TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 W279 2232986-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W279 2232986-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX StA. Mongolei, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2020, Zahl: XXXX , sowie die erfolgte Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft von 26.05.2020 bis 02.06.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 26.05.2020 bis 02.06.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) reiste mit ihrem Ehegatten und der gemeinsamen Tochter nach Österreich ein. Diese stellten am 05.08.2015 Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 25.03.2016 abgewiesen wurden. Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Mongolei zulässig sei. Gegen diese Entscheidung wurde in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Der Ehemann der BF kehrte am 13.09.2017 freiwillig in die Mongolei zurück, weswegen dessen Asylverfahren eingestellt wurde.

2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in Folge: BVwG) vom 24.01.2019, rechtskräftig am 29.01.2019, XXXX , wurde die Beschwerde der BF als unbegründet abgewiesen. Die Frist für die freiwillige Ausreise verstrich mit 12.02.2019.

3. Am 18.03.2019 beantragte die BF die unterstützte freiwillige Rückkehr in den Heimatstaat.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.06.2019 wurde die Obsorge über die minderjährige Tochter der BF, XXXX , geboren am XXXX , der mütterlichen Großmutter, XXXX , geboren am XXXX , übertragen.

5. Am 14.06.2019 wurde die XXXX im Zuge einer Amtshandlung angehalten und durchsucht. Dabei wurde der Reisepass und die Asylkarte der XXXX (Alias der BF) vorgefunden. Die durchsuchte Person habe im Namen der BF einen Test absolvieren wollen.

6. Am 28.06.2019 setzte der Verein Menschenrechte Österreich das BFA darüber in Kenntnis, dass die BF nicht mehr rückkehrwillig sei und ihren Antrag widerrufen habe.

7. Am 25.07.2019 wurde von Seiten des BFA ein Festnahme- und Durchsuchungsauftrag gem. §§ 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG und 35 Abs. 1 BFA-VG für die Räumlichkeiten in XXXX erlassen, da eine Abschiebung der BF für den 02.08.2019 geplant gewesen sei.

8. Da die BF laut Bericht der Polizeiinspektion (PI) XXXX vom 30.07.2019 nach Auskunft der Unterkunftgeberin seit etwa einem Monat nicht mehr an der Adresse wohnhaft sei und daher nicht habe angetroffen werden können, habe die Flugbuchung storniert werden müssen und sei die amtliche Abmeldung vorgenommen worden. Die Beamten hätten im Zuge der Amtshandlung eine Nachschau durchgeführt und festgestellt, dass die Wohnung leer gestanden habe.

9. Mit Ladungsbescheid vom 17.12.2019 wurde die BF gem. § 19 AVG aufgefordert, zu einer Einvernahme am 03.01.2020 zu kommen.

10. Das BFA hielt mit Aktenvermerk vom 03.01.2020 fest, dass die BF zum Ladungstermin unentschuldigt nicht erschienen sei. Festgestellt wurde, dass der Ladungsbescheid am 20.12.2019 postalisch hinterlegt worden sei. Um 10:45 Uhr habe sich Herr XXXX , der Ehegatte der Mutter der BF, telefonisch gemeldet. Dessen Auskunft zufolge habe die BF den Ladungsbescheid erst am selben Tage, den 03.01.2020, von der Post abgeholt und sei es daher nicht möglich gewesen, den Termin einzuhalten, weswegen er um Erteilung eines neuen Termins ersuche. Die BF sei aufgefordert worden, am 07.01.2020 beim BFA vorstellig zu werden. Auf die Frage, warum die BF ihrer Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen sei, gab er an, dass sie grundsätzlich ausreisewillig sei, jedoch im Hinblick auf die winterlichen Bedingungen in der Mongolei eine Ausreise im Frühjahr präferieren würde. Darüber hinaus habe sie kein Geld und keine Unterkunft in der Mongolei. Die Tochter der BF lebe derzeit bei dieser, obwohl die Obsorge des Kindes bei der Großmutter liege.

Nach erneutem Gespräch mit dem Ehemann der Mutter der BF am selben Tag erklärte dieser, dass die BF nunmehr an einem fiebrigen Infekt erkrankt sei und auch den Einvernahmetermin am 07.01.2020 nicht wahrnehmen könne.

11. Mit Ladungsbescheid vom 03.01.2020 wurde die BF gem. § 19 AVG erneut aufgefordert, sich zum Zwecke der Einvernahme zur Identitätsfeststellung und Ausreisepflicht am 13.01.2020 beim BFA, Außenstelle XXXX einzufinden.

12. Am 07.01.2020 erging von Seiten des BFA ein Erhebungsersuchen an die LPD XXXX . Es werde um Hauserhebung ersucht, ob die BF an der angegebenen Adresse nach wie vor wohnhaft oder bereits verzogen sei. Dem Bericht der LPD XXXX vom selben Tag zufolge habe die BF an ihrer Meldeadresse nicht angetroffen werden können. Durch die dort etablierten Fenster habe man jedoch in das Innere der Wohnung sehen können, diese habe jedoch unbewohnt gewirkt. Eine Nachbarschaftsanfrage habe ergeben, dass diese seit etwa drei Monaten nicht mehr bewohnt sei.

13. Am 08.01.2020 wurde gegen die BF erneut ein Festnahmeauftrag gem. §§ 34 Abs. 2 Z 2 BFA-VG erlassen, da der Aufenthaltsort nicht festgestellt habe werden können.

14. Mit Schreiben vom 22.01.2020 erging von Seiten des BFA ein Amtshilfeersuchen an die Stadtgemeinde XXXX und das Amt der XXXX Landesregierung. Es sei zu erheben, ob die minderjährige Tochter der BF nach wie vor den Kindergarten in XXXX besuche und wer diese in den Kindergarten bringe und abhole. Mit Antwort vom 03.02.2020 wurde dem BFA mitgeteilt, dass das Kind den Kindergarten seit dem 10. Jänner nicht mehr besucht habe. Die Tochter sei am 07., 08. Und 09.01.2020 noch dort gewesen, sei jedoch am 10.01.2020 von der Großmutter krankgemeldet worden und seitdem nicht mehr dort gewesen. Laut Auskunft der Kindergartenleiterin sei das Kind abwechselnd von Mutter und Tante abgeholt worden. Die Tante heiße XXXX und wohne in der XXXX .

Mit Schreiben vom 04.02.2020 wurde dem BFA mitgeteilt, dass die Großmutter der Tochter mit dem Kind im Kindergarten gewesen sei, jedoch kein Anspruch mehr auf einen Kindergartenplatz bestehe, da das Kind nicht mehr in XXXX gemeldet sei.

Am 12.02.2020 sei die BF mit ihrer Tochter in den Kindergarten gekommen, sei jedoch mit der Bitte weggeschickt worden, sich im Rathaus zu melden. Dies sei nicht geschehen.

15. Das BFA übermittelte am 29.04.2020 eine Sachverhaltsdarstellung bezüglich des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung an das Bezirksgericht XXXX . Demnach habe sich herausgestellt, dass die obsorgeberechtigte Großmutter nunmehr pflegebedürftig sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Großmutter unter diesen Umständen ihren Obsorgepflichten nachkommen solle.

16. Am 22.05.2020 erging vom BFA ein Erhebungsersuchen an die LPD XXXX , ob sich die BF bzw. dessen Tochter im Burgenland bei der Mutter aufhalten würden.

17. Am 26.05.2020 erging in Ergänzung des Festnahmeauftrages vom 08.01.2020 ein Durchsuchungsauftrag gem. § 35 Abs. 1 BFA-VG für die Räumlichkeiten in XXXX . Am selben Tag wurde die BF anlässlich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angetroffen und festgenommen.

18. Am 27.05.2020 wurde die BF durch das BFA niederschriftlich in der Sprache Mongolisch einvernommen.

Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie sich einmal um die Erlangung eines Personaldokumentes bei der Botschaft bemüht habe, seitdem jedoch nicht mehr. Sie habe einen Ehemann, sie würden jedoch getrennt leben. In der Mongolei habe sie noch vier oder fünf Tanten, ihr Vater sei verstorben. Wo ihr Bruder lebe, wisse sie nicht.

Die Obsorge über ihre Tochter habe sie abgegeben, da es das Beste für ihre Tochter sei. Diese sei in Österreich aufgewachsen. Ihr eigener Aufenthalt sei illegal, der ihrer Mutter nicht. Sie sei bisher nicht zurückgekehrt, da sie geglaubt habe, dass sie nach 5 Jahren einen Aufenthaltstitel bekomme. Den Antrag auf freiwillige Heimkehr habe sie zurückgezogen, da sie krank gewesen sei. Dass sie sich selbst um die An- und Abmeldung des Wohnsitzes kümmern müsse, habe sie nicht gewusst. Von ihrer derzeitigen Wohnadresse in XXXX habe sie sich nicht selbst abgemeldet. Finanziell übernehme alle Kosten ihre Mutter.

Sie habe weiterhin vor, in der Mongolei zu studieren. Den Kontakt zu ihrer Tochter wolle sie über das Telefon halten. Grundsätzlich sei sie ausreisewillig. Sie könne über ihre Mutter mit Verwandten in der Mongolei Kontakt aufnehmen und hoffe auf deren Unterstützung.

19. Mit gegenständlichem Bescheid wurde über die BF gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die BF wiederholt unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes im Bundesgebiet aufgehalten habe und wiederholt für die Behörde nicht greifbar gewesen sei. Bereits in der Vergangenheit seien polizeiliche Erhebungen, Ladungs- sowie Abschiebeversuche gescheitert, da sie nicht greifbar gewesen sei. Die freiwillige Rückkehrwilligkeit habe sie im Juni 2019 widerrufen. Seither habe es keine Bemühungen mehr gegeben, dass Bundesgebiet zu verlassen. Sie sei zuletzt ohne behördliche Meldung gewesen und habe bereits zuvor mehrfach unangemeldet im Bundesgebiet gelebt. Die BF sei als Person nicht vertrauenswürdig.

20. Am 02.06.2020 wurde die BF durch das BFA erneut niederschriftlich einvernommen. Festgehalten wurde, dass die BF die letzten Wochen am Verfahren mitgewirkt und die Blätter zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) ausgefüllt habe. Außerdem habe sie sich mit dem Verein Menschenrecht Österreich für die freiwillige Ausreise am 29.05.2020 angemeldet. Sie habe nach wie vor einen Wohnsitz in XXXX .

21. Gem. § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wurde über die BF das gelindere Mittel zum Zwecke der Abschiebung angeordnet. Demnach habe die BF in XXXX Unterkunft zu nehmen und sich beginnend mit 03.06.2020 täglich bei der PI XXXX zu melden. Die BF wurde unter Verhängung des gelinderen Mittels aus der Schubhaft entlassen.

22. Mit Schreiben vom 03.06.2020 erteilte das BFA die Zustimmung für die unterstützte freiwillige Ausreise für die BF.

23. Mit Schriftsatz vom 14.07.2020 erhob die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde gem. § 22a BFA-VG.

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Schubhaft wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde das Vorliegen der Fluchtgefahr vor allem damit begründet habe, dass die BF für das bisherige Verfahren nicht greifbar gewesen sei. Dabei stütze sich das BFA auf die Polizeiberichte vom 30.07.2019 und vom 07.01.2019. Die Behörde habe nach eigenen Angaben die Abschiebung am 29.07.2019 durchführen wollen, habe die BF an ihrer damaligen Meldeadresse, XXXX , jedoch nicht antreffen können. Dies deshalb, da die BF bereits Ende Juni bzw. Anfang Juli ausziehen habe müssen, nachdem ihre Tochter zur neuen Obsorgeberechtigten gezogen sei. Da sie auf Wohnungssuche gewesen sei, habe sie zwischenzeitlich bei ihrer Familie gewohnt und habe sich in einer neuen Wohnung behördlich melden wollen.

Dass sich die BF nicht bewusst der Greifbarkeit der Behörde durch Umzug und Nichtmeldung entziehen habe wollen, gehe aus der neuerlichen Meldung vom 07.10.2019 in der XXXX , hervor. Sofern sich die Behörde auf den Bericht der PI XXXX vom 07.01.2020 beziehe, demnach die BF an ihrer Adresse nicht habe angetroffen werden können, die Exekutivbeamten die Wohnung als unbewohnt wirkend und eine Nachbarschaftsbefragung durchgeführt hätten, die ergeben hätte, dass die BF seit drei Monaten nicht mehr an der Adresse wohne, sei anzumerken, dass die BF durchgehend an dieser Adresse wohnhaft gewesen sei. Dies ergebe sich bereits aus der Festnahme vom 26.05.2020 an derselben Adresse. Auch aus den Berichten der Behörde, wonach die BF ihre leibliche Tochter vom Kindergarten in XXXX abgeholt hätte und dort am 10.02.2020 vorstellig gewesen sei, lasse sich schlussfolgern, dass sie durchgehend in XXXX aufhältig gewesen sei.

Sofern die Behörde der BF vorwerfe, seit 15.01.2020 keine Meldung mehr gehabt zu haben, sei anzumerken, dass die BF aufgrund des irreführenden Berichts vom 07.01.2020 der PI XXXX abgemeldet worden sei. Sie habe daher nicht gewusst, dass sie seit 15.01.2020 über keine aufrechte Meldung mehr verfügt habe.

24. Mit Schreiben vom 15.07.2020 legte das BFA eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde vor und gab an, dass die Behörde begründet vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen sei. Die BF habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen, zumal sie sich bereits in der Vergangenheit, konkret am 18.03.2019, zur freiwilligen Rückkehr angemeldet, diese Ausreiseabsicht am 28.06.2019 jedoch widerrufen habe. Zudem habe die BF gegenüber dem Bezirksgericht XXXX anlässlich der Obsorgeübertragung für die leibliche Tochter an die mütterliche Großmutter ebenfalls explizit ihre Absicht zur Rückkehr in die Mongolei geäußert, dies jedoch offensichtlich aus verfahrenstaktischen Gründen zur Hintanhaltung bzw. Vereitelung von weiteren fremdenrechtlichen Maßnahmen gegen die Tochter. Darüber hinaus habe die BF keinerlei ernsthafte Bemühungen zur selbstständigen Ausreise erkennen lassen, sei nach wie vor illegal im Bundesgebiet aufhältig und sei nicht willens, sich selbstständig Reise- bzw. Personaldokumente zu beschaffen. Es müsse weiters erwähnt werden, dass die BF am 29.07.2019 an ihrer früheren Wohnadresse anlässlich einer polizeilichen Erhebung seitens der Exekutive nicht habe angetroffen werden können, weshalb die für den 02.08.2019 behördlich organisierte Abschiebung ersatzlos storniert haben werde müssen. Außerdem habe die BF im Zeitraum von 29.07.2019 bis 07.10.2019 über keine ordentliche Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet verfügt und sei damit für die Behörde nicht erreichbar gewesen. Die BF sei trotz behördlicher Bemühungen und Ladungsbescheid vom 17.12.2019 unentschuldigt nicht zur Einvernahme am 03.01.2020 erschienen. Trotz Erteilung eines neuen Termins auf Ersuchen des Schwiegervaters der BF am 07.01.2020, sei diese erneut nicht erschienen. Ein Ladungsbescheid für den 13.01.2020 habe der BF nicht ausgehändigt werden können, da diese an ihrer Meldeadresse nicht angetroffen worden sei. Da dem BFA bereits ein abgelaufenes HRZ im Original vorliege, gehe es davon aus, dass die Verlängerung bzw. Neuausstellung zeitnah würde erfolgen können.

Darüber hinaus sei damit zu rechnen gewesen, dass die gegenwärtigen Verzögerungen und Annullierungen des internationalen Flugverkehrs im Zusammenhang mit COVID-19 weitegehend gelockert und Abschiebungen bald wieder durchgeführt werden könnten.

25. Am 16.06.2020 teile die Caritas Erzdiözese dem Verein Menschenrechte Österreich mit, dass die BF nunmehr von ihnen vertreten werde und ihren Antrag daher zurückziehe.

26. Am 25.05.2020 stellte die BF, nunmehr vertreten durch die Caritas Erzdiözese, einen neuerlichen Antrag auf freiwillige Rückkehr.

27. Am 26.06.2020 teilte das BFA mit, dass die Heim- und Ausreisekosten für die BF übernommen würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde vom 14.07.2020 gegen den angefochtenen Schubhaftbescheid des BFA vom 28.05.2020, sowie der Einsicht in den bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.2      Zur Person der BF:

Die volljährige BF, XXXX , verfügt über weitere Aliasidentitäten ( XXXX alias XXXX ), ist am XXXX geboren und Staatsangehörige der Mongolei. Sie besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremde iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Die BF stellte am 05.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit Bescheid vom 25.03.2016 abgewiesen wurde. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in die Mongolei zulässig ist. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.01.2019 als unbegründet abgewiesen.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zur Fluchtgefahr der BF, der Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung und der Frage nach einem gelinderen Mittel.

Es wird festgestellt, dass die BF zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen ist. Die BF war nicht selbsterhaltungsfähig und war somit als mittellos zu betrachten. Eine berufliche Verankerung der BF im Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden.

Eine familiäre Verankerung der BF im Bundesgebiet ist durch eine minderjährige Tochter, ihre Mutter, deren Ehemann sowie einer Tante gegeben. Die alleinige Obsorge der Tochter der BF wurde jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 06.06.2019 an die mütterliche Großmutter übertragen.

Die BF war trotz aufrechter Meldung am 29.07.2019 in XXXX nicht mehr wohnhaft und gab keine neue Meldeadresse an. Sie zog bereits Ende Juli bzw. Anfang Juli aus der Wohnung aus, verfügte nicht über eine Abmeldung und meldete auch keinen neuen Wohnsitz an. Bis 07.10.2019 kam die BF ihrer Meldeverpflichtung nicht nach und hatte unter Missachtung der österreichischen Meldebestimmungen unrechtmäßig Wohnsitz an einer unbekannten Adresse im Bundesgebiet bezogen, weshalb sie für die Behörde nicht greifbar war. Dadurch vereitelte sie die für den 02.08.2019 geplante Abschiebung.

Ab 07.10.2019 war die BF zwar in XXXX gemeldet, ein ordentlicher Einvernahmetermin konnte jedoch trotz Bemühungen seitens des BFA nicht stattfinden. So erschien die BF zum Einvernahmetermin am 03.01.2020 unentschuldigt nicht. Auch ein neuerlicher Ladungstermin vom 07.01.2020 konnte von der BF nicht eingehalten werden. Eine polizeiliche Nachschau und eine nachbarschaftliche Befragung an der Meldeadresse ergaben, dass die Wohnung unbewohnt wirkte und seit etwa drei Monaten nicht mehr bewohnt worden war, weshalb eine amtliche Abmeldung veranlasst wurde.

Anschließend konnte der Aufenthalt der BF lediglich durch zwei Amtshilfeersuchen eruiert werden. Auch einer Aufforderung vom 12.02.2020, sich beim Rathaus der Gemeinde zu melden, kam die BF nicht nach.

Die BF war nicht ausreisewillig, kam der Ausreisverpflichtung aus eigenem nicht nach und verweigerte seit der verstrichenen Ausreisefrist am 12.02.2019 die Ausreise. Sie hielt sich seit eineinhalb Jahren illegal im Bundesgebiet auf und entzog sich mehrmals dem Zugriff der Behörde.

Die BF ist nicht vertrauenswürdig.

Die BF war zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 28.05.2020 bis zum 02.06.2020 haftfähig. Die BF beklagte immer wieder Bauchschmerzen, sie wurde jedoch untersucht und ergaben sich keine stichhaltigen Hinweise für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur, die einer Inschubhaftnahme entgegengesprochen hätten.

Das erkennende Gericht stellt fest, dass für die BF eine konkrete Fluchtgefahr gegeben und die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig war. Des Weiteren kann festgestellt werden, dass der Zweck der Schubhaft im gegenständlichen Fall nicht durch ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG hätte erreicht werden können. Aufgrund des Verhaltens der BF und dem daraus folgenden, überwiegenden öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung der BF im Bundesgebiet war im gegenständlichen Fall von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen.

Für die BF lag ein abgelaufenes HRZ vor. Die Ausstellung eines aktuellen HRZ und eine Abschiebung innerhalb der 18-monatigen Höchstdauer der Schubhaft gerechnet ab Schubhaftnahme war möglich.

Die BF wurde am 02.06.2020 aufgrund ihrer Mitwirkung aus der Schubhaft in ein gelinderes Mittel entlassen.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit der BF ergeben sich aus deren Angaben im Verfahren. Die Feststellung, dass die BF mehrere Alias-Identitäten angegeben hat, ergibt sich aus einer Einsicht in den Asylakt der BF.

Die Feststellung hinsichtlich der Antragstellung auf internationalen Schutz sowie der Abweisung durch das BVwG ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt sowie dem Asylakt der BF.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zur mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit der BF fußen auf dem Umstand, dass die BF zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft im Bundesgebiet keiner geregelten Beschäftigung nachging und in Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme selbst angab, sämtliche finanzielle Mittel von ihrer Mutter zu erhalten.

Dass die Tochter der BF, die Tante sowie die Mutter und dessen Ehemann sich im Bundesgebiet aufhalten, ergibt sich einerseits aus dem Verwaltungsakt der BF und andererseits aus dem Verwaltungsakt der Tochter. Die Feststellung, dass die Obsorge der Tochter deren Großmutter zukommt, ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.06.2020.

Dass die BF unter Missachtung der österreichischen Meldebestimmungen unrechtmäßig Wohnsitz an einer unbekannten Adresse im Bundesgebiet bezogen hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass die BF an der von ihr angegeben Wohnadresse am 29.07.2020 nicht angetroffen werden konnte und die Unterkunft zu diesem Zeitpunkt bereits ein Monat leer stand. Bis 07.10.2019 verfügte die BF, wie aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich, über keine aufrechte Meldung, gab jedoch an, bei Familienmitgliedern untergekommen zu sein.

Dass die BF auch am 07.01.2020 nicht an der von ihr angegebenen Wohnadresse angetroffen werden konnte und die Wohnung seit etwa drei Monaten unbewohnt war, ergibt sich aus dem Bericht der LPD und den Wahrnehmungen der Beamten, die die nachbarschaftliche Befragung durchführten.

Die Tatsache, dass die BF zu mehreren Einvernahmen (unentschuldigt) nicht erschien und somit für die Behörde nicht greifbar war, ergibt sich aus den Aktenvermerken des BFA vom 03.01.2020 sowie vom 07.01.2020 und der Tatsache, dass die Ladung für den 13.01.2020 mangels Kenntnis des Aufenthaltsortes nicht übergeben werden konnte.

Die Feststellung, dass der Aufenthaltsort der BF nach dem 15.01.2020 nur durch Amtshilfeersuchen festgestellt werden konnte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des BFA sowie aus dem darin einliegenden E-Mail-Verkehr mit dem Kindergarten und der Gemeinde XXXX . Dass die BF einer Aufforderung, sich beim Rathaus einzufinden, nicht nachkam, ergibt sich aus einem E-Mail der zuständigen Sachbearbeiterin vom 12.02.2020.

Dass die BF nicht vertrauenswürdig ist ergibt sich aus der Tatsache, dass zum einen bereits mehrfach ihre Absicht äußerte, freiwillig in die Mongolei zurückzukehren, ihren Antrag aber wieder zurückzog und nach wie vor im Bundesgebiet verharrt. Zum anderen übertrug sie die alleinige Obsorge ihrer Tochter an ihre Mutter, die Tochter wohnte aber trotzdem immer wieder bei der BF und wurde von dieser in den Kindergarten gebracht und wieder abgeholt. Es erscheint, dass die BF alles versucht, um ihren Aufenthaltsort im Bundesgebiet zu verlängern und den Aufenthalt ihrer Tochter im Bundesgebiet zu sichern. Dies ergibt sich auch daraus, dass die BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.05.2020 fragte: „Wieso geben sie mir nicht einfach ein Visum? Ich habe doch gar nichts gemacht.“ Eine solche Aussage spricht nicht für die immer wieder betonte Bereitschaft, das Bundesgebiet zu verlassen. Darüber hinaus erklärte die BF in eben derselben Einvernahme, dass sie geglaubt habe, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, wenn sie fünf Jahre in Österreich sei.

Dass dem BFA ein abgelaufenes HRZ vorliegt, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.

Hinweise auf schwerwiegende, gesundheitliche Probleme der BF, sowie eine mögliche Haftunfähigkeit sind nicht hervorgekommen. Dass die BF Magenprobleme hatte, ergibt sich aus den eingebrachten ärztlichen Befunden und den Aussagen der BF in den Einvernahmen. Die BF wurde jedoch für haftfähig erklärt.

Dass die BF am 02.06.2020 aus der Schubhaft in ein gelinderes Mittel entlassen worden ist, ergibt sich sowohl aus dem Entlassungsschein als auch der Einvernahme vom 02.06.2020 sowie dem Bescheid vom 02.06.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

§ 77 Gelinderes Mittel:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

3.2 Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3 Die BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sie ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Sie ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte, weshalb die Anordnung der Schubhaft über die BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.4 Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Ausstellung eines HRZ sowie einer Flugmöglichkeit und somit Abschiebung innerhalb der Höchstdauer der Schubhaft von 18 Monaten war zu rechnen, da dem BFA bereits ein abgelaufenes HRZ vorlag und somit mit der raschen Ausstellung eines neuen HRZ gerechnet werden konnte.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht entsprechend den Ausführungen der belangten Behörde von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die BF behinderte schon einmal eine bereits geplante Abschiebung, in dem sie trotz behördlicher Meldung nicht mehr an ihrem Wohnsitz unterkam und untertauchte. Sie war für die Behörde mehrere Monate nicht greifbar und verfügte über keine Meldung im Bundesgebiet. Zudem erschien die BF des Öfteren nicht zu Einvernahmen und kam Aufforderungen, zu Terminen oder Institutionen zu erscheinen, nicht nach. Der Aufenthalt der BF konnte lediglich durch Amtshilfeersuchen eruiert werden. Wenn im Rahmen der Beschwerdeschrift behauptet wird, die BF habe seit dem 07.10.2019 stets an derselben Adresse gewohnt und sich somit der Behörde nicht entzogen, ist zum einen unverständlich, warum Nachbarn ausgesagt habe, dass die Wohnung seit drei Monaten unbewohnt sei. Zum anderen ist unerklärlich, dass die BF einer einfachen Aufforderung, sich im Rathaus zu melden oder zu einer Einvernahme zu kommen, nicht nachgekommen ist. Es ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, warum sie einen Ladungsbescheid vom 17.12.2019 erst am 03.01.2020 abholen kann, wenn sie – wie behauptet – stets an der von ihr bekannt gegebenen Meldeadresse anzutreffen war. Die BF behinderte damit die Rückkehr bzw. die Abschiebung und versuchte ihren Aufenthalt im Bundesgebiet mit allen Mitteln zu verlängern.

Bei der Beurteilung ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG ebenso zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen die BF eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und sie darüber hinaus weitere Tatbestände des § 76 Abs. 3. erfüllt hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Die BF verfügt zwar über eine Tochter im Bundesgebiet, die Obsorge für diese wurde jedoch der Großmutter übertragen. Einer Erwerbstätigkeit ging die BF nicht nach, außerdem war sie – wie sie selbst stets betonte – mittellos. Des Weiteren verfügte die BF im Laufe des letzten Jahres, wie bereits erläutert, über längere Zeiträume über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und war für die Behörde nicht greifbar.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten der BF vor Anordnung der Schubhaft sowie ihre familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.

In Zusammenschau der Umstände ist die Behörde berechtigterweise von einer Fluchtgefahr, die die Verhängung einer Schubhaft rechtfertigt, ausgegangen.

3.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse der Betroffenen an der Schonung ihrer persönlichen Freiheit abzuwägen.

Die BF tauchte immer wieder unter, entzog sich dem Zugriff der Behörde, verletzte ihre Meldeverpflichtung, verfügte über mehrere Monate keinen gesicherten Wohnsitz und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Aufgrund der Übertragung der Obsorge der Tochter an die Großmutter und der immer wieder von Seiten der BF betonten Möglichkeit, über Internet und soziale Medien Kontakt zu halten, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Interessen der BF größer waren als die Sicherung der Aufenthaltsbeendigung, zumal die BF bereits seit über einem Jahr beharrlich im Bundesgebiet verweilte und den Antrag auf freiwillige Rückkehr zurückzog.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen der BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Die BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie die sie treffenden Verpflichtungen nicht einhält.

Die angeordnete Schubhaft erfüllte daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Auf Grund des von der BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass die BF gegen ihre Meldeverpflichtung verstoßen hat, über mehrere Monate keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet hatte, trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet verharrte und sich mehrmals und auf verschiedene Art und Weise dem Zugriff der Behörde entzog – war mit einem gelinderen Mittel iSd § 77 FPG nicht das Auslangen zu finden. Darüber hinaus war das Familienleben der BF durch die übertragene Obsorge erheblich gemindert und hätte die BF nicht von einem neuerlichen Untertauchen abhalten können. Auch war eine berufliche Verankerung der BF im Bundesgebiet nicht gegeben. Daher ließ die finanzielle Situation der BF die Hinterlegung einer angemessenen, finanziellen Sicherheit beim BFA nicht zu.

Aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft mit den Behörden und der Verletzung ihrer Meldeverpflichtung sowie dem Nichterscheinen vor Behörden hat sich die BF als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Die Möglichkeit der Auferlegung von im § 77 Abs. 3 vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten erscheint dem erkennenden Gericht vor dem Hintergrund des durch das bisherige Verhalten der BF begründeten konkreten Risikos des Abtauchens ihrer Person kein probates Sicherungsmittel zu sein.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung der BF zu gewährleisten.

Sobald die BF sich kooperativ und vertrauenswürdig zeigte, Dokumente zur Erlangung eines HRZ ausfüllte und eine freiwillige Rückkehr beantragte, wurde sie aus der Schubhaft entlassen und über sie das gelindere Mittel der periodischen Meldeverpflichtung verhängt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme der BF konnte daher unterbleiben.

Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte II. und III. – Kostenersatz

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Der BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr freiwillige Ausreise gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Identität Interessenabwägung Kooperation Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Meldeverstoß Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2232986.1.00

Im RIS seit

01.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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