Entscheidungsdatum
15.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W211 2216110-1/14E
W211 2216102-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX und 2) XXXX , geboren am XXXX , beide StA. Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die BF1 ist die Mutter des nunmehrig volljährigen BF2, beide sind Staatsangehörige des Iran. Sie stellten am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich und wurden am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Die BF1 gab dabei zusammengefasst an, vor vier Monaten zum Christentum konvertiert zu sein und ein paar Hauskirchen besucht zu haben. Sie habe dann einen Anruf bekommen, mit dem ihr geraten worden sei, sich in Sicherheit zu bringen. Der BF2 gab an, den Iran verlassen zu haben, weil seine Mutter in Gefahr gewesen sei. Außerdem möge er die Regierung und die Religion nicht.
Am XXXX .2018 wurden die BF1 und 2 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.
Die BF1 legte dabei die Bestätigung hinsichtlich der Teilnahme an der (katholischen) Taufvorbereitung vor, sowie eine Erklärung, dass sie nicht zur Islamischen Glaubensgemeinschaft gehöre. Sie habe ihren Lebensunterhalt im Iran durch ihren Mann bestritten sowie bei sich zu Hause eine kleine Schneiderei unterhalten. Ihr Ehemann und andere Familienangehörige würden sich noch im Iran aufhalten. Ihr Mann würde arbeiten und sich häufig bei der Mutter der BF1 aufhalten. Als Fluchtgrund brachte die BF1 vor, eines Tages von ihrem Mann benachrichtigt worden sei, dass er von ihrem Sohn angerufen worden sei, weil ein paar Personen bei ihnen zu Hause gewesen wären. Ihr Mann habe dann später ihren Sohn abgeholt, und sie seien in der Wohnung einer Freundin geblieben, bevor sie ausreisen konnten. Ihr Mann sei später am Arbeitsplatz aufgesucht und nach dem Verbleib der BF gefragt worden. Sie besuche in Österreich regelmäßig eine katholische Kirche, lese in der Bibel auf Farsi. Der katholische Glaube sei der vollständigste christliche Glaube, weshalb sie sich dafür entschieden habe. Der Taufunterreicht habe noch nicht begonnen. Ihre Lieblingsstelle in der Bibel behandle die Geschichte um den verlorenen Sohn. Im Iran habe sie eine Kundin mit dem Christentum bekannt gemacht und zu einer Hauskirche gebracht. Sie habe viermal an einer Hauskirche teilgenommen, zuletzt ca zwei Wochen, bevor sie das Land verlassen habe.
Der BF2 gab im Wesentlichen an, dass eines samstags in zivil gekleidete Männer und auch eine Frau die Wohnung durchsucht und Unterlagen sowie ein blaues Buch beschlagnahmt hätten. Mit scharfem Ton sei nach der BF1 gefragt worden. Der BF2 habe dann seinen Vater angerufen, der auch nachts nach Hause gekommen sei und ihn abgeholt habe. Für ihn selbst sei sonst nichts passiert. Mit seinem Vater habe der BF2 alle 3 – 4 Tage telefonischen Kontakt.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom XXXX .2018 wurden die Anträge der BF1 und 2 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihnen in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF1 und 2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Das BFA stellte den BF1 und 2 amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite.
Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 brachten die BF1 und 2 eine Beschwerde gegen die Bescheide vom XXXX .2019 ein.
2. Mit Schreiben vom XXXX .2020 wurden die BF1 und 2 und das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX .2020 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF1 und 2 sowie deren Rechtsvertretung und ein Zeuge teilnahmen. Die belangte Behörde hatte sich mit Schreiben vom XXXX .2020 für die Teilnahme entschuldigt. Die BF1 und 2 und der Zeuge wurden ausführlich befragt, und aktuelle Länderberichte ins Verfahren eingebracht.
3. Am XXXX .2020 langte eine schriftliche Stellungnahme der Vertretung der BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den BF:
Die BF1 ist eine XXXX geborene, volljährige iranische Staatsangehörige. Sie stammt aus XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebte. Sie ist Perserin, besuchte 12 Jahre die Schule und absolvierte die Matura. Den Lebensunterhalt der Familie bestritt der Mann der BF1, wobei diese auch dazu aus Einkünften einer kleinen Schneiderei in der Familienwohnung beitrug. Die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester der BF1 leben im Iran. Mit ihren Eltern hat die BF1 Kontakt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 den Kontakt zu ihrem Mann verloren hat und nicht weiß, wo er sich aufhält.
Der BF2 ist ein XXXX geborener, nunmehr volljähriger iranischer Staatsangehöriger, der ebenfalls aus XXXX stammt. Er besuchte im Iran bis zur Ausreise die Schule.
Die BF1 besucht eine Psychotherapie seit September 2019. In der diesbezüglichen Bestätigung der XXXX vom XXXX .2020 wird ihr eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelgradige depressive Störung diagnostiziert. Darüber hinaus ist die BF1 gesund.
Der BF2 gab an, ebenfalls an Depressionen gelitten zu haben, weswegen er einmal beim Arzt gewesen ist. Er nimmt keine Medikamente. Medizinische Unterlagen dazu wurden nicht vorgelegt.
1.2. Zum Leben in Österreich:
Die BF1 und 2 stellten am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich und halten sich nunmehr ca. zwei Jahre und ein Monat in Österreich auf.
Die BF verfügen – über jene zueinander hinaus - in Österreich über keine engen familiären Bindungen.
In einer Reihe von Empfehlungsschreiben – in erster Linie aus der Unterkunftsgemeinde der BF – werden die BF als hilfsbereit, freundlich und interessiert beschrieben. Die BF1 hilft bei einer Dame im Haushalt mit (vgl. Bestätigung von H.K. vom XXXX .2020), die BF besuchen Deutschkurse (vgl. K.D. aus dem Juli 2020 und M.Ö. vom XXXX .2020). E.H. bestätigte mit ihrem Schreiben vom XXXX .2019, dass die BF bemüht sind, die Sprache zu lernen, der BF2 sich im örtlichen Fußballverein engagiert (vgl. auch Schreiben von A.H. vom XXXX .2020), die BF regelmäßig die Kirche besuchen und sich auch beim vorösterlichen Kirchenputz engagierten. Die BF1 lernte außerdem Fahrradfahren. Auch E.R. bestätigt ein Interesse der BF an Sprache und Integration (handschriftliches Schreiben ohne Datum), wie auch E.B. (ebenfalls handschriftliches Schreiben ohne Datum). Die BF1 arbeitet freiwillig seit September 2019 bei einem sog. XXXX mit demenzkranken Personen mit (Bestätigung XXXX vom September 2019 und vom XXXX .2020). Die BF1 fertigte auch während der Corona-Krise Masken an (Bestätigung Marktgemeinde D vom XXXX .2020), und wird ihr eine bereits sehr erfolgreiche Integration bestätigt. H.R. führte in ihrem Schreiben vom XXXX .2020 aus, dass sie mit BF1 den sonntäglichen Gottesdienst besucht und sie mit Freude die Tauf- und Firmpatin der BF1 geworden ist. Schließlich weist auch ein Schreiben der Stadtgemeinde XXXX vom XXXX .2020 auf das Engagement und die Freundlichkeit der BF hin.
Der BF2 nahm an der 5. Schulstufe eines Gymnasiums teil. Er plant im Herbst als ordentlicher oder außerordentlicher Schüler in eine HAK zu gehen. Er ist ein gerngesehener Mitspieler im örtlichen Fußballverein (vgl. Schreiben des SV XXXX und SV Sparkasse XXXX , ohne Datum). Ihm wird außerdem regelmäßiger Deutschkursbesuch und große Fortschritte beim Erlernen der Sprache bestätigt (vgl. zB auch Schreiben von R.Ö. und von M.Ö. vom XXXX .2019 und von P.W. vom XXXX .2019 sowie Anmeldebestätigung A. vom XXXX .2020).
Die BF sind strafgerichtlich unbescholten.
Sie beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.
1.3. Zur maßgeblichen Situation Iran
Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen.
Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. IOM 2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend –laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Güterndes täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).
Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).
Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).
Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter:http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein,muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.
Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).
Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).
1.3.2. Zu Covid-19 im Iran: Die medizinische Situation ist weiter angespannt, und bewegt sich die Zahl der Neuinfektionen den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, aber stabilen Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist leicht im Steigen begriffen. Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Für 25 von 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die höchste, „rote“ Warnstufe.
Maskenpflicht: Diese gilt in allen öffentlichen überdachten Einrichtungen, dem öffentlichen Verkehr und Taxis.
Reduzierte Amtszeiten: Die Normalarbeitszeit in Behörden ist auf 50% reduziert, die Anwesenheit auf zwei Drittel nach dem Rotationsprinzip.
Einrichtungen in Risikobereichen geschlossen: Schulen und Universitäten, Sportstätten, Museen, Kaffee- und Teehäuser, Kinos und Theater, Friseure und Fitnessstudios und selbst Moscheen sind bis auf Weiteres geschlossen.
Einreise und Reisebestimmungen: Iraner, auch Doppelstaatsbürger müssen sich bei Nichtvorlage für 14 Tage auf eigene Kosten in ein zugewiesenes Hotel in Quarantäne begeben. Eine „Freitestung“ ist möglich. Die sonstigen Einreisebestimmungen (Visum etc.) bleiben unberührt.
Zur Zeit keine Ausstellung von Touristenvisa: Bis auf weiteres stellt die iranische Botschaft in Wien keine Touristenvisa aus. Österreich hat das bisherige Landeverbot für Flugzeuge mit Abflugort Iran aufgehoben, es besteht jedoch weiter eine Reisewarnung des BmeiA für den Iran. Die Einreise auf dem Landweg ist weiterhin untersagt.
Absage aller Kongresse und Messen auf unbestimmte Zeit; Sperren in Risikosektoren:
Schulen und Universitäten, Sportstätten, Museen, Kaffee- und Teehäuser, Kinos und Theater, Friseure und Fitnessstudios und selbst Moscheen sind bis auf Weiteres geschlossen. Vielfach bleiben Hotels, Restaurants und Geschäfte mangels Kunden geschlossen.
Wirtschaft; Hilfspaket: Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten.
Laut WHO gab es im Iran am 09.09.2020 offiziell gemeldet 2.302 neue Covid19-Fälle, insgesamt 391.112 bestätigte Erkrankungen, 337.414 wieder Gesundete und 22.542 Todesfälle.
1.4. Die BF wurden am XXXX 2020 katholisch getauft. Sie waren seit XXXX .2018 zur Taufvorbereitung zugelassen (Katechumenenprotokoll vom XXXX .2018). Die intensive Taufvorbereitung, der Taufkurs, fand jedoch erst ab Jänner 2020 statt.
Die BF zeigten in Österreich ihren Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft an.
Die BF1 besucht einmal wöchentlich die katholische Kirche und liest aus der Bibel. Der Taufkurs fand auf Deutsch statt, wobei die BF1 die Unterlagen auf Deutsch und auf Persisch parallel erhielt. Die BF1 fastete im Jahr 2020 zehn Tage in der Fastenzeit. Beide BF feierten Ostern heuer so, dass sie mit zwei österreichischen Freunden Schokolade kauften und Eier gekocht haben. An Glaubensgrundsätzen lässt die BF1 in ihren Alltag einfließen, dass sie vor dem Schlafengehen betet. Ihr sind alle Gebote wichtig. Während des Lock-Downs las die BF1 in der Bibel. Wie in ihrer Gemeinde heuer Fronleichnam begangen wurde, ist der BF1 nicht bekannt. Sie engagiert sich in ihrer Kirche nicht im Rahmen einer konkreten Tätigkeit oder Position, sondern hilft bei der Reinigung mit, wenn es notwendig ist.
Die BF1 glaubte zwar im Iran bereits an einen Gott, lehnte aber den Islam ab.
Der BF2 besucht ebenfalls regelmäßig die katholische Kirche und gibt an, seinen Glauben dahingehend zu leben, dass er fastet, nicht lügt, sich an die christlichen Vorgaben hält und missionieren will. Für ihn ist der Samstag heilig. Der BF2 glaubte auch im Iran an Gott und drückte das derart aus, dass er nicht gelogen hat, nett zu den Menschen war und es als seine Aufgabe angesehen hat, Bedürftigen zu helfen. Wenn die Pfarrgemeinde seine Unterstützung braucht, dann würde er sie geben.
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Hauskirche, die die BF1 besuchte, von der Polizei ausgehoben und deren Mitglieder belangt wurden. In weiterer Folge wird auch nicht festgestellt, dass die Wohnung der BF1 durchsucht wurde.
Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die BF1 heute einen christlichen Glauben aus tiefer innerer Überzeugung ausleben möchte, der sie im Falle einer Rückkehr in den Iran ins Visier der Sicherheitsbehörden bringen würde.
Der BF2 beschäftigte sich seit seiner Ankunft in Österreich mit dem christlichen Glauben. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass er heute einen christlichen Glauben aus tiefer innerer Überzeugung ausleben möchte, der ihn im Falle einer Rückkehr in den Iran ins Visier der Sicherheitsbehörden bringen würde.
1.5. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch das BFA ( XXXX .2018) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ( XXXX .2020), die Beschwerdeschriftsätze, das LIB 2019 zum Iran, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die aktuellen allgemein zugänglichen Informationen zur Covid19-Situation im Iran, der Strafregisterauszug sowie die Verwaltungsakten zum Asylverfahren und sonstige Integrationsunterlagen.
2.2. Zu den Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Die Feststellungen zu den Geburtsjahren, Staatsangehörigkeit, zur Herkunft, Volksgruppenzugehörigkeit, zu den Angehörigen, zur Schulbildung und Berufstätigkeit der BF gründen sich auf die diesbezüglich nicht zweifelhaften Angaben der BF1 und 2 im Laufe des Verfahrens.
Die BF gaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, den Kontakt zum Ehemann bzw. Vater verloren zu haben. Die BF1 meinte dazu (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):
„ […] BF1: Seit einiger Zeit weiß ich nichts mehr von meinem Mann. Ich habe jetzt nur mit meinen Eltern Kontakt. Immer wenn meine Mutter meine Schwester besucht, spreche ich auch heimlich mit meiner Schwester. Nachgefragt: Heimlich deswegen, weil ich glaube, dass ihr Mann dagegen ist. Nachgefragt: Ich habe seit ca. 9 oder 10 Monaten keinen Kontakt mehr zu meinem Mann, ich weiß nicht, wieso. Ich habe zwar einmal versucht, ihn zu erreichen, aber sein Handy war ausgeschaltet, ich hoffe aber, dass es ihm gut geht. Die restlichen Informationen sind richtig.
R: Was sagt Ihre Mutter, wo Ihr Mann ist?
BF1: Meine Mutter ist sehr krank und nimmt viele Medikamente, sie ist vor ca. 1 Monat aus dem Spital entlassen worden.
R: Sie haben beim BFA gesagt, mein Mann ist meistens bei meiner Mutter zu Hause, ab und zu hält er sich auch bei der eigenen Mutter auf (AS 89). Was sagen Ihre Verwandten und Bekannten im Iran, was mit Ihrem Mann los ist?
BF1: Ich habe nur meine Mutter gefragt, sie sagte mir, dass mein Mann eines Tages in die Arbeit gegangen wäre und nicht mehr zurückgekommen ist. Da es meiner Mutter nicht besonders gut geht, möchte ich sie damit nicht belästigen.
R: Es gibt sicher Arbeitskollegen und einen Freundeskreis von Ihnen, was haben diese gesagt?
BF1: Ich habe außer mit meiner Mutter keinen Kontakt, ich habe auch die Telefonnummer seiner Kollegen nicht.
R: Ich verstehe Sie also richtig, Ihr Ehemann verschwindet und Sie haben niemanden außer Ihrer Mutter gefragt, wo er ist?
BF1: Ich habe meine Mutter gefragt, wo sich mein Mann befindet, sie hat mir erzählt, dass er in der Früh in die Arbeit ging und nicht mehr zurückkam. Was soll ich denn sonst noch tun. […]“
Die BF1 erweist sich bei diesen Fragen als überraschend zurückhaltend, oberflächlich und ausweichend. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die BF1 keine relevanten Bemühungen unternommen haben will, um herauszufinden, was mit ihrem Mann los ist und wo er sich aufhält. Ihre diesbezüglich ausweichenden Antworten werfen Zweifel auf ihre Angabe, plötzlich keinen Kontakt mehr mit ihrem Mann zu haben, weshalb dazu keine positiven Feststellungen getroffen werden können.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf ihren Angaben im Verfahren und den vorgelegten medizinischen Unterlagen zu BF1.
2.2.2. Die Feststellung zum Fehlen enger familiärer Bindungen der BF in Österreich beruht auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren.
Die Feststellungen zu den Beschäftigungen der BF in Österreich, zu ihren Freundschaften und der Wahrnehmung ihrer Integration durch ihr Umfeld beruhen auf den vorgelegten Unterlagen, wie sie bei den Feststellungen angemerkt wurden.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF basiert auf entsprechenden Auszügen aus dem Strafregister.
Die Feststellung zum Bezug der Leistungen aus der Grundversorgung gründet sich auf Auszüge aus dem GVS-System.
2.2.3. Die Länderfeststellungen unter 1.3.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran mit Stand 06/2020, und da wiederum auf den folgenden Einzelquellen:
- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020
- AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland_ Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020 %29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020
- -AA –Auswärtiges Amt (29.4.2020a): Reise-und Sicherheitshinweise -Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#content_5, Zugriff 29.4.2020
- AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020
- FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020
- -GIZ –Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 29.4.2020
- -IOM –International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2, Zugriff 29.4.2020
- ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020
- Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020
– US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020
An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel. Die Stellungnahme vom 25.08.2020 setzt diesen Länderberichten ebenfalls nichts entgegen.
Die Feststellungen zur Situation im Zusammenhang mit Covid-19 beruhen auf einer Information der WKO, online abrufbar unter https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html (zuletzt besucht am 09.09.2020), mit Stand 16.08.2020).
Die Daten der WHO konnten unter den folgenden beiden Webadressen abgerufen werden:
Die aktuellen Infektionszahlen (soweit gemeldet) finden sich auf der Website der WHO unter https://app.powerbi.com/view?r=eyJrIjoiN2ExNWI3ZGQtZDk3My00YzE2LWFjYmQtNGMwZjk0OWQ1MjFhIiwidCI6ImY2MTBjMGI3LWJkMjQtNGIzOS04MTBiLTNkYzI4MGFmYjU5MCIsImMiOjh9 (zuletzt besucht am 09.09.2020). Siehe auch Datenbank: WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/ir (zuletzt besucht am 09.09.2020).
Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich bei den Feststellungen zur Situation in Zusammenhang mit COVID-19 auf allgemein zugängliche Informationen, an deren Aktualität und Verlässlichkeit es keinen Grund gibt zu zweifeln.
2.2.4.
Zu den Feststellungen unter 1.4.:
Die Feststellungen zur Taufe erfolgten auf Basis der Taufscheine vom XXXX 2020. Jene zur Anmeldung zur Taufvorbereitung beruhen auf den vorgelegten und erwähnten Unterlagen. Dass die Taufvorbereitung tatsächlich ab Jänner 2020 stattfand, gab der Zeuge in der Verhandlung so an und erklärte dies damit, dass ein Beschluss der Pfarrgemeinden zuerst den Beginn der Taufvorbereitung von einem positiven Ergebnis des Asylverfahrens abhängig machen wollte. Durch einen Vertreter der Bischofskonferenz wurden entsprechende Bedenken schließlich ausgeräumt und konnte mit der Taufvorbereitung schließlich im Jänner 2020 begonnen werden.
Die sonstigen Angaben zur Glaubensausübung in Österreich und im Iran basieren auf den diesbezüglichen Angaben der BF im Laufe des Verfahrens.
Zur Hauskirche im Iran und zur Gefährdung wegen einer Razzia:
Ein Vorbringen einer Gefährdung der BF im Iran wegen eines Hauskirchenbesuchs der BF1 und einer Razzia bei den BF zu Hause konnten diese nicht nachvollziehbar und plausibel glaubhaft machen.
Selbst nach den eigenen Angaben der BF1 nahm diese das erste Mal Mitte/Ende April 2018 an einer Hauskirche im Iran teil, wobei sie insgesamt vier Mal zu einer solchen Versammlung gegangen sein will (AS 96ff). Ihre weiteren diesbezüglichen Angaben über den Ablauf der Versammlungen bleiben – trotz der etwas detaillierten Schilderung in der mündlichen Verhandlung im Endeffekt - oberflächlich (vgl. AS 97, 101, 103 und S. 12f des Verhandlungsprotokolls), was auch damit zusammenhängen kann, dass die BF1 eben nur vier Mal dort gewesen sein will, und eine nähere Auseinandersetzung mit dem Christentum dort wohl bis zu ihrer Ausreise im Juli 2018 (vgl. AS 89) schon aufgrund von Zeitmangel nicht stattgefunden haben kann. Im Endeffekt bleibt damit eine Zeit von etwas mehr als drei Monaten übrig, in der sich die BF1 also im Iran mit dem Christentum beschäftigt haben will. Weiter gibt sie in ihrem eigenen Vorbringen an, gar nicht selbst Beteiligte einer möglichen Razzia einer Hauskirche gewesen zu sein, sondern berichtet nur von einem Besuch von Sicherheitsbehörden bei sich zu Hause. Ein Konnex zum Besuch einer allfälligen Hauskirche im Iran ist daher nicht offensichtlich gegeben.
Schließlich müssen auch die aktuellen Länderfeststellungen zu den Hauskirchen im Iran zur Kenntnis genommen werden, aus denen hervorgeht, dass Repressalien der Sicherheitsbehörden grundsätzlich wohl eher an Organisatoren und Anführerinnen gerichtet sind, als an einfache Mitglieder. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen unter der Bedingung, sich von missionarischen Aktivitäten fernzuhalten. Ob ein Mitglied einer Hauskirche ins Visier der Behörden gerät, hängt auch von durchgeführten Aktivitäten ab, wobei „normale“, damit wohl gemeint einfache, Mitglieder von Hauskirchen eher riskieren, zu Befragungen vorgeladen zu werden. Aus den entsprechenden Informationen ergibt sich nun eben gerade nicht, dass die BF1, selbst wenn sie in den drei Monaten vor ihrer Ausreise vier Mal an einer Hauskirche teilgenommen haben und sonst keinerlei entsprechende Aktivitäten gesetzt haben will, entsprechend wahrscheinlich besonders ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten sein soll.
Wenn nun die BF1 bei der EV beim BFA vorbringt, sie habe auch in ihrer Familie über ihren neuen Glauben gesprochen (vgl. AS 100 und 109) bzw. sie auch in der mündlichen Verhandlung angibt, unter Angst jene missioniert zu haben, denen sie vertraut habe (vgl. S. 13 des Verhandlungsprotokolls), so muss dieses Vorbringen im Lichte dessen betrachtet werden, dass die BF1 selbst angab, sich eigentlich erst sehr kurz vor ihrer Ausreise (ca. 3 Monate, 4 Hauskirchenbesuche) mit dem Christentum beschäftigt zu haben, und daher eine nähere, tatsächlich missionarische Aktivität zweifelhaft erscheint. Von Problemen ihrer Familienmitglieder wegen einer Annäherung derer ans Christentum wurde im Laufe des Verfahrens nicht berichtet. Im Ergebnis erscheint es daher nicht plausibel, dass die BF1 nach einer doch vergleichsweisen kurzen Beschäftigung mit diesem Thema im Iran und nach nur vier Hauskirchenbesuchen gleich in eine sicherheitsbehördliche Maßnahme der iranischen Behörden verwickelt worden sein soll.
Der belangten Behörde kann auch dahingehend gefolgt werden, dass es wenig nachvollziehbar erscheint, dass die BF1 und ihr Mann den gemeinsamen, damals minderjährigen Sohn, den ganzen restlichen Tag alleine in der Wohnung gelassen haben wollen, nachdem es dort am Samstag Vormittag eine Hausdurchsuchung gegeben haben soll (vgl. AS105f und S 16f des Verhandlungsprotokolls).
Schließlich kann auch nicht übersehen werden, dass die BF1 keinerlei weitere Information über das Schicksal der anderen Bekannten der Hauskirche erlangte, noch versuchte, sich mit jener Freundin, die sie in die Hauskirche vermittelt haben soll, Kontakt aufzunehmen und zu sehen, wie es ihr geht. Sie gab dabei bei der Behörde an, sie traue sich nicht mit ihr zu telefonieren, weil diese mit der Flucht der BF konfrontiert gewesen sei, und sie jene Freundin nicht in Schwierigkeiten bringen wolle. Auch über das Schicksal einer weiteren Bekannten aus der Hauskirche wisse sie nicht weiter Bescheid (AS104f). Im Lichte dessen, dass die BF1 davor angab, mit jener – ersten - Freundin eine engere Beziehung gehabt zu haben (ebda) und außerdem im Zuge des Geschehens mit der Mutter jener festgenommenen Bekannten und der Freundin telefoniert zu haben, ist es unverständlich, warum die BF1 sich nicht einmal nach dem Schicksal ihrer Freundin und jener Bekannten erkundigt haben soll. Dass sie sich damit einer engeren Hauskirchen-Gemeinschaft im Iran verbunden gefühlt haben will, lässt sich aus ihren Angaben nicht erschließen. Schließlich muss sich die BF1 auch die fehlende Nachvollziehbarkeit ihrer Angaben zum aktuellen Verbleib ihres Mannes bzw. zum Kontakt mit ihm vorhalten lassen; jene sind geeignet, die Glaubwürdigkeit der BF1 in Zweifel zu ziehen.
Damit wurde eine Involvierung in eine Hauskirche im Iran und eine Hausdurchsuchung in der Wohnung der BF im Iran mit den berichteten Konsequenzen nicht glaubhaft gemacht.
Zur Glaubensausübung in Österreich:
Es steht nicht in Frage, dass sich die BF1 in Österreich mit christlichen und katholischen Glaubensinhalten beschäftigte, was sich auch aus ihren Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergibt. Es fällt allerdings auf, dass die BF – trotzdem sie bereits seit September 2018 zur Taufvorbereitung angemeldet waren - erst ab Jänner 2020 einen entsprechenden, deutschsprachigen, Taufkurs besuchen konnten, und dennoch bereits im Mai 2020 getauft wurden. Eine Information der österreichischen Bischofskonferenz sieht als Dauer für das Katechumenat vor, dass dieses mindestens ein Jahr dauern soll, gegebenenfalls aber auch länger, insbesondere für Personen aus anderen Kulturkreisen. Der erste Abschnitt dient einem ersten Kennenlernen und einer Klärung der Motivation für die Taufe. Mit der Feier der Aufnahme in das Katechumenat beginnt die entferntere Vorbereitung, in der die Katechumenen umfassend in den Glauben eingeführt werden sollen. Mit der Feier der Erwählung – zumeist zu Beginn der Fastenzeit – beginnt der Abschnitt der näheren Vorbereitung, wobei darin die Stärkungsriten und die Riten der unmittelbaren Vorbereitung von besonderer Bedeutung sind. Der Höhepunkt ist die Feier der Taufe, Firmung und Eucharistie, mit denen die Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche erfolgt. Eine Ausnahme dieses Plans besteht zB für Personen, die de facto in den christlichen Glauben eingeführt sind (vgl. dazu: Katechumenat, Pastorale Orientierungen, Broschüre der österreichischen Bischofskonferenz: https://www.bischofskonferenz.at/dl/mLKNJKJKKlLlkJqx4KJK/Heft14_Katechumenat.pdf). Nach dem Zeugen, der allerdings nicht selbst den Taufkurs durchgeführt hat, hatten die BF bereits ein breites biblisches Wissen, hatten schon im Iran eine Hauskirche besucht und die Vertreter der Bischofskonferenz mit ihrem Bibelwissen überrascht. Während keinesfalls angezweifelt werden soll, dass die Wahrnehmung des Zeugen eine solche ist, dass die BF regelmäßig die Kirche besuchen und sich mit der Bibel auseinandergesetzt haben, so muss dennoch anerkannt werden, dass nur die BF1 angab, im Iran viermal eine Hauskirche besucht und sich dort zwischen Mitte/Ende April 2018 bis zu ihrer Ausreise Ende Juli 2018 – also für drei Monate – mit christlichen Inhalten beschäftigt zu haben. Der BF2 nahm im Iran überhaupt nicht an Versammlungen teil. Von der Möglichkeit einer näheren Auseinandersetzung mit katholischen Inhalten im Iran kann daher weder bei der BF1 noch beim BF2 ausgegangen werden. Während nicht übersehen wird, dass die Anmeldung zum Katechumenat bereits 2018 erfolgte, fand der eigentliche Taufkurs, also die inhaltliche Vorbereitung, erst ab Jänner 2020 – mit den Einschränkungen der Covid19-Pandemie wohl nur bis Mitte März 2020 persönlich - auf Deutsch mit Farsi-sprachigen Unterlagen statt. Die Annahme eines bereits im Iran bestanden habenden näheren Wissens über die Religion, insbesondere eines Bibelstudiums, ergibt sich für die erkennende Richterin nicht aus den eigenen Angaben der BF, wonach die BF1 während drei Monaten viermal eine Versammlung dort besucht und erst in diesen drei Monaten vor der Ausreise eine Bibel erhalten haben will. Der BF2 war gar nicht bei Versammlungen im Iran. Im Lichte dessen, dass sich die katholische Taufvorbereitung grundsätzlich als ernstzunehmende und ausführliche Einführung in den katholischen Glauben versteht, erlaubt das Vorgehen, das in Bezug auf die BF gewählt wurde, die prima facie-Annahme nicht, dass aufgrund der katholischen Taufe jedenfalls von einer verfestigten Glaubensüberzeugung auf Grundlage einer tatsächlich tiefgehenden Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten ausgegangen werden muss.
In weiterer Folge muss die erkennende Richterin in die Beweiswürdigung einbeziehen, dass die BF in der mündlichen Verhandlung zur Frage, wie sie ihren Glauben nun tatsächlich leben, nicht überzeugen konnten.
Die BF1 gab dazu im Rahmen der Verhandlung zB an (Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll):
„ […] R: Wie leben Sie Ihre Religion in Österreich aus?
BF1: Ich gehe einmal in der Woche in die Kirche. Ich lese aus der Bibel. Ich versuche zu missionieren. […]
R: Was bedeutet Ihnen der Gottesdienst?
BF1: Ich lerne dadurch mehr und mehr Jesus Christus und seine Mutter kennen. Ich erfahre mehr über sein Leben, ich möchte meinen Glauben immer weiter vertiefen und möchte Unterstützung von Jesus bekommen.
R: Über Jesus und Maria lernen und Ihren Glauben vertiefen könnten Sie ja auch alleine mit der Bibel oder mit Ihrem Sohn machen, was ist für Sie die Bedeutung des Gottesdienstes, warum gehen Sie dort hin?
BF1: Ich möchte in der Kirche auch andere Gläubige kennenlernen, ich möchte die Gebete gemeinsam mit den anderen Gläubigen verrichten.
R: Welche Teile des Gottesdienstes sind Ihnen besonders wichtig, und warum?
BF1: Das Abendmahl, wir nehmen das Brot als Zeichen des Körpers von Jesus Christus und den Wein als Zeichen seines Blutes. Jesus hat gesagt, immer, wenn wir das Abendmahl veranstalten, sollen wir an ihn denken.
R: Wie haben Sie denn heuer Ostern gefeiert?
BF1: Ostern war heuer zur Corona-Zeit, wir waren darüber sehr traurig. Zu Aschermittwoch habe ich 10 Tage gefastet, dh, ich habe kein Fleisch gegessen. In der Corona-Zeit war ich zuhause und habe Masken genäht.
R: Wieso haben Sie 10 Tage gefastet?
BF1: Man soll 40 Tage fasten, ich habe nur 10 Tage gefastet. 10 Tage habe ich kein Fleisch gegessen. Ich habe mich an die Vorgaben dieser 40 Tage gehalten.
R: Wie haben Sie und Ihr Sohn heuer Ostern gefeiert?
BF1: Ich und mein Sohn und zwei weitere österr. Freunde haben Schokolade gekauft und gemeinsam gefeiert. Auch Eier haben wir gekocht. Ich habe mich sehr viel mit den Masken beschäftigt.
R: Welche Glaubensgrundsätze Ihrer jetzigen Religion lassen Sie in Ihren Alltag einfließen?
BF1: Die Gebete, die ich verrichte vor dem Schlafengehen.
R: Jeder Glaube besteht aus Verhaltensregeln, wie sich Menschen verhalten sollen. Was sind Dinge, die Ihnen jetzt im Alltag wichtig sind, die Sie umsetzen? Welche wichtigen Glaubensregeln setzen Sie im Alltag um?
BF1: Man soll Gott verehren, denn Gott hat die Sklaven aus Ägypten befreit. Man soll außer Gott keinen weiteren Gott verehren und den Feiertag ehren, die Eltern respektieren, man soll den Namen Gottes nicht verunehren, man soll nicht stehlen, man soll nicht ehebrechen.
R: Was leben Sie in Ihrem Alltag, was ist für Sie wichtig, was setzen Sie um im Alltag, was hat für Sie eine konkrete Bedeutung?
BF1: Dass ich Gott verehre und an Jesus Christus glaube, mir sind alle Gebote wichtig.
R: Welche Inhalte der Bibel sind Ihnen besonders wichtig und wieso?
BF1: Mir ist alles aus der Bibel wichtig, egal, welchen Teil ich lese, verbindet es mich mit Jesus.
R: Wenn Sie sich mit einem Inhalt beschäftigen, gibt es Dinge, die Sie besonders berühren, welche sind das? Worauf basiert Ihr Glaube und warum ist Ihnen Ihr Glaube wichtig?
BF1: Jesus Christus hat den Menschen gesagt, ihr kommt erst dann ins Reich Gottes: als ich hungrig war, habt ihr mir zu Essen gegeben, als ich dann alleine war, seid ihr mir zur Seite gestanden, als ich krank war, habt ihr mich geheilt.
R: Warum ist Ihnen das jetzt besonders wichtig?
BF1: Ich vergleiche das mit meinem Schicksal, als ich in Ö angekommen bin, war ich hungrig, durstig, ich wurde versorgt. Die Leute haben Jesus gefragt, du warst doch nie hungrig, durstig, wann gaben wir dir zu trinken bzw. zu essen, daraufhin sagte er zu ihnen, immer, wenn ihr durstigen und hungrigen Leuten helft, dann habt ihr mir geholfen.
R: Wie haben Sie Ihren Glauben in dieser vergangenen Zeit der Isolation ausgelebt?
BF1: Einige Wochen lang konnten wir nicht in die Kirche gehen, in dieser Zeit las ich zuhause aus der Bibel. Danac