechen, sind auch dort und wenige Hazara.

SV: In welchem Teil des Dorfes XXXX haben Sie gewohnt?

BF: Dass Dorf heißt XXXX . Dort haben wir gewohnt.

R: Die Frage war, in welchem Teil des Dorfes?

BF: Es gibt keine Teile dort.

R: Wie haben denn Ihre unmittelbar angrenzenden Nachbarn mit Namen geheißen?

BF: Unsere Nachbarn sind mein Onkel, meine zwei Tanten mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits.

R: Wie heißen die zwei Tanten mütterlicherseits, die Tante väterlicherseits und der Onkel?

BF: Die zwei Onkel mütterlicherseits heißen: XXXX und XXXX . Die beiden Tanten mütterlicherseits heißen XXXX und XXXX . Meine Tante väterlicherseits heißt XXXX .

R: Gibt es oder gab es außer jetzt die von Ihnen angegebenen Personen noch unmittelbar angrenzende Nachbarn?

BF: Ja.

R: Bitte nennen Sie alle Nachbarn. Sie haben eine gewisse Mitwirkungspflicht.

BF: XXXX , XXXX , XXXX .

R: Wie haben diese von Ihnen jetzt genannten Nachbarn ihren Lebensunterhalt bestritten? Welchen Beruf haben sie ausgeübt?

BF: XXXX ist Bauarbeiter. Alle anderen sind in der Landwirtschaft tätig.

R: Was heißt das? Sind diese Personen als Arbeiter in der Landwirtschaft tätig oder haben diese selbst eine Landwirtschaft?

BF: Das weiß ich nicht. Das sind Bauern. Ob sie eigene Grundstücke haben, weiß ich nicht.

R: Haben Sie an der von Ihnen zuerst angegebenen Heimatadresse alleine gelebt?

BF: Nein. Mit meiner Familie.

R: Wen meinen Sie damit, wenn Sie von Familie sprechen?

BF: Meine fünf Brüder. Meine Schwester, mein Vater, meine Mutter.

R: Wie heißen Ihre fünf Brüder und wie heißt Ihre Schwester?

BF: Meine Brüder heißen: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX .

R: Wie heißt Ihre Schwester?

BF: XXXX .

R: Wie alt sind Ihre Brüder?

BF: XXXX ist 22 Jahre alt. XXXX ist 20 Jahre alt. XXXX ist 13 Jahre alt. XXXX ist elf Jahre alt. XXXX ist sechs Jahre alt.

R: Wie alt ist Ihre Schwester?

BF: Fünf Jahre alt.

R: Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Wir telefonieren sehr selten, ca. einmal im Monat rufen sie mich an.

R: Wen meinen Sie mit „sie“ in diesem Zusammenhang?

BF: Meine Mutter ruft mich an.

R: Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Derzeit gut.

R: Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Mutter telefoniert?

BF: Vor einer Woche.

R: Warum rufen Sie Ihre Mutter nicht an?

BF: Sie ruft mich an. Einmal bis zweimal pro Monat ruft sie mich an.

R: Von wo aus ruft sie Sie an?

BF: Aus Maidan.

R: Von wo aus?

BF: Manchmal auf meine Nummer. Manchmal durch Internet (Viber).

R: Wo hat Ihre Mutter Zugang zum Telefonieren oder mit Ihnen Kontakt aufzunehmen?

BF: Sie haben ein Telefon zu Hause. Von zu Hause ruft sie mich an.

R: Was ist der Inhalt des Gespräches mit Ihrer Mutter?

BF: Die Taliban haben zwei meiner Brüder und meinen Vater mitgenommen.

R: Welche Berufs- und Schulausbildung haben Sie?

BF: Ich habe sechs Jahre lang die Schule besucht. Zwei Jahre lang habe ich als Schweißer gearbeitet.

R: Wo haben Sie als Schweißer gearbeitet?

BF: In XXXX .

R: Wie weit ist das von Ihrem Elternhaus entfernt?

BF: 20 Minuten mit dem Auto.

R: Wie sind Sie in die Arbeit gekommen?

BF: Auf dem Fahrrad.

R: Wie lange haben Sie da gebraucht?

BF: Fast eine Stunde.

R: Bei wem haben Sie als Schweißer gearbeitet? Wie hat der Firmeninhaber geheißen?

BF: Der Geschäftsinhaber hat XXXX geheißen. Es war in einem Geschäft.

R: Wie hat das Geschäft geheißen?

BF: Es war ein kleines Geschäft. Wir haben Fenster und Türen hergerichtet.

R: Was war Ihre konkrete Aufgabe dabei?

BF: Am Anfang war ich der Lehrling. Später, als ich das gelernt habe, habe ich Fenster und Türen gemacht.

R: Wie haben Sie Fenster und Türen gemacht?

BF: Wir haben das produziert.

R: Was war Ihre genaue Aufgabe?

BF: Ich selbst war Lehrling.

R: Was war Ihre Aufgabe? Was haben Sie da gearbeitet?

BF: Ich habe als Schweißer gearbeitet und ich habe die Türen und Fenster zusammengeschweißt.

R: Wo haben Ihre beiden älteren Brüder gearbeitet?

BF: Sie haben mit meinem Vater in der Landwirtschaft gemeinsam gearbeitet. Mein Vater hat auch am Bau gearbeitet.

R: War das eine eigene Landwirtschaft, die Ihr Vater betrieben hat?

BF: Nein. Sie hat jemand anderem gehört.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten, als Sie in Afghanistan waren?

BF: Er hat in der Baubranche gearbeitet.

R: Als was?

BF: Er hat Häuser gebaut.

R: War er jetzt Architekt, war er Maurer?

BF: Maurer.

R: Haben Ihre Brüder auch einen Beruf ausgeübt?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Sie haben mit meinem Vater gemeinsam gearbeitet. Mein Vater hat den Auftrag bekommen und sie haben meinem Vater geholfen. Sie haben ihn durch Hilfsarbeiten unterstützt.

R: Wie bestritt Ihre Mutter ihren Lebensunterhalt?

BF: Sie hat zu Hause Nutztiere (Kühe) gehabt.

R: Wie bestreitet Ihre Mutter derzeit ihren Lebensunterhalt?

BF: Sie macht nichts.

R: Lebt sie von der Landwirtschaft?

BF: Sie verkauft Joghurt und macht Joghurt.

R: Wird dieses am Markt verkauft?

BF: Es gibt Geschäfte im Dorf, die dieses von meiner Mutter kaufen.

R: Sie haben zuerst von zwei Onkeln in Ihrem Heimatort gesprochen. Was machen die berufsmäßig?

BF: Sie sind auch Maurer. Sie machen Maurerarbeiten. Sie leben aber nicht gemeinsam mit meiner Familie.

R: Leben die von Ihnen zuerst genannten Onkel und Tanten noch in Afghanistan?

BF: Ja.

R: Leben außerhalb Ihres Heimatdorfes noch andere Verwandte in Afghanistan?

BF: Nein.

R: Sind Sie mit Hilfe eines Schleppers ausgereist?

BF: Ja.

R: Wie viel haben Sie diesem Schlepper bezahlt, dass Sie aus Afghanistan ausreisen konnten?

BF: 5.000 Dollar bis nach Österreich.

R: Woher hatten Sie so viel Geld?

BF: Ich weiß nicht. Mein Vater hat es bezahlt.

R: Woher hatte Ihr Vater so viel Geld?

BF: Ich weiß es nicht. Vielleicht hat er es ausgeborgt oder von meinem Onkel genommen.

R: Von welchem Onkel?

BF: Von meinem Onkel mütterlicherseits.

R: Welchen Beruf übt Ihr Onkel mütterlicherseits aus?

BF: Maurer, er ist am Bau.

R: Woher hat Ihr Onkel so viel Geld?

BF: Vielleicht hat mein Vater das Geld von ihm ausgeborgt oder von jemandem anderen.

R: Wie lange hat Ihr Vater Zeit, dieses Geld aufzutreiben? Wie lange hat er dafür gebraucht, dieses Geld aufzutreiben?

BF: Ich weiß es nicht. Er hat mir nur gesagt, dass er 5.000 Dollar bezahlt hat.

R: Wie schnell hat er das Geld aufgetrieben?

BF: Das habe ich nicht gefragt.

R: Was würden Sie denn befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst um mein Leben. Ich kann nicht in mein Dorf zurückkehren.

R: Können Sie mir das bitte etwas näher ausführen?

BF: Ich bin von dort geflüchtet und bin hierhergekommen. Es leben dort die Taliban. Wenn sie mitbekommen würden, dass ich im Ausland war,… Sie fragen immer noch nach mir.

R: Können Sie das bitte etwas näher ausführen? Das ist so allgemein.

BF: Mein Leben ist dort in Gefahr. Ich kann dorthin nicht zurückkehren. Woanders habe ich niemanden und in mein Heimatdorf kann ich nicht zurückkehren.

R: Warum ist Ihr Leben dort in Gefahr?

BF: Die Taliban wollten mich mitnehmen und ich musste am Jihad teilnehmen. Ich wollte das nicht. Ich bin geflüchtet.

R: Wann wollten Sie die Taliban mitnehmen bzw. wann haben Sie am Jihad teilgenommen?

BF: Ich habe nicht am Jihad teilgenommen. Sie haben meinen Vater benachrichtigt, dass seine Söhne am Jihad teilnehmen.

R: Wann wollten die Taliban, dass Sie am Jihad teilnehmen?

BF: Vor zwei Jahren.

R: Wann vor zwei Jahren? Welches Monat? Welches Jahr?

BF: Es war im XXXX (SV: XXXX ).

R: Wie hat man Ihrem Vater mitgeteilt, dass seine Söhne am Jihad teilnehmen sollten?

BF: Sie haben einen Brief nach Hause geschickt.

R: Was heißt, sie haben einen Brief nach Hause geschickt?

BF: Sie haben geschrieben, dass er drei seiner Söhne übergeben muss und diese am Jihad teilnehmen müssen.

R: Was heißt, sie haben einen Brief nach Hause geschickt, die Taliban? Das müssen Sie mir näher erklären.

BF: Die Taliban haben es geschrieben und nach Hause geschickt.

R: Wie haben die Taliban das nach Hause geschickt?

BF: Eine Person hat den Brief zu uns nach Hause gebracht.

R: Wem hat diese Person den Brief nach Hause gebracht?

BF: Dieser Mann hat den Brief einem Mullah in der Moschee gegeben und dieser Mullah hat den Brief dann meinem Vater gegeben.

R: Wie heißt der Mullah in der Moschee?

BF: XXXX .

R: Ist es da der einzige Mullah in dieser Moschee?

BF: Als ich dort war, war er dort der Mullah.

R: War er der Mullah in der Zeit, als Sie die Moschee besucht haben?

BF: Ja, damals, als ich die Moschee besucht habe, war er der Mullah. Jetzt weiß ich nicht, wer dort ist.

R: Wie lange haben Sie dort die Moschee besucht?

BF: Einmal bis zweimal bin ich zur Moschee in der Woche gegangen.

R: Über welchen Zeitraum? Ab welchem Alter haben Sie die Moschee besucht?

BF: Vom siebenten bis zum zehnten Lebensjahr habe ich die Moschee besucht.

R: Wie lange haben Sie dort gelebt? Bis zu welchem Lebensalter?

BF: Bis zum 16. Lebensjahr.

R: Wieso haben Sie dann in der Zeit vom zehnten bis zum sechszehnten Lebensjahr die Moschee nicht mehr besucht?

BF: Ich habe gearbeitet.

R: Am Freitag auch?

BF: Freitags bin ich nicht beten gegangen.

R: Die Frage war, ob Sie am Freitag auch arbeiten gegangen sind.

BF: Ja. Ich habe im Geschäft gearbeitet.

R: Ist Ihr Vater in die Moschee gegangen?

BF: Nein.

R: Wann hat Ihr Vater diesen Brief erhalten?

BF: Das genaue Datum weiß ich nicht. Der Mullah hat ihm den Brief gegeben. Er hat ihm diesen Brief zu Hause gegeben.

R: Haben Sie den Inhalt des Briefes gesehen?

BF: Nein. Mir wurde das gesagt.

R: Was war der genaue Inhalt dieses Briefes? Was ist da genau drinnen gestanden?

BF: Mein Vater hat mir gesagt, dass er seine Söhne übergeben muss und sie am Jihad teilnehmen müssen.

R: Ist darüber hinaus noch etwas in diesem Brief gestanden?

BF: Nein.

R: Wie hat denn dieser Drohbrief ausgeschaut?

BF: Ich habe ihn nicht gesehen.

R: Mit welcher Schrift ist denn dieser Drohbrief versehen gewesen?

BF: Ich habe es nicht gesehen. Mein Vater weiß es.

R: Haben Sie mit Ihrem Vater darüber gesprochen?

BF: Sie haben meinen Vater mitgenommen. Mit meiner Mutter habe ich darüber gesprochen. Sie hat mir aber nichts gesagt.

R: Hat Ihnen Ihr Vater gesagt, wie dieser Drohbrief ausschaut?

BF: Nein. Mit meinem Vater habe ich nicht gesprochen.

R: Haben Sie sonst mit jemanden über die Form dieses Briefes gesprochen?

BF: Nein.

R: In welcher Schrift war denn dieser Brief geschrieben?

BF: Ich weiß es nicht. Ich habe nicht danach gefragt.

R: Haben Sie diesen Brief jemals zu Gesicht bekommen?

BF: Nein.

R: Können Sie sich vorstellen, warum Ihnen Ihr Vater diesen Brief nicht gezeigt hat?

BF: Mein Vater hat mir gesagt, dass sie einen Drohbrief geschickt haben.

R: Was hat er Ihnen außerdem noch gesagt?

BF: Nur, dass wir in den Krieg ziehen müssen.

R: Noch einmal die Frage: Was war jetzt der genaue Inhalt dieses Briefes?

BF: Nicht mehr. „Du sollst die Kinder schicken“.

R: War das der ganze Inhalt dieses Briefes?

BF: Ja.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX gesagt, dass in diesem Drohbrief gestanden sei, dass Ihr Vater seine Söhne nach zwei oder drei Tagen den Taliban übergeben sollte und diese sich den Taliban anschließen sollten. Was sagen Sie denn dazu?

BF: Sie haben gesagt: „Du musst ihm meine Kinder geben“.

R: Sie haben heute gesagt, Sie haben den Drohbrief nie gesehen bzw. haben Sie weder mit Ihrem Vater, noch mit Ihrer Mutter über diese Form des Drohbriefes gesprochen. In der Niederschrift vom XXXX sagen Sie zunächst, es hat sich um ein leeres Papier gehandelt. Darauf war mit Stift die Forderung geschrieben und auf Nachfrage sagten Sie, dass es ein weißer Zettel gewesen wäre und der Inhalt mit einer Computerschrift darauf geschrieben worden sei. Was sagen Sie dazu?

BF: Der Richter hat immer auf den Tisch gehauen und gesagt, dass ich lüge. Der „Richter“ hat weiters gesagt „sag wie war es, warum usw“.

R: Das Protokoll wurde Ihnen am XXXX rückübersetzt und Sie haben mit Ihrer Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift bestätigt. Darüber hinaus wurde auch in Ihrer eingebrachten Beschwerde nichts Gegenteiliges vorgebracht. Was sagen Sie dazu?

BF: Was sollte ich schreiben?

R: Sie wurden beim BFA am XXXX gefragt, von wem Ihr Vater den Drohbrief übergeben bekommen habe und haben darauf geantwortet, dass sie das dort im Haus abgegeben hätten. Auf Nachfrage, wer dies genau gewesen sei, haben Sie geantwortet, dass Sie das nicht mitbekommen haben, wer den Brief abgegeben hat. Und auf die Frage, ob Sie Ihren Vater nicht gefragt hätten, wer den Brief gebracht habe, haben Sie geantwortet: Nein. Was sagen Sie dazu?

BF: Ja. Nichts. Meine Mutter hat gesagt, dass der Mullah den Brief nach Hause gebracht hat.

[…]

R: Woher stammt Ihre Familie?

BF: Aus Maidan Wardak.

R: Wie heißt Ihr Großvater väterlicherseits und wie heißt Ihr Großvater mütterlicherseits?

BF: XXXX (väterlicherseits) und XXXX (mütterlicherseits).

R: Leben Ihre Großväter noch?

BF: Beide sind verstorben.

R: Welchen Beruf haben Ihre Großväter ausgeübt?

BF: Beide Großväter haben als Landarbeiter gearbeitet.

R: Welchem Stamm der Hazara gehören Sie an?

BF: Schiitisch.

R Welchem Stamm?

BF: Sie sind Hazara, sie gehören zu keinem Stamm. Hazara sind Hazara.

SV: Wie lautet das Zentrum des Distrikts?

BF: XXXX . Die Provinz ist Maidan Wardak. XXXX ist ein Distrikt.

SV: Wie heißt das Zentrum des Distrikts, in dem die Verwaltung ihren Sitz hat?

BF: Das hat keinen Namen. Wir wohnen in einem Distrikt namens XXXX , in einem Dorf namens XXXX .

SV: Was haben Sie mit dem Begriff XXXX , bei der Frage, wie lautet das Zentrum des Distrikts, gemeint?

BF: Maidan Wardak ist das Zentrum. Wir haben im Distrikt XXXX gelebt, im Dorf XXXX .

SV: Der BF ist nicht auf die Frage eingegangen.

RV: Fragen wir einmal, was das ist.

RV: Was meinen Sie mit dem Begriff XXXX ?

BF: XXXX ist ein Distrikt, es ist kein Zentrum.

R: Wo genau befindet sich der Verwaltungssitz?

BF: Genaue Informationen habe ich nicht. Die Klinik und die Schule werden nach XXXX benannt.

RV: Holt man dort, wo der Verwaltungssitz ist, die Tazkira?

SV bestätigt: Ja.

R: Wo lässt man sich die Tazkira ausstellen in Ihrem Distrikt?

BF: Im Distrikt XXXX wird sie ausgestellt. XXXX ist ein Distrikt. Die Tazkira wird dort ausgestellt. Es gibt keinen Teil im Distrikt, wo die Tazkira ausgestellt wird.

RV: In welchen Ort fährt man, um sich diese Tazkira ausstellen zu lassen?

BF: Der Ort heißt XXXX . Dort wird man befragt, woher man kommt, aus welchem Dorf, aus welchem Distrikt. Dort bekommt man dann die Tazkira.

SV: Meinen Sie mit XXXX damit das Zentrum der Provinzhauptstadt?

BF: Ja. Das Zentrum von Maidan Wardak.

R: Wie heißt das Zentrum von Maidan Wardak?

BF: Die Provinz Maidan Wardak ist das Zentrum. XXXX .

RV: Die Frage des Richters war, wie der Verwaltungsort heißt.

R: Wie heißt jetzt der Verwaltungsbezirk des Distriktes Maidan Wardak?

SV: Der Name des Zentrums des Distriktes XXXX , wo der Verwaltungsbezirk seinen Sitz hat, heißt XXXX . Das ist der offizielle Name (Quelle: WIKIPEDIA).

R: Werden dort auch die Tazkiras ausgestellt?

SV: Ja.

R: Wann hat jetzt Ihr Vater diesen Brief erhalten?

BF: Ein bis zwei Tage danach bin ich weggegangen.

Fragewiederholung.

BF: Ich weiß es nicht.

R: Beim BFA am XXXX haben Sie auf die Frage, wann genau Sie den Drohbrief bekommen hätten geantwortet, kurz nach meiner Flucht im XXXX . An dem Tag, als der Brief geschickt wurde, bin ich am Abend geflüchtet. Was sagen Sie denn dazu?

BF: Nachdem mein Vater diesen Brief bekommen hat, hat er mich gefragt, ob ich gehen will oder nicht. Nein, mein Vater hat das nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich nicht gehen will. Es war im XXXX , dass ich weggegangen bin.

R: Warum haben Sie gesagt, dass Sie nicht weggehen wollen?

BF: Ich wollte nicht mit den Taliban in den Krieg ziehen.

R: Wie haben Sie reagiert, nachdem Sie vom Inhalt dieses Briefes erfahren haben?

BF: Ich habe gesagt, dass ich nicht gehen möchte. Mein Vater sagte darauf: „Was soll ich jetzt machen?“

R: Weiter?

BF: Er sagte, sie haben diesen Brief geschrieben. Was soll ich jetzt sagen? Ich wollte nicht gehen. Deshalb bin ich geflüchtet und hierhergekommen.

R: Wie hat Ihr Vater darauf reagiert?

BF: Nichts. Ich bin von zu Hause weggegangen. Ich habe gesagt, dass ich gehe.

R: Wie hat Ihr Vater darauf reagiert?

BF: „Ich habe nichts damit zu tun, wie du es willst“, hat mein Vater gesagt.

R: Und weiter?

BF: Dann bin ich weggegangen.

R: Wie haben Ihre beiden anderen Brüder XXXX und XXXX reagiert?

BF: Es gab nicht genug Geld, das sie auch flüchten.

R: Was haben sie gemacht die Brüder?

BF: Es gab keinen anderen Ausweg. Die Taliban haben sie mitgenommen.

R: Woher wissen Sie, dass Ihre Brüder von den Taliban mitgenommen wurden?

BF: Nachdem ich hergekommen bin, hat mir das meine Mutter gesagt, dass die Taliban meinen Vater und meine Brüder mitgenommen haben.

R: Wann wurden Ihre Brüder mitgenommen?

BF: Nachdem ich weggegangen bin, ein bis zwei Tage danach.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX auf die Frage, wann Ihre Brüder entführt worden seien, gesagt: Nachdem ich ausgereist bin, hat meine Mutter den Taliban gesagt, dass sie nicht wüsste, wo ich bin“. Dann war die Frage, wann wurden Ihre Brüder entführt? „Das weiß nur meine Familie. Ich bin ausgereist.“ Was sagen Sie dazu?

BF: Ja, das wusste nur die Familie. Die Taliban haben nach mir gefragt. Meine Mutter hat ihnen gesagt, dass sie nicht weiß, wo ich bin. Die Taliban haben meinen Vater und meine Brüder mitgenommen. Das hat mir meine Mutter am Telefon gesagt.

R: Wann wurde Ihr Vater von den Taliban mitgenommen?

BF: Mein Vater wurde mit meinem Bruder mitgenommen.

R: Wie heißt oder wie hieß der Dorfvorsteher, als Sie sich in Ihrem Heimatdorf in Afghanistan aufgehalten haben?

BF: XXXX .

R: Hat dieser Dorfvorsteher versucht, für Ihre Familie zu intervenieren, dass man von der Einziehung der Taliban absehen würde?

BF: Nein. Er kann nichts tun.

R: Hat der Dorfvorsteher gesagt, dass er nichts tun könne?

BF: Meine Mutter hat dem Dorfvorsteher gesagt, dass ihr Sohn weggegangen ist. Aber der Dorfvorsteher hat gemeint, dass mein Vater sagen soll, wo ich bin.

R: Haben die Dorfältesten oder der Dorfvorsteher darüber hinaus noch etwas gesagt?

BF: Nein.

R: Hat Ihr Vater mit den Dorfältesten oder mit dem Dorfvorsteher in diesem Zusammenhang Kontakt aufgenommen?

BF: Sie haben meinen Vater mitgenommen. Wie sollte er das machen?

R: Was wollten die Taliban von Ihrem Vater, als sie zu ihm gekommen sind?

BF: Sie haben gesagt: „Wo ist dein Sohn?“ Mein Vater sagte, ich weiß es nicht. Daraufhin haben sie meinen Vater und meine Brüder mitgenommen.

R: Hat Ihr Vater in Zusammenhang mit Ihrem tatsächlichen Aufenthalt mit dem Dorfältesten oder mit dem Dorfvorsteher Kontakt aufgenommen?

BF: Nein.

R: Hat Ihre Mutter in der Zwischenzeit Kontakt mit Ihrem Vater bzw. Ihren Brüdern aufgenommen?

BF: Vor zwei Monaten haben sie meinen Vater gehen lassen. Mein Vater hat gesagt, dass er nicht wisse, wo ich mich aufhalten würde, aber meine Brüder sind noch immer dort.

R: Warum haben die Taliban Ihren Vater gehen lassen?

BF: Es ist viel Zeit vergangen. Mein Vater hat gesagt, dass er nicht wisse, wo ich sei. Meine Mutter hat auch gesagt, dass sie meinen Vater gehen lassen, weil wir niemanden haben, der für uns aufpassen würde.

R: Wo hält sich Ihr Vater auf?

BF: Derzeit ist er zu Hause. Vor einer Woche habe ich mit meiner Mutter telefoniert und sie hat gesagt, dass mein Vater zu Hause ist.

R: Haben Sie, nachdem Ihr Vater bereits seit zwei Monaten von den Taliban frei gelassen worden ist, mit diesem gesprochen?

BF: Mit meinem Vater habe ich nicht gesprochen. Mit meiner Mutter habe ich gesprochen. Ich habe meine Mutter nach meinem Vater gefragt. Sie sagte mir, dass er zu Hause ist.

R: Wie lange war Ihr Vater schon zu Hause, nachdem Sie das Telefonat mit Ihrer Mutter geführt haben und diese Ihnen mitgeteilt hat, dass er zu Hause ist?

BF: Ich habe letzte Woche angerufen. Sie hat mir gesagt, dass mein Vater vor zwei Monaten nach Hause gekommen ist.

R: Hat es, seitdem Ihr Vater nach Hause gekommen ist, irgendwelche Vorfälle gegeben?

BF: In diesen zwei Monaten wurde er dreimal wieder mitgenommen und verhört, ob er etwas von seinem Sohn wisse, wo er sich aufhalten würde.

R: Wurde er immer wieder frei gelassen?

BF: Ja. Er hat immer wieder gesagt, dass er nicht wisse, wo ich mich aufhalten würde.

R: Wie alt waren Sie, als die Taliban zu Ihnen gekommen sind, um Sie mitzunehmen?

BF: Ich war 17, ich war 18 Jahre alt. Ich war 17 Jahre.

R: Wie alt waren Ihre Brüder, als die Taliban zu Ihnen gekommen sind?

BF: 19 Jahre und 21 Jahre alt.

R: War das das erste Mal, dass die Taliban zu Ihnen gekommen sind, nachdem Sie jetzt die Flucht ergriffen haben?

BF: Das erste Mal.

R: Sind die beiden Brüder XXXX und XXXX jünger oder älter als Sie?

BF: Sie sind älter als ich.

R: Um wie viele Jahre?

BF: XXXX ist zwei Jahre älter als ich. XXXX ist vier Jahre älter als ich.

R: Sind diese Brüder das erste Mal von den Taliban aufgesucht worden?

BF: Ja.

R: Ab wann ist es üblich, sich einer Aufforderung der Taliban anzuschließen, ab welchem Alter?

BF: Ab dem 17. Lebensjahr, oder dem 18. Lebensjahr.

R: Warum hat ausgerechnet Ihnen Ihr Vater diese Flucht ermöglicht und nicht den beiden älteren Brüdern?

BF: Ich wollte nicht mitgehen, ich bin geflüchtet. Dann hat er bezahlt.

R: Wollten Ihre beiden Brüder mitgehen?

BF: Ja. Es gab aber kein Geld. Ich bin geflüchtet ins Ausland.

R: Wollten Ihre beiden Brüder mitgehen mit den Taliban?

BF: Sie wollten auch nicht. Es gab kein Geld. Ich bin von zu Hause weggegangen und ich sagte: „Ich gehe“.

R: Und warum hat gerade Ihnen Ihr Vater das Geld gegeben und nicht einem Ihrer beiden älteren Brüder?

BF: Ich bin weggegangen. Er hat für mich bezahlt. Für alle drei hat er nicht das Geld gehabt. Die anderen wollten auch flüchten.

R: Warum sind Sie beispielsweise nicht nach Kabul gegangen?

BF: Zu wem soll ich gehen? Ich habe niemanden dort.

R an RV: Haben Sie eine Frage an den BF?

RV: Nein.

[…]

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurden dem BF Länderberichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen vier Wochen übermittelt.

I.8. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin nach Wiederholung seines wesentlichen Fluchtvorbringens zusammengefasst vor, dass er die Gründe für seine endgültige Ausreise aus dem Herkunftsstaat glaubhaft geschildert habe. Weiter wurde ausgeführt, dass er als Angehöriger der schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie der Volksgruppe der Hazara nicht nur gesellschaftlicher Diskriminierung, sondern asylrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus dem übermittelten Auszug aus der Staatendokumentation, welchem zu entnehmen sei, dass für Hazara die Gefahr einer Zwangsrekrutierung bestehe. In der Folge wurde eine gutachterliche Stellugnnahme des länderkundlichen Sachverständigen Dr. Rasuly vom 17.02.2016 auszugseise zitiert und ergänzend ausgeführt, dass dem BF eine Rückkehr in seine Heimatregion Maidan Wardak gänzlich unmöglich sei. Insoweit der Sachverständige ausführe, dass die Taliban niemanden, der geflüchtet sei, weiterverfolgen würden, handle es sich um eine Spekulation. Die Taliban seien in Afghanistan weitgehend vernetzt, dies dürfe als notorisch vorausgesetzt werden. Ebenso sei bekannt, dass die Taliban insbesondere an Personen, die sich ihrem Einfluss entziehen und solchen, die der schiitischen Minderheit angehören, insbesondere Angehörige der Hazara, Exempel statuieren, um ihre Macht zu demonstrieren. In der Entscheidiung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, sei festgehalten worden, dass aufgrund der Verfolgung durch die Taliban auch eine Gruppenverfolgung der Hazara nicht ausgeschlossen werden könne. Unter Verweis auf verschiedene Länderberichte wurde ausgeführt, dass die Angriffe auf Hazara sowie die schiitische Minderheit zwischenzeitlich extrem zugenommen hätten. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offenstehe, da er im

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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